Die "Großen Dirigenten" - Image und Realität

  • Die Threadthemen liegen quasi auf der Straße - oder besser gesagt im Tamino - Klassikforum verstreut herum.....
    Folgender Satz über Nikolaus Harnoncourt von Erwin Ruttner hat diesen Thread hier ausgelöst:


    Zitat

    Es sind seine persönlichen Aussagen, die ihn mir suspekt machen, und das schon seit langer Zeit. Die Überheblichkeit und Arroganz, mit der er über andere Dirigenten urteilt, schmälert i.m.A. seine Verdienste ungemein.

    Ob es Überheblichkeit ist, das ist eine Frage: In meinen Augen handelt es sich bei Harnoncourt um jemanden, der davon überzeugt ist Wahrheiten zu erkennen, die anderen verborgen geblieben sind - er will diese Wahrheiten weitergeben und kann nicht verstehen, dass andere gar nicht daran interessiert sind,
    Solche Menschen werden im allgemeinen - je nach Position des Beschreibenden als Querdenker (positiv) oder als Querulant (negativ) gesehen.
    Meine Einstellung zu Harnoncourt ist - vereinfacht dargestellt - folgende.
    Ein kluger Kopf. hervorragender Theoretiker mit oft überzeugender Beweisführung für seine Thesen, aber leider erlischt für mich in den meisten Fällen der Zauber, wenn ich die Ergebnisse seiner Dirigate zu hören bekomme. Dennoch ist er einer der meistvertretenen Dirigenten in meiner Sammlung.


    Wenn man Harnoncourt vorwirft, andere Dirigenten zu missachten, dann steht er damit keineswegs alleine da, mir fällt hier spontan Celibidache ein.


    Nicht jeder hat seine Missachtung für Kollegen direkt formuliert, aber sie war selten zu überhören.
    In diesem Thread geht es aber darum, inwieweit das Image eines Dirigenten mit seiner realen Person übereinstimmt.
    Also die Tyrannen, die Selbstgefälligen, die kumpelhaften, die dogmatischen, die introvertierten, und jene zum Anfassen, die Modernisierer oder die Konservativen.


    Inwieweit stimmen hier der mediale Eindruck mit der Realität überein?


    Drohung am Schluss: Wenn keine Antworten kommen, dann beginne ich selbst - mit Herbert von Karajan..... :baeh01:


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Christian Thielemann z.B. kommt im Fernsehen immer leicht arrogant rüber. Privat ist er aber ein äüßerst netter und entspannter Mensch. Wir hatten uns vor zwei Jahren bei einem Bayreuth Besuch mit ihm unterhalten können. Von den meistein Dirigenten weiss man sehr wenig wie sie sich privat geben.

  • Bei Harnoncourt fällt mir sofort eines ein: Er legt Wert darauf, auf historischen Instrumenten spielen zu lassen. In der Oper ist es ihm dabei egal, was auf der Bühne passiert. Da kann sonst was für ein Verunstaltungstheater laufen - die Hauptsache, er hat seine historischen Instrumente.


    Mein Typ ist er nicht!


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Das ist wahr. Da ist Harnoncourt inkonsequent. Aber er ist beileibe nicht der einzige. Thielemann tut doch auch immer auf so konservativ — und dirigiert trotzdem bei den schlimmsten Verunstaltungen in Bayreuth!

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lieber Joseph II - Ihre Majestät mögen verzeihen, ich mag Thielemann trotzdem. Aber Ihre Majestät haben recht!


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Da mir kein einziger Dirigent persönlich bekannt ist, kann ich keine Aussage zu Image und Realität machen. Wer die mediale Aufbereitung als das wirkliche Bild einer Person hält, der unterliegt einem gewaltigen Irrtum. Die bewusste Selbstdarstellung verschleiert mehr, als sie das Gesicht einer Person zeigen würde. Gewisse Dirigenten zelebrieren ihr Bild, das man von ihnen haben soll.


    Es bleibt uns nur die Musik zu hören und das ganze Brimborium um die Person zu vergessen.


    Eine Einschränkung mache ich. Im Falle schriftlicher Zeugnisse von eigener Hand eines Dirigenten werden Ansichten und Haltungen sichtbar, die wertvoll sind, dass ich eine musikalische Aussage nachvollziehen kann. Zur Zeit lese ich die Schriften Harnoncourts und dadurch erschliessen sich mir seine Interpretationen mehr, als wenn ich dieses Wissen nicht hätte.
    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Er legt Wert darauf, auf historischen Instrumenten spielen zu lassen. In der Oper ist es ihm dabei egal, was auf der Bühne passiert.

    Das lässt falsche Assoziationen aufkommen. Harnoncourt spielt alte Musik auf historischen Instrumenten (Concentus Musicus). Alles andere spielt er mit neuem Instrumentarium (z.B. Chamber Orchestra of Europe). In der Oper gibt es neben alten Werken (Monteverdi) als einzige Ausnahme die vorjährige Salzburger Zauberflöte, die mit dem Concentus Musicus aufgeführt wurde.


    Und woher willst du wissen, dass ihm egal sei, was auf der Opernbühne passiert? Dass er nicht mit den Regisseuren im Clinch liegt, heißt noch lange nicht, dass er alles goutiert, was da geboten wird. Und seine einzige Regiearbeit - der Styriarte-Idomeneo - entstand aus der Tatsache, dass kein Regisseur ihm einen vollständigen Idomeneo inszenieren wollte...


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Es ist natürlich wahr, daß man (zum Glück?) als Klassikhörer nicht hiner die Kulissen blicken kann - aber einige Dinge kann man schon in Erfahrung bringen - wenn man das überhaupt will.
    Ein gutes Beispiel ist hier Herbert von Karajan. Seine Feinde habe ja (vor allem nach seinem Tod ) kein Cliché und keine Gelegenheit ausgelassen, um sein Ansehen zu schmälern, ihn in Verruf zu bringen. Aber auch seine Verehrer haben das Bild, das man heute gemeinhin vom "schwierigen" Maestro hat, einigermaßen verfälscht.
    Gerne wird Karajan als "mediengeil" dargestellt, der sich gerne zur Schau stellt und Starallüren hat.
    Das ist in dieser Form sicher unrichtig. Es ist überliefert, wie unwillig Karajan anfangs auf die Anwesenheit von Fernsehteams reagiert, wie sehr er sich bei seiner Arbeit gestört fühlte. Erst später erkannte er, der im Innersten introvertiert war, wie nützlich die Medien für seine Arbeit waren - und er akzeptierte die Spielregeln.
    Auch im Umgang mit dem Orchester wird er gern als Tyrann dargestellt. Das passiert mehr oder weniger jedem Chef, der fixe Vorstellungen davon hat, wie die Arbeit auszusehen hat und das bedingungslos einfordert. Weniger bekannt jedoch dürfte sein, dass er sich - was gar nicht seine Aufgabe war - oft dafür einsetzte dass die Mitarbeiter bei einem Aufnahmeprojekt gut bezahlt wurden.
    Die gottähnliche Gestalt "Herr von Karajan" ist ein Kunstprodukt von Medien und einem anbetungswilligen Publikum - irgendwann wir Karajan selbst an diesen "virtuellen Übermenschen" geglaubt haben.....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Erst später erkannte er, der im Innersten introvertiert war, wie nützlich die Medien für seine Arbeit waren - und er akzeptierte die Spielregeln.


    Und das auch nicht immer. Schön beobachten lässt sich das an seinen Veröffentlichungen bei der DGG, auf denen sein Kopf im Laufe der Zeit zunehmend selten auftaucht. Wie ich mir angelesen habe, geht das zurück auf den persönlichen Wunsch Karajans, der sich damit gegen sein Label durchsetzen musste, das es naturgemäß lieber anders gehabt hätte.


    Im Gegensatz dazu glaube ich nicht, daß nach Karajans Tod noch viele Platten von ihm veröffentlicht wurden, die sein Konterfei nicht geziert hätte. Wer da an wessen Darstellung strickte und strickt, ist also ziemlich augenfällig.

  • Und aus Mangel an wirklich "Großen" Dirigenten kam dieser Thread schon nach kurzer Zeit zum Erliegen..
    Ich könnte nun mit der "Karl Böhm Keule" drohen und mit diesem Dirigenten weitermachen - aber "Wunderwaffen" hebt man sich stets für den Schluss auf. Ein vielbeschäftighter Dirigent war auch Sir Georg Solti - das Aushängeschild der DECCA in Sachen Dirigat schlechthin. Er dirigierte viele namhafte Orchester, darunter oft die Wiener Philharmoniker, Chicago ist ohnedies klar. Vom Haydn über Mozart, Beethoven und Schubert - keinen hat der Maestro ausgelassen - und von keinem hat er eine soganannte "Referenzaufnahme" hinterlassen. Eher würde ich ihn mit der "klassischen Moderne in Verbindung bringen, Bartok, Strawinsky, Mahler etc - aber schon bei Strawinsky scheiden sich die Geister - Boulez ist hier eindeutig die bessere Wahl. Unangefochten ist seine Aufnahme des "Rings" - und auch bei ein paar Verdi-Opern war er meiner Meinung nach mit ganz vorn dabei. Ob er aber ein "Tyrann" oder ein "demokratischer" Maestro war, ob er ein Probenfanatiker und Perfektionist oder ein Improvistaor war - all das entzieht sich meiner Kenntnis. Und auch das Phänomen, daß er - gemessen an seiner einstigen Bekanntheit - heute eher "vergessen" ist - wäre erklärungsbedürftig....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Vom Haydn über Mozart, Beethoven und Schubert - keinen hat der Maestro ausgelassen - und von keinem hat er eine soganannte "Referenzaufnahme" hinterlassen.

    Kann man so sehen. Aber z. B. seine "Zauberflöte" von 1969 mit den Wiener Philharmonikern und Hermann Prey ist sicherlich "referenzträchtig".



    Unangefochten ist seine Aufnahme des "Rings"

    Das ist auch nicht mehr unumstritten, seit der Keilberth-"Ring" von 1955 in Stereo endlich verfügbar gemacht wurde. Insgesamt noch bessere Sängerleistungen bei annähernd gleich guter Tonqualität plus Live-Atmosphäre.


    Liebe Grüße
    Joseph

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Also vergessen ist Solti sicher nicht und seine Ring-Einspielung wird dafür sorgen, dass er auch noch in hundert Jahren ein Name sein wird. Vergessen sollte man auch nicht, dass drei der besten Strauss-Operneinspielungen von ihm stammen. Aber ansonsten geht es mir auch so, der Stapel an Solti-Platten im Regal ist vergleichsweise schmal und wenn ich meine Lieblingseinspielungen aufzähle, dann fällt der Name praktisch nie. Vor einer ganzen Reihe von Jahren war im Spiegel mal ein Artikel über ihn, in dem er als quasi Gegenstück zu Karajan über den grünen Klee gelobt und als diesem in jeder Beziehung überlegen charakterisiert wurde. Das würde heute wohl kaum noch jemand so schreiben.

  • Diese Zeile fand ich gestern auf der ganzseitigen Farbanzeige, die die Rückseite des Juli-Heftes des meistgelesenen deutschen Musikmagazins ziert.


    Das soll vermutlich ein Kompliment sein.


    Man kann das aber auch anders lesen.


    Es gibt Dirigenten (Ancerl, Barbirolli, Beecham, Bernstein, Böhm, Celibidache, Fricsay, Furtwängler, Giulini, Karajan, Kempe, Klemperer, Kleiber Vater und Sohn, Kondrashin, Markevitch, Mitropoulos, Mravinsky, Monteux, Munch, Reiner, Solti, Stokowski, Szell, Toscanini, Walter, Wand), und dann gibt es Claudio Abbado.


    Jetzt ist es kein Kompliment mehr.


    Marketing kann schon ganz schon tricky sein.

  • Zitat

    Vor einer ganzen Reihe von Jahren war im Spiegel mal ein Artikel über ihn, in dem er als quasi Gegenstück zu Karajan über den grünen Klee gelobt und als diesem in jeder Beziehung überlegen charakterisiert wurde.

    Ich wusste nicht WO es gestanden hatte, lediglich, daß ich noch sehr jung war, als mir ein Freund erzählte, Solti wäre - wenn man Zeitschriften Glauben schenken wolle - international gesehen weit beliebter und bedeutender als Karajan....
    Und genau an diese Aussage denke ich immer, wenn einer der beiden Namen HEUTE fällt.



    Zitat

    ......bei annähernd gleich guter Tonqualität plus Live-Atmosphäre.

    LIVE ATHMOSPHÄRE war genau das was der Musikfreund der beginnenden Stereo-Ära NICHT hören wollte. Auch ich bin viele Jahre lang jeder Liveaufnahme konsequent aus dem Weg gegangen. Wir wollten fehlerfreie Aufzeichnungn, welche (wie Karajan so treffend sagte) BESSER waren als jegliche Liveaufnahme. Im Studio - so man es konnte - hatte man alles im Griff: Man konnte die Akustik hinbiegen, Fehlerhafte Stellen schneiden, Stimmen größer machen, räumliche Illusionen erzeugen die in der Realität gar nicht machbar waren. Schlechthin ein PERFEKTES Kunstprodukt mit einer dem Medium angepassten Klangästhetik - und nicht ein schwacher Abklatsch einer realen Aufführung mit allen Inponderabilien...


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Das mit den "perfekten Studioaufnahmen" sah ich früher auch so. Mittlerweile bin ich davon ziemlich abgerückt. Es wirkt nicht selten künstlich, unnatürlich (ich spreche in erster Linie von Opern). Wenn ich heute die Möglichkeit habe, zwischen den "fehlerfreien" Aufnahmen Karajans aus dem Studio oder jenen, die live entstanden sind (und erst heute, Jahrzehnte nach seinem Tod, allmählich vollumfänglich erstehbar geworden sind), zu wählen, dann ist meine Wahl eindeutig. Selbst die Verkörperung des "Studiodirigenten" schlechthin war live meistens noch besser. Unverständlich, wieso vieles so lange zurückgehalten wurde. Er konnte es doch auch vor Publikum.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Da stand Karajan selbst davor. Außer in den Video-Aufnahmen sah er in den Studio-Aufnahmen das Maß aller Dinge... Das lag aber auch meistens daran, dass die Tonqualität von Live-Aufnahmen bis in die 70er Jahre hinein oft kaum erträglich war...
    Karajan hätte solche Veröffentlichungen nicht zugelassen, lieber hätte er etwas neu aufgenommen. Da man das eigentlich weiß, finde ich es unerträglich, dass nun alles Auffindbare (nicht nur bei Karajan) veröffentlicht wird.


    Heute spielt das kaum noch eine Rolle - und Karajan würde es heute auch anders sehen, denn er war ja, was die technischen Möglichkeiten der Tonaufzeichnung betrifft, immer up to date...



    :hello: LT

  • Vom Haydn über Mozart, Beethoven und Schubert - keinen hat der Maestro ausgelassen - und von keinem hat er eine soganannte "Referenzaufnahme" hinterlassen.

    Zumindest bei jeweils einzelnen Mozart Opern und Beethoven Symphonien ist er mit ganz vorne dabei - generell hält er bei den Wiener Klassikern ein hohes Niveau. Dazu eine Bruckner-Gesamtausgabe, wo er vor allem bei den frühen Werken brilliert. Die Schumann-Box mit den Wienern ist erste Sahne, dazu einige sehr gute Brahms-Aufnahmen mit den Chicagoern. Nur sein Mendelssohn scheint nicht besonders positiv aufgefallen zu sein. Es gibt wenige Dirigenten, die das gesamte symphonische Repertoire auf ähnlichem Niveau (oder gar besser) abgedeckt haben. Für deine schiefe Optik kann Solti nichts, er hat in breitem Maße das Gegenteil bewiesen.



    Eher würde ich ihn mit der "klassischen Moderne in Verbindung bringen, Bartok, Strawinsky, Mahler etc - aber schon bei Strawinsky scheiden sich die Geister - Boulez ist hier eindeutig die bessere Wahl.

    Eine der ersten Mahler-Gesamteinspielungen mit einigen Spitzen-Leistungen; seine 8. dürfte die meistgenannte Mahler-Referenz überhaupt sein. Der Strawinsky ist deine persönliche Meinung, für die du keine breite Mehrheit bekommen wirst. Dazu kommt, dass er als Vollblut-Operndirigent sehr gut bei Ballettmusik ist. Auch der Bartok ist generell sehr gut.


    Jetzt fehlen aber noch zwei zentrale Blöcke seines Schaffens. Als erster Dirigent hat er die zehn großen Wagner-Opern eingespielt. Besetzungsmäßig variieren die Aufnahmen niveaumäßig, aber besonders die Aufnahmen mit den Wienern sind orchestrale Wagner-Sternstunden. Der Ring gilt als die kommerziell erfolgreichste Klassik-Aufnahme der gesamten Plattengeschichte und wenigstens Tannhäuser und Parsifal gehören auch zu den großen Wagner-Aufnahmen der Plattengeschichte....


    Dann Richard Strauss: exzellente Aufnahmen der symphonischen Werke, eine hervorragende Ariadne, jeweils eine der besten Aufnahmen von Rosenkavalier, Arabella und Frau ohne Schatten und schließlich die absoluten Referenzen von Salome und Elektra. Es hat in seinem Strauss-Repertoire nie einen besseren Dirigenten gegeben!


    Und dass es einige referenzverdächtige Verdi-Aufnahmen gibt, wurde immerhin angedeutet.



    Und auch das Phänomen, daß er - gemessen an seiner einstigen Bekanntheit - heute eher "vergessen" ist - wäre erklärungsbedürftig....

    Die Einschätzung, dass er "vergessen" sei, lässt tief auf den (Un-)Kenntnisstand des Autors blicken....


    Aber das wurde in diesen heiligen Hallen alles schon ausführlich besprochen. Sehr seltsam, welche Meinungen hier wieder aufgewärmt werden.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • lutgra über Solti: "... dass drei der besten Strauss-Operneinspielungen von ihm stammen"


    Und welche sollten das Deiner Auffassung nach sein? Für mich kommt nur die "Arabella" in Frage, lieber lutgra. Solti macht viel Feuer - aber es wärmt mich nicht. :( Und was den "Ring" anbetrifft, teile ich die Meinung von Joseph II. , dass nämlich diese Aufnahme ihren unbestrittenen Rang verloren hat, seit der Bayreuther Stereo-Ring von 1955 unter Keilberth auf dem Markt ist. Er ist für mich die authentischste Aufnahme dieser großen Werkes - nie übertroffen. Mehr geht einfach nicht.



    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Na, dann werde ich mir den Keilberth-Ring ja wohl mal zulegen müssen, über den habe ich bisher unterschiedliches gehört/gelesen. Aber wenn die Wagnerfraktion da hier einer Meinung ist...


    Was hält denn die Wagnerfraktion vom Dresdener Ring unter Janowski?


    Bezüglich Strauss habe ich bisher auch die Salome und Elektra von Solti für herausrragend gehalten, wobei mir die Karajan-Salome besser gefällt. Bei Elektra kenne ich ehrlich gesagt nichts anderes, weil dass nicht gerade meine Lieblingsoper ist. Aber für Tipps bin ich auch hier offen.

  • Die referenzträchtigen Aufnahmen, die Karajan bei Haydn, Mozart und Schubert hinterlassen hat, halten sich ebenfalls in Grenzen...


    Solti hat vielleicht ein bißchen das Pech, dass ein Teil des Repertoires, in dem seine Aufnahmen in den 1970ern und 80ern Standardempfehlungen gewesen sind, inzwischen diskographisch weit besser abgedeckt ist, oft auch in ähnlich guter oder gar besserer Klangqualität (die seinerzeit zB gegenüber der typischen DG/Karajan-Soße oder dem trockenen CBS-Multimiking herausragte). Nämlich zB Mahler, Bartok, Strawinsky u.a. aus Spätromantik und klassischer Moderne.
    Bleiben als eindeutigste Empfehlungen die schon angeführten Wagner- und Strauss-Opern.


    (Was ich übrigens nie gehört, worüber ich aber erstaunlich positive Kommentare gelesen habe, sind seine relativ späten Einspielungen einiger barocker Chowerke wie Matthäuspassion und Messiah...?)

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Zitat von Alfred_Schmidt

    Vom Haydn über Mozart, Beethoven und Schubert - keinen hat der Maestro ausgelassen - und von keinem hat er eine soganannte "Referenzaufnahme" hinterlassen.


    Da muß ich auch widersprechen. Außer dem "Ring", eine meiner Lieblingsaufnahmen, gibt noch einige andere Aufnahmen mit Solti, denen ich das Prädikat "Reference" zuordne. Seine Gesamtaufnahme des "Don Carlos" mit Tebaldi und Bergonzi ist nicht übertroffen worden und auch seine "Aida" mit Leontine Price und John Vickers ist für mich "Reference".

    W.S.

  • Kurzes Statement.


    Bei den Verdi-Opern habe ich mich ohnedis positiv geäussert.
    Seine Zauberflöte konnte niemals den Beliebtheitsrang von beiden Böhms Aufnahmen erreichen.
    Seine Beethoven-Sinfonen standen immer hinter jenen von Karajan, Bernstein und Böhm


    Ich habe keine schiefe Optik auf Solti - jedoch war in (fast) allen Bereichen eine Aufnahme eines Konkurrenten da, welche die Hörer mehr überzeugt hat. Man sehe auch, wie relativ wenig Soltis Nami hier im Forum Erwähnung findet, etwa im Gegensatz zu Karajan, Böhm, Wand, Thielemann, Norrington, Harnoncourt.


    Aber ich habe keine Abneigung etc. Solti profitiert indes unbestrittenerweise von der damals überlegenen Decca Aufnahmetechnik.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Karajan hätte solche Veröffentlichungen nicht zugelassen, lieber hätte er etwas neu aufgenommen. Da man das eigentlich weiß, finde ich es unerträglich, dass nun alles Auffindbare (nicht nur bei Karajan) veröffentlicht wird.

    Damit, dass ihre musikalische Hinterlassenschaften soweit erhalten, nach Ablauf gewisser Sperrfristen allgemein verfügbar werden, müssen alle Künstler leben. Und wie arm wäre unser Musikleben, wenn z.B. von der Callas nur die ursprünglichen EMI Aufnahmen und von Celibidache eben diese nicht existieren würden. Dann hätten wir auch nur knapp zwei Dutzend Aufnahmen von Furtwängler.

  • Ich habe keine schiefe Optik auf Solti - jedoch war in (fast) allen Bereichen eine Aufnahme eines Konkurrenten da, welche die Hörer mehr überzeugt hat. Man sehe auch, wie relativ wenig Soltis Nami hier im Forum Erwähnung findet, etwa im Gegensatz zu Karajan, Böhm, Wand, Thielemann, Norrington, Harnoncourt.

    Also die Häufigkeit der Nennung bei Tamino kann jetzt kein Maßstab für die Bedeutung eines Dirigenten sein. Umstrittene Dirigenten (z.B. Norrington) werden möglicherweise häufiger genannt.


    Georg Solti ist ohne Zweifel einer der ganz großen Dirigenten des 20. Jahrhunderts gewesen. Eine Buch über die großen Dirigenten, in dem ihm kein Kapitel gewidmet würde, wäre lächerlich. Ob dort auch ein Kapitel über Herrn Norrington oder Herrn Thielemann hineingehört, wird die Zukunft zeigen.


    Ein Komponist, der hier noch nicht genannt wurde, ist Franz Liszt. Für mich stellen die wenigen Solti-Aufnahmen, die es von Liszt-Werken gibt (es gibt ja eh nur wenig), absolute Höhepunkte der Liszt-Diskograhie dar. Und neben den oben erwähnten Verdi-Aufnahmen halte ich auch seinen ersten Otello mit der wunderbaren Margaret Price als Desdemona für eine der ganz großen Aufnahmen. Und seine Aufnahmen mit der Geigerin Kyung-Wha Chung - Dreamteam.

  • Na, dann werde ich mir den Keilberth-Ring ja wohl mal zulegen müssen, über den habe ich bisher unterschiedliches gehört/gelesen. Aber wenn die Wagnerfraktion da hier einer Meinung ist...

    Soweit ich das mitbekommen habe, hatten einige ein Problem mit der Varnay als Brünnhilde. Da mittlerweile der 2. Zyklus von 1955 ebenfalls verfügbar ist (wo der "Siegfried" bleibt, ist mir aber ein Rätsel), hat man mit der Mödl aber eine mehr als adäquate Alternativbesetzung.



    Was hält denn die Wagnerfraktion vom Dresdener Ring unter Janowski?

    Mittelprächtig. Sängerisch Höhen und Tiefen, Dirigat irgendwie auch recht unspektakulär (aber besser als Haitink). Meine erste Wahl wäre er nicht, auch wenn er nicht schlecht ist.



    Bezüglich Strauss habe ich bisher auch die Salome und Elektra von Solti für herausrragend gehalten, wobei mir die Karajan-Salome besser gefällt. Bei Elektra kenne ich ehrlich gesagt nichts anderes, weil dass nicht gerade meine Lieblingsoper ist. Aber für Tipps bin ich auch hier offen.

    Ich weiß nicht, ob Soltis "Salome" eine Referenzaufnahme sein kann, wo die Nilsson bei allen unbestrittenen Meriten doch eine völlige Fehlbesetzung als jugendliche Salome ist. Die wäre eher eine ideale Herodias gewesen, wie z. B. auch die Varnay unter Böhm in der tollen Videoaufnahme, wo übrigens die Stratas eine herrliche Salome singt und spielt. Gerade im Zusammenspiel mit dem Bild ist die Stratas für mich durchaus eine der besten Rolleninterpretinnen. Sie ist auch optisch ideal, geht in der Rolle voll auf. Natürlich wird die Welitsch unübertroffen bleiben, aber besser als die stählernde Walküre Nilsson finde ich sie allemal. Als Elektra mag die schon eher angehen, wobei ich mir diese Oper erst erarbeiten muss.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Wenn große Dirigenten und die Frage inwieweit stimmen Image und Realität überein beurteilt und diskutiert werden sollen muss die jeweilige Zeit und das Umfeld mit geänderten Voraussetzungen mitberücksichtigt werden. Wie waren Orchester damals organisiert, welches Mitspracherecht hatten Orchestervorstände und Musikergewerkschaft, welche Probenzeiten waren damals üblich, wie stark waren die Maestros an ihr Orchester gebunden, im Gegensatz zu den heute weltweit agierenden Stardirigenten usw.?
    Ich möchte allerdings einen anderen Aspekt in die Diskussion einbringen, über den ich schon lange nachdenke. Mich stört die Manie der zwanghaften Historisierung. Alles muss auf sogenannten Originalinstumenten im Stil der vergangenen Zeit gespielt werden. Wer kennt diesen Stil wirklich? Wie dankbar waren Komponisten damals als Klarinetten und Ventiltrompeten entwickelt wurden. Wie bereitwillig haben sie diese in ihre Kompositionen aufgenommen und Solostücke für die damals neuen Instrumente komponiert.
    Die Verdienste von Harnoncourt und anderen Dirigenten seiner Art liegen sicherlich darin, dass musikalische Aufführungspraxis hinterfragt wurde. Allerdings hat sich dann geradezu ein Zwang entwickelt, alles was nur irgendwie geht auf historisch hinzutrimmen und auf sogenannten Originalinstrumenten darzubieten. Ergebnisse sind dann, dass z. B. Mozarts "Figaros Hochzeit" unter Harnoncourts "Historiendirigat" eine halbe Stunde länger dauert als üblich und alles nahezu unerträglich träge und langweilig wirkt. Ein weiteres Beispiel über eine sonst allgemein anerkannte Einspielung des Klavierwerks von Franz Schubert schreibt ein Kritiker "Oppitz ertränkt Schubert in Wohlklang und klanglich melodischer Fülle - eine veraltete Auffassung, die im Vergleich zu den historisch korrekten Aufführungen auf Hammerklavier nicht mehr bestehen kann. Ja, mein Gott, wie kann denn Schubert anders gespielt werden als mit Wohlklang und melodischer Fülle? Oppitz sollte gedankt werden, dass er den Mut hat, seiner künstlerischen Auffassung treu zu bleiben, dem Historienzwang widersteht und die technischen Möglichkeiten moderner Instrumente und hervorragender Aufnahmetechnik voll nutzt.
    Die Wiederbelebung der Historie und das Spiel mit Originalinstrumenten hat sicherlich in der Barockmusik seine Berechtigung und einem Orchester wie z.B. dem Freiburger Barockorchester als Spezialist für Musik dieser Epoche gelingen durchaus ausgezeichnete, diskussionswürdige Ergebnisse, die allerdings für mich häufig experimentalen Charakter haben.
    Rückbesinnung auf die Historie und Spiel auf Originalinstrumenten also nur sinnvoll, in Werken in denen dies dem Charakter und der Zeit der Komposition entspricht. Alle anderen Historisierungsversuche empfinde ich als meist wenig geglückten Versuch, um jeden Preis etwas anders als alle Anderen zu machen, um dadurch aufzufalllen. Obwohl Vergleiche hinken drängen sich mir hier Parallelen zu unseren Diskussionen zum modernen Regietheater auf: Auch hier werden viele sogenannte "Neudeutungen" in den Inszenierungen nur aus Effekthascherei und geltungssüchtigem Narzissmus des Regisseurs gemacht.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Soweit ich das mitbekommen habe, hatten einige ein Problem mit der Varnay als Brünnhilde. Da mittlerweile der 2. Zyklus von 1955 ebenfalls verfügbar ist (wo der "Siegfried" bleibt, ist mir aber ein Rätsel), hat man mit der Mödl aber eine mehr als adäquate Alternativbesetzung.

    Für mich käme aber nur die Stereoversion in Frage und ich habe kein Problem mit Astrid Varney.



    Mittelprächtig. Sängerisch Höhen und Tiefen, Dirigat irgendwie auch recht unspektakulär (aber besser als Haitink). Meine erste Wahl wäre er nicht, auch wenn er nicht schlecht ist.

    Mir gefällt er nämlich recht gut, vor allem das Orchester. Und Rheingold, Akt 1 Walküre, und Teile des Siegfrieds finde ich sehr schön. Leider ist für mich (und vermutlich viele andere) die Brünnhilde ein Totalausfall.



    wo übrigens die Stratas eine herrliche Salome singt und spielt. Gerade im Zusammenspiel mit dem Bild ist die Stratas für mich durchaus eine der besten Rolleninterpretinnen. Sie ist auch optisch ideal, geht in der Rolle voll auf. Natürlich wird die Welitsch unübertroffen bleiben,

    Den Film habe ich auch gesehen, sogar im Kino, und die Stratas ist als Darstellerin natürlich unglaublich toll. Die Welitsch-Auszüge waren das erste, was ich überhaupt von dieser Oper hatte.

  • Welch weiser Beitrag von operus, dem ich eigentlich in allen Belangen nur zustimmen kann, vor allem auch, was die vielfach bestehende Manie anbetrifft, zu meinen, daß man sich von schon bestehenden Aufnahmen unbedingt in irgend einer Weise abheben muß, um sich zu unterscheiden und etwas Neues, Interessantes, zu bieten. Leider wird dieser narzistische, alles andere als dem Werk dienliche Drang, häufig auch von Musikhörern gewünscht - erwartet und damit ja auch gefördert. Wenn sich ein Interpret A von einem Interpreten B nicht unterscheidet, dann wird dies oft als Manko kritisiert, auch wenn es sich um herausragende Einspielungen handelt, wie man diese - hätte man das Zeug dazu - selbst so erstreben und vornehmen würde. Wenn ein Interpret immer Konzessionen an den jeweils vorherrschenden Zeitgeschmack macht, und/oder er versucht, unbedingt neue Unterscheidungsmerkmale ins Spiel zu bringen, dann möchte ich nicht wissen, wie das Werk unserer großen Komponisten in 50 oder 100 Jahren klingen werden. Wenn ich z. B. von 10 großen Dirigenten oder Solisten 10 x eine sehr ähnliche Sicht- und Interpretationsweise höre, die mich überzeugt, dann ist mir dies viel lieber als ein Interpret, der sich partout von seinem Vorgänger unterscheiden, oder etwas Neues bieten will. Die Maxime eines seriösen und verantwortugnsvollen Interpreten sollte m. E. deshalb immer sein, ein Werk so zu spielen, wie er nach dem genauen Studium des Lebens, des Wirkens und der Intentionen eines Komponisten glaubt, daß dieser selbst sein eigenes Werk idealerweise realisiert gesehen haben würde.


    Und unter diesem Geichtspunkt ist auch für mich der von operus zitierte GERHARD OPPITZ ein sehr gutes Beispiel dafür, bei seinen Konzerten und Einspielungen allein seine verantwortungsvolle Vorstellung von der richtigen Interpretation und Aufführungspraxis zum Klingen zu bringen - und dies fast immer auf höchstem pianistischem Niveau - auch wenn noch erlauchtere Pianisten der alten Schule vor ihm die gleiche oder ähnliche Sichtweise hatten, und er sich dann alllein kraft seines Könnens mit diesen messen und vergleichen lassen muß.


    Gruß
    wok

  • Seine Zauberflöte konnte niemals den Beliebtheitsrang von beiden Böhms Aufnahmen erreichen.

    Ein Null-Argument. Wenn er "nur" die drittbeliebteste Zauberflöte aller Zeiten eingespielt hätte, wäre er doch wohl auch zu den Mozart-Referenzen zu zählen, oder? In ihrer Gesamtheit sind seine Mozart-Opern-Einspielungen ganz weit oben angesiedelt, auch Klavierkonzerte mit Larrocha sind sehr schön.



    Seine Beethoven-Sinfonen standen immer hinter jenen von Karajan, Bernstein und Böhm

    Und diese Aussage ist schlichtweg falsch! Karajan war in Mitteleuropa immer vorne - richtig. Weltweit gesehen war die Situation wesentlich enger, man darf nicht vergessen, dass Soltis Arbeitskreise sich ab Mitte der 50er Jahre in England und später dann in den USA konzentrierten. Sein Beethoven war in den 70ern sehr hoch angesehen - meiner Erinnerung nach war die 9. eine Zeit lang überhaupt die Topaufnahme. Und das nicht zuletzt durch die wirklich überragende Aufnahmetechnik, die die DG-Konkurrenz am LP-Sektor ziehmlich blutleer erscheinen ließ. Was glaubst du, warum Karajan nach Erscheinen der Decca-Aufnahmen sehr schnell eine Neue Beethoven-Einspielung vorbereitete? Seine erste DG-Produktion wurde klanglich von Solti hinweggefegt (die 9. erschien auf vier LP-Seiten in dynamisch exemplarischer Aufnahme- und Presstechnik, da gab es von der DG nichts vergleichbares)!
    Böhms Beethoven war nie wirklich in der großen Gunst der Musikwelt - immer mehr der Geheimtipp - damals wie heute. Er hatte in den 70ern kommerziell gegen Solti keine Chance - nicht einmal in Mitteleuropa. Das spricht nicht gegen die Qualität der Böhm-Aufnahmen, aber gegen deine Einschätzung.
    Bernstein hingegen war vorerst überhaupt nicht vorhanden. Die amerikanischen Aufnahmen hatten in Europa noch keinen hohem Stellenwert, Bernsteins Aufstieg kam mit dem Ruhm seiner Mahleraufnahmen langsam in die Gänge. Und die DG-Beethoven-Aufnahmen kamen deutlich hinter Solti! Allerdings wurden sie bei uns sehr schnell sehr populär, Wiener Philharmoniker, Videos, etc. Dennoch musste Bernstein in Sachen Beethoven Solti erst einmal überholen - und meiner Einschätzung nach hat er das nur in Mitteleuropa geschafft, weltweit gesehen dürfte Solti noch immer auf gleichem Niveau stehen.



    Ich habe keine schiefe Optik auf Solti - jedoch war in (fast) allen Bereichen eine Aufnahme eines Konkurrenten da, welche die Hörer mehr überzeugt hat.

    Diese Aussage kann man eigentlich fast immer und überall gefahrlos anbringen. Wieviele Aufnahmen gibt es, die praktisch von der gesamten Musikwelt einstimmig als überzeugendste gepriesen werden und welcher Dirigent hat in dieser Disziplin deutlich mehr als einen Treffer aufzuweisen?



    Aber ich habe keine Abneigung etc.

    Wenn man bedenkt, welche Löcher - nein Bombenkrater - du in der Auflistung der bemerkenswerten Solti-Einspielungen hinterlässt...


    ;)

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Die Maxime eines seriösen und verantwortugnsvollen Interpreten sollte m. E. deshalb immer sein, ein Werk so zu spielen, wie er nach dem genauen Studium des Lebens, des Wirkens und der Intentionen eines Komponisten glaubt, daß dieser selbst sein eigenes Werk idealerweise realisiert gesehen haben würde.

    Ich glaube, das tut ein seriöser und verantwortungsvoller Interpret auch. Dieser Drang, Dinge anders machen zu wollen/müssen, kommt m.E. vom Musikmarkt selbst. Unsere Musikhochschulen entlassen jedes Jahr hunderte von bestausgebildeten und hochbegabten jungen Musiker, viele davon mehrfach Preisträger. Den meisten davon ermöglicht der Musikmarkt noch nicht Mal ein Überleben auf Hartz IV Niveau. Wenn man nicht irgendwie auf sich aufmerksam machen kann, sei es durch eigenwillige Musikinterpretationen, ein besonders attraktives Äußeres ("Models, die Geige spielen können"), ungewöhnlichen Hobbies fröhnt ("die mit dem Wolf tanzt") oder exotisch-witzige Namen trägt, geht man mit ziemlicher Sicherheit heute klang- und sanglos unter.


    Ich war vor kurzem zweimal in einer Woche in einem Violinrecital: Midori in der ausverkauften Liederhalle (Mozartsaal) mit Beethoven-Sonaten und Caroline Adomeit (http://www.carolineadomeit.com/) mit Schubert und anderem vor 40 Leuten in einem alten Kursaal (die Hälfte vermutlich verwandt oder befreundet). Der moderate Eintrittspreis dürfte gerade die Hallemiete gedeckt haben. Dreimal dürft ihr raten, wer das bessere und interessantere Konzert abgeliefert hat. Ich hatte hinterher Zeit, mit der Mutter - selbst Geigenlehrerin - zu reden, die erzählte, dass ihre Tochter kurz davor wäre, aufzugeben, nur ermutigende Worte u.a. von Julia Fischer würden sie noch bei der Stange halten.

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose