Was muß man kennen - von: ... Johann Nepomuk HUMMEL?

  • Am 23. Okotober 2006 schrieb "Klingsor"


    Zitat

    ich plane einen neuen threadzyklus (alle anderen taminos/as sind natürlich auch eingeladen, sich entsprechend zu beteiligen) mit dem motto ' was muß man kennen - von: ...' .
    hierbei sollen die wichtigsten, schönsten, lohnendsten werke von komponisten genannt werden, die 'man' kennen sollte.
    bewußt möchte ich die reihe auf die meister lenken, die NICHT zu den üblichen 'verdächtigen' gehören wie bach, händel, mozart, beethoven, etc.,sondern vielleicht eher nur durch wenige werke bekannt geworden sind oder vielleicht eher (zu unrecht) im ruf eines 'kleinmeisters', eines zweitklassigen oder noch viel zu unbekannten meisters stehen...
    es gilt hier, neues kennzulernen, einen überblick zu erhalten, vorurteile abzubauen, neue 'lieben' zu finden ...


    Irgendwie hatte er dann entweder keine Lust, keine Zeit oder es wurden ihm die Schwierigkeiten der Aufgabestellung - ich komme gleich darauf zurück - erst richtig bewusst. Vielleicht aber war es Frust, denn aus meiner Sicht wurde der damalige Thread zu Tode geblödelt - etwas was die Moderation verabsäumt hat zu regulieren (und damit meine ich in erster Linie natürlich mich)


    Ich nehme nun nach 5 Jahren die Einladung an, diese Threadserie fortzusetzen und bins sofort auf die Schwierigkeiten gestoßen die sich diesem Projekt entgegenstellen. Klingsor hat ganz richtig davor gewarnt, allzu bekannte Komponisten auszuwählen. Solch ein Thread gliche dann den zahlreichen Kreuzworträtseln, die man ohne nachzudenken ausfüllen kann. Beispiel (Nachtvogel mit 3 Buchstaben, auch als Alleskleber einsetzbar)..


    Aber andrerseits eignet sich ein Komponist, der als "Kleinmeister" gilt nicht für diesen Thread, weil es vermutlich zu wenige Aufnahmen von ihm am Markt gibt, und weil vermutlich kaum Mitglieder diese wenigen Aufnahmen kennen.


    Meine Wahl fiel daher auf einen Komponisten, den man eigentlich kennt, von dem aber wenige Werke in den Sammlungen der Klassikfreunde vorhanden sein dürfte.
    Auf - damit sich das ändere - Voilá !!!


    mir freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Johann Nepomuk Hummel steht diese Woche ohnehin auf meinem Kalender; er hat am Mittwoch seinen 175. Todestag.
    Er war mit einer Opernsängerin verheiratet, also nenne ich als erstes diese 1810 im Kärntnertor-Theater aufgeführte Oper:



    Johann Nepomuk Hummel (1778–1837)
    Mathilde von Guise


    Kristine Gailite, Philippe Do, Pierre-Yves Pruvot, Hjördis Thebault, Solamente Naturali, Didier Talpain
    Brilliant, DDD, 2008 - 2 CDs


    ++++++++++++


    Die bereits erwähnte Ehefrau, Opernsängerin Elisabeth Röckel - war eine Vorvorgängerin von Simone Kermes - die sich diese Aufnahme im Kloster Knechtsteden vor einigen Jahren nicht entgehen ließ:



    Johann Nepomuk Hummel (1778–1837)
    Der Durchzug durchs Rote Meer


    Simone Kermes, Veronika Winter, Hans Jörg Mammel, Ekkehard Abele, Wolf Matthias Friedrich,
    Rheinische Kantorei, Das Kleine Konzert,
    Hermann Max
    CPO, DDD/LA, 2004


    Das knapp einstündige Werk lehnt sich an Haydns Schöpfung, an Oratorien Händels und CPE Bachs an, doch es erweist sich in der melodischen Erfindung und formalen Ausgestaltung als ganz eigenständige Arbeit.


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Spontan hätte ich jetzt gesagt: Von Hummel *muss* man gar nichts kennen, oder? Daher ist mir auch nicht recht klar, wie das Paradox in klingsors Text oben aufzulösen ist....


    Ich besitze 3-4 CDs von Hummel, eine mit Klavierkonzerten, dann 3 Trios, zwei Kammermusikwerke mit Bläsern und das es-moll-Klavierquintett. Ich habe das alles als einigermaßen hörenswert in Erinnerung, aber kein Werk ist mir so präsent, dass ich sagen würde, das müsse man kennen.
    Da Hummel einer der berühmtesten Pianisten seiner Zeit war, vielleicht am ehesten ein Klavierkonzert.
    Eine CD mit Klavier solo hatte ich mehrfach auf der Liste, die ist aber irgendwie dann doch nie angeschafft worden... Seine Sonaten waren wohl ein wichtiger Einfluss für Chopin.


    Wohl am häufigsten im Bestand von Klassikfreunden dürfte vielleicht das Trompetenkonzert zu finden sein; das habe ich vor vielen Jahren auch mal als B-Seite des Haydn-Konzerts gehört, aber ich besitze es nicht auf CD.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Vielleicht wären Komponisten, die wegen eines einzigen Werks jedermann bekannt sind, deren Gesamtwerk aber eher vernachlässigt wird, lohnender. Zu nennen wären hier u.a.: Purcell (Dido and Aeneas), Pergolesi (Stabat Mater), Cherubini (Requiem), Bruch (1.tes Violinkonzert), Dukas (Zauberlehrling), Holst (Die Planeten), Khatschaturjan ("Spartakus"). Es kann ja nicht sein, dass diese Komponisten sonst nur Sachen geschrieben haben, die keinen interessieren?
    Bei Hummel habe ich das Gefühl, dass das Niveau insgesamt gut ist, aber dass kein Werk wirklich herausragend ist.

  • Lustigerweise habe ich am Wochenende unabhängig von tamino in einem Komponistenlexikon nach Hummel geschlagen ;) und dort gelesen, dass nur das Klavierwerk von Belang sei, am meisten die Klavierkonzerte. Ich nehme aber an, dass es jetzt kein Einzelwerk gibt, das "man kennen muss". Bei mir zu Hause gibt es Klavier- und Kammermusik sowie das bereits gepostete Oratorium mit dem Frederick Valckenborch vorne drauf.


    "Was muss man kennen von" geht eigentlich nur mit Komponisten, die man besser kennt, und das werden wohl nur die Stars sein können. Wir hatten mal eine "Hauptwerk"-Reihe, die ziemlich ergiebig war.

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  • "Was muss man kennen von" geht eigentlich nur mit Komponisten, die man besser kennt, und das werden wohl nur die Stars sein können. Wir hatten mal eine "Hauptwerk"-Reihe, die ziemlich ergiebig war.

    Aber das wäre ja haargenau das, was Alfred nicht wollte (Ich kenne übrigens die Lösung für sein Rätsel: Ara). Wie wäre es mit hochlohnenden Werken berühmter Komponisten abseits der Trampelpfade? Da gibt es bei Haydn, Schubert, Mendelssohn, Schumann, Saint-Saens, Brahms, Prokofjew, etc... ja genug.

  • Bei Hummel habe ich das Gefühl, dass das Niveau insgesamt gut ist, aber dass kein Werk wirklich herausragend ist.

    Ja, so sehe ich das auch.


    Als Sammler von Klavierkonzerten besitze ich dennoch alle, die Hummel geschrieben hat. Zunächst, chronologisch gesehen, erinnern die Werke - wie auch das berühmte Trompetenkonzert - doch recht deutlich an Mozart und Haydn. Später zeigt sich dann in dem diffizil verspielten Klaviersatz durchaus eine gewisse Chopin-Annäherung. Vieles von Hummel ist in melodischer Hinsicht markant und eingängig, die Verarbeitung des Materials bewegt sich dann nicht immer auf sonderlich originellem Niveau.


    Die beiden besten Klavierkonzerte, in a-moll und h-moll, und wohl auch das Trompetenkonzert darf man gewiss kennen, ohne dass es peinlich wäre ... ;) Müssen tut man möglicherweise gar nichts ...


    Das Trompetenkonzert hat nun - ähnlich wie im Falle Haydn - so ziemlich jeder renommierte wie Nachwuchs-Solist eingespielt. Güttler empfinde ich heute als ein wenig glatt, Reinhold Friedrich würde ich empfehlen. Selbst besitze ich aufgrund der Tipps eines Trompete spielenden Freundes noch eine ganze Reihe andere Einspielungen, die gelungen erscheinen. So richtig HIPpes scheint es aber gar nicht zu geben - wobei ich entsprechende Einspielungen vielleicht auch nur nicht kenne.


    (Mit Mozart ist natürlich Leopold gemeint.)


    Um die Klavierkonzerte hat sich vor allem Chandos bemüht.



    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Vielleicht wären Komponisten, die wegen eines einzigen Werks jedermann bekannt sind, deren Gesamtwerk aber eher vernachlässigt wird, lohnender. Zu nennen wären hier u.a.: Purcell (Dido and Aeneas), Pergolesi (Stabat Mater), Cherubini (Requiem), Bruch (1.tes Violinkonzert), Dukas (Zauberlehrling), Holst (Die Planeten), Khatschaturjan ("Spartakus"). Es kann ja nicht sein, dass diese Komponisten sonst nur Sachen geschrieben haben, die keinen interessieren?

    Bei denen ist die Ausgangsfrage aber doch einfach zu beantworten: Natürlich muss man dann genau das eine oder die Handvoll Werke kennen, die am berühmtesten sind. :D


    Vielleicht ist die Frage einfach unglücklich formuliert. Eher: was lohnt sich zu kennen von X (außer Werk Y, das eh jeder schon kennt)?
    Aber auch dafür scheint es mir im Forum schon ziemlich viel Material zu geben. Es gab, ich glaube in dem mal eine Zeitlang auf auf deutsch erschienen BBC music magazine mal eine Rubrik, in der von einem ziemlich berühmtes Werk ausgehend, vage ähnliche Stücke, hier allerdings meist von anderen Komponisten, als Hörvorschläge vorgestellt wurden. So ähnlich kann man das natürlich auch mit den "Ein-Werk-Komponisten" machen. Wie gesagt, ich meine, wir hätte schonmal einen ähnlichen thread gehabt.

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  • Vielleicht ist die Frage einfach unglücklich formuliert. Eher: was lohnt sich zu kennen von X (außer Werk Y, das eh jeder schon kennt)?
    Aber auch dafür scheint es mir im Forum schon ziemlich viel Material zu geben. Es gab, ich glaube in dem mal eine Zeitlang auf auf deutsch erschienen BBC music magazine mal eine Rubrik, in der von einem ziemlich berühmtes Werk ausgehend, vage ähnliche Stücke, hier allerdings meist von anderen Komponisten, als Hörvorschläge vorgestellt wurden. So ähnlich kann man das natürlich auch mit den "Ein-Werk-Komponisten" machen. Wie gesagt, ich meine, wir hätte schonmal einen ähnlichen thread gehabt.

    Ja, es ist etwas vertrackt. Vielleicht ist KSMs Vorschlag doch der publikumswirksamste. Wenn die Aufgabe lautete "Die zehn essentiellen Kompositionen Mozarts (etc..)" würde ich ein richtiges Hauen und Stechen erwarten. Aber vielleicht kann uns Alfred in puncto Hummel hier noch überraschen....

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  • J.N. Hummel kam 1819 als Hofkapellmeister nach Weimar, wo er bis zu seinem Tode 1837 lebte.


    Die Staatskapelle Weimar widmet "Ihrem" ehemaligen Hofkapellmeister einen ganzen Konzertabend. Am 19.10 in Nationaltheater Weimar erklingen "Rondo brillant" für Klavier und "Variationen über O Du lieber Augustin". Solist ist der ital. Pianist Gabriele Carcano. Weiter erklingen die Ouvertüre zu "Mathilde von Guise" und - was sonst noch - das Trompetenkonzert mit Zsolt Nagy-Major.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Mit diesem Thread habe ich eine von Klingsor begonnene, aber nie über einen Beitrag hinausgekommene Serie fortgeführt - und ich habe mich an die dort fixierten Regeln gehalten - die zugegebenermassen nicht ganz einfach einzuhalten sind. Was muss man kennen? DA wäre natürlich ein Mainstream-Komponist am besten geeignet, vorzugsweise Haydn, weil der ja neben meisterhaftem vieles geschrieben hat, das heute kaum Resonanz findet.
    Diese Versuchung bin ich allerdings nicht erlegen sondern ich habe nach einem Kompromiss gesucht.
    In Hummel glaube ich den richtigen Mann gefunden zu haben - notabene, weil hier sofort unisono behauptet wurde, man müsse eigentlich "überhaupt nichts" von Hummel kennen. Das erinnert mich an einen anderen Thread, wo auf die Frage "Lieben Sie Dvorak" sofort die witzig gemeinte Antwort kam: "Natürlich nicht".
    Überhaupt ist die Anzahl der "ungeliebten" oder "kaum beachteten" Komponisten in letzter Zeit erschreckend angestiegen:


    Man findet Dvorak als "böhmischen Musikanten", Schumann als fade (ausnahmsweise geht es mir in diesem Falle leider auch so), Weber wird fast nicht Wahrgenommen - wie es um Mendelssohn bestellt ist soll besser der Spezialist in unserem Forum beurteilen.
    Übertrieben auf den Punkt gebracht werden eigentlich nur Bach-, Beethoven-, Bruckner - und Mahlerthreads, sowie solche über Schostakowitsch gerne gelesen und geschrieben.


    Mit diesem Background erschien mir Hummel als ein geeigneter Kandidat für die 2. Folge dieser Threadserie.


    Zum einen ist er bekannt - und es sind doch etliche Einspielungen von ihm verfügbar.
    Zum anderen ist er eindeutig unterschätzt - siehe die Aussagen - man müsse eigentlich gar nichts von Hummel kennen


    Das mag heute vielleicht sogar richtig sein - zu Lebzeiten sahen die Zeitgenossen das anders.
    Mozart war vom Talent des Knaben so beeindruckt, daß er ihn 2 Jahre kostenlos unterrichtete - und sogar bei sich wohnen ließ.
    In späteren Jahren bekam er Unterricht von Albrechtsberger und Salieri
    Haydn empfahl ihn 1804 als seinen Nachfolger als Hofkapellmeister in Eisenstadt. Hummel bekam die Stelle, aber nach Unstimmigkeiten wurde er nach sieben Jahren aus dem Dienst entlassen. Welch ein Glück für die Musikwelt, denn Hummel begann erst anschließend an diese Phase mit der Komposition seiner 7 Klavierkonzerte. (im manchen Quellen werden nur 6 angegeben - ich werde das bei Gelegenheit überprüfen)


    Die Quellen sind überhaupt sehr uneinheitlich, auch was die Beurteilung der Bedeutung Hummels betrifft. Eine Quell behauptet kühn, Hummel habe das Klavierkonzert als Gattung "nicht weitergebracht" - seine Bedeutung läge lediglich in seiner Virtuosität.
    Das ist aber mit Sicherheit falsch. Waren die ersten Konzerte noch durchwegs dem Stile der Wiener Klassik - und hier besonders Mozart - verpflichtet und zeichneten sich durch Leichtigkeit aus, so kann man die letzten drei der Romantik zuordnen.
    Es wird immer wieder die Chopinnähe erwähnt - aber so, dass man annehmen könnte, Hummel habe sich am Zeitgeist, an Chopin orientiert.
    Das Gegenteil war der Fall. Hummel muß als Vorläufer von Chopin gesehen werden, der diesen in etlichen Details beeinflusst hat.


    Welches nun das "bedeutendste" Klavierkonzert sei, darüber konnten die diversen Fachpublikationen sich nicht einigen, ein Autor meinte, Das Klavierkonzert op 85 sei das beliebteste, ein andere sprach dieses Attribut op 89 zu.
    An anderer Stelle wurde bemerkt, dass es die Spätwerke waren, welche einen nachhaltigen Einfluß auf Chopin und andere Zeitgenossen hatte.


    Hummel war zu Lebzeiten auch ein berühmter Lehrer, Liszt hätte gerne Unterricht bei ihm gehabt - aber er konnte sich die Honorare nicht leisten....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !




  • Diese Scheibe wurde weiter oben bereits gezeigt.


    Ich möchte nur anmerken, dass die beiden auf dieser CD enthaltenen Klavierkonzerte in Molltonarten gehalten sind und über veritable Spannungsmomente verfügen. Wenn man von Hummel etwas kennen sollte, dann diese Aufnahme. Hier steckt durchaus Gehalt drin.


    Des Weiteren hat sich bei CHANDOS dann Howard Shelley mit den London Mozart Players der Konzerte Hummels angenommen. Beispielhaft sei nur diese eine gezeigt:

    Sicher, nichts Epochemachendes - aber eben doch ein Vertreter seiner Epoche, der gute Werke abgeliefert hat. Gut zu hörende, unterhaltende Musik, sehr gut dargeboten.


    Auch Messen gibt es:

    Lehnt sich natürlich an Joseph Haydns großartige späte Messvertonungen an, erreicht das Vorbild aber nicht. Trotzdem gutes handwerkliches Niveau. Wenn man mal was anderes als Haydns Gattungsbeiträge hören will, durchaus geeignet Freude zu bereiten.


    Grüße,
    Garaguly

  • In Hummel glaube ich den richtigen Mann gefunden zu haben - notabene, weil hier sofort unisono behauptet wurde, man müsse eigentlich "überhaupt nichts" von Hummel kennen. Das erinnert mich an einen anderen Thread, wo auf die Frage "Lieben Sie Dvorak" sofort die witzig gemeinte Antwort kam: "Natürlich nicht".
    Überhaupt ist die Anzahl der "ungeliebten" oder "kaum beachteten" Komponisten in letzter Zeit erschreckend angestiegen:

    Man findet Dvorak als "böhmischen Musikanten", Schumann als fade (ausnahmsweise geht es mir in diesem Falle leider auch so), Weber wird fast nicht Wahrgenommen - wie es um Mendelssohn bestellt ist soll besser der Spezialist in unserem Forum beurteilen.
    Übertrieben auf den Punkt gebracht werden eigentlich nur Bach-, Beethoven-, Bruckner - und Mahlerthreads, sowie solche über Schostakowitsch gerne gelesen und geschrieben.

    Natürlich war Hummel einer der bedeutendsten Musiker seiner Zeit, allerdings hat er nun einmal wenig komponiert, dem man außerhalb seiner Zeit viel Bedeutung zusprechen würde (Ausnahme wäre eventuell das Trompetenkonzert). Prinzipiell ist die Musik Hummels, wie auch der allermeisten anderen frühromantischen Komponisten, sehr schwer vermittelbar. Eine Ausnahme wäre Schumann und, teilweise (!) Mendelssohn. Das Hauptproblem des heutigen Hörers mit dieser Musik besteht darin, dass die gegebüber der Klassik gesteigerte Dramatik - oft in Molltonarten - gepaart geht mit überschäumender Virtuosität. Das macht einen unschlüssigen, ja oberflächlichen, Eindruck, und vielen erscheint es, als würde "leeres Stroh gedroschen". Natürlich empfinden das Bruckner-, Mahler- oder Schostakowitschfans, die von Musik ja irgendwelche Offenbarungen erwarten, noch stärker als ich, der deinem ästhetischen Empfinden wesentlich näher steht. Trotzdem muss ich sagen, dass ich die Klavierkonzerte, Klavierquartette etc.. der Frühromantik- inklusive denen Mendelssohns! - in gewisser Hinsicht als defizitär empfinde.
    Bei Weber schätzt man richtigerweise, wie ich finde, vor allem seine musikdramatischen Werke und seine Instrumentierungskunst, die für die Romantik richtungsweisend war. Dass Dvorák oftmals (absichtlich?) verkannt wird, da stimme ich dir allerdings vorbehaltlos zu.

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  • Die CD mit den Klavierkonzerten, gespielt von Hough, besitze ich ebenfalls. Ich habe sie heute morgen mal wieder gehört. Das sind auf jeden Fall lohnende Werke, ich könnte auch nicht genau sagen, warum Webers Klavierkonzerte immerhin ab und zu mal gespielt/aufgenommen werden, diese beiden Hummels aber praktisch nie. Hummels kommen eher sogar gewichtiger daher, wobei man zwischendurch dann wieder Stellen mit gewissem "Leerlauf" hat.


    Ich glaube, dass wir, etwas vereinfacht, bei Klavierkonzerten inzwischen weitgehend so interpretenfixiert sind, dass "wir" (also die Mehrheit des Klassikpublikums) lieber dutzende unterschiedlicher Aufnahmen der Konzerte Beethovens, Chopins, Schumanns, Griegs usw. mit unterschiedlichen Pianisten hören wollen als zB diese Werke Hummels. Wie schon gesagt, sind nicht einmal Mendelssohns Klavierkonzerte oder die beiden späten Konzertstücke Schumanns wirklich "Standardrepertoire", noch weniger Webers, alles heute sehr viel berühmtere Komponisten als Hummel.


    Bei einem Trompetenkonzert (oder denen für Klarinette von Weber und Spohr) gibt es dagegen so wenig lohnende Stücke, dass sich hier auch welche von sonst fast verschwundenen Komponisten halten können. Überdies gibt es kein Trompetenkonzert von Beethoven oder Schumann, d.h. Hummel muss sich hier nicht mit überragender Konkurrenz messen, wie bei Klavierwerken. Ähnliches gilt für anderes Repertoire, das von vornherein eine Nische bedient, wie Reichas Bläserkammermusik oder die gemischten Septette oder Nonette usw. von Hummel, Spohr u.a.


    Felxi Meritis gebe ich zwar insofern recht, dass es die Musik der "Frühromantik" schwer hat. Davon würde ich aber Mendelssohn und Schumann ausnehmen, denn die gehören erstens nicht zur Frühromantik und zweitens sind von beiden ja sehr viele Stücke Standardrepertoire (wobei es fraglos bei diesen beiden (erst recht Liszt) mehr Werke und ganze Werkgruppen gibt, die eher im Schatten stehen, als bei Beethoven oder Chopin). Aber Hummel, Spohr, Weber (Instrumentalwerke) u.a. sitzen zwischen den Stühlen. Das liegt vermutlich ganz einfach daran, dass Beethoven (und ab den 1830ern dann Mendelssohn, Schumann, Berlioz, Chopin, später Liszt) usw. einfach zu prägend waren. Dagegen wirken sie fast immer irgendwie blaß mit Tendenz zum etwas flachen Klassizismus oder "bloßer Virtuosität". Das ist natürlich ein unfaires Urteil, aber dennoch nachvollziehbar und vermutlich heute nicht mehr zu ändern.

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  • Johannes, ich habe ja Schumann und Mendelssohn, den allerdings nur weitgehend, ausgenommen. Sicherlich recht hast du mit deinem Einwand, dass Schumann kein Frühromantiker mehr sei. Mendelssohn allerdings hat in 1820 begonnen zu komponieren und ab 1825 Meisterwerke geschrieben. Seine ersten vier publizierten Werke sind Kammermusikwerke von eindeutig frühromantischer Faktur, drei davon Klavierquartette. Weiters orientiert sich sogar noch sein g-moll Klavierkonzert (von den Jugendkonzerten fange ich gar nicht erst an) an Webers Konzertstück in f-moll - einem frühromantischen Paradestück.

  • Ich komme wieder zurück zu Hummel.
    "Garaguly" hat folgendes über eine Aufnahme von Hummels Klavierkonzert Nr 85 geschrieben:


    Zitat

    Habe eben das Klavierkonzert a-moll op. 85 gehört, das unter anderem auf dieser Scheibe enthalten ist. Eigentlich ein sehr schönes und dramatisches Klavierkonzert, das mir sehr gefällt - allerdings nicht in dieser Aufnahme!!! Gegen das schlanke Spiel des Ensembles 'Solamente Naturali' unter Didier Talpain will ich gar nichts sagen, dem kann man durchaus etwas abgewinnen; das Problem ist ein geradezu lächerliches Fortepiano. Da kann einem HIP doch wirklich gestohlen bleiben. Dieses grotesk klingende Piano entstellt den Solopart regelrecht. Welch ein Unterschied zu d-e-r Aufnahme dieses Werkes mit Stephen Hough am (modernen) Flügel und dem English Chamber Orchestra unter Bryden Thomson (CHANDOS). Nur bei Hough erfährt man, wie dieses Werk klingen muss.Hier traktiert Alessandro Commellato das Flügelchen ohne Klang!

    Ausnahmsweise ein Vollzitat - weil es hier eben nötig ist.


    Prinzipiell haben mich die ersten Takte auch verstört, allerdings war es hier das Orchester. Beim 2. hören war dieser Eindruck indes wie weggeblasen.
    Ich kann mich allerdings der Radikalität von Garaguly, betreffend des verwendeten Soloinstruments nicht anschliessen. Es handelt sich um einen originalen Flügel von Pleyel (Paris 1837) - und der hat eben einen speziellen - zu seiner Zeit sehr geschätzten Klang. Mechanisch allerdings ist dieses Instrument - soweit die Aufnahme dies vermitteln konnte - in allerbester Verfassung, kein Klappern oder ähnliches war bei den schnellen Passagen zu hören. Noch besser fand ich indes (von Garaguly nicht gehört und besprochen) den Flügel von Joseph Böhm (Wien 1825) welcher für die Aufnahme des Klavierkonzertes op 73 eingesetzt wurde. Eines lässt sich indes nicht wegleugnen. Wer je ein "großes", "auftrumpfendes" Klavierkonzert auf modernem Flügel gehört hat, der wird Schwierigkeiten haben sich mit der HIP Version anzufreunden.....
    Und die Aufnahme mit Stephgen Hough ist nun mal hervorragend .....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

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  • Ich habe oben genannte CD mittlerweile auch erstanden und mehrfach gehört.
    Zuerst einmal, ob man etwas von Hummel hören muss, lässt sich nicht verbindlich für jedermann sagen, zumindest meine ich, dass es jedoch nicht schadet, sondern sehr lohnt, ihn zu kennen, für mich ist das wunderschöne Musik. Sie ist virtuos, prägnant, charaktervoll, romantisch durchtränkt und stimmungsvoll.
    Wie so oft ist es m. E. eher hinderlich als förderlich, sucht man nach Vergleichen. Sicherlich liegt es da sehr nahe, an seine Lehrer Mozart und Haydn zu denken, jedoch glaube ich, dass man Hummel eher gerecht wird, wenn man sich von diesem Sachverhalt nicht beeinflussen lässt.
    Auch würde ich ihn (und viele andere Komponisten) nicht daran messen, ob er bahnbrechende Neuerungen vorgenommen und das ganze Genre revolutioniert hat; wenn er innerhalb bestehender Konventionen schöne, ausdrucksstarke, hörenswerte Musik geschrieben hat, genügt mir das vollauf, ohne den Komponisten dafür gering zu schätzen.
    Zu dieser Einspielung: anfangs hatte ich ebenso wie Garguly meine Probleme mit dem verwendeten Instrument, für mich klang es sehr befremdlich, wie eine Mischung aus Hackbrett, Harfe und zerschossenem Saloon - Klavier. Nach wiederholtem Hören muss ich allerdings sagen, dass mir der feine, individuelle Klang des Instrumentes nun doch mittlerweile durchaus behagt.
    alles in allem eine Einspielung, die mir sehr gut gefällt, auch bei wiederholtem Hören (was für mich der Lackmustest bei Aufnahmen ist: ob man sie auch mehrfach ohne Abnutzungserscheinungen hören kann).