Papageno - eine Opernfigur mit Charakter - Deutungen und Interpretationen

  • In jenem Thread, wo die aktuellen Darsteller des Papageno vorgestellt werden, hat "ZweiterBass" ein Seitenthema angerissen, welches keine Resonanz fand. Vermutlich deshalb nicht, weil es sich ja eigentlich um eine Erweiterung des Themas handelt, welche den klaren Verlauf des Threads stören könnte, vielleicht aber auch aus Desinteresse am Thema.


    Zweiterbass schrieb dort:

    Zitat

    .....dazu wäre es natürlich zuerst besonders wichtig, welchen Charakter Mozart und der heutige Interpret/Hörer/ich dem Papageno angedeihen ließ/lässt und in wie weit sich das deckt.

    Mich persönlich interessiert diese Frage immerhin so, dass ich ihr einen eigenen Thread widmen möchte, wenngleich ich ein wenig skeptisch bin, was die Teilnahme betrifft.
    Aus der eigentlichen Fragestellung ergeben sich gleich MEHRERE Fragen ?


    Ist es mehr als ein Gerücht, daß Mozart die Figur des Papageno - eine Erfindung von Schikaneder - nur widerwillig akzeptierte ?


    Wer hat Papageno eigentlich den "Charakter" verpasst -


    war es Schikaneder
    hat Mozart "mitgeredet"
    oder handelt es sich um eine Hanswurdtfigur aus dem "Wiener Pawlatschentheather"
    bzw usprünglich um eine Figur der "Commedia, del Arte" ?
    Welchen Einfluß hatten die Sänger in der Gestaltung der Rolle in der Vergangenheit ?
    Welchen haben sie heute - wenn sie überhaupt noch einen haben ?
    Welche "Ideen" hatten die "Opernzerstörer" zu dieser Figur ?
    Und welchen Stellenwert hat ihr das Publikum eingeräumt ?
    Und natürlich die Kostümbildner......?


    Ach da gäbe es noch so viel zu schreiben - und hoffentlich geschieht das auch...


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Papageno ist aber doch eher ein "Kasperl" oder eher Pulcinella - eine Figur der Commedia dell'Arte-

    dazu wäre es nat. zuerst besonders wichtig, welchen Charakter Mozart und der heutige Interpret/Hörer/ich dem Papageno angedeihen ließ/lässt und in wie weit sich das deckt.

    MEINE Antwort darauf heisst:


    Papageno - eine Opernfigur mit Charakter - Deutungen und Interpretationen


    Hallo Alfred,


    ich deute Deine Antwort richtig, dass Du damit von Deiner auch geäußerten Meinung, er sei ein "Kasperl..." abrückst?


    Ich sehe ja ein, dass Du als Forenbetreiber Themen anreisst, aber wenn Du Dich schon aus dem Fenster gelehnt hast, dürfte es m. E. dann nicht nur beim Anreissen bleiben.


    Die zu klärenden Fragen möchte ich ergänzen:


    Die Person Mozart hat sich auf den Charakter des Papageno ausgewirkt - hätte Bruckner, rein theoretisch, die Zauberflöte komponiert, wäre der Papageno ganz anders ausgefallen.


    Wenn es stimmt, dass Mozart über die Charakterisierung des Papageno im Libretto nicht erfreut war, lag es u. U. daran, dass er ihn nicht als "Kasperl" sah. (Ein kleiner Abschnitt aus Mozarts Lebendaten: Seine Constanze war die 2. Wahl, die 1. Wahl war deren Schwester Aloisia, die ihm eine Abfuhr erteilte. Es ist meine sachlich völlig unbegründete Vermutung: Wenn ich an seine Briefe ans "Bäsle" denke, war da seine Constanze nicht nur zeitlich 2. Wahl?)


    Bevor zu heutigen Interpretationen Stellung genommen wird, wäre m. E. die Frage zu klären, wie hat Mozart den Papageno gesehen, an den Textvorlagen Änderungen/Ergänzungen durchgesetzt und ihn dann in seiner Musik charakterisiert.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Zitat

    ich deute Deine Antwort richtig, dass Du damit von Deiner auch geäußerten Meinung, er sei ein "Kasperl..." abrückst?

    Nein - eigentlich nicht.
    Der Thread sollte den Forianern lediglich die - bis jetzt kaum genutzte Möglichkeit Möglichkeit geben, ihre persönliche Sicht der Rolle Papageno zu überdenken und hier darzulegen. Ich glaube, daß es deren einige gibt. Und ich glaube ferner, daß Mozart diese (eigentlich nicht vorgesehene ?) "Nebenrolle" überhaupt nicht mit einem "Charakter" ausgestattet hat, vielmehr war dies der Librettist Emanuel Schikaneder, der dann übrigens diese Rolle in den ersten Aufführungen selbst spielte.
    Aber natürlich gab ihr auch Mozart eine gewisse Prägung. Das war aber ebenfalls von Schikaneder, der ja nicht nur Librettist, Sänger, Regisseur und Schauspieler, sondern auch ein erfahrener Theaterdirektor war, mit eingeplant....



    Zitat

    Bevor zu heutigen Interpretationen Stellung genommen wird, wäre m. E. die Frage zu klären, wie hat Mozart den Papageno gesehen, an den Textvorlagen Änderungen/Ergänzungen durchgesetzt und ihn dann in seiner Musik charakterisiert.

    Soweit mir bekannt, soll Mozart sich mehr für den "Freimaurerteil" der Oper interessiert haben, und die Figur des Papageno - sie stammt aus dem Altwiener "Kasperl- und Zaubertheater"


    Ich erinnere mich dunkel dereinst irgendwo gelesen zu haben, Schikaneder habe Mozart für den anfänglichen Misserfolg der Zauberflöte verantwortlich gemacht, er soll gesagt haben, daß die Zauberflöte erfolgreicher gewesen wäre, hätte Mozart nicht immer "dreingeredet"..........


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich erinnere mich dunkel dereinst irgendwo gelesen zu haben, Schikaneder habe Mozart für den anfänglichen Misserfolg der Zauberflöte verantwortlich gemacht, ...

    Von Misserfolg kann überhaupt keine Rede sein. Alleine in den ersten beiden Monaten sind 83(!) Vorstellungen bei hoher Auslastung dokumentiert. Richtig ist, dass der Erfolg nicht ganz frei von Vorbehalten war, da das Stück im Vergleich zu den geläufigen Wiener Zauberopern ungewohnt ernste Gedanken beinhaltete, die vom Publikum erst vollständig akzeptiert werden mussten.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Der Hanswurst war, wie wir ja alle wissen, eine grobianische Figur, die sich quer zum hohen Stil stellte. Noch beim Papageno erlebt man ja dieses down-to-earth, die niederpotenzierte Menschlichkeit mit ihren somatischen, infantil begehrlichen, unreflektierten und leichtgläubig lenkbaren Zügen, auch in der Funktion, die hohen Gefühle der Hauptgestalten etwas vom Sockel zu stoßen. - Gleichwohl muß man umgekehrt feststellen, daß Papageno, der volkstümlichen Figur gegenüber, eine gezähmte, veredelte, hochstilisierte Spielart darstellt. Die "Saftigkeit" ist Sache des Sängers (und der Regie). Das Couplet "Ein Mädchen oder Weibchen" etwa lebt musikalisch vom Kontrast des gezähmt erotischen Textes zu der kindlichen Naivität der Melodie. Ein allzu hemdsärmelig agierender Vogelsteller überrascht zuletzt in der Rollenhaftigkeit dieser Nummer.


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Interessant ist, daß nur wenige Sänger in der Lage waren, diese Rolle "Ideal" (im Sinne von "überzeugend") zu verkörpern, und daß diese Sänger gerade durch die Gestaltun dieses (scheinbar) recht anspruchslosen Charakters zu Ruhm gelangten, bzw in Erinnerung blieben. Meiner Meinung nach übrigens die wesentllich interessanteres Figur als jene des Tamino...
    Zu den "idealen" Papagenos zählt man heute in der Regel Erich Kunz, Walter Berry und Christian Boesch..
    Dietrich Fischer-Dieskaus Darstellung ist - trotz vorzüglicher - gesanglicher Leistung - eher umstritten.
    Ein weiterer Papageno der Vergangenheit ist Gerhard Hüsch - dokumentiert auf der alten Beecham-Aufnahme von 1939....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Interessant ist, daß nur wenige Sänger in der Lage waren, diese Rolle "Ideal" (im Sinne von "überzeugend") zu verkörpern, und daß diese Sänger gerade durch die Gestaltun dieses (scheinbar) recht anspruchslosen Charakters zu Ruhm gelangten, bzw in Erinnerung blieben. Meiner Meinung nach übrigens die wesentllich interessanteres Figur als jene des Tamino...
    Zu den "idealen" Papagenos zählt man heute in der Regel, Erich Kunz, Walter Berry und Christian Boesch..
    Dietrich Fischer-Dieskaus Darstellung ist - trotz vorzüglicher - gesanglicher Leistung - eher umstritten.
    Ein weiiterer Papageno der Vergangenheit ist Gerhard Hüsch - dokumdentiert auf der alten Beecham-Aufnahme von 1939....


    mfg aus Wien
    Alfred


    Der Heinz Holecek, für mich neben Kunz und Berry der ideale Papageno, hat Dir nicht sonderlich gefallen? (Wahrscheinlich ist er auf Aufnahmen nicht erhältlich?!)

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Für mich ist der Papageno die einzige wirklich menschlich anrührende Figur in dieser Oper. Da ich zudem mit seiner wienerischen Interpretation aufgewachsen bin und selbige liebgewonnen habe, sind meine idealen Papagenos Erich Kunz, Heinz Holecek und Walter Berry. Diese drei Künstler schauen aus dem Mozart-Himmel auf uns herab, und was sie über die gegenwärtige Mozart-Pflege (welch Euphemismus!) da zu sehen und hören bekommen, muß für sie schmerzlicher sein als das Fegefeuer!

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Für mich ist der Papageno die einzige wirklich menschlich anrührende Figur in dieser Oper.

    :jubel:
    Und die/das hat Mozart genial vertont.


    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler