ABBATE
LORENZO DA PONTE
mit eigentlichem Namen Emmanuele Conegliano wurde am 10. März 1749 in Ceneda [heute Vittorio Veneto] geboren. Der junge Halbwaise [seine Mutter starb, als er fünf Jahre alt war] stammte aus einer jüdischen Familie. Sein Vater Geremia, Gerber und Lederhändler, trat mit seinen drei Söhnen 1763 ins Christentum über. Wie üblich, nahm die Familie den Namen des amtierenden Bischofs von Ceneda an und nannte sich fortan da Ponte.
Bis zu diesem Zeitpunkt erhielt Lorenzo, so der Taufname, keinen geregelten Unterricht. Erst nach der Taufe wurde Lorenzo zusammen mit seinem jüngeren Bruder Girolamo durch Bestreben des Bischofs da Ponte in das Seminar von Ceneda aufgenommen. Just aus dieser Zeit stammen da Pontes erste dichterische Gehversuche. In seinen Memoires schreibt er, dass er Unterricht bei Dante, Petrarca, Ariost und Tasso erhielt, Richtig ist, dass der erste offizielle Unterricht im Fach Latein stattfand. Unter finanziellem Druck unterbrach da Ponte seine Studien und beschloss, den sichereren Weg einer geistlichen Laufbahn einzuschlagen.
1769 trat er mit beiden jüngeren Brüdern in das Seminar von Portogruaro ein. Schnell wurde er Präfekt, er erhielt die höheren Priesterweihen. Letztendlich ernannte ihn der Bischof zum Lehrer der Rhetorik und erhielt am 14. April 1772 den Posten des Vizerektors. Am 27. März 1773 zelebrierte da Ponte seine erste Messe, im Herbst desselben Jahres verließ er Portoguaro, um nach Venedig zu gehen. Dem Ruf folgend, kehrte er nach einigen seltsamen Abenteuern in Venedig ein Jahr später nach Ceneda zurück, um als Professor für schöne Literatur sein Amt im Seminar in Treviso wahrzunehmen. Ein kleiner Schönheitsfehler in seinen Gedichten führte zu einer Anklage da Pontes vor dem Senat von Venedig. Die Folge war, dass er seinen Posten in Treviso verlor und zur Auflage bekam, jede „ähnliche Tätigkeit im Gebiet der Republik Venedig“ nicht mehr ausüben zu dürfen. Dennoch blieb da Ponte beharrlich in Venedig, da er Zugang zu den angesehendsten Kreisen hatte. Er hatte z.B. Giacomo Casanova kennen gelernt. Nach weiteren interessanten Abenteuern [s.o.] wurde er öffentlich des Ehebruches bezichtigt und am 17. Dezember 1779 für 15 Jahre aus Venezia verbannt. Nach einer kurzen Zwischenstation in Görz gelangte da Ponte 1780 über Wien nach Dresden. Dort lernte er Caterino Mazzolá [Mozart: La clemenza di Tito] kennen, der da Ponte eine Stelle am sächsischen Hof verschaffen wollte, was nicht gelang. Er unterstützte Mazzolá bei seinen Arbeiten und schuf auch eigene kleinere Werke. Mazzolá schickte da Ponte 1781 mit einem Empfehlungsschreiben an Antonio Salieri zurück nach Wien. Das erste und eindrucksvollste was da Ponte hier erlebte, war ein Besuch bei dem hochgreisen Metastasio, den da Ponte seit seiner Jugend sehr verehrte. Salieri vermittelte da Ponte via der persönlichen Gunst Josephs II. den Posten als Dichter des [1783 neu gegründeten] italienischen Theaters. Das erste Libretto, welches auch gleich Salieri vertonte war Il ricco d’un giorno, ein Fiasko. Ein wenig passabler wurde Il bubero di buon cuore, vertont von Martín y Soler 1786 aufgenommen. Wechselnder Erfolg war bei da Pontes Schaffen offenbar normal. Da Ponte librettierte weiterhin für Gazzaniga, Storace, Righini, Piticcio und Weigl. Zu Beginn des Jahres 1783 begegnete er erstmals unserem Freünd Mozart.
Für Opernfan Mozart, der just zu dieser Zeit ohnehin verzweifelt nach [einem] Librettisten suchte, kam da Ponte gerade günstig ins Geschehen. Aus dieser Zeit stammt das vermutlich von da Ponte herrührende Libretto zu Mozarts Opernfragmenten Lo sposo deluso KV 430 [424a]. Gewagt war die Wahl des Stoffes Le mariage de Figaro von Beaumarchais, den da Ponte 1786 für Mozart in Form der Nozze di Figaro dichtete. Dumm nur, dass da Ponte dieses Meisterwek mit der Dichtung Una cosa rara,
vertont von dem nicht weniger genialen Martín y Soler sogleich wieder in den Schatten stelle. Bissig zitiert Mozart ein Thema aus dieser Oper in der 1787 entstandenen Coproduktion Don Giovanni. Gleichzeitig schrieb da Ponte an L’arbore di Diana für Soler und an Axur, ré d’Ormus für Salieri. Alle drei Opern waren für da Ponte von nahezu grenzenlosem Erfolg. Seine letzte Arbeit für Mozart war Cosí fan tutte, die Handlung spielt in Neapel, eines der wenigen Libretti aus da Pontes Feder, die nicht Bearbeitungen fremder Stoffe sind, sondern eigenen geistigen Ursprung haben und daher um so kostbarer sind.
Da Ponte stieg der Erfolg offenbar zu Kopfe, denn er machte sich durch selbstherrliches Auftreten, Intrigen usf. in Wien ziemlich unbeliebt. Fataler Weise starb auch noch sein Gönner Joseph II. am 20. Februar 1790 [Cosí fan tutte war zum Glück schon aufgeführt]. Trotz etlicher Bemühungen [Schleimer], gelang es da Ponte nicht, um seine Dienstentlassung im Frühjahr 1791 herum zu kommen. Arbeitslosengeld gab es damals noch nicht, so musste da Ponte erfinderisch sein und reiste über Triest, Wien, Prag und Dresden nach London. Die Geldquelle war in diesem Fall sein Freund Casti, der netterweise zum kaiserlichen Hofpoeten ernannt worden war, nachdem Leopold am 1. März 1792 – nach kurzem Gastspiel als Kaiser - auch bereits ins Harfenorchester eintrat, wo Mozart bereits mit Rosetti und Kraus Trio spielte und Joseph II. Gast war…
Nicht schlechten Geschmack sind wir von da Ponte gewöhnt: In London kam er mit der 20 Jahre jüngeren Nancy Grahl an, Tochter eines englischen Kaufmannes [schlau!]. Eine Heirat der beiden ist nicht nachweisbar, wegen des geistlichen Standes wohl auch kaum denkbar, jedoch fand diese Verbindung die Billigung des Grahl’schen Elternhauses und harmonierte bis zu da Pontes Tod. Das Warten lohnte sich: 1793 erhielt da Ponte den ersehnten Posten am Kings Theater in London. Trotz diverser abenteuerlicher Zerwürfnisse, Intrigen und Verhältnisse war die Verbindung mit dem Theaterunternehmer William Taylor, der da Pontes Geschäftsgebaren ebenbürtig konterte, recht fruchtbar. Aus dem Jahre 1795 z.B. stammt die grandiose Oper La capricciosa Corretta, welche Martín y Soler vertonte. 1798 reiste der Dichter auf Veranlassung Taylors nach Italien, um neue Sänger zu engagieren. Seine „Frau“ begleitete ihn bei diesem Trip. Da Ponte besuchte seine Familie in Ceneda und seine früheren Wirkungsstätten Treviso und Venezia. Er durchquerte Bologna und Firenze und kehrte 1799 mit Gepäck zurück nach London: Die Sopranistin Allegranti und den Tenor Damiani. Als Kampf gegen Windmühlen stelleten sich die folgenden Jahre heraus: da Ponte hatte allerlei Unschönes mit penetranten Gläubigern zu tun. Sie machten ihn platt, er verlor [wieder einmal] seine Stelle als Theaterdichter, bekam sie aber wieder, was aber nichts half: 1804 musste er seine Familie [sie bestand aus besagter Nancy und interessanter Weise vier Kindern] nach Amerika abschieben.
Er selbst folgte 1805 nach. Aber auch hier sollte es ihm zunächst nicht besser gehen. Erst als 70jähriger konnte er recht gelassen eine Vielzahl von Schülern der ital. Sprache sein eigen nennen. Jetzt schrieb er sicherheitshalber schon mal an seinen Memoiren [1819], von Lebenserfahrung getränkt und gekränkt. Dennoch verließen ihn seine Ideen nicht und verhalfen ihm 1825 dazu, Professor der ital. Literatur [!] am Columbia College, New York, zu werden.
Cesare Sterbini läutete glorreich da Pontes Ende ein: 1830 gelang es ihm, die Oper Il barbiere di Seviglia [Rossini, 1816], für die Sterbini librettierte zusammen mit Mozarts Don Giovanni [Figaro hätte besser gepasst] in New York geben zu lassen, mit stärkstem Erfolg. Der knapp 90jährige da Ponte setzte sich vehement dafür ein, dass in New York eine ital. Oper eingerichtet wurde, was auch gelang, aber finanziell nicht von Erfolg war. Die Krönung war der Brand der Oper 1836. Wie früher machte da Ponte seinem Ärger in diversen öffentlichen Pamphleten Luft… er starb am 17. August 1838 in New York. Neben den drei bekannten Opern verbindet ihn mit Mozart, dass seine Grabstätte nicht [mehr] bekannt ist.
Eine Auflistung der Libretti da Pontes folgt, sofern sie nicht als Resonanz gepostet werden; einige Links habe ich in den Verlauf des Threads bereits integriert.
Interessant ist kürzlich aufgefundenes Potpourri, an dem da Ponte wohl aktiv mitgewirkt hat:
L’APE MUSICALE
Commedia in due atti
Die Komponisten sind Repräsentanten des Jahres 1789:
Antonio Salieri, Vicente Martín y Soler, Giuseppe Gazzaniga, Leopold Gassmann, Pasquale Anfossi, Domenico Cimarosa, Giuseppe Giordani, Monibelli, Giovanni Paisiello, Niccolo Piccinni and Angelo Tarchi und Wolfgang Mozart mit "Lá ci darem la mano" aus Don Giovanni.
Mir wurde zugeflüstert, dass dieses Werk im Dezember 2005 in Wien aufgeführt werden soll!!?
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Aber es soll nicht nur um Mozart gehen...
bien cordialement
Ulli