HÄNDEL, Georg Friedrich: JEPHTA


  • Georg Friedrich Händel (1685-1759):


    JEPHTHA
    Oratorium in drei Teilen für Soli, Chor und Orchester, HWV 70
    Libretto von Thomas Morell nach dem alttestamentarischen Buch Richter, Kapitel XI
    und „Jephta sive Votum“ von John Buchanan von 1554


    Uraufführung am 26. Februar 1752 im Theatre Royal, Covent Garden


    DRAMATIS PERSONAE


    Jephta, jüdischer Richter (Tenor)
    Zebul, sein Bruder (Bass)
    Storge, Jephtas Frau (Mezzosopran, auch Sopran)
    Iphis, Jephtas Tochter (Sopran)
    Hamor, Geliebter der Iphis (Alt)
    Chor der Israeliten


    Die Handlung ist in Israel vor der Zeit von König Saul, also etwa 1050 v. Chr. angesiedelt.



    INHALTSANGABE


    Die Ouvertüre ist dreiteilig in der Form Largo - Allegro - Largo angelegt und wird mit einem Menuett abgeschlossen, dessen Funktion unklar ist. Durch die Tonart g-Moll wird eine tragische Schwere, ein klagender Charakter, erzeugt, und gibt damit die düstere Stimmung des Geschehens vor, die auch das Menuett nicht erhellen kann.


    Erster Teil


    Erste Szene
    Zebul, Jephtas Bruder und ein führender israelitischer Krieger, ruft seine Landsleute mit Rezitativ und Arie auf, sich vom Joch der alles beherrschenden Ammoniter zu befreien. Nicht genug, dass die Fremden das Volk Gottes zur Fron zwingen, müssen sie auch noch dem verhassten ammonitischen Hauptgott Moloch dienen. Aber Zebul sieht den Retter aus der Not in einem aus den eigenen Reihen erstanden, seinen Bruder Jephta nämlich. Dass der vor langer Zeit vom eigenen Stamm verhöhnt und verjagt wurde, sollte vergessen sein:

    Rezitativ Zebul: It must be so, or these vile Ammonites
    So muss es sein, eh' Ammons Tyrannei,/die achtzehn Jahre unser Land schon quält,
    zerschlägt das Volk von Israel.(...)

    Arie Zebul: Pour forth no more unheeded prayr's
    Ruft länger nicht die Götzen an,/denn sie sind taub und leer.(...)


    (Das Thema der Arie kommt auch in der ersten B-Dur-Fuge von Johann Sebastian Bachs „Wohltemperiertem Klavier“ vor; es stammt aus einer Messe des böhmischen Zeitgenossen Franz Johann Xaver Wenzel Habermann (1706-1783). Für JEPHTA hat Händel nicht nur eigene ältere Kompositionen herangezogen, sondern sich mehrmals bei diesem Kollegen bedient - eine damals gängige Praxis. Die originelle Verarbeitung von Musik wurde höher eingestuft als die Originalität der Erfindung.)


    In einem durch viele Modulationen recht auffällig vertonten Chorsatz, der den heidnischen Rausch der Götzenanbeter charakterisiert, stimmen die Israeliten Zebuls Klage inhaltlich zu: sie sind den Dienst für Moloch und Kamos satt, und nur Jehovah ist der einzige und wahre Gott Israels:


    No more to Ammon's god and king
    Nicht mehr der Cymbeln Klang erschallt,/o Moloch, deiner Schreckgestalt,
    zu grausem Tanz um deinen Opferherd./Kamos, nicht dir lobsingen
    wir im heil'gen Liede,/das nur Gott verehrt.



    Zweite Szene
    Jephta kommt mit seiner Frau Storge hinzu und Zebul schlägt sofort den Bruder als Führer im Kampf gegen die Ammoniter vor. Tatsächlich ist Jephta auch bereit, den Auftrag anzunehmen, stellt aber eine Bedingung:


    I will, so please it Heav'n, and these the therms
    Ich wills, wenn Gott es will./Dies die Bedingung:
    Die Macht, die mir im Krieg von euch verlieh'n,/soll auch im Frieden (…) die meine sein.



    Zebul schwört für alle: „So sei es, bei unsrem Gott.“ Dann preist der neue Feldherr Jephta in einer einfach vertonten G-Dur-Arie die Tugend als beste Waffe gegen jeden Schicksalsschlag. Dass Jephta nach seiner Vertreibung durch Stammesbrüder jahrelang ein Leben als Freibeuter geführt hatte, spielt jetzt keine Rolle mehr.


    Storge ist über diese Wendung nicht so glücklich; sie muss mit Bangen von ihrem Mann Abschied nehmen. Ihre Angst drückt sie mit einer Gleichnisarie aus, die aber trotzdem aus dem Glauben an Jehovah geschöpfte Zuversicht verdeutlicht:


    In gentle murmurs will I mourn
    Mut sanften Lauten stimme ich ein Klaglied/wie die verlass'ne Taube an.



    Dritte Szene
    Mit dem Krieger Hamor und Jephtas Tochter Iphis, die ihm als Braut anvertraut ist, tritt das Liebespaar dieses Oratoriums auf; auch Hamor will am Kampf gegen die Unterdrücker teilnehmen und ist zum Abschiedstreffen gekommen. Dass er seine Braut noch einmal sehen kann, erfreut ihn, und Iphis, einerseits wegen der Trennung betrübt, andererseits aber überzeugt, einen zukünftigen Helden als Bräutigam zu haben, singt mit Begeisterung:


    Take the heart you fondly gave
    Gib dein Herz voll Liebesglut/kühn in den Sturm des Krieges.
    Zwiefach dann gestählt mit Mut,/wird der Sieg dir sicher sein.



    Diese Begeisterung steckt Hamor an und er versichert seiner Iphis, dass er sich bereits mit dem Siegeslorbeer gekrönt sieht. Das anschließende Duett der Verliebten, das schon den klassischen Stil eines Gluck erahnen lässt, schließt eine idyllische Szene ab:


    These labours past, how happy we!
    Nach solcher Müh' sind selig wir,/glorreich und beglückt!



    Vierte Szene
    Dichter und Komponist haben dieser Szene eine eminente Bedeutung gegeben: Jephta ist allein und in seiner Phantasie sieht er düstere, aber auch helle Bilder, fühlt Gottes Nähe, die ihm fast übermenschliche Kräfte zu geben scheint. In dieser Hochstimmung leistet er in einer F-Dur-Air (die aber durch langanhaltende Akkorde eher wie ein Accompagnato gestaltet ist) einen Eid, dessen Folgen ihn später niederdrücken werden:


    If, Lord, sustain'd by Thy almighty pow'r
    Wenn, Herr, gestählt durch deiner Allmacht Hand,
    ich Ammon stürz' und werf' im blut'gen Feld/und schlage aus diesem bedrängten Land,
    (…) dann, was immer da zuerst erscheinet mir,/(...) fall' als Opfer dir.



    Während Jephtas Schwur ist das Volk hinzugekommen und Jephta bestätigt den Eid nochmals vor allen Landsleuten. Dann ruft er sie zum Lobe Jehovahs auf und die Antwort besteht zunächst aus einem chorischen Aufschrei mit der Bitte um Errettung, woraus sich aber ein fugierter Chorsatz aus chromatischen Themen entwickelt, der immer wieder von akkordischen Blöcken unterbrochen wird, ehe er sich am Ende in ein strahlendes D-Dur- Gebet verwandelt:


    O God, behold our sore distress
    O Gott, sieh unsreDrangsal an. (…)
    Wend ab den Zorn,/sieh gnädig an die Deinen,/die flehend sich dir nah'n.



    Fünfte Szene
    Jephtas Gattin Storge ist allein und klagt erst rezitativisch, dann arios über das harte Los des Volkes; sie sieht vor ihrem geistigen Auge Schreckensbilder und kann, trotz der von Jephta in Gang gesetzten kriegerischen Maßnahmen, kein Ende der Fron erkennen. Die im Text vorhandenen Horrorbilder malt Händel musikalisch mit den düstersten Farben aus.


    Scenes of horror, scenes of woe/rising from the shades below
    Schreckensbilder, groß und bleich/steigen aus dem Schattenreich



    Sechste Szene
    Iphis hat die Klagen der Mutter mitbekommen und versteht die düsteren Gedanken nicht, denn Jephta ist doch mit Gottes Hilfe auf dem richtigen Weg, Land und Volk zu befreien. Alle Sorgen sind, so argumentiert sie, völlig unbegründet, denn Gott wird das Flehen seiner Kinder erhören. Ihre heitere und unbeschwerte Gleichnisarie vertonte Händel im Stil einer Bourrée und stellt sie damit der Arie der Storge im Sinne der barocken Affektenlehre gegenüber:


    The smiling dawn of happy days
    Beglückter Tage Morgenrot/streut lächelnd heit'res Licht.



    Siebte Szene
    Zebul kommt von einer Audienz beim ammonitischen König; das geht jedenfalls aus dem rezitativisch vorgetragenen Bericht hervor: Der Herrscher denkt nicht daran, die Israeliten freizugeben, es gibt für ihn nur Sklaverei und Tod. Damit ist Jephtas Hoffnung auf Frieden und Freiheit ohne Krieg nun endgültig dahin. Folgerichtig ruft er die Krieger zusammen, die mit Begeisterung in einen Chorsatz einstimmen, in dem Donner und Sturm der Natur ebenso drastisch ausgemalt werden, wie des Volkes Entschlossenheit durch Tonmalerei ausgedrückt wird:


    When His loud voice in thunder spoke
    Wenn er gebeut im Donnerschall,/da bebt und bricht der Woge Schwall.



    Dass dieses gewaltige Chorstück schlussendlich mit einem Fugato zu einer geordneten Einfachheit zurückfindet, zeigt dem Hörer Händels immer noch intakte Inspiration an.


    Zweiter Teil


    Erste Szene
    Rezitativisch berichtet Hamor seiner Iphis vom großen Sieg Israels unter der Führung Jephtas: Nicht nur, dass man auf seinen Befehl hin den Kindern Ammons nochmals Frieden anbot, der aber erneut hochmütig abgelehnt wurde, kam es schließlich zur Schlacht. Dabei öffnete sich plötzlich unter Donnergrollen der Himmel, aus dem sich „zahllose Scharen Cherubim“ ergossen und Israels Kampf unterstützten. Der Sieg über die Ammoniter war eindeutig und endgültig.


    Begeistert über diese Schilderung stimmen die Zuhörer einen Dankeschor an, in dem mit rauschenden Streicherfiguren die Engelscharen geschildert werden, ehe mit einer Allegro-Fuge, die ein stets aufwärts strebendes Oktaven-Thema als Grundlage hat, der Satz endet:


    Cherub and Seraphim, unbodied forms
    Cherubim und Seraphim, Jehovahs Heer,/sind Boten des Geschicks (…)
    sie stürmen rasch, in Lichtgestalt,/(...) sie fahren sausend im Sturmwind daher.



    Iphis ruft die Mädchen des Volkes auf, die sich nähernden Sieger mit einem festlichen Zug zu begrüßen. Es ist eine von Flöten begleitete idyllische Episode, die wieder einmal den großen Melodiker Händel zeigt.

    Zweite Szene

    Zebul sieht den Sieg seines Bruders als ein Zeichen des Himmels, der Israel wieder aufrichten wird, und Jephta, der Zebul und Hamor für ihren Einsatz dankt, stimmt dem mit einer kräftigen F-Dur-Arie zu, weist aber jeglichen Siegesruhm allein Gottes „starkem Arm“ zu. Händel malt den „starken Arm“ mit rhythmisch sich ständig wiederholenden Orchester-Schlägen nach, die man durchaus leitmotivisch auffassen kann, und die diese Arie auffällig machen.


    Der folgende Siegeschor kommt zunächst sehr feierlich daher, fällt aber gegen Ende durch Auflösung der chorischen Ordnung und der musikalischen Struktur auf; damit geht Händel offensichtlich auf die im Text erwähnten Feinde Israels ein, die sich nach der Niederlage in alle Winde zerstreuen:


    In glory high, in might serene
    Im Glanze hoch, in Allmacht groß,/lenkt er das All und wirft sein Los.
    Jehovas Arm, mit starkem Streich,/zerstreut den Feind und brach sein Reich.



    Dritte Szene
    Während einer kurzen Symphony im Sicilliano-Rhythmus kommen Iphis und Storge hinzu. Freudig und stolz zugleich heißt Iphis den väterlichen Siegeshelden mit einer Arie im Stil einer Gavotte zu Hause willkommen; der Chor übernimmt den freudigen Gesangsstil, Händel verfeinert die instrumentale Begleitung allerdings mit idyllischem Schalmeienklang.


    Aber die fröhliche Stimmung hält nicht an: Jephta ist entsetzt, als ihm seine Tochter Iphis entgegenkommt, erinnert er sich doch sofort an seinen Gott gegebenen Eid:

    Rezitativ: Horror, confusion! (…) Begone, my child, thou hast undone thy father!
    Grauen Entsetzen! (…) Zurück, mein Kind, dein Vater ist vernichtet!

    und die jähe Wendung seiner unisono begleiteten Arie nach Es-Dur (mit Ausflügen nach c-Moll und entfernte Subdominantregionen wie f-, b-, und es-Moll) bringt mit den orchestralen Hammerschlägen die Verzweiflung Jephtas überzeugend zum Ausdruck:

    Arie: Open thy marble jaws, O tomb
    Öffne, dunkles Grab, den Schlund,/und birg mich Erd', im schwarzen Grund.


    Nach dem Libretto geht Iphis nach dem rezitativischen Ausbruch ihres Vaters ab. So wird sie nicht gewahr, dass Zebul sich den Zustand seines Bruders nicht erklären kann. Sie hört nicht, dass Jephta sich zu dem Geständnis seines Jehovah gegebenen Eides aufrafft. Storge glaubt, sich verhört zu haben, aber die Realität ergreift von ihr Besitz; ihre Antwort ist der Arie Jephtas in ihrer Erregung durchaus ebenbürtig: sie stellt sich schützend vor Iphis und fordert von ihrem Gemahl, er möge andere in den Tod schicken, und nicht die liebe, reine, schöne Tochter. Hamor, dem plötzlich bewusst wird, was Jephtas Schwur letztendlich für ihn bedeutet, bietet sich sofort als Ersatz für die geliebte Iphis an: ein Leben ohne sie ist für ihn nicht vorstellbar.


    Was nun in den anwesenden Personen vorgeht, macht Händel in einem ausdrucksvollen, voller Dramatik steckenden Quartett deutlich (das in seiner musikalischen Faktur weit in die Zukunft deutet), in dem Storge, Zebul, Hamor und Jephta ihre persönlichen Klagerufe auf einem unruhig grundierten Streicherklang äußern. Alle Bitten von Zebul, Storge und Hamor vermögen allerdings Jephta nicht umzustimmen, er hält konsequent-eisern an seinem gegebenen Schwur fest.


    Nun erscheint Iphis und gibt zu, dass sie das Gespräch belauscht hat und somit weiß, was ihr bevorsteht. Ohne in die Klagen der Mutter, des geliebten Hamor und des Onkels Zebul einzustimmen, ergibt sie sich in ihr Schicksal mit einem Accompagnato und einer ebenso feierlichen wie milden h-Moll-Arie:


    Happy they! This vital breath/with content I shall resign
    Heil sei euch! Des Lebens Glück/lass ich gern bei euch zurück.
    Ohne Klagen, ohne Weh'/ich dem Tod entgegenseh'.



    Jephta zerreißt es die Brust: er sucht in einem alle Verzweiflung eines entsetzten Vaters ausdrückenden Accompagnato-Rezitativ, das viele Tonarten durchschreitet und dabei in einem starren Largorhythmus verharrt; einen Ausweg aus seiner schrecklichen Lage findet er aber nicht. Der Jehovah gegebene Eid ist für ihn bindend, er resigniert:


    I can no more!/Ich kann nicht mehr!



    Und hier, an dieser Stelle, steht jener den zweiten Teil des Oratoriums beschließende aufwühlende Chorsatz, einem der ergreifendsten aus Händels Feder:


    How dark, O Lord, are Thy decrees
    Wie hart, wie dunkel, Herr, ist dein Beschluss,/wie tief verborgen unserm Blick. (…)
    Kein sich'res Glück, kein dauernd Heil,/wird uns auf Erden hier zuteil.
    Doch im Glauben ergeben/ sprecht: „Was uns geschieht, ist recht!“



    Auf eine düstere c-Moll-Einleitung folgt der Chorteil, der mit seinen wie Peitschenhiebe wirkenden punktierten Rhythmen, von klagenden Oboen begleitet, ein einziger Abgesang auf irdisches Glück darstellt. Es bleibt aber nicht bei dieser tieftraurigen Stimmung, denn der große Melodiker Händel findet zu einem lyrischen Larghetto, das sich von f-Moll nach g-Moll wendet (und in der Wirkung ein „durfarbenes Moll“ erzeugt), um dann von einem milden Schmerz ausdrückenden fugierten Gesang abgelöst zu werden, der zwischen Es-Dur und c-Moll schwankt. Danach bestätigen die Chorstimmen, in das unabänderliche Schicksal ergeben, von Moll zu einer Dur-Kadenz sich wendend: „Was uns geschieht, ist recht!“- um im Nachspiel zu jenem traurigen c-Moll zurückzukehren.


    Dritter Teil


    Erste Szene
    Jephtas dramatisches Accompagnato, das den dritten Teil des Oratoriums eröffnet, zeigt noch einmal die ganze Verzweiflung und Zerrissenheit des Menschen Jephta, der mit der Vorbereitung des Brandopfers seiner Tochter beschäftigt ist. Die Dramatik des Rezitativs wird von einer ergreifend-melodiösen Arie abgelöst, in der die Vaterliebe von Händel mit großer Ausdruckskraft nachgezeichnet wird:


    Waft her, angels, through the skys
    Tragt sie, Engel, sanft mit euch,/auf zu den azurnen Höh'n.



    Iphis versichert den entsetzten Priestern, die erstmals ein Menschenopfer auszuführen haben, tapfer zu sein und in Demut dem „Ruf des Herrn“ folgen zu wollen. Ihre ariose Äußerung zeigt nach einem e-Moll-Einstieg und der schließlichen Wendung nach E-Dur den endgültigen Abschluss ihres irdischen Lebens an:


    Farewell, ye limpid springs and floods
    Leb' wohl, du klarer Quell im Hain,/(...) Besseren Welten eil' ich zu.



    Die ebenso verängstigten wie auch mitleidigen Priester bringen ihre gedrückte Stimmung in einem Chorsatz zum Ausdruck, den der Komponist mit wuchtigen Fugato-Themen, die sich zu akkordischem Block verdichten, zeichnet.


    Die Wende bringt eine heitere, kurze Sinfonia, unter deren Klängen überraschend, wie ein „Deus ex machina“, ein Engel erscheint und die Lösung von Jephtas blutigem Schwur verkündet, gleichzeitig aber auch eine Bedingung für Iphis enthällt:


    Rise Jephta! (…) Thy daughter, Jephta, so must dedicate/to God, in pure and virgin state fore'er
    Höre, Jephta! (…) Weihen soll sich deine Tochter/dem Herrn, als Jungfrau ihm dienen.
    Damit werde Iphis „für alle Zeit“ ein Vorbild sein, das „in Ewigkeit“ Lob erzeugen werde.



    Der ariose Dank Jephtas und der Priester an Jehovah, verbunden mit einem Lobpreis an den himmlischen Vater, wird mit einem einfachen, aber fugierten Chorsatz ausgedrückt.


    Zweite Szene
    Zebul, Storge und Hamor bekommen hier mit Rezitativ und Arie die Möglichkeit, in das Lob Gottes einzustimmen; Iphis dagegen wendet sich, schon ganz jungfräuliche Priesterin des Herrn, mit gemischten Gefühlen an Hamor: sie kann ab sofort nicht mehr die Seine sein, sondern muss einem größeren Auftrag folgen - sie verspricht ihm aber, seiner immer mit großer Achtung zu gedenken.


    Ein Duett von Hamor und Iphis bringt einerseits Hamors Enttäuschung, andererseits sein „ewiges“ Liebesgeständnis an Iphis zum Ausdruck, während sie nochmals betont, Gottes Ratschluss Folge zu leisten, Hamor aber „immer achten“ zu wollen. Das folgende Solisten-Quintett könnte aus einer Oper stammen, aber mit dem klangfülligen Schlusschor führt Händel seine Hörer wieder in die geistlichen Regionen zurück, um auch hier, wie in allen seinen religiösen Oratorien, die Halleluja-Amen-Fuge einzusetzen:


    Ye house of Gilead, with one voice,/in blessings manifold rejoice.
    Du Haus von Gilead, neu erbaut,/des Segens Fülle preiset laut.
    Rastend ruht des Kriegers Schwert,/Friede öffnet weit sein Tor,
    Eintracht blüht aufs neu empor:/so lohnt Gott den, der ihn ehrt.
    Amen. Halleluja.



    INFORMATIONEN ZUM WERK


    Am 21. Januar 1751 begann Händel mit der Komposition seines letzten eigenständigen Oratoriums JEPHTA; er schloss den ersten Teil am 2. Februar ab, begann unmittelbar den zweiten Teil, der am 27. Februar vollendet war. Beim Schlusschor dieses zweiten Teils (How dark, O Lord, are thy decrees - O Herr, wie dunkel ist doch dein Beschluss) findet sich jener Vermerk, noch dazu in Händels Muttersprache, der das Drama der letzten Lebensjahre des Komponisten ankündigt: „Biß hierher komen den 13 Febr. 1751 verhindert worden wegen so relaxt des gesichts meines linken auges.“


    Wahrscheinlich handelte es sich nur um eine vorübergehende Störung, denn am Tag nach der Eröffnung der Oratorien-Saison (mit der Aufführung von „Belshazzar“ am 22. Februar) nahm er die Arbeit an JEPHTA wieder auf und vermerkte, abermals in deutscher Sprache, hoffnungsvoll: „den 23 dieses etwas beßer worden wird angegangen“. Dann unterbrach er die Arbeit und begab sich zu einer Kurzkur nach Cheltenham. Am 18. Juni, als die Konzertsaison vorbei war, begann Händel den dritten Akt und beendete die Komposition (nach einer verhältnismäßig langen Arbeitsphase) mit dem bei ihm üblichen Vermerk „S(oli) D(eo) G(loria)“ am 30. August 1751.


    Im folgenden Frühjahr stellte sich dann jedoch heraus, dass Händels Augenleiden doch wohl einen ernsteren Grund haben musste, denn er konsultierte einige Ärzte. Aber weder der berühmte Chirurg Samuel Sharp, noch der königliche Chirurg William Bromfield konnten durch operative Eingriffe seine Sehschärfe wieder herstellen. Händel wandte sich in diesem Stadium an den „Starstecher“ John Taylor, doch auch der konnte, wie allgemein bekannt ist, letztlich keinen Erfolg erzielen. Im Januar 1753 berichtete jedenfalls eine Londoner Zeitung, dass „der berühmte Mr. Handl“ sein Augenlicht verloren habe.


    Wie die meisten Komponisten seiner Zeit verwendete Händel viel von seiner eigenen Musik in neuen Werken. Es wundert also nicht, wenn er auch in diesem Oratorium diese übliche Praxis fortsetzte. In JEPHTA diente allerdings in großem Umfang musikalisches Material aus Messen des böhmischen Komponisten Franz Habermann (1706–83) als Vorlage.


    Das Libretto stammt von Thomas Morell (1703–84), der nicht nur das Buch Richter aus dem Alten Testament, sondern auch Texte von John Milton, Alexander Pope, Thomas Gray und Joseph Addison heranzog; zudem entlieh Morell einige Passagen aus dem lateinischen Drama „Jephtes sive Votum“ des schottischen Gelehrten George Buchanan (1506–82) in der englischen Übersetzung von William Tait. Es sei hier daran erinnert, dass Morell schon die Texte für die Oratorien „Judas Maccabaeus“, „Alexander Balus“ und „Theodora“ für Händel geschrieben hatte; später zog ihn der Komponist auch für die Umarbeitung von „Il Trionfo“ zu „The Triumph of Time and Truth“ heran. In diesem Sinne ist das in englischer Sprache umgeschriebene Frühwerk Händels letztes Oratorium.


    Ob JEPHTA ein Erfolg war, ist nicht bekannt; es gibt keine Berichte über die Uraufführung und die bekannt gewordenen sieben Wiederholungen. Nur eine Bekannte Händels, eine Mrs. Delany, äußerte sich in einem Schreiben an eine ihrer Freundinnen, dass sie dieses Werk „für sein Schönstes“ halte, wenn es auch „sehr verschieden von all seinen übrigen“ sei.


    Zur Information sei hier angegeben, dass im NS-Staat neben anderen Händel-Oratorien auch JEPHTA doktrinär umfunktioniert wurde, obwohl Goebbels im September 1934 als Präsident der Reichskulturkammer „keine Bedenken gegen die Aufführung Händelscher Werke“ geäußert hatte. Auch Hitler war dagegen, die Einstudierung und Wiedergabe von Vokalwerken mit geistlichen Texten zu verhindern oder zu erschweren (Kulturrede auf dem Reichsparteitag 1937). In der Praxis wurden jedoch durch antisemitische Musiker und NS-Literaten „entjudete“ Texte vorgelegt. So hatte ein gewisser Hermann Stephani (1877-1960) den „Judas Maccabaeus“ mehrmals umtextiert und 1940 als „Der Feldherr“ zur Aufführung gebracht. Bezüglich JEPHTA hielt er sich allerdings an den Originaltext, titelte das Oratorium aber in „Das Opfer“ um; so wurde es am 6. und 7. Juli 1941 über die KdF-Organisation in Marburg aufgeführt.


    Auch in der DDR hat man versucht, das Jephta-Drama umzuschreiben: Gott wurde durch „Schicksal“ ersetzt, Händel wurde zum Vorkämpfer für eine klassenlose Gesellschaft: „Die schönen Tage der Händelfestspiele [in Halle] haben uns aufs Neue bestätigt, dass unter den Bedingungen der Arbeiter-und-Bauern-Macht in der DDR das kulturelle Erbe, das die Bourgeoisie preisgab und zerflattern ließ, in großzügigster Weise erhalten und gepflegt wird, wodurch erstmals in Deutschland die Musik Händels Eigentum des ganzen Volkes werden kann.“


    Für alle Freunde der Musik Händels hier ein interessanter und sehenswerter Link:


    http://www.digitale-sammlungen…/0001/bsb00016879/images/


    © Manfred Rückert für Tamino-Oratorienführer 2012
    unter Hinzuziehung folgender Quellen:
    Partitur mit Libretto der Notenausgabe von Friedrich Chrysander, Leipzig 1886
    Oratorienführer von Oehlmann (Reclam), Pahlen und Hardenberg

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    MUSIKWANDERER

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  • Das hier vorgestellte Oratorium ist in den nachstehend gelisteten Einspielungen bei jpc erhältlich; nicht erwähnt sind Boxen mit Koppelungen mehrerer Werke:



    mit John Mark Ainsley als Jephtha, Michael George als Zebul, Catherine Denley als Storge, Christiane Oelze als Iphis, Axel Köhler als Hamor, Julia Gooding; Marcus Creed dirigiert den RIAS-Kammerchor und die Akademie für alte Musik Berlin.


    die obige Aufnahme nennt als Solisten James Gilchrist, Mona Julsrud, Elisabeth Jansson, Havard Stensvold, Marianne B. Kielland und Elisabeth Rapp genannt; Fabio Bondi leitet das Collegium Vocale Gent und das Sinfonieorchester Stavanger.


    die vielfach gelobte Aufnahme von John Eliot Gardiner mit den Solisten Anne Sofie von Otter, Lynne Dawson, Michael Chance, Stephen Varcoe und Ruth Holton; den Chorpart bestreitet der Monteverdi Chor, es spielen die English Baroque Soloists.


    hier eine neuere Aufnahme aus Dresden mit den Solisten Patrick von Goethem, Gotthold Schwarz, Birte Kulawik; unter der Leitung von Matthias Grünert spielt das Dresdner Barockorchester, es singt der Kammerchor der Dresdner Frauenkirche.


    das Label PierreVerany legte 2005 die hier abgebildete Aufnahme mit Paul Agnew, Lisa Larsson, Guillemette Laurens, Robert Expert und Alain Buet vor; Choeur et Orchestre Opera Fuoco Orchestra unter der Leitung von David Stern.


    hier Harnoncourts Aufnahme von 1978 (Telefunken, Das Alte Werk) mit (u. a.) Werner Hollweg, Paul Esswod, Thomas Thomaschke; es singen die Mozart Sängerknaben und der Arnold Schönberg Chor, es spielt der Concentus Musicus Wien.


    hier eine Einspielung aus dem Kloster Maulbronn mit dem Maulbronner Kammerchor und dem Barockorchester der Klosterkonzerte unter der Leitung von Jürgen Budday; unter den Solisten sind Emma Kirkby, Stephen Varcoe und Melinda Paulsen.

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