Ludwig van Beethoven: "Fidelio" (auf DVD)


  • Wie im allgemeinen Thread zu "Fidelio" schon genannt, entspricht diese Aufnahme mit Karl Böhm vom Anfang der 70er durchaus meinem Geschmack; aber ich bin sicher, ihr könnt noch andere Aufführungen auf DVD ins Feld führen.

  • Lieber Yorick,


    ich habe auch nur diese von dir genannte DVD und kann dazu sagen, dass sie meinen Erwartungen an die Inszenierung des "Fidelio" voll entspricht. Da ich eine große Vielfalt an Opern aller möglichen Richtungen habe, besitze ich - schon aus Platz- aber auch aus Zeitgründen - nur von wenigen Opern verschiedene Aufnahmen. Denn auch aus finanziellen Gründen kaufe ich mir nichts, was ich nur einmal nutze. Ich lege mir in der Regel nur eine, die mir zusagt, zu. Das heißt nicht, dass ich mich nicht über andere Inszenierungen informiere. Es gibt ja heutzutage eine Menge an Informationen, u.a. auf youtube und im Fernsehen (hier leider in der letzten Zeit meist nur noch die des modischen sogenannten Regietheaters), nach denen man die Auswahl nach seinem Geschmack finden kann oder von denen man - wie im Fernsehen - eher abgeschreckt wird.

    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Sagitt meint:


    Es gibt beim Sehen oftmals ein Problem: einen Florestan, dem man nicht glaubt, dass er schon länger bei Wasser und Brot eingekerkert ist. Ein Botha, ein Protschka o.ä. kann die Partie zwar singen, aber nicht glaubwürdig verkörpern.


    Ich fand von den verschiedenen Versionen diejenige von Berghaus in Zürich mit Kaufmann unter Harnoncourt am überzeugendsten.

  • Es gibt beim Sehen oftmals ein Problem: einen Florestan, dem man nicht glaubt, dass er schon länger bei Wasser und Brot eingekerkert ist. Ein Botha, ein Protschka o.ä. kann die Partie zwar singen, aber nicht glaubwürdig verkörpern.


    Ich fand von den verschiedenen Versionen diejenige von Berghaus in Zürich mit Kaufmann unter Harnoncourt am überzeugendsten.

    Das ist der Grund, warum ich lange nichts von Opern auf DVD wissen wollte: Einmal lenkt das Bild von der Musik ab, ein andernmal die von dir völlig zu Recht angesprochene Glaubhaftigkeit der Darstellung, die ja übrigens für jede Oper gilt, nicht nur für den "Fidelio". Auf der anderen Seite dürfte man dann auch nie in die "richtige" Oper gehen! 8-)

  • Sagitt meint:



    Bei Tenören öfters ein Problem. Pavarotti als Rodolfo. Man muss Angst haben um Mimi und das Bett, auf dem sie liegt.


    Gerade Partien mit den heldischen Stimmlagen werden (zu) oft von deutlich übergewichtigen Menschen gesungen. Florestan wurde optisch einigermaßen glaubwürdig von Kollo und Kaufmann und vielleicht von denen, die man nicht kennt.


    Die akustisch überzeugenden Versionen sind meist von Sängern, die optisch nicht glaubwürdig sind: Peter Anders,Jon Vickers,Wolfgang Windgassen....

  • Die Meßlatte bei Opernvorstellungen in der Weise anzulegen, wie sie hier beschrieben wurde, ist vielleicht nicht gerade angezeigt. Ich erinnere mich auch einen sehr, sehr, sehr korpulenten Florestan in einer Aufführung in meiner Heimatstadt Hagen; dem hat man das monatelange Fasten überhaupt nicht abgenommen, da half auch nicht das sparsam eingesetzte Bühnenlicht, denn diese Kaschierung wirkte zwar im Kerker, aber nicht mehr in der folgenden, voll ausgeleuchteten Szene.


    Ich glaube, dass da nur die "Abschaltung" des Intellekts hilft. In mancher Oper ist eh vieles irreal...


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Ich glaube, dass da nur die "Abschaltung" des Intellekts hilft. In mancher Oper ist eh vieles irreal...

    Wie hieß es, glaube ich, in der Dresdner Herkuleskeule? Der sang, wo weilest du, wo weilest du und dabei stand die Olle gleich daneben! :)

  • Ich habe zu der hier vorgestellten Aufnahme von Böhm, und abgesehen von der Authentizität der Figur des Florestan, noch einige Empfehlungen aus meinem Bestand vorzustellen, die teilweise (Kaufmann, Harnoncourt, Zürich) schon genannt worden sind und zu denen ich einige Erläuterungen abgeben möchte.


    Diese Aufnahme halte ich insgesamt für sehr ergreifend und empfehlenswert, vor allem wegen der überragenden Gundula Janowitz als Leonore und dem wirklich überzeugenden Rene Kollo als Floresten. Noch nie habe ich einen Tenor gehört, der die die Kerkerarie derart grandios aus einem Pianissimo heraus entwickelt. Auch äußerlich tut er der Figur des Florestan keinen Abbruch. Wie in den anderen von mir noch zu nennenden Beispielen vermag hier Hans Sotin als Don Pizarro nicht ganz zu überzeugen (Wie überragend dagegen Tom Krause unter Maazel 1963). Großartig auch Lucia Popp als Marzelline sowie Chor und Orchester unter der Leitung von Leonard Benrstein. Dazu kommt die ausgezeichnete Regie von Otto Schenk (wenn wir schon mal darüber reden).


    Hier haben wir die in Rede stehende Aufnahme aus 2004 aus Zürich unter der Leitung von Nikolaus Harnoncourt. Auch hier liegen größtenteils überzeugende künstlerische Leistungen vor. Vor allem Jonaus Kaufmann als Florestand (der als Einziger in der Kerkerarie dem phänomenalen Anfangspianissimo René Kollos nahekommt, die erstaunliche Camilla Nylund als Leonore, der souveräne Lazlo Polgar als Rocco und natürlich Chor und Orchester der Züricher Oper unter Nikolaus Harnoncourt, dessen sehr individuelle Anlage der Ouvertüre einmalig unter meinen zahlreichen "Fidelios" ist. Wiederum ist auch hier die Figur des Don Pizarro in der Person des in der Schweiz äußerst populären Alfred Muff eher enttäuschend, während Christoph Strehl als Jaquino sehr überzeugend ist und er natürlich auch durch die Regieeinfälle Jürgen Flimms in der Schlussszene (aber auch davor) eine ganz andere Bedeutung gewinnt. Auch die Figur Marzellines wird durch Jürgen Flimm am Schluss ganz anders gezeichnet, als man es gewohnt ist. Sie bricht unter der schmerzlichen Enttäusuchung der Entwicklung zusammen, und das Ende ist offen. Die Leistung Jürgen Flimms hat mich hier überzeugt, und m.E. gerät er hier nicht in die Gefahr, als negatives Beispiel des Regietheaters dargestellt zu werden.


    Als drittes Beispiel möchte ich hier die nebenstehende Aufnahme aus dem Jahre 1990 vorstellen. Unter der Leitung von Christoph von Dohnany mit dem Orchester und Chor des Royal Opera House London treen hier weitgehend unbekannte Sänger an. Lediglich bekannter scheinen mir Gabriela Benakova als Leonore, die hier eine großartige Leistung abgibt, sowie der ebenfalls überzeugende Robert Lloyd als Rocco und Joseph Protschka als Florestan. Aber bei ihm besteht ja dieses optische Glaubwürdigkeitsproblem. Stimmlich ist er dieser Aufgabe wohl gewachsen. Auchdie Regie Adolf Dresens gefällt mir, die musikalische und auch darstellerische Leistung des gesamten Ensembles ist m. E. wirklich gut.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Sagitt meint:


    Josef Protschka war ursprünglich ein lyrischer Tenor. Er hat sehr eindrucksvolle Aufnahme von Schumann (op.39,48) und Schubert ,u.a. Schöne Müllerin gemacht.


    Leider hat er dann das Fach gewechselt. Da wars bald mit seiner Stimmpracht aus. Ein lyrischer Tenor weniger. Ich erlebte einmal live,wie er mitte der achtziger Jahre aus einer Matthäus-Passion in Wien aussteigen musste. Der Evangelist Araiza übernahm dann eben noch die Tenorarien. Schade, dass Protschka nicht bei seinen Leisten geblieben war. Im lyrischen Bereich hätte er noch manche Verdienste erwerben können.


    Er wurde dann Lehrender,u.a. Rektor der Hochschule in Köln.

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  • Ich habe zu der hier vorgestellten Aufnahme von Böhm, und abgesehen von der Authentizität der Figur des Florestan, noch einige Empfehlungen aus meinem Bestand vorzustellen, die teilweise (Kaufmann, Harnoncourt, Zürich) schon genannt worden sind und zu denen ich einige Erläuterungen abgeben möchte.


    Diese Aufnahme halte ich insgesamt für sehr ergreifend und empfehlenswert, vor allem wegen der überragenden Gundula Janowitz als Leonore und dem wirklich überzeugenden Rene Kollo als Floresten. Noch nie habe ich einen Tenor gehört, der die die Kerkerarie derart grandios aus einem Pianissimo heraus entwickelt. Auch äußerlich tut er der Figur des Florestan keinen Abbruch. Wie in den anderen von mir noch zu nennenden Beispielen vermag hier Hans Sotin als Don Pizarro nicht ganz zu überzeugen (Wie überragend dagegen Tom Krause unter Maazel 1963). Großartig auch Lucia Popp als Marzelline sowie Chor und Orchester unter der Leitung von Leonard Benrstein. Dazu kommt die ausgezeichnete Regie von Otto Schenk (wenn wir schon mal darüber reden).


    Sehr richtig. Auch mir gefällt diese Aufnahme ausgezeichnet, eigentlich sind die Schenk-Inszenierungen immer authentisch und überzeugend. Was mir nicht gefällt, ist der Einschub der 3. Leonoren-Ouvertüre mitten im 2. Akt vor dem Finale. Das ist eine Unsitte und von Beethoven so nicht beabsichtigt. Sie geht wohl auf Gustav Mahler zurück, der ja auch die 9. Sinfonie "bereicherte".


    Mit besten Grüßen


    :hello:


    Manfred

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Ich habe die von Willi vorgestellte DVD mit der Londoner Aufführung. Nicht schlecht, aber irgendetwas fehlt mir, ich weiß nicht was. Obwohl ich normalerweise mit Opern ohne Bild gar nichts anfangen kann, gefällt der Fidelio mir als CD besser (in meiner GA sind es die Wiener Philharmoniker unter Dohnanyi aus 1991. Hier ergreift mich wirklich alles.
    Ich habe wirklich keine Ahnung, warum die DVD bei mir nicht ankommt. Hat jemand eine Idee?


    Tschö
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Eins meiner Youtube-highlights ist die "Abscheulicher"-Szene mit Gwyneth Jones. Man spürt, zu allem, eine ungeheure Konzentration der Sängerin, was ja irgendwie unterschwellig zu der heiklen Situation Fidelios paßt, als der Leonore sich permanent zusammennnehmen muß, damit nicht ihre Gefühle mit ihr durchgehen und sie dadurch verraten. Ich bedaure dann um so mehr, daß es die Hamburger Salomé nicht als DVD gibt.


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!