Haydns Cembalo- und Klaviersonaten - Versuch einer Rehabilitation

  • Von Zeit zu Zeit ist es notwendig, alte Themen neu aufzugreifen, es gibt zahlreiche Neueinspielungen, zahlreiche Neumitglieder und die alten Threads sind unübersichtlich geworden. Vielleicht hat aber der eine oder andere auch seine Meinung zum Thema geändert.
    Daher dieser neue Thread zu Haydns Klaviersonaten.
    Gelegentlich werden sie als "belanglos" eingestuft und hier wird dann besonders auf Beethoven hingewiesen.
    Haydns Klaviersonaten - Belanglose Musik ?


    Um diese Frage vorurteilsfrei beantworten zu können, muß man sich die Aufgabe vor Augen halten, welche diese Stücke erfüllten, und das Publikum, für welches sie gedacht waren. Außerdem müssen wir zwischen den früheren und späteren Sonaten trennen. Und dann kommt noch das Instrument hinzu.
    Haydns frühe Sonaten waren eindeutig für das Cembalo konzipiert und entwickeln dort auch ihre volle Wirkung - was bei Interpretationen am modernen Flügel nur durch raffinierte Kunstkniffe - wenn überhaupt - möglich ist.Aber vermutlich wird es hier auch Gegenstimmen geben.
    Der an Beethoven orientierte Hörer wird vor allem die frühen Sonaten als belanglos abtun, was aber historisch gesehen nicht zulässig ist.


    Vor einigen Jahren habe ich die Gesamtaufnahme aller Haydn-Klaviersonaten mit Christine Schornsheim erworben, und den Fehler gemacht, an versschiedenen Stellen "schnell hineinzuhören". Ich langweilte mich tödlich.


    Heute jedoch höre ich CD 1 (von 14 !!!) dieser Gesamtaufnahme mit Genuss (Sonaten Nr 1-2-3-4-6-7-28).


    Diese frühen Sonaten wurden von Haydn teilweise noch als "Divertimenti" bezeichnet, was ja bekanntlich "Vergnügen" bedeutet.
    Das war um 1766, da war Mozart grade erst mal 10 und Beethoven noch nicht mal geboren. Auch wenn das wie eine Binsenweisheit anmutet, sollte man sich das stets vor Augen halten, allzuleicht rutscht es ins Unterbewusstsein und verzerrt so den Blick aufs Ganze.
    Christine Schornsheim hat für diese und einige weitere frühe Sonaren ein doppelmanualigesn Cembalo mit Zusatzstimme "Laute" gewählt, einen historischen Nachbau, durch William Dowd und Reinhard von Nagel realisiert, welche sich vor allem darauf spezialisiert haben den KLANG alter Cembali so historisch korrekt wie nur möglich nachzubauen.
    Man sollten bei aller Freude an den ersten Cembalosonaten Haydns, nicht in den Fehler verfallen, sofort mit den nächsten Sonaten fortzusetzen- Dies führte mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer gewissen Übermüdung des Hörers und indirekt somit zur Abwertung und Unterschätzung dieser kleinen Schmuckstücke - und das wäre doch schade....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Vor einigen Jahren habe (...) den Fehler gemacht, an versschiedenen Stellen "schnell hineinzuhören". Ich langweilte mich tödlich.

    (Die Auslassungszeichen im Zitat sind von mir!)


    Da kann ich durchaus mitreden: Die Langeweile, die beim erstmaligen Hören von Haydns Klaviersonaten in mir hochkam, war für lange Jahre hinsichtlich weiteren Musikgenusses dieser Werke "tödlich". Ich schicke aber gleich den Satz hinterher, daß sich das im Laufe der Jahre grundlegend geändert hat.


    In die Strukturen der Sonaten habe ich mich nicht vertieft, kann aber die Meinung nachvollziehen, daß die ersten Kompositionen für Cembalo gedacht waren. Allerdings kenne ich nur eine einzige Einspielung (die mir übrigens auch genügt), und das ist diese hier, bei mir aber noch in der Teldec-Box:


    Ich finde, daß Rudolf Buchbinder, der noch immer zu meinen Lieblings-Pianisten gehört, Haydns Musik dem Hörer sehr gut mitteilt. Da kann ich zum Beispiel die Interpretation aus der "Rückschau", also aus der Zeit Beethovens etwa (in Alfreds Beitrag als "historisch unzulässig" bezeichnet), nicht wahrnehmen.


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Bevor man sich mit den Klaviersonaten Haydns beschäftigt, sollte man sich vorher gründlich in andere Musik Haydns, bspw. in die Streichquartette, reingehört haben. Die meisten Sonaten könnte man nämlich durchaus als karg bezeichnen - ich las einmal einen Vergleich mit Röntgenaufnahmen. Für das beethovensch geeichte Ohr gibt es da wenig um sich anzuhalten. Andereseits könnte man sich zunächst auf einige wenige Sonaten beschränken, die wesentlich zugänglicher sind als die Mehrzahl, bspw. die h-moll Sonate oder die letzten vier.

  • Ich glaube nicht daß das prinzipiell das Problem löst. Haydns Streichquartette sind zwar bei Klassikspezialisten als hochwertig anerkannt, aber ob sie in Sachen Beliebtheit mehrheitsfähigkeit sind, das wäre in Thema, welches zu untersuchen wäre - und zwar generell - hier im Forum weiß ich die Antwort ohnedies.
    Bei den Klavier- respective Cembalosonaten ist es ja nicht so, daß sie so komplex wären, daß sie sperrig oder spröde wären. Indes sie sind - von Ausnahmen mal abgesehen für den Klassik-Durchschnittshörer nicht "prägnant" genug.
    Ich bin soeben dabei, zu analysieren WARUM das so ist, liegt es am Instrument, an der oft eher routinierten Wiedergabe eines Pianisten, der Haydns Sonaten zwar vertragsbedingt spielen muß - oder DARF - weil sich die Plattenindustrie in der Illusion wiegt, ein großer Name würde eine Serie eher unbekannter Sonaten aufwerten - aber der in Wahrheit diese Werke auch nicht mag.


    Ich werde in den nächsten Wochen bis Monaten allmählich alle Haydn Sonaten hören - und zwar in (vermuteter) chronologischer Reihenfolge. Dabei werde ich darauf achten ob mir die eine oder andere Sonate auffällt.


    Heute habe ich mir als Kontrast zur Schornsheim- Aufnahme einige der frühen Sonaten auf modernem Flügel angehört. (Walter Olbertz - Analogaufnahmen aus den Jahren 1973-1978).
    Ich möchte hier (noch) kein Pauschalurteil über diese Gesamtaufnahme abgeben, jedoch die frühen Sonaten klingen hier - verglichen mit Schornsteins Aufnahmen am Nachbau eines historischen Cembalo - eher belanglos. Es fehlt das Perlende, spritzige, der erste Satz von Hob XVI:1 klingt in meinen Ohren gehetzt, was bei gleichem Tempo am Cembalo silbrig perlend geklungen hätte - wenn solch ein Tempo am Cembalo überhaupt realisierbar wäre. (??)
    Um es geradeheraus zu sagen: Hier wird offenbar, dass es sich eben bei Joseph Haydns frühen Werken dieser Gattung eben doch EXPLIZIT um Sonaten für Cembalo handelt - ein moderner Flügel hat hier das Nachsehen....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Ich hätte, obwohl in den 1760ern, sogar noch in den 1780ern gewiss unterschiedliche Instrumente, Cembalo, Hammerklavier und Clavichord verwendet wurden, bei Schornsheim das Hammerklavier bevorzugt. Die Clavichord-CD gefällt mir nicht, u.a. wegen des Klangs. Zwar funktionieren einige der Sonaten auch gut auf dem Cembalo, zumal in solch lebhaften und fantasievollen Interpretationen, aber in einigen Fällen kann ich Schornsheims Instrumentenwahl schwer nachvollziehen. So wirkt der langsame Satz der Sonate 23 (Track 2 auf CD 5), ein Stück, das manchmal mit dem Adagio aus Mozarts Konzert KV 488 verglichen wird, auf dem Cembalo für mich klimprig und prosaisch. Dagegen ist der Cembalo-Klang in etlichen schnellen Sätzen brillanter als die alten Hammerflügel und Schornsheim nutzt manchmal die Register für zusätzliche Farbwerte. Ich habe die Box kurz nach Erscheinen, als sie sehr preiswert (20-25 EUR) war, gekauft, und finde sie auch zum aktuellen Preis noch empfehlenswert. Brautigams BIS-Aufnahmen gab es auch in einer günstigen Box, der spielt, soviel ich weiß, durchweg auf Hammerflügel (ich habe davon nur eine Einzel-CD).


    Dass es sich bei den Sonaten nicht um eine einigermaßen systematische Werkreihe wie mindestens teilweise bei Haydns Quartetten oder Beethovens Sonaten handelt, ist m.E offensichtlich. Die Stücke wurden über ca. 35 Jahre für ganz unterschiedliche Anlässe und mit durchaus unterschiedlichem Anspruch komponiert. Zumindest einige der späten Sonaten sind allerdings schon seit Jahrzehnten kein Randrepertoire mehr (Horowitz hat die letzte in Es-Dur schon in den 1930ern eingespielt). Und nicht nur die die frühen Divertimenti und die Werke unsicherer Autorschaft werden wohl nie etwas anderes werden als ein Randgebiet.


    Ergänzung: Dazu kommt, dass zB auf den ersten drei CDs der Schornsheim-Box etwa ein Drittel der Werke von zweifelhafter Autorschaft sind. Wenn dort steht "Echtheit von Haydn 1803 bestätigt" lese ich das eher so, dass die Herausgeben ungeachtet dessen skeptisch sind. Mit Recht, denn ca. 1803 hat Haydn auch die Quartette op.3, die sehr wahrscheinlich nicht von ihm stammen, anerkannt.

    Struck by the sounds before the sun,
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    (Bob Dylan)

  • Es ist sicher en Seitenthema - aber ein interessantes - und in gewisser Weise doch dazugehörendes, wenn hier über die Authentizität gewisser Haydnsonaten diskutiert wird. Ungeachtet dessen was ich persönlich glaube, werde ich eine von Haydn als von ihm komponiert als solche bezeichnen - solange es keine Gegenbeweise gibt.
    Tatsache ist, daß Haydn nicht mehr an einer Aufarbeitung seines Werkverzeichnisses interessiert war. Er hat sich in seiner aktiven Zeit stets darüber geärgert, wenn fremde Werke unter seinem Namen gedruckt wurden - aber auch wenn seine Werke fremden Komponisten zu geordnet wurden. Im ersten Fall fürchtete er um seine Reputation, im zweiten um die ihm zustehenden Einnahmen. Im Alter jedoch war ihm das egal, weil sowieso kein Geld aus seinen alten Kompositionen zu holen war. Irgendwo wurde Haydn eine gewisse Unwilligkeit oder aber auch Bosheit nachgesagt in Bezug auf die Mithilfe bei der Ermittlung der Autorenschaft seiner Werke. Es wird vermutet, daß er hier manches bewusst boykottiert hat....
    Ich werde mich ferner über die bei Schornsheim ausgewählten Instrumente äussern - oft im Vergleich mit anderen Aufnahmen, deren mir eine relativ breite Palette zur Verfügung steht.
    Interessant aber auch, das einige dieser Sonaten auf ganz bestimmten, bereits existierenden Quellen fußen.....
    So gewinnen Haydns Klaviersonaten nach und nach an Profil.......


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich glaube nicht daß das prinzipiell das Problem löst. Haydns Streichquartette sind zwar bei Klassikspezialisten als hochwertig anerkannt, aber ob sie in Sachen Beliebtheit mehrheitsfähigkeit sind, das wäre in Thema, welches zu untersuchen wäre - und zwar generell - hier im Forum weiß ich die Antwort ohnedies.
    Bei den Klavier- respective Cembalosonaten ist es ja nicht so, daß sie so komplex wären, daß sie sperrig oder spröde wären. Indes sie sind - von Ausnahmen mal abgesehen für den Klassik-Durchschnittshörer nicht "prägnant" genug.
    Ich bin soeben dabei, zu analysieren WARUM das so ist, liegt es am Instrument, an der oft eher routinierten Wiedergabe eines Pianisten, der Haydns Sonaten zwar vertragsbedingt spielen muß - oder DARF - weil sich die Plattenindustrie in der Illusion wiegt, ein großer Name würde eine Serie eher unbekannter Sonaten aufwerten - aber der in Wahrheit diese Werke auch nicht mag.

    Ist "nicht prägnant genug" und "sperrig" nicht oft dasselbe? Das Sperrige bei Haydn ergibt sich nicht durch einen Mangel an markanten melodischen Einfällen, sondern an der gnadenlosen motivischen Verarbeitung und thematischen Arbeit. Kaum hört man eine hinreißend schöne Stelle, ist sie schon wieder vorbei. Das gilt bei Haydn für alle Genres und alle Schaffensperioden, aber besonders für die Klaviermusik - ein Paradebeispiel wären hier vielleicht die f-moll Variationen für Klavier. Für den "ungeübten" Haydnhörer bedeutet das, dass es wenig gibt an dem man sich orientieren bzw. festhalten kann. Je länger man sich mit Haydn beschäftigt desto mehr stellt sich diese Eigenheit aber als Haydns größte Stärke heraus. Inzwischen sind für mich die Klaviersonaten Haydns eine ganz wichtige Werkgruppe geworden, die ich sehr oft und mit großem Gewinn hören kann. Ob diese Sonaten jemals populär werden, darf bezweifelt werden. Es gibt allerdings zahllose Aufnahmen, man muss also nicht darben.


    Die Streichquartette Haydns sind, denke ich, durchaus populär. Nicht nur, dass es die am öftesten eingespielten Werke Haydns sind, man hört sie auch sehr oft im Konzert.

    Ich werde in den nächsten Wochen bis Monaten allmählich alle Haydn Sonaten hören - und zwar in (vermuteter) chronologischer Reihenfolge. Dabei werde ich darauf achten ob mir die eine oder andere Sonate auffällt.

    Ich würde eher empfehlen mit den späten anzufangen und sich nach hinten zu arbeiten. Man sollte es sich nicht schwerer machen als nötig.


    Heute habe ich mir als Kontrast zur Schornsheim- Aufnahme einige der frühen Sonaten auf modernem Flügel angehört. (Walter Olbertz - Analogaufnahmen aus den Jahren 1973-1978).
    Ich möchte hier (noch) kein Pauschalurteil über diese Gesamtaufnahme abgeben, jedoch die frühen Sonaten klingen hier - verglichen mit Schornsteins Aufnahmen am Nachbau eines historischen Cembalo - eher belanglos. Es fehlt das Perlende, spritzige, der erste Satz von Hob XVI:1 klingt in meinen Ohren gehetzt, was bei gleichem Tempo am Cembalo silbrig perlend geklungen hätte - wenn solch ein Tempo am Cembalo überhaupt realisierbar wäre. (??)
    Um es geradeheraus zu sagen: Hier wird offenbar, dass es sich eben bei Joseph Haydns frühen Werken dieser Gattung eben doch EXPLIZIT um Sonaten für Cembalo handelt - ein moderner Flügel hat hier das Nachsehen....

    Ich habe viele Aunahmen, aber sehr empfehlenswert finde ich die Klavieraufnahmen von Jenö Jandó bei Naxos - preiswert und qualitativ hervorragend.

  • Wie gesagt, auf den ersten drei Scheiben Schornsheims ist ein gut Teil der Werke strittiger Autorschaft. Natürlich muss das kein Qualitätsurteil sein, aber es zeigt m.E. doch, dass es sich hier weitgehend um Früh- und Nebenwerke handelt, über die der alte Haydn selbst den Überblick verloren hatte und die um 1800 kaum mehr interessiert hätten, wenn Haydn nicht der berühmteste Komponist gewesen und Pleyel u.a. Werkausgaben ediert hätten. An denen den Stellenwert der Werkgruppe festzumachen, wäre beinahe so als wenn man bei Beethoven op.49 als Musterbeispiel auswählen würde.
    Es ist sicher auch eine andere Form von "Uneinprägsamkeit", die einige dieser Frühwerke kennzeichnet als die, die man vielleicht? in den späten Werken wie den f-moll-Variationen (bei denen ich das eigentlich nicht nachvollziehen kann) findet. Das ist ja auch eines der meisteingespielten Werke. Es gibt schon einen parallelen thread (evtl. noch mehr, was ich gerade nicht finde).


    Bei den 10-20 bekanntesten Sonaten habe ich inzwischen nicht mehr den Eindruck, dass sie eine besondere Verteidigung benötigten. Die c-moll-Sonate Hob. 16:20 und die drei späten in Es-Dur (49, 52) und C-Dur (50) dürften häufiger aufgeführt/aufgenommen werden als, zB Schumanns oder Brahms' 2. Sonate oder irgendeine der Mendelssohn-Sonaten. Erst kürzlich hat Hamelin zwei Doppel-CDs mit einer Auswahl eingespielt und Bavouzet eine Gesamteinspielung? begonnen, beides Pianisten, die zunächst mit völlig anderem Repertoire bekannt geworden sind. Auch andere jüngere Pianisten wie Ragna Schirmer, Lars Vogt u.a. haben relativ früh in ihrer Karriere eine Auswahl der Sonaten eingespielt.

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  • Es ist sicher auch eine andere Form von "Uneinprägsamkeit", die einige dieser Frühwerke kennzeichnet als die, die man vielleicht? in den späten Werken wie den f-moll-Variationen (bei denen ich das eigentlich nicht nachvollziehen kann) findet. Das ist ja auch eines der meisteingespielten Werke. Es gibt schon einen parallelen thread (evtl. noch mehr, was ich gerade nicht finde).

    Dem könnte ich entgegenhalten, dass du wohl kaum ein "ungeübter Haydnhörer" bist ;) . Ich denke schon, dass die Haydn'sche Eigenart, bei schönen Momenten nicht zu verweilen, hier klar erkennbar ist (klar, Variationen sind per se konzise, aber Haydn setzt noch eins drauf). Ich müsste noch einmal genau reinhören, um zu sagen welche Variationen des Sets ich genau meine.

    re Verteidigung benötigten. Die c-moll-Sonate Hob. 16:20 und die drei späten in Es-Dur (49, 52) und C-Dur (50) dürften häufiger aufgeführt/aufgenommen werden als, zB Schumanns oder Brahms' 2. Sonate oder irgendeine der Mendelssohn-Sonaten. Erst kürzlich hat Hamelin zwei Doppel-CDs mit einer Auswahl eingespielt und Bavouzet eine Gesamteinspielung? begonnen, beides Pianisten, die zunächst mit völlig anderem Repertoire bekannt geworden sind. Auch andere jüngere Pianisten wie Ragna Schirmer, Lars Vogt u.a. haben relativ früh in ihrer Karriere eine Auswahl der Sonaten eingespielt.

    Ja klar, habe ich auch geschrieben. Allerdings wird man die Sonaten vergleichsweise selten im Konzert hören. Dass Brahmsens und Mendelssohns Sonaten, die ja allesamt Frühwerke sind, nicht so poulär sind, lässt sich schon mit ihrer vergleichsweise geringeren Bedeutung gegenüber dem jeweiligen übrigen Klavierwerk erklären. Dass Mendelssohns Fis-Moll Fantasie, die ja auch eine Sonate ist, so wenig gespielt wird (auch auf Mendelssohn-Anthologien selten zu finden) verstehe ich allerdings nicht ganz.

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  • Bevor ich mich weiter mit diesem - kurzen aber interessanten - Thread und seinen Werken näher befasse, möchte ich eine Satz herausgreifen:

    Zitat

    Ist "nicht prägnant genug" und "sperrig" nicht oft dasselbe?


    Eigenartigerweise würde ich das verneinen. Vielleicht ist meine Definition aber auch falsch (?)


    Unter "Sperrig" würde ich "unliebenswürdige" Musik verstehen , deren Qualitäten sich (vielleicht !!) bei oftmaligem Hören offenbaren (so man überhaupt dazu bereit ist)


    "Nicht prägnant genug" - könnte man eher mit "belanglos" umschreiben.
    Wer kennt das nicht ? - man hört eine Aufnahme von gefällig klingenden Werken - und wenn man sie sich 3 Tage später ins Gedächtnis zurückrufen will - dann ist nichts - aber auch gar nichts hängengeblieben - es hat nicht mal zum Ohrwurmeffekt gereicht....


    Letzteren Mangel könnte man teilweise bei Haydns FRÜHEN Klaviersonaten finden. Vielleicht hilft aber auch hier oftmaligers Hören.


    Haydn war in der Tat an seinen Frühwerken wenig bis überhaupt nicht interessiert, vor allem deswegen nicht, weil er daran nichts mehr verdienen konnte - denn er war im Gegensatz zu zahlreichen anderen ein durchaus merkantil veranlagter Komponist, der durchaus mit Tricks arbeitete um sein Einkommen zu verbessern - aber das sollte allenfalls in einem Thread mit Namen "Wer war denn eigentlich dieser Joseph Haydn" erörtert werden. Ich werde morgen nachsehen ob es schon sowas im Forum gibt.......


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Eigenartigerweise würde ich das verneinen. Vielleicht ist meine Definition aber auch falsch (?)


    Unter "Sperrig" würde ich "unliebenswürdige" Musik verstehen , deren Qualitäten sich (vielleicht !!) bei oftmaligem Hören offenbaren (so man überhaupt dazu bereit ist)


    "Nicht prägnant genug" - könnte man eher mit "belanglos" umschreiben.
    Wer kennt das nicht ? - man hört eine Aufnahme von gefällig klingenden Werken - und wenn man sie sich 3 Tage später ins Gedächtnis zurückrufen will - dann ist nichts - aber auch gar nichts hängengeblieben - es hat nicht mal zum Ohrwurmeffekt gereicht....


    Du hast schon recht, dass die Begriffe nicht deckungsgleich sind! Was ich meinte war, dass "sperrig" meist solche Kompositionen sind, welche komplex bzw. kompliziert aber nicht mit einem markanten Thema oder gar einer erkennbaren Melodie gepaart sind (meist, weil es sich "einfach nicht ausgeht", das alles unter einen Hut zu bringen). Natürlich gibt es auch komplexe Kompositionen mit mitreißenden Themen, aber die sind dann eben nicht sperrig. Bei Haydns Sonaten ist es so, dass sie gute Themen haben, aber die verschwinden recht schnell wieder und das Hauptgewicht liegt nicht auf dem Sinnlich-melodischen.

  • Ich habe mir diesen Thread zum Anlaß genommen, mich in chronologischer Reihenfolge nach und nach in die Haydnschen Klaviersonaten einzuhören. Dazu soll mir die Gesamteinspielung von Rudolf Buchbinder aus den 70er dienen. Weit bin ich heute morgen zwar noch nicht gekommen, aber ein für den ersten Eindruck hat es schonmal gereicht - und der war zum Glück mitnichten der 'tödlicher Langeweile'. :)


    Die allerersten Sonaten muten über weite Strecken zwar durchaus an wie weitgehend farbenreines, tonleiterseliges Geklimper, hinter dem zumindest ich keinen immerhin schon Mittdreißiger als Komponisten vermutet hätte. Aber ein erster Schritt zu mehr Substanz und Tiefgang ist meinem Eindruck schon mit der 5. Sonate getan, die schon einiges mehr an kompositorischem Fleisch auf den Knochen hat als ihre Vorgänger.


    Auch meinte ich verschiedentlich tatsächlich noch das Cembalo aus der Komposition hören zu können. Dazu habe ich eine Frage an die versammelten Experten: :)
    lässt sich eine Grenze ziehen, ab wo Haydn ausdrücklich für das Hammerklavier komponiert hat? Oder war dem Interpreten damals freigestellt, welchem Instrument er den Vorzug gab bzw. das zu nehmen, was gerade verfügbar war?

  • Die Grenze lässt sich wohl nur schwer ziehen. Tatsache ist, dass bis 1800 das Cembalo (und fürs häusliche Musizieren auch Clavichord) noch weit verbreitet war und viele dieser Werke zuweilen auch auf solchen Instrumenten gespielt wurden.


    Ungeachtet der eindeutigen dynamischen Bezeichnungen, die ein Cembalo ganz unangemessen scheinen lassen, hat noch ein Werk wie Beethovens op.13 "Pathetique" (ca. 1798) "pour le clavecin ou pianoforte" auf dem Titelblatt (s.u.). Cembali waren anfangs weit klangstärker als die frühen Hammerflügel und durch gewisse Tricks (unterschiedliche Manuale, Registerzüge) war auch Dynamik, freilich mehr eine "Terassendynamik" möglich. Schornsheim teilt in ihrer Aufnahme Sonaten, die unter einer Opusnummer (13 und 14, etwa bis 1775 komponiert) publiziert wurden, zwischen Cembalo und Hammerflügel auf (bei mindestens einer Sonate bedauere ich die Verwendung des Cembalos, nämlich F-Dur Hob.16:23 mit einem sehr schönen langsamen Satz). Für perkussive und spritzige schnelle Sätze gefällt mir das Cembalo recht gut, aber bei manchen langsamen Sätzen scheint das Hammerklavier sehr viel angemessener.
    Alle Sonaten ab Ende der 1770er (ca. Hob.16:35, aber die Nummern sind teils verkehrt und geben keine genaue Chronologie an) spielt sie auf Hammerflügeln.
    Wie gesagt, es wurden ziemlich sicher von 1760 bis 1800 beide Typen von Instrumenten verwendet und noch 1788 schrieb CPE Bach ein Konzert, in dem er Cembalo und Hammerflügel gegenüber stellt (übrigens ein sehr hörenswertes Stück).



    Was das Gewicht der Stücke betrifft, haben besonders die frühen gewiss nicht den Stellenwert wie gleichzeitige Sinfonien (oder Quartette), da meistens für Schüler komponiert (sofern man das überhaupt weiß). Die früheste Sonate, die an etwa gleichzeitige Werke wie die Quartette op.9 oder die g-moll-Sinfonie 39 herankommt, ist wohl Hob.16:46 (bis 1768) in As-Dur. Hier wählt Schornsheim bezeichnenderweise das Hammerklavier. Ebenso wird die berühmteste der frühen/mittleren Sonaten, die c-moll Hob.16:20 (ca. 1771) heute wohl eher selten auf dem Cembalo dargeboten.

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  • Vielen Dank für Deine Ausführungen, Johannes! :) Sowas ähnliches hatte ich fast schon vermutet. Im Gegensatz zu der Titelaufschrift der 'Pathétique' - das ist wirklich erstaunlich...


    Und mit dem Bach-Doppelkonzert ist mein Einkaufszettel auch schon wieder gewachsen, statt endlich mal zu schrumpfen! :pinch: ;)



    Jetzt muß ich nur noch herausfinden, wie Herr Hoboken seine Numerierung angelegt hat, und ob wenigstens die offizielle (?) Zählung der Sonaten ihrer chronologischen Entstehung entspricht. Aber dazu werde ich wohl erstmal das Büchlein in der Buchbinder-Box konsultieren...

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  • Das Verzeichnis spiegelt schon eine chronologische Einordnung, nur eben einen Forschungsstand, der teilweise überholt ist und bei einzelnen Sonaten erheblich revidiert wurde


    Hier gibt es die Hob. und die "Urtext"-Nummern. Wie ich in in dem verlinkten thread schrieb, ist das ziemlich verwirrend, wenn man nicht ständig nachschlagen will. "Mein Verzeichnis hat zu allem Überfluß nicht weniger als 4 Nummern die fortlaufende, die Hob. und je eine der Wiener Ausgabe von Ch. Landon 1964-66 und der Münchner 1972 von G. Feder. Ich merke mir, wenn überhaupt höchstens die Hobokennummern; sonst wird man ja schwindelig."
    Vom CPE-Bach-Doppelkonzert habe ich hier einige CDs verlinkt; günstig lieferbar ist nur die ältere mit Leonhardt (Teldec), die ich jedoch nicht kenne (ich habe MAK "Bachiana" und die Leonhardt/Coll. Aureum).

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  • Das Verzeichnis spiegelt schon eine chronologische Einordnung, nur eben einen Forschungsstand, der teilweise überholt ist und bei einzelnen Sonaten erheblich revidiert wurde


    Hier gibt es die Hob. und die "Urtext"-Nummern. Wie ich in in dem verlinkten thread schrieb, ist das ziemlich verwirrend, wenn man nicht ständig nachschlagen will. "Mein Verzeichnis hat zu allem Überfluß nicht weniger als 4 Nummern die fortlaufende, die Hob. und je eine der Wiener Ausgabe von Ch. Landon 1964-66 und der Münchner 1972 von G. Feder. Ich merke mir, wenn überhaupt höchstens die Hobokennummern; sonst wird man ja schwindelig.


    Au weia... 8| Auch mein Begleitbüchlein hat, kurz gefasst, nicht wirklich mehr hergegeben als 'nichts genaues weiß man nicht'. Schätze, da werde ich mich zumindest, was die Sonaten betrifft, einfach an die fortlaufenden Nummern halten. Komisch finde ich allerdings, daß die Welt das Hoboken-Verzeichnis offenbar für überholt hält, es meinem Eindruck nach aber praktisch immer zur Einordnung heranzieht. Aus dem Gedächtnis fiele mir jedenfalls keine Haydn-Platte von mir ein, wo die Hob.-Nummern fehlten. Wahrscheinlich liegt das einfach am Mangel an tauglichen Alternativen...?


    Ein kurzes Wort zur Authenzität noch: auch in der Buchbinder-Ausgabe sind die Klaviersonaten Nr. 17 und 18 als Sonaten unsicherer Urheberschaft angegeben und im Hoboken-Verzeichnis wohl auch nicht enthalten (wenn ich "Hob. deest." nicht falsch deute).



    Und vielen Dank für die Bach-Einkaufstips, Johannes - ich werde mich zu gegebener Zeit mal nach einer Einspielung umsehen... :hello:

  • Die Nummern im Verzeichnis sind eindeutig, das reicht für die meisten Zwecke aus. Da historische Musikwissenschaft eine Wissenschaft ist, ist es ein ganz normaler Vorgang, dass chronologische Einordnungen oder sogar Komponistenzuordnungen ab und zu mal revidiert werden. Das schmälert auch keineswegs das Verdienst derjenigen, die sich als erste an die Arbeit eines Werkverzeichnissses gemacht haben. Ich vermute auch, dass sich Hoboken oft an bereits bestehende Nummerierungen gehalten hat. Bei den Sinfonien übernimmt er normalerweise die von Mandyczewski aus dem späten 19. Jhd. Es gibt für die Sinfonien inzwischen eine revidierte Reihenfolge nach Huss.


    "deest" ("es fehlt") heißt erst einmal nur, dass das Werk nicht im Verzeichnis auftaucht, über seine Autorschaft ist damit noch nichts gesagt. Oft wurde es erst später entdeckt. Inzwischen als nicht von Haydn stammend angesehene Werke werden nicht aus dem Verzeichnis verbannt, sondern kommen ggf. in einen Anhang und es wird vermerkt, dass Haydn wohl nicht der Autor ist und natürlich auch der Autor, sofern bekannt oder begründet vermutet, angegeben.
    Aber die Nummerierung wird nicht revidiert. Die Streichquartette, die wegen der Veröffentlichungen in Sechsergruppen insgesamt sehr zuverlässig geordnet sind, haben eine Verschiebung, weil aus op. 1 und 2 drei Werke ausgeschieden wurden (zwar von Haydn, aber keine Quartette, sondern "Reduktionen" von Divertimenti bzw. einer Sinfonie), dafür eines "Nr. 0" hinzugefügt, und die 6 Werke op.3 als nicht authentisch (sondern von Romanus Hoffstetter) befunden wurden. Überdies werden die "7 letzten Worte" als 7 Werke (Hob.III: 50-56) gezählt, was bizarr ist. Denn es ist ein Werk mit 9 Sätzen, nämlich ein Präludium und ein kurzes Terremoto (Erdbeben nach Christi Tod) und für jedes Wort ein Satz. (Und das Stück gehörte als Ganzes eigentlich vor op.50 (Hob.III:44-49). Die oft zu lesende Zahl von 83 Streichquartetten Haydns ist daher irreführend: Es gibt ohne die Arrangements und mit #0 10 frühe Divertimenti, dann Sechsergruppen opp.9, 17, 20, 33, 50, 54/55, 64, 71/74, 76, sowie das Einzelwerk op. 42, zwei op.77 und das zweisätzige Fragment op.103. Also 10+57+ das Fragment.

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  • Sodele, auf meiner Reise durch die Haydn'schen Klaviersonaten kann ich Halbzeit vermelden. :) Will sagen: die erste der beiden Buchbinder-Boxen habe ich im Laufe der letzten Wochen durchgehört. Üblicherweise habe ich mir von Haydn dabei den morgendlichen Weg zur Arbeit versüßen lassen. Zeit also für ein kleines Zwischenfazit:


    sicherlich kann auch ich für mich zunächst festhalten, daß es ohne Frage nötig war, mich vom Beethoven-geprägten Bild der Klaviersonate zu lösen, um Haydns Werke richtig wertschätzen zu können. Das gilt natürlich insbesondere für die als Übungsstücke angelegten Sonaten, aber auch die anderen sind von der Bekenntnismusik Beethoven'schen Zuschnitts deutlich entfernt, sondern deutlich mehr auf künstlerische und kreative Aspekte konzentriert. Auch diese Regel hat natürlich Ausnahmen, und Ausdruckskraft wie emotionale Tiefe scheinen mir im Laufe der Jahre auch bei Haydn zugenommen zu haben, aber im Grunde bleiben seine Sonaten doch ihrem Wesen als reine Kunstmusik verhaftet. In diesem Sinne sind sie also dem Wortsinn nach durchaus belanglos, um das böse Wort noch einmal zu bemühen - was aber mitnichten als Negativurteil gemeint ist.


    Und hat man sich erstmal in die Haydn'schen Sonaten eingehört lässt sich eine Fülle von musikalischen Pretiosen und Schönheiten entdecken. Ich kann es nur noch einmal sagen: von 'tödlicher Langeweile' war ich weit entfernt! Als kleines Hörbeispiel möchte ich hier mal den entzückenden 1. Satz der Sonate Nr. 29 Es-dur, Hob. XVI:45 in den Ring werfen:




    (gespielt von Walter Klien)



    Ich bin mir sicher, er wird Euch zu erfreuen wissen! :)



    Derweil mache ich mich auf zur Reise zweitem Teil...

  • Zitat

    daß es ohne Frage nötig war, mich vom Beethoven-geprägten Bild der Klaviersonate zu lösen


    Genau DAS ist der Punkt. Und das trifft natürlich auch auf Mozarts und Clementis Klaviersonaten zu. Und vermutlich noch auf jene einiger weiterer Komponisten, aber da empfindet man dies nicht so krass, denn man erwartet dann nicht, Musik eines "Genies" zu hören. Haydns Klaviersonaten wurden ja nicht vorzugsweise dazu geschrieben. um als "Meisterwerke" vor der Musikgeschichte zu glänzen, sondern um seine Auftraggeber und ihre Gäste zu erfreuen.
    Haydn selbst war sich bewusst, dass seine joviale Persönlichkeit sich teilweise in seinen Stücken niederschlug, und er war in gewisser Weise sogar stolz darauf. Eine diesbezügliche Aussage gegenüber Beethoven ist erhalten......


    Haydns Klaviersonaten orientieren sich an jenen von Philipp Emanuel Bach - und an diesen müssen sie auch gemessen werden. Ohne deren Weiterentwicklung durch Haydn wären Beethovens Klaviersonaten vermutlich nicht möglich gewesen.
    Haydn wollte auch dieses in der Musikgeschichte verewigt haben, deshalb wünschte er sich von Beethoven, dieser möge ihm seine Klaviersonaten op 2 widmen, ein Wunsch, dem Beethoven entsprach.....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Nun ist besagte Sonate Hob. 45 eine ziemlich frühe aus der Mitte der 1760er Jahre. Unter den Sonaten, die mit dem besonders mit C.P.E. Bach verknüpften Stilmerkmal der "Empfindsamkeit" charakterisiert werden können, gibt es sicher welche, die man "Bekenntnismusik" nennen könnte, z.B. die berühmte c-moll vom Anfang der 1770er Jahre. Auch wenn dieser Ausdruck auf den Bach-Sohn, der in fortgeschrittenem Alter in den 1780ern noch eine Fantasie mit "C.P.E. Bachs Empfindungen" übertitelte, besser passt als auf Haydn.

    Und die letzten drei oder vier Haydn Sonaten aus den 1790ern sind virtuose, durchaus großformatige Werke. Interessanterweise schrieb Haydn seit Mitte der 1780er nur noch sporadisch Klaviersonaten, sondern bevorzugt Klaviertrios, von denen es dann auch über ein Dutzend späte und sehr hochrangige Werke gibt.
    Ebenso gibt es unter Beethovens Sonaten viele, die man nicht unter "Bekenntnismusik" fassen könnte (zB op.10/2, op1.4, op.22, op.31/1 usw.). Aber natürlich gibt es einen Stilwandel zu größeren Dimensionen, auch im Ausdruck.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Haydns Klaviersonaten orientieren sich an jenen von Philipp Emanuel Bach - und an diesen müssen sie auch gemessen werden. Ohne deren Weiterentwicklung durch Haydn wären Beethovens Klaviersonaten vermutlich nicht möglich gewesen.


    Das habe allerdings auch schon anders gelesen (ich weiß leider aus dem Stegreif nicht mehr wo): da galt Beethovens Interesse vielmehr direkt den Klaviersonaten CPE Bachs, deren Form und eben dem neuen, 'empfindsamen' Stil - eine Behauptung, die mir angehörs (ähem...) der wenigen Klaversonaten des Bach-Sohns, die ich bisher kenne, durchaus glaubhaft erschien!


    Inwieweit auch Haydns Klaviersonaten Beethoven beeinflusst haben, vermag ich bislang nur punktuell zu erkennen (könnte die Widmung von op. 2 könnte nicht auch eine reine Höflichkeits-Geste gewesen sein?). Wie gesagt habe ich bisher auch erst eine Hälfte von ihnen 'hinter mir'. Das gleiche gilt naturgemäß für die Einordnung der Haydn'schen Sonaten als Weiterentwicklung derer von CPE Bach, die ich ebenfalls noch nicht ausmachen konnte. Haydn war ja auch nur unwesentlich jünger als Bach, so daß sie wohl viele Jahre 'nebeneinanderher' komponiert haben.


    Aber vielleicht erschließt sich mir noch manches, wenn ich die späten Haydn-Sonaten auch kenne. :)

  • Und: ich bin durch. :) Es hat zwar (erwartetermaßen) länger gedauert als geplant, aber ich kann vermelden, die gesamten Klaviersonaten Haydns gehört zu haben. Und wie ich bereits erwähnte: ohne ein Spur von Reue - ganz im Gegenteil.


    Im Rückgriff auf die letzten Beiträge fällt es mir nun auch leichter, die klaviermusikalische Linie Haydn ---> Beethoven zu ziehen. Ob dieser von jenem nun direkt beeinflusst wurde oder nicht, dafür würde ich meine Hand nach wie vor lieber nicht ins Feuer legen wollen, aber insbesondere im späten Sonatenwerk Haydns findet sich doch einiges, was an Ausdruck und Format (Form sowieso) durchaus an Beethoven erinnnert. Oder eben umgekehrt.



    Ein Wort vielleicht noch zu meinem musikalischen Begleiter durch Haydns Sonaten: Rudolf Buchbinder.
    Zunächst kam mir seine Herangehensweise ein wenig übertrocken vor, mit der Zeit habe ich seinen schlichten, unaufgeregten Vortrag aber als Haydns Werk sehr angemessen zu schätzen gelernt. Und das, zumal er dem sich allmählich steigernden Ausdruck in den Sonaten durchaus nachzuspüren weiß und sein Spiel dementsprechend mit-entwickelt. Seine Einspielung würde ich jedenfalls jederzeit weiterempfehlen.


    Wo der Thread die 'Rehabilitation' schon im Namen trägt und ich über Buchbinder auch schon anderes gelesen habe, wollte ich das noch erwähnt haben.

  • Aus aktuellem Anlaß empfehle ich eine Sendereihe des SWR mit Aufführung sämtlicher Haydn-Klaviersonaten von den Schwetzinger SWR Festspielen 2013.Die Klaviersonaten werden von verschiedenen Pianisten eingespielt.Am 03.05.2013 machte Andreas Staier den Anfang - nicht nur als Pianist dieses Tages sondern auch als Moderator der ersten 5 Aufführungen. Weitere Solisten sind Bavouzet, Koroliov, Le Guay, Schornsheim, Várjon und Vladar.
    SWR2 bietet die Aufführungen der Schwetzinger Festspiele zum Nachhören und als (kostenlosen) Download an
    http://www.swr.de/swr2/festiva…=657016/v5sc4n/index.html

    mfG
    Michael

  • Eigentlich wäre folgende Empfehlung im Sonderangebotsanpreisethread besser aufgehoben, aber ich möchte sie mißbrauchen, um diesen Thread wieder einmal ein wenig nach oben zu holen. Wer sich Haydns sämtliche Klaviersonaten preisgünstig ins Haus holen möchte, hat beim Werbepartner gerade eine gute Gelegenheit:



    (< 14 € neu, < 6 € gebraucht)



    Zu Interpretation und Aufnahme / Klang kann ich allerdings nichts sagen, da ich die Box nicht selbst besitze.

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  • Nein - ich finde die Idee gar nicht so schlecht hier ein oder zwei Möglichkeiten aufzuzeigen sämtliche Klaviersonaten von Joseph Haydn einigermaßen günstig zu erstehen. Mein Vorschlag hier ist zwar durchaus teurer, aber immerhin bekommt man hier alle Sonaten auf 9 CDs zu einem Preis, der nur knapp über dem einer üblichen Vollpreis CD liegt. Den Pianisten braucht man nicht vorzustellen.
    Die Aufnahme stammt den 70ern , es wird ein moderner Konzertflügel eingesetzt..

    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Herzliche Grüße zunächst.
    Es ist erst wenige Tage her, da sah ich einen Film der auf meiner Festplatte liegt, und stellte den Player so ein, im Anschluss die nächste Datei aus dem Ordner zu spielen.
    Es war eine kurze Nacht! Über den Film bin ich eingeschlafen, aber die genannte "nächste Datei" war der Mitschnitt von Haydn-Sonaten mit der Schornsheim vom letzten Jahr, den Schneewitchen unten nennt.
    Dar Haydn hat mich geweckt und ließ mich nicht wieder einschlafen.


    Besonders in seinen Sonaten, so finde ich, hört man seinen Satz sehr deutlich, alles bei CPE Bach gelernt zu haben. Das ist Musik, die ständig die Gefühlssprache wechselt, ein "Festhalten" nur selten erlaubt. Musik, die wachhält. Den konzentrierten Zuhörer erwartet.


    Das unterscheidet Haydns Musik von der Mozarts, bei der ein "sich hingeben" möglich ist.


    Meine drei Favorit-Aufnahmen zu nennen wird wieder schwierig, weil nur eine derer geteilt werden kann.
    Die eine ist mit Dezsö Ranki aus Budapest von 2009, live.
    Auf dem Flügel, aber wie fein ausgehört und artikuliert. Gerade das "Sperrige" in den Nebenstimmen betont- vielleicht bei ihm am deutlichsten, dass die Alberti-Bässe eines Mozart eben Haydns Sache nicht sind.


    Die andere ist Andras Schiffs Mitschnitt aus Schwetzingen von vor wenigen Jahren. Gefälliger als Ranki, sanglicher, auf seine Art aber einfach bezaubernd.
    Aber Schiff ist auch jemand, der aus dem Stehgreif am Cembalo(!) einen Basso Continuo improvisieren kann.


    Die dritte, und die kann man kaufen, ist Hadjia Hadjimarkos auf dem Clavichord, bei ZigZag erschienen.
    Sturm und Drang/Empfindsamkeit pur! Erschreckend schroff schon ihr Einstieg. Da prasselt das "schmalbrüstige" Clavichord so mache Beethoven-Sonate gegen die Wand. Ohne hier Vergleiche ziehen zu wollen zwischen Beethoven und Haydn. Ich meine ausschließlich die Intensität, mit der sie die Stücke angeht. Sie geben es her, so gespielt zu werden.


    Für mich persönlich sind Haydns Sonaten unverzichtbare Clavierliteratur, hingegen ich auf Mozarts Sonaten sehr viel leichter verzichten kann. Auf seine Klavierkonzerte allerdings nie im Leben!


    Es gibt für mich allerdings auch "Anti-Haydn"-Aufnahmen, ganz berühmte, aber ich mag nicht schon wieder Widerspruch schreiben gegen Gewohntes.
    Zumal die Musik sprechen sollte-und wessen wenn nicht die Haydns kann das!


    Herzliche Grüße,
    Mike

  • Ich möchte hier noch einmal eine Lanze für Jenö Jandó brechen, der Haydns Sonaten absolut fantastisch interpretiert. Er schafft es, Knackigkeit und Klangsinn perfekt zu vereinbaren und kitzelt aus wirklich jeder Sonate noch etwas Schönes heraus. Für mich sind das Aufnahmen für die Insel und - ein Bekenntnis meinerseits - Haydns Klaviersonaten stehen mir näher als die Beethovens oder Schuberts.



  • Ich habe mich ja weiter oben (oder in einem anderen einschlägigen Thread) etwas distanziert zu Interpretationen auf dem Cembalo (in Schornsheims set mit unterschiedlichen Instrumenten) geäußert.
    Eine sehr empfehlenswerte (und sogar günstige) Cembalo-Aufnahme mit 6 frühen und mittleren Sonaten hat Robert Hill vorgelegt. Der Klang ist etwas hallig, aber dadurch sowohl brillant als auch angenehm. Hill plädiert im Beitext für reichhaltigen Einsatz der farbigen Registrierungsmöglichkeiten der Cembali des mittleren und späten 18. Jhds. und die Aufnahme gibt ihm Recht. Die große As-Dur-Sonate (Hob. 16:46), bei der man gegenüber dem Cembalo erstmal skeptisch sein mag, funktioniert ausgezeichnet.


    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • In der letzten Zeit ist eine Gesamtaufnahme von Haydns Sonaten mit dem Pianisten Jean-Efflam Bavouzet entstanden, die ich sehr genießen kann. Bavouzet "romantisiert" diese Sonaten ein wenig und nimmt ihnen etwas von ihrem spröden Charme.


    Sie gewinnen dadurch eine gewisse klangliche Glätte, die sie geeignet für einen modernen Konzertflügel erscheinen lassen. Ich mag das sehr, könnte mir aber vorstellen, dass man als Favorisierer historisch "korrekter" Aufnahmen nicht begeistert ist.


    Hier die letzte CD der Einspielung



    Hier spricht Bavouzet über diese Ausgabe



    Vor einigen Jahren habe ich die Gesamtaufnahme aller Haydn-Klaviersonaten mit Christine Schornsheim erworben, und den Fehler gemacht, an versschiedenen Stellen "schnell hineinzuhören". Ich langweilte mich tödlich.


    Die Einspielung von Bavouzet gewinnt unter anderem dadurch, dass der Pianist eigene Ideen bei der Zusammenstellung verfolgt und durch das Kontrastieren sich interessante Spannungen ergeben. Einfach Haydn Sonaten derselben Epoche zusammenzuhören, die vom Komponisten ja nicht als Kollektion gedacht waren, kann ein wenig anöden. Auf Bavouzets Art gewinnt man musikalische Einsichten über den Zusammenhang und die Entwicklung der Sonaten.


    Zum Nachtisch noch viel Vergnügen mit der Klaviersonate Nr. 31 in As-Dur Hob XVI/46 aus den Jahren 1767-70 gespielt von Jean Efflam Bavouzet



    Zur Hauptfrage des Threads. Muss hier etwas rahabilitiert werden? Meiner Meinung nach nicht! Ich liebe es, Musik in ihr "Wesen" zu hören. Hier bieten Haydns Sonaten eigentlich eine ganze Menge. Lautstärke, Virtuosität und instrumentales Aufblasen, wofür es sicher, je nach Zweck der Musik, adäquate und beeindruckende Techniken geben mag, bedeuten mir hier nicht viel. Hört man sich die von Bavouzet gespielte As-Dur Sonate an, ist man entweder hin und weg oder man vermisst etwas. Ich gehöre zur ersteren Spezies :hail:

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