Pedale beim Flügel, braucht es die?

  • Als Laie frage ich:
    Was macht der Pianist mit den Pedalen des Flügels?
    Wann setzt er sie ein? Wann sollte er die Füsse davon lassen?
    Welche Pianisten setzen diese Effekte sparsam ein? Welche Interpreten sind weniger zurückhaltend im Gebrauch der Pedale?


    Es sind die Spezialisten des Klavierspiels gefragt!


    Zur Funktionsweise des Pedalmechanismus, ein Zitat aus Wikibooks, das Erklärungen zum Unterschied der Pedale von Klavier und Flügel liefert:


    "Wenn das Klavier 2 Pedale hat,
    ist das Rechte das Haltepedal. Die Dämpfer über der Saite, die normalerweise beim Rückziehen der Taste auf die Saite zurückgleiten, werden beim Treten des rechten Pedals sämtlich angehoben. Dies lässt die angeschlagenen Töne nach Betätigen des Pedals nachklingen. Erst beim "Loslassen" des Pedals verstummen sie. Weiterhin kann durch die Resonanz, das Mitschwingen, der nicht angeschlagenen Saiten bei Nutzung des Pedals ein reicher Klang erreicht werden.
    Das linke Pedal ist das "Dämpferpedal". Bei Betätigen dieses Pedals werden die Hämmer in der Ruheposition näher an die Saiten gebracht. Durch die verringerte Kraft des Saitenanschlags klingt der Ton leiser.
    Wenn das Klavier 3 Pedale hat,
    ist das 3. Pedal das, welches sich in der Mitte der beiden anderen Pedale befindet. Beim Treten des Pedals wird ein Streifen aus Filz zwischen Hämmer und Saite positioniert. Damit wird eine sehr starke Dämpfung erreicht. Meist lässt es sich in der getretenen Stellung einrasten. Es wird üblicherweise zum leise Üben verwendet, hat aber in der Literatur keine Bedeutung.


    Wenn der Flügel 2 Pedale hat,
    ist die Funktion die gleiche wie beim Klavier. Nur funktioniert das linke, dämpfende Pedal anders. Die Hämmerchen werden durch Treten des Pedals zur Seite verschoben. Dadurch treffen sie in den oberen Lagen nur zwei der drei, bzw. eine der zwei Saiten und der Klang ist gedämpft. Im Gegensatz zum Klavier wird durch das Dämpferpedal des Flügels eine echte Veränderung des Klangs erreicht.
    Wenn der Flügel 3 Pedale hat,
    klingen durch Treten des 3. Pedals nur die Töne weiter, die gerade gespielt werden. Alle anderen Töne lassen sich ganz normal anschlagen.
    Das dritte Pedal, das in der Mitte, hat beim Klavier keinen spielerischen Zweck (Ausdruck), es ist nur zum leiseren Spielen da. Das dritte Pedal des Flügels ermöglicht zwar anders nicht zu verwirklichende Passagen, spielt aber in der klassischen Literatur nur sehr selten eine Rolle." Zitatende
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    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Ich habe mich schlau gemacht und einen Link zum Pedalgebrauch gefunden.


    clavio.de/wiki/klavierspieltechnik (Ich setzte die Internetadresse ohne http und www., weil es von der Forenleitung nicht gerne gesehen wird, wenn verlinkt wird.)


    Unter dieser Adresse wird man umfassend über diesen Teil des Klavierspiels aufgeklärt.


    Für Debussy ist es ein absoutes Muss das Pedal zu benutzen, bei Bach ist die Fachwelt sich uneinig, erfahre ich.
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    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Im Begleitheft zu seiner neuen Aufnahme des WTC schreibt András Schiff einen ganzen Essay über den Gebrauch des Pedals bei Bach und legt dar, dass man hier keines braucht. Tatsächlich spielt er - wie Glenn Gould - Bach auf höchstmöglichen Niveau ohne Pedal zu gebrauchen. Ob Pedal gebraucht wird oder nicht, hängt daher einfach von der gespielten Literatur ab. Schiff schreibt andererseits auch, dass man im ersten Satz der Mondscheinsonate, die Dämpfer durchgehend heben sollte. Tatsächlich lautet Beethovens Vorschrift "senza sordino". In der Realität wurde diese Vorgabe aber fast immer nicht vollständig umgesetzt.

  • Normalerweise hätte ich mich nie getraut, das folgende zu sagen: Vor meinem Büro steht ein Klavier und ich habe schon mehrmals versucht, die Funktion der Pedale durch HÖren raus zu kriegen, - ohne Erfolg. Ich finde, es hört sich immer gleich an, ob ich ein Pedal niederhalte oder nicht. :stumm:

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Für Debussy ist es ein absoutes Muss das Pedal zu benutzen, bei Bach ist die Fachwelt sich uneinig, erfahre ich.


    Bach hat ja eigentlich für das Cembalo geschrieben.
    Bei Komponisten, die gezielt für das Klavier geschrieben haben, gibt es oft Hinweise, die Pedalisierung betreffend - das kann man ganz genau vorschreiben, wenn man will.
    Meist gibt es eher notierte Vorschriften für das rechte Pedal.
    Abgesehen von den Anweisungen in den Noten gibt es natürlich noch überlieferte Aussagen der Komponisten.
    Von Schönberg weiß man z.B., dass er möglichst wenig das rechte Pedal verwendet haben wollte, das linke hingegen schätzte.

  • Wenn das Sustain-Pedal drücke und dann einen Akkord anschlage, dann klingt der schon etwas anders, als wenn ich den Akkord mit den Fingern liegenlasse, weil im ersten Fall alle anderen Saiten ebenfalls frei im Bereich ihrer Partialtöne zum Mitschwingen angeregt werden. Es kommt darauf an, was man haben will und welche Literatur man spielt. Ich z.B. bemühe mich, wann immer möglich, ein Fingerlegato für das Kantabile zu machen, welches ich aber trotzdem gerne an entsprechenden Stellen durch ein leicht mitschleifendes Pedal für Melodielinien mit einer leichten Hallfahne versehe. Diesen Effekt habe ich als Jugendlicher vor vielen Jahren nicht einmal von meinem Klavierlehrer, sondern von Alfred Brendel zum ersten Mal bewusst kennen- und schätzengelernt, nämlich beim ersten Impromptu von Schubert, erste Philips-Aufnahme.
    In manchen Fällen kann man sich auch mit einem Finger- Überlegato helfen (also bewusst etwas "Schmieren"), wenn durch den Pedaleinsatz an genau jener Stelle ein Akkordwechsel verschwömme.


    Den Bach sollte man immer ohne Pedal kantabel spielen können, was auch vom Satz her möglich ist. Als Organist und Cembalist gewöhnt man sich von Haus aus eine andere Legatotechnik an, mit stummen Fingerwechseln und dem Heruntergleiten der Finger, z.B. von einem Fis auf ein F. Allerdings kann das Pedal (an einigen Stellen sporadisch, dezent und unauffällig eingesetzt) durchaus auch bei ihm sinnvoll sein; an solchen Stellen nämlich, wenn die Musik auf dem Klavier zu trocken klingt. Das Cembalo hat durch seine Obertöne einen rauschenden Klang, bei dem die Töne mehr ineinander verschmelzen. Bei der Orgel kannst Du durch Hinzunahme von Alikquoten wie Nasat 2 2/3 zusammen mit der Kirchenakustik bei schnellen Passagen einen ähnlichen Effekt erreichen. Spielt man solche Phrasen danach auf einem Flügel, können sie etwas zu trocken und klumpig klingen, besonders wenn er weich intoniert ist, einen kurzen Ton hat und in einem akustisch trockenen Raum steht. Dann kann man dezent (das ist gar nicht so leicht) mit dem Pedal einen der Musik zuträglichen, leichten Glanz verleihen. Es sollte gar nicht als typischer Pedaleffekt auffallen. Die Klarheit der Artikulation darf darunter niemals leiden, obschon diese tendenziell mehr legatoorientiert sein muss, als beim Cembalo. Eine wirklich sprechende, barocke Artikulation klingt auf der Orgel und dem Cembalo ganz natürlich, auf dem Flügel hingegen in gewissen Fällen klumpig und hölzern. Wenn ich eine ähnliche musikalisch sinngebende Wirkung erzielen will, dann bietet sich beim Flügel oft die dynamische Anschlagsdifferenzierung im Legato an, die ja eine Orgel oder das Cembalo nicht hat.
    Diese Bachausführungen sind meine Meinung, niemals schematisch gemeint und ein Ergebnis meiner Erfahrungen aus eigenem Musizieren und Hören. Die Ansichten gehen hier jedoch auseinander.
    Es gibt Pianisten, die das Pedal m.E. viel zu unbekümmert einsetzen, andere wiederum verbieten es kategorisch. Man sagt, dass Glenn Gould ein absoluter Pedalgegner beim Bachspiel war, und es klingt ja auch durch seine unnatürlich dichte Mikrofonierung oft recht trocken bei ihm. Allerdings habe ich eine DVD, bei der er die zweite Einspielung der Goldberg-Variationen macht und sein rechter Fuss (nur in Socken...) durchaus auf dem Sustainpedal ruht. Ein bisschen hat wohl selbst er gemacht...


    Bach mit durchgehendem Pedalgebrauch kann auch sehr schön sein, dann nämlich, wenn man eine Bach-Bearbeitung spielt. Ich denke da jetzt an "Ich ruf zu Dir" in der Busoni-Version (ursprünglich ein Choralbearbeitung für Orgel). Melodie, Begleitfiguren und Basslinie müssen dort zu einem Klang zusammengeführt werden, was ohne Pedal mit nur zwei Händen auf dem Klavier nicht ginge. Zudem sollen die Akkordbrechungen sowohl als liegende Akkorde als auch als melodiöse Begleitbewegung wahrgenommen werden. Auch dies geht nicht ohne das Pedal. Am schönsten und schon altersweise spielte aus meiner Sicht Alfred Brendel dieses Stück auf seiner wohl immer noch einzigen Philips-Bachaufnahme. Es ersetzt niemals die Orgelversion, aber sehr schön ist es trotzdem, mit einem hohen Eigenwert.


    Für spätere Literatur wie z.B. Liszt geht es gar nicht ohne Pedal. Liszt selbst hat hier den Gebrauch oft vorgeschrieben. Hier ist ein orchestrales Aufbrausen und der Sustaineffekt definitiv gefragt. Bei "Il Pensoroso" z.B. setzt dieser Komponist bewusst den verschwimmenden Effekt des Pedals bei 8tel-Bewegungen in tiefen Bässen ein. Es entsteht ein grummelnder, grimmiger Untergrund, der hier eben so gewollt und sehr wirkungsvoll ist. Auch Brahms kann man nur mit einem vernünftigem und geschmackvollen Pedalgebrauch realisieren (gilt auch für Grieg, Schumann, Debussy, Schubert, auch Beethoven.....)


    Bei Mozart kann man Alberti-Begleitfiguren mit Hilfe des Pedals zu einer pulsierenden Klangfläche im Piano machen, zu der dann z.B. in der rechten Hand die Kantilene - wie bei Mozart so oft - opernhaft singen darf.
    Doch auch hier darf die Artikulation in der Melodiestimme niemals leiden. Um ein durchgängig sauberes Fingervibrato Fingerlegato kommt man da kaum herum. Bei vielen seiner Verbindungsläufe, bei Trillern u.v.m. ist ein dosierter Pedalgebrauch m.E. geradezu unerlässlich. Man verleiht diesen Figuren einen gewissen edlen Glanz, eine dezente Hallfahne, die sowohl die Klangfülle als auch das Kantabile unterstützt. Mir ist kein Pianist bekannt, der es nicht so in etwa macht. Der Pedalgebrauch ist hier allerdings - wie bei Beethoven auch - sehr unregelmässig, deshalb schwierig in der Ausführung und sollte geschmackvoll sein. Mit anderen Worten: Diese wichtige Dimension, die aus einem Klavier eine Harfe machen kann, macht das Klavierspiel nicht unbedingt leichter, aber auch reizvoller. Diese Dinge müssen manchmal sehr geübt werden, und zur Kaschierung von spieltechnischem Unvermögen ist das Pedal in der Tat ungeeigent.


    Gruss
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Lieber moderato,


    eine schöne Frage! Glockenton hat es so treffend beschrieben - Fingerlegato usw.


    Grundsätzlich würde ich sagen als Klavierspieler: Das Pedal ist die Seele des Klaviers! Farbe, Atmosphäre, Emotionalität, faszinierende Klangmischungen, all das kommt durch das Pedal. Das Pedalspiel ist hohe und höchste Kunst des Klavierspiels, jeder große Pianist hat da seine eigene "Methode". Deswegen schreibt Debussy - sehr klug - den Pedaleinsatz nicht im Notentext vor und überläßt dies dem Geschick und dem Geschmack des Pianisten.


    Im Klavierunterricht haben wir quasi als Dogma gelernt: Bach ist grundsätzlich ohne Pedal zu spielen. Ich denke da nicht so dogmatisch-streng. Horowitz hat damals, bevor er die Scarlatti-Sonaten bei CBS aufnahm, seinem Freund, dem großen Cembalisten Ralph Kirkpartick, der die Scarlatti-Sonaten auch herausgegeben und geordnet hat, einen Besuch abgestattet und sich von ihm beraten lassen. Horowitz sagte: Man solle mit dem Pedal sehr dosiert umgehen und dürfe nicht alle Möglichkeiten des modernen Konzertflügels auskosten wollen. Richtig. Denn ein Cembalo verfügt über Register wie eine Orgel, kann von daher (je nach Bauart) sehr wohl eine barocke Klangfülle haben. Die erreicht man entsprechend beim Klavier, das keine solchen Register hat, durch das Pedal. Scarlattis Sonaten haben einen zauberhaften, fast schon impressionistischen Klangreiz, der auf dem Konzertflügel sehr gut zur Geltung kommt. Warum sollte man darauf verzichten? Und warum gilt entsprechendes nicht für Bach? Man sollte ihn nicht zum Puritaner machen, er ist schließlich ein Komponist des Barockzeitalters. Klangreize darf auch Bachs Musik entfalten.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Ich stimme der Aussage Holgers, dass das Pedal die Seele des Klavieres darstelle, gerne zu. Ich suchte nach diesem schönen Satz, kam aber nicht drauf....


    Gerade stellte ich fest, dass ich an einer Stelle vom "Fingervibrato" sprach.....doch meinte ich natürlich das Fingerlegato. Ein Fingervibrato gibt es ja auch, aber nur beim Clavichord und dann natürlich als Flattement bei der Barockblockflöte/Traversflöte - sorry ;)


    Es gibt übrigens auch ein Pedalvibrato. Man lässt einen Ton liegen und imitiert ein Vibrato mit dem Fuss. Ich höre diesen Effekt nur, wenn ich ihn selbst mache, bei Anderen ist er mir noch nicht aufgefallen.


    Gruss
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)