Temperamentvolle "Schlacht von Legnano (Verdi)" im Teatro Regio in Parma (6.10.2012)

  • Das hervorragende Teatro Regio in Parma, welches bis vor wenigen Monaten noch kurz vor seiner Schließung stand - im Zuge des allgemeinen italienischen Spargebots wird geknappst, wo es nur geht - ist vorerst wohl vor diesem Schicksal bewahrt worden. Einige Produktionen wurden gestrichen, vieles wurde umgestellt, aber gut - letztendlich haben die Parmenser Opernenthusiasten ihr schönes, rein klassizistisches Haus nun doch wieder betreten dürfen. Das Theater gilt unter Opernfans in Italien als eine Art Geheimtipp, was absolut gerechtfertigt ist, und muss sich bei einer so fundierten künstlerischen Arbeit, wie ich sie heute erleben durfte, auch vor der Scala nicht verstecken.
    Im Zuge des alljährlich stattfindenden Verdi-Festivals (seine geliebte Villa St.Agata liegt nur wenige Kilometer von Parma entfernt bei Bussetto) stand diesmal die "Battaglia di Legnano" auf dem Programm, die zu meinen liebsten Frühwerken Verdis gehört. Der Librettist Salvatore Cammarano riet vom ursprünglich anvisierten Rienzi -Stoff ab undd schlug Verdi stattdessen als Opernstoff den Krieg der lombardischen Liga gegen Kaiser Friedrich Barbarossa aus dem Jahr 1176 vor, bereichert um „patriotische Chöre, Eide und Prozessionen“. Diese Schlacht war längst ein Schlagwort der Einigungsbewegung geworden und wurde eigens in der vierten Strophe der Hymne Fratelli d'Italia erwähnt. Die Premiere im römischen Teatro Apollo war nur 13 Tage vor der offiziellen Proklamation der römischen Republik im Februar 1849, und das Publikum der Uraufführung war von der Oper so begeistert, dass der gesamte 3. Akt wiederholt werden musste. Dies war nun heute nicht der Fall, aber üppigen Applaus spendeten die Parmenser allemal.
    Boris Brott hatte das gut intonierte Orchester hervorragend im Griff, auch seine Tempi waren durchdacht und führten die Sänger angemessen durch die stellenweise wirklich kniffligen Partien. Schön fand ich, dass auf Striche verzichtet worden war. Eine wahre Freude war der Chor, der erfolgreich unter Beweis stellen konnte, dass Qualität nicht unbedingt mit Quantität einhergehen muss. Da die "Battaglia" mit reichlichen Chorszenen aufwartet, ist ein so ein guter Klangkörper von höchster Bedeutung.
    Pier Luigi Pizzi, der für Regie, Bühnenbild und Kostüme verantwortlich zeichnet, hat erfolgreich auf platte Aktualisierungen und Ekeltheater verzichtet und verlässt sich,ganz im Vertrauen auf ihre Schöpfer, auf die dramatische Gewalt der Oper, - und - oh Wunder - es klappt. Sein Bühnenbild ist spartanisch, hohe Mauern, die Düsternis und Hoffnungslosigkeit evozieren, bilden größtenteils den Hintergrund. Die ebenso eher abstrakten Kostüme lassen das Mittelalter jedoch anklingen, seine Lichtregie ist dezent, aber zielgerichtet und unterstützt vielmehr die unterschiedlichen Stimmungen.
    Einen besonderen Effekt hat Pizzi leider verschenkt, da er den Sprung Arrigos vom Balkon seines Gemachs, mit dem es ihm gelingt, rechtzeitig bei seinen Truppen zu sein, um diese in die Schlacht zu führen, nur andeutet; im Gegenzug gelingt ihm die Barbarossa-Szene gerade auch in der Personenführung sehr gut.


    Der albanische Bariton Gezim Myshketa in der Rolle des milanesischen Herzogs Rolando, hat eine gut sitzende, weiche und klangschöne Stimme, die er stilistisch geschmackvoll einsetzt. Ein echter Genuss für jeden Melomanen war sein "Digli ch'è sangue italico" im dritten Akt, ein geradezu zärtliches Duett mit Lida, in dem sich Rolando, der sich sicher ist, von der bevorstehenden Schlacht nicht mehr heimzukehren, von seiner Frau und dem gemeinsamen Sohn verabschiedet. Das Publikum bedankte sich mit vielen Bravo-Rufen, ebenso auch nach dem folgenden Duett mit Arrigo "Se al nuovo dì pugnando", dessen Kantilenen Myshketa mit vielen lockeren Mezzavoci sehr ansprechend gestaltete. Da sah man auch großzügig darüber hinweg, dass er in der anschließenden Cabaletta "Mi scoppia il cuor", in der Rolando den vermeintlichen Verrat Arrigos verflucht, nicht mehr die anfängliche Frische besaß. Wer diese wirklich anspruchsvolle Szene aus dem Live-Mitschnitt von 1961(Scala) kennt, wird sich sicherlich daran erinnern, dass selbst Bastianini an dieser Stelle Konditionsprobleme bekommt.


    Die junge italienische Preisträgerin Aurelia Florian war als Lida ein mustergültiges Beispiel dafür, was Belcanto bedeutet und beschenkte die Melomanen mit herrlichen Piani, voluminösen Spitzentöne und endlos langen Atembögen, wofür sich diese auch gern mit frenetischem Applaus revanchierten. Hinzu kam ihr gutes darstellerisches Vermögen und - warum sollte das nicht auch erwähnt werden - ihre wirklich attraktive Erscheinung. Die völlig verzweifelte, von Todesgedanken geplagte Lida, die zwischen ihrer wieder aufkeimenden Liebe zu dem tot geglaubten Arrigo und ihrer Treue zu Rolando schwankt, konnte wohl kaum besser verkörpert und vor allem gesungen werden.


    Alejandro Roy als Arrigo wartete mit einer gut geführten, schlanken, aber metallischen Tenorstimme auf, mit der er die Partie des Arrigo problemlos meistern konnte, was ihm zahlreiche Bravo-Rufe einbrachte. Eine wahre Glanzleistung war das Duett mit Lida "È ver ... sei d'altri?", in welchem der wütende und enttäuschte Arrigo Lida bittere Vorwürfe wegen ihres angeblichen Treuebruchs macht, aber auch sein "Viva Italia" im dritten Akt sowie die lange Sterbeszene am Ende des vierten Aktes waren mehr als überzeugend.


    Von William Corrò als Federico Barbarossa - zwar eine kleine, aber bestimmt keine Nebenrolle - hätte man sich etwas mehr "Pfeffer" gewünscht, denn die wüsten Drohungen, die der überraschend auf der Ratsversammlung zu Como auftauchende Kaiser ausstößt, erfordern einen schwarzen Bass à la Chiaurov oder Petrenko.


    Verdi-Fans, die einen Besuch in der Emilia-Romagna anstreben, sollten sich diese Produktion jedenfalls nicht entgehen lassen; bis Ende Oktober wird sie noch fünf Mal gegeben.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Liebe Strana,


    vielen Dank für deine ausführliche Schilderung. Sie zeigt doch, dass es mit wenigen Mitteln gelingt, eine Oper ohne jeden Firlefanz und ohne die Perversitäten, wie wir sie die letzte Zeit und erst gestern wieder im 3sat erlebten, gelingt, eine Oper werkgerecht zu inszenieren und auch das heutige Publikum zu begeistern.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Liebe Strana,


    Deine Schilderung dieser "Battaglia" ist für mich sehr bedeutsam, zumal ich von diesem Werk lediglich einen Querschnitt (eben den aus Milano mit di Stefano und Bastianini) auf einer alten LP und auch einige Arien-Ausschnitte habe.


    Dafür danke ich Dir!

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Ach Mann, was bin ich traurig über Deine Schilderung! Ich kann doch nicht nach Parma fahren, nur um wieder einmal einen Verdi so zu sehen wie es Dir vergönnt war! Warum zum Teufel (Tschuldigung) kann und macht das bei uns keiner mehr?


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Ach Mann, was bin ich traurig über Deine Schilderung! Ich kann doch nicht nach Parma fahren, nur um wieder einmal einen Verdi so zu sehen wie es Dir vergönnt war! Warum zum Teufel (Tschuldigung) kann und macht das bei uns keiner mehr?


    La Roche


    Da in Deutschland die Leitung der Opernhäuser seit Jahren in den Händen von geistig unzurechnungsfähigen oder idiologisch verbohrten Intendanten liegt!

  • Zitat Figaroo:

    Zitat

    Da in Deutschland die Leitung der Opernhäuser seit Jahren in den Händen von geistig unzurechnungsfähigen oder idiologisch verbohrten Intendanten liegt!


    Es scheint leider so zu sein! (Siehe Thread Volkslied über die Fernsehübertragung von "Hoffmanns Erzählungen").


    Zu "Die Schlacht von Legnano": Leider habe ich in letzter Zeit nur noch die Ouvertüre der Oper gehört und noch im Kopf. Es bringt mich aber dazu, in meiner Plattensammlung nach einer bestimmt vorhandenen Gesamtaufnahme zu fahnden.

    W.S.

  • Verdi-Fans, die einen Besuch in der Emilia-Romagna anstreben, sollten sich diese Produktion jedenfalls nicht entgehen lassen; bis Ende Oktober wird sie noch fünf Mal gegeben.


    Du hast über die erste von fünf Vorstellungen berichtet. Es gibt also noch vier weitere so wie es im Oktober auch noch vier Rigoletto-Vorstellungen gibt (von insgesamt sechs).


    Mehr Aktvitäten sind auf der Homepage des Teatro Regio für den Rest von 2012 nicht verzeichnet. Armes Italien...


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Da in Deutschland die Leitung der Opernhäuser seit Jahren in den Händen von geistig unzurechnungsfähigen oder idiologisch verbohrten Intendanten liegt!


    Ordnungsruf! Ich muss dich zur Mäßigung aufrufen. Es geht nicht an, dass du hier dir ungenehme Persönlichkeiten öffentlich als geistig unzurechnungsfähig bezeichnest!

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Liebe Strana,


    Deine Schilderung dieser "Battaglia" ist für mich sehr bedeutsam, zumal ich von diesem Werk lediglich einen Querschnitt (eben den aus Milano mit di Stefano und Bastianini) auf einer alten LP und auch einige Arien-Ausschnitte habe.


    Dafür danke ich Dir!


    Lieber Milletre,
    du meinst sicherlich diese Aufnahme



    Da sang Corelli den Arrigo ;):thumbsup:

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • In habe in der letzten Spielzeit ich glaube es war aus Turin mir von Rai Radio 3 auch die Schlacht von Lugano aufgenommen. Gregory Kunde sang dort den Arrigo und der Rest der Besetzung und vor allem das Dirigat waren sehr hörenswert und das Publikum vor Ort brach bei fast allen Arien in Beifallsstürme auf.

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  • Mehr Aktvitäten sind auf der Homepage des Teatro Regio für den Rest von 2012 nicht verzeichnet. Armes Italien...


    Nach dem, was bisher vom Regio zu hoeren war, ist es ein kleines Wunder, dass es ueberhaupt diese Vorstellungen gegeben hat. Hoffen wir, dass es irgendwie weitergeht.....

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Ich besitze eine Gesamtaufnahme auf CD mit Katja Ricciarelli, José Carreras, Matteo Manuguerra, Nicola Ghiuselev und dem ORF Sinfonie Orchester unter Lamberto Gardelli aus 1977, die ich eigentlich recht gut finde. Allerdings habe ich nicht herausgefunden, ob es die zur Zeit noch auf dem Markt gibt. (Philips).
    Die Aufzeichnung einer Inszenierung gibt es wohl auch noch nicht, oder kennt jemand eine solche?



    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Für die Fans von Franco Corelli unverzichtbar:

    VERDI, Giuseppe:
    LA BATTAGLIA DI LEGNANO

    Aufnahme: 7.12.1961, live, Milano
    Dirigent: Gianandrea Gavazzeni
    Orchestra del Teatro alla Scala Milano
    Coro del Teatro alla Scala Milano
    Chorleitung: Norberto Mola
    Inszenierung: Margherita Wallmann


    Arrigo: Franco Corelli
    Console (1): Silvio Maionica
    Console (2): Agostino Ferrin
    Federico Barbarossa: Marco Stefanoni
    Il Podestà di Como: Antonio Zerbini
    Imelda: Aurora Cattelani
    Lida: Antonietta Stella
    Marcovaldo: Virgilio Carbonari
    Rolando: Ettore Bastianini
    Un araldo: Rinaldo Pelizzoni


    Mehr zum Werk in unserem Opernführer: VERDI, Giuseppe: LA BATTAGLIA DI LEGNANO


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Lieber Milletre,
    du meinst sicherlich diese Aufnahme



    Da sang Corelli den Arrigo ;):thumbsup:


    War ein Flüchtigkeitsfehler von mir, liebe Strana - natürlich hast Du (wie immer) recht, es ist Franco Corelli!

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • War ein Flüchtigkeitsfehler von mir, liebe Strana - natürlich hast Du (wie immer) recht, es ist Franco Corelli!


    Jetzt uebertreibst du aber stark, lieber Milletre! ;)^^:hello::hello:

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Es gibt sogar etliche Szenen in deutscher Sprache, im Umfang von einer knappen Stunden, die sich aus einer Hamburger Rundfunkaufnahme von 1943 erhalten haben mit Annelies Kupper (Sopran), Joop de Vries (Tenor) und Gustav Neidlinger (Bariton).


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ordnungsruf! Ich muss dich zur Mäßigung aufrufen. Es geht nicht an, dass du hier dir ungenehme Persönlichkeiten öffentlich als geistig unzurechnungsfähig bezeichnest


    Auch nicht, wenn er recht hat, wenigstens ein bißchen? Ich habe im Forum schon viel Schlimmeres gelesen!


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

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