Große Wagner Dirigenten der Vergangenheit - Vol. I (Schellack und Mono)

  • Liebe Forianer, Liebe Wagnerianer
    Dies ist der erste von drei geplanten Threads über Dirigenten, die man gerne mit Richard Wagner in Verbindung bringt.
    Zwei werden sich der Vergangenheit widmen, der dritte der Gegenwart-
    In diesem Thrad beschränken wir uns hier auf die Schellack - und Mono Ära - das goldene Zeitalter sozusagen.
    Es können hier historische Aufnahmen vorgestellt werden, oder aber Anekdoten, bzw kurze Zitate aus alten Kritiken gebracht werden. Auch Vergleiche der Zeitgenossen untereinander sind gern gesehen. ebenso wie Statements der genannten Dirigenten zum Thema Richard Wagner und seinen Werken



    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Alfreds Frage ist hinsichtlich „Schellack- und Mono“ sicher etwas für Spezialisten. Und der bin ich wahrlich nicht. Etwas belustigt habe ich aber in Thielemanns Buch „Mein Weg mit Wagner“ eine Beschreibung der „Verbrechergalerie in Bayreuth“ gelesen. Der Dirigent erwähnt den Gang „vom Graben aus“ eine Rampe hoch, eine Schleuse hindurch (in der die Koffer und Kästen der Kontrabässe und Celli lagern) und schon steht man vor dem ersten Gesicht: Hans Richter.


    "Richter isst und trinkt gern (…) trägt einen professoralen Rauschebart und gilt als Unikum. Er beherrschte nahezu alle Instrumente selbst und kann die Musiker unangenehmerweise sofort eines Besseren belehren, wenn diese über unüberwindliche technische Schwierigkeiten klagen. Für die Bayreuther Wiederaufnahme des „Ring“ 1896 verlangt er 46 Orchesterproben - und bekommt sie."


    Neben Richter hängt Hermann Levi, Dirigent der Uraufführung des „Parsifal“; auch er mit Bart und mit traurigen Augen. Levi wurde von „Wagner aus Unzufriedenheit mit Richter“ ausgesucht, muß sich aber „unschöne Antisemitismen“ gefallen lassen: er solle sich „taufen lassen und vor Demut nur noch gebückt herumlaufen“, soll Wagner geäußert haben. Den „Parsifal“ dirigiert Levi in Wagner zwar genehmen vier Stunden und vier Minuten, aber der Komponist bemängelt, daß Levi zu sehr „mit dem Arm“ und zu wenig „aus dem Handgelenk heraus“ dirigiert.


    Nach Franz Fischer kommt dann in dieser Galerie ein anderer Großer: Felix Mottl. Man sieht auf dem Bild einen akkuraten Seitenscheitel, Schnauzbart und Kneifer. Mottl ist der Uraufführungsdirigent des „Tristan“ und - so Thielemann - der einzige (bis heute!) der in Bayreuth alle zehn Musikdramen Wagners geleitet hat. Aus Mottls Tagebüchern sind einige interessante Details bekannt geworden: Wagner soll mal gesagt haben, daß „Das Rheingold“ in zwei Stunden fertig sein könnte, wenn „Ihr nicht alle so langweilige Kerle wärt.“ Thielemann meint, daß Wagner offensichtlich eher „flüssig unterwegs“ war. Eine andere Bemerkung ist für Thielemann auch aufschlußreich: „Stimmung ist gar nichts. Die Hauptsache ist und bleibt Kenntnis.“ Mottl, der später „von Mottl“ hieß, starb während seines 100. „Tristan“-Dirigats. Da muß man doch sofort an Joseph Keilberth denken.


    Dann Richard Strauss. 1889 assistierte er in Bayreuth und leitete fünf „Tannhäuser“-Vorstellungen, in denen seine spätere Frau Pauline de Ahna die Elisabeth sang. Cosima soll den „schlaksigen Bayern“ sehr gemocht haben, so jedenfalls werden ihre (erfolglosen) Bemühungen kommentiert, ihre Tochter Eva mit Strauss zu verkuppeln. Wie Wagner ist auch Strauss für seine flotten Tempi bekannt geworden. Das rechtfertigte Strauss mal mit den Worten „Nicht ich bin im 'Parsifal“ schneller, sondern ihr in Bayreuth seid immer langsamer geworden.“


    Eine interessante Galerie, die noch die Namen Anton Seidl, Michael Balling, Willibald Kaehler, Arturo Toscanini, Wilhelm Furtwängler, Victor de Sabata, Hans Knappertsbusch, Siegfried Wagner, und noch viele andere aufweist. Wenn das vielleicht auch nicht unbedingt Alfreds Intention entspricht, ist es doch interessant, zu lesen...


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Einige erschwingliche Einblicke in die Materie liefern z.B. diese beiden CDs


    &


    Zum einen ist die Klangqualität im Hinblick auf die Aufnahmedaten fulminant, zum anderen kann man sich einer leichten Gänsehaut angesichts der Historizität nicht erwehren ... Einige der Aufnahmen unter K.Muck finden sich auch in dieser Box:



    Zusätzlich z.B. Auszüge aus Wagner-Opern unter H.Tietje, F.v.Hoeßlin und R.Strauss zwischen 1925 und 1940.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Eine klassische Sammlung zur Vorkriegs-Wagnerinterpretation, die für die meisten wohl eher der Sänger als der Dirigenten wegen relevant ist, sind die Ring-Auszüge (7-8 Stunden Material, auf CD von PEARL), aufgenommen von His Master Voice 1927-32. Dirigenten sind Blech, Barbirolli, Collingwood, Muck, Coates, Heger, Alwin. Ich sollte da vielleicht mal wieder reinhören, aber die Hauptattraktion dieser Sammlung sind meiner Erinnerung nach die Sänger (Leider, Melchior, Schorr u.a.)


    (Ich sehe gerade, dass diese Sammlung ein bißchen teuer geworden ist... würde ich jetzt verkaufen, hätte ich seit 2005 (oder wann ich die Box gekauft habe) wohl >900% Rendite erzielt... Viel mehr als ca. EUR 50 habe ich gewiss nicht gezahlt. Hoffentlich sind die CDs nicht defekt...)


    Dann gibt es natürlich den berühmten ersten Walküren-Akt unter Bruno Walter aus den 1930ern, ebenso Auszüge unter Toscanini (um 1940 mit Melchior und Traubel) und um 1950 Tristan und zweimal den "Ring" unter Furtwängler.


    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Die ältesten erhaltenen Aufnahmen von den Bayreuther Festspielen stammen von 1927. Allerdings handelt es sich bis einschließlich 1930 um Aufnahmen, die zwar im Festspielhaus, aber nicht während echter Vorstellungen gemacht wurden. Seit 1931 gibt es auch solche, wobei ein sehr kurzer Auszug aus dem Tristan unter Furtwängler den Anfang macht. Er war wohl neben Elmendorff und Tietjen der prägende Bayreuther Dirigent der 30er und 40er Jahre. Größere Auszüge gibt es erstmals vom 1936er Lohengrin, sowohl von Furtwängler als auch von Tietjen. Die ersten kompletten Aufnahmen dann erst 1942: Der fliegende Holländer unter Clemens Krauss sowie die Götterdämmerung unter Elmendorff. 1943 von den "Kriegsfestspielen" dann die berühmten Meistersinger, sogar zweimal: einmal unter Abendroth (komplett), einmal unter Furtwängler (leicht gekürzt). Von 1944 gibt es nur Auszüge aus derselben Oper, aber ohne Publikum. Dann sind wir schon im Nachkriegs-Bayreuth angelangt, wo der alles überschattende Dirigent der Mono-Ära fraglos Knappertsbusch war. Zwischen 1951 und 1964 führte er bis auf 1953 den Parsifal jährlich auf, dazu auch den Fliegenden Holländer 1955, den Ring 1956—1958 sowie Die Meistersinger 1952 und nochmal 1960. Neben Kna war wohl Keilberth der wichtigste Bayreuther Dirigent der frühen Nachkriegszeit, aber auch Karajan, Jochum, Cluytens, Sawallisch, Maazel und Kempe dürfen nicht unerwähnt bleiben. Eigentlich streifen wir hier schon die Stereo-Ära, denn bereits 1955 gab es Versuchsaufnahmen, was ab 1961 dann sukzessive fortgesetzt wurde. Einen Einspringer machten 1959 Leinsdorf (nochmal 1972), 1963 Schippers und 1964 Heger. Klobučar dirigierte 1964 gar den kompletten Ring, 1967 Tannhäuser, 1969 Die Meistersinger. Ganz am Ende der Mono-Zeit treffen wir noch auf Suitner, den heute beinahe vergessenen Carl Melles (1966er Tannhäuser) und Horst Stein (Parsifal 1969). Ab 1970 ist bis auf ganz wenige Aufnahmen alles aus Bayreuth in Stereo.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Der Name Franz von Hoeßlin ist bereits gefallen, ich möchte ihn aufgreifen. Als Dirigent der Schelllack-Ära ist er insofern sehr bedeutsam, als unter seiner Leitung der zweite nachhaltige Versuch unternommen wurde, den "Ring des Nibelungen" in seinen inhaltlichen und musikalischen Zusammenhängen auf Tonträgern festzuhalten. Es handelt sich um den so genannten Pathé-Ring von 1930 aus Paris. Zuvor hatte 1927 bereits die Electrola umfangreicheTeile der Tetralogie als Zusammenfassung, hier allerdings mit wechselnden Sängern und Dirigenten (diese Teile sind in der von Johannes vorgestellten Pearl-Box enthalten) eingespielt. 1930 nun hatten sich die bedeutendsten Wagner-Sänger ihrer Zeit in der französchischen Hauptstadt zu einem Festival versammelt. Was lag also näher, sie im Studio für diese neue Einspielung voller Pioniergeist zu verpflichten. Schade ist, dass Frida Leider, die in den Aufführungen die Brünnhilde sang, im Studio ersetzt werden musste, weil es ihre Bindung an die Electrola nicht anders zuließ. Der Ersatz ist aber sehr bemerkenswert: Henriette Gottlieb, die eigentlich als eine der Walküren angereist war. Diese körperlich sehr kleine Frau gibt der Brünnhilde enornme Würde und Glanz. Als Jüdin sollte sie dreizehn Jahre später im Gas enden.


    Die Gottlieb ist die Verbindung zu einem weiteren Dirigenten der für diesen Thread fraglichen Zeitspanne, auf den ich gern verweisen möchte: Hermann Weigert, den späteren Mann von Astrid Varnay. Weigert ist gewiss nicht von Genialität geschlagen, aber er hat frühzeitig die Bedeutung der Schallplatte für die Verbreitung von Opern erkannt. Er ist nämlich die Mitinitiator der legendären Kurzopernreihe auf Schelllacks. In dieser Serie dirigiert er den "Lohengrin", in dem Henriette Gottlieb die Ortrud singt.


    Eine Fundgrube für Dirigenten von Wagner-Aufnahmen auf Schelllack-Platten ist auch die üppige Box "100 Jahre Bayreuth auf Schallplatten" in Aufnahmen von 1870 bis 1930, erschienen bei Gebhardt und bei Amazon auf dem Marktplatz zu haben. Der Preis von Privatanbietern ist genau so unannehmbar astronomisch wie für die von Johannes abgebildete Pearl-Sammlung. In diesem Jahr wäre also schönste Gelegenheit zu angemessenen Neuauflagen.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ich habe in Beitrag 5 einen Dirigenten unterschlagen, den man weder mit Wagner noch mit Bayreuth in Verbindung bringt: Josef Krips. 1961 sprang er bei den Meistersingern ein, wohl eher spontan, da Knappertsbusch sich offenbar keine Doppelbelastung mehr antun wollte (er dirigierte nach wie vor den Parsifal bis 1964). Jedenfalls lieferte Krips eine Meisterleistung ab. Die Aufnahme hat noch heute einen legendären Status. Besetzung fast gleich wie im Vorjahr, schaffte es Krips, die Opernspieldauer nochmal zu steigern, ohne es langweilig wirken zu lassen. Soviel ich weiß, dirigierte er dieses Werk 30 Jahre nicht mehr. Umso erstaunlicher dann das Ergebnis.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Die ersten vier Beiträge verweisen ja auf Quellen; mich würde aber auch interessieren; woher ihr, Rheingold und Joseph, diese unglaubliche Fülle an spannenden Informationen zu so frühen Aufnahmen bezieht! :)

  • Größtenteils aus dem Gedächtnis zitiert (habe ich doch von fast allen genannten Dirigenten Aufnahmen aus Bayreuth), aber Du kannst gerne u. a. hier oder auf der offiziellen Seite der Bayreuther Festspiele nachlesen. ;)

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich habe mich mal bei meinen historischen Aufnahmen von Bayreuth umgeschaut und bin noch auf folgende Namen gestoßen: Victor de Sabata dirigierte 1938 den "Tristan"; Richard Strauss 1933 den "Parsifal"; der Name Franz von Hoesslin ist bereits gefallen, dieser dirigierte 1938 den "Parsifal". Leider besitze ich von den vorgenannten Opernaufnahmen nur einzelne Arien. Beim nächsten Schellack-Abend werde ich nochmals nach verborgenen Schätzen aus Bayreuth Ausschau halten.

    W.S.

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Zitat

    Joseph:..Dann sind wir schon im Nachkriegsbayreuth angelangt, wo der alles überschattende Dirigent der Mono-Ära fraglos Knappertsbusch war....

    Das kommt darauf an, lieber Joseph, worauf du die Hauptbetonung legst, auf Bayreuth, oder auf Mono-Ära. Ich kann mich da noch an diesen jungen Mann erinnern, der zwar sene großen Aufnahmen nicht in Bayreuth, aber in Italien oder England gemacht aht, und der ganz gewiss nicht von Knappertsbusch überschattet wird (wurde):




    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Interessant und verdienstvoll ist es, dass Taminos bei den großen Wagnerdirigenten in der Zeit weit zurückgehen. Werden Dirigenten gesucht, die wir zm Teil noch erleben durften, dann sind es sicherlich Namen wie Wilhelm Furtwängler, Otto Klemperer, Hans Knappertsbusch, die allesamt Vertreter der machtvoll, pathetischen Wagner-Stils waren und Georg Solti, der besonders durch seine Ringeinspielung beeindruckte. Selbstverständlich dürfen Maestros wie Karajan und Keilberth nicht fehlen. Die modernere Auffassung einer fast kammermusiklaischen Interpetation von Wagners-Werken verkörperte für mich in ganz besonderem Maße Rudolf Kempe. Bei Dirigenten, die nicht so sehr im Focus der Öffentlichkeit standen, aber an ihren Wirkungsstätten enrom viel für Wagner leisteten fallen mir folgende Namen spontan ein: Leitner, Klobucar, Köhler, Matacic, Gierster, Wallat.
    Insgesamt eine stattliche Liste großer Wagner-Dirgenten. Fast scheint es, dass aktuell die bedeutenden Wagner-Dirigenten nicht mehr so zahlreich vorhanden sind. Gibt es neben der viel zitierten Sängerkriese auch eine Dirgenenkrise?


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Die ersten vier Beiträge verweisen ja auf Quellen; mich würde aber auch interessieren; woher ihr, Rheingold und Joseph, diese unglaubliche Fülle an spannenden Informationen zu so frühen Aufnahmen bezieht!


    In diesem Falle, lieber Yorick, konnte ich wie Joseph auch auf mein Gedächtnis zurückgreifen. Aber die Infomationen sind mir natürlich nicht vom Himmel gefallen. Im Laufe der Jahre habe ich eine ganz stattliche Musik-Bibliothek zusammenbekommen, auf die ich oft zurück greife. In meinem Freundeskreis sind auch etliche Experten für derlei Dinge. Ein alter Freund kannte noch sehr viele Sänger und Dirigenten, um die es hier geht, persönlich. Auch dessen umfangreiche Bibliothek und Dokumentansammlung kann ich jederzeit benutzen. Inzwischen bietet auch das Internet einiges. Und die Texthefte in CD- oder LP-Ausgaben waren in der Vergangenheit mit mehr Fakten versehen als heute. Sie sind also ebenfalls eine wichtige Quelle historischen Wissens.


    Der von mir erwähnte Pathé-Ring unter Leitung des Dirigenten Franz von Hoeßlin, der jede Sammlung ziert, ist einst beim Musikvertrieb Gebhardt erschienen. Du findest alle Angaben über dieses Label im Netz, Herr Gebhardt selbst ist ein sehr hilfsbereiter Mensch, der vielleicht noch eine Ausgabe im Lager hat. Schreib ihn einfach mal an.


    Besten Gruß von Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Na ja, Willi, zumindest was Wagner angeht, ist es für mich gar keine Frage, wer der größere Dirigent war. Furtwängler verbinde ich auch gar nicht primär mit Wagner, ganz anders Knappertsbusch, der Wagner quasi sein Leben widmete. Ich finde Die Meistersinger und den Tristan von Furtwängler hervorragend, aber kommen sie für mich nicht ganz an die Knappertsbusch-Referenzaufnahmen heran. Furtwänglers Ring-Aufnahmen finde ich sogar eher schwach, was aber auch an der sehr mauen Tonqualität und den italienischen Orchestern liegen mag. Vergleiche ich Orchesterauszüge aus den Wagner-Opern bei beiden Dirigenten, so bemerke ich die absolute Hingebung, das unverminderte Pathos nur bei Knappertsbusch. Höre Dir nur mal vergleichend die Morgendämmerung und Siegfrieds Rheinfahrt aus der Götterdämmerung an, oder Wotans Abschied aus der Walküre. Knappertsbusch kam noch völlig aus der Tradition eines Hans Richter, der 1876 bekanntlich den Ring uraufführte. Wohl nirgendwo anders können wir heute einen Wagner hören, der noch so eindeutig aus dem 19. Jahrhundert kommt, wie bei Knappertsbusch. Für mich geht die Krone der Wagner-Dirigenten (nicht nur bei Schellack und Mono) daher eindeutig an ihn.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Gibt es neben der viel zitierten Sängerkriese auch eine Dirgenenkrise?


    Diese frage werden wir wahrscheinlich erst im neuen Thread über die derzeit aktiven Wagner-Dirigenten- ich starte ihn heute abend - beantworten können - wenn überhaupt.
    Aber generell möchte ich vielleicht sagen, daß es auch am Publikum liegt. Das heutige Publikum ist nicht mehr bereit, heute lebenden Dirigenten so "anzubeten" und zu "glorifizieren" wie dies vor 70 oder 80 Jahren der Fall war. Auch die damals Dirigierenden hatte eine Neigung Wagner zu "glorifizieren" - was diesen Interpretationen etwa "überirdisches" verleiht.
    Wenngleich das heutige Publium heute nüchterner ist (die entstellenden Regietheaterinszenierungen tun da ein übriges) so dürfte es doch empfinden wie "beseelter" einst agiert wurde und - zumindestens retrospektiv - diesen Interpretationsansatz geniessen. Hier spielt sicher auch ein Hauch Nostalgie mit (?)


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !