Il Trittico Oper Kopenhagen am 21.03.2013

  • Ich habe schon bemerkt, dass Beiträge über Veranstaltungen, die Vielen gefallen würden, nicht bewertet werden. Hier deshalb etwas über Regietheater, welches aus meiner Sicht gelungen ist.
    Der Trittico wurde von Puccini ja immer als Einheit gesehen. Zumindest wird das übermittelt. Ob es stimmt kann ich nicht beurteilen, da ich es nicht geschafft habe ihn persönlich zu befragen und mir deshalb darüber keine Meinung bilden kann. Vielleicht hätte ihm diese Inszenierung auch gefallen.


    Als Einheit werden die drei Opern recht selten gespielt. Ich habe den Trittico das zweite mal komplett gesehen. Das erste mal war eine Inszenierung von Sebastian Baumgarten in Hannover, die mir abgesehen von Suor Angelica nicht gefallen hat. Insbesondere Il Tabarro war für mich eine Regieleistung zum Abgewöhnen.


    Ganz anders die Inszenierung in Kopenhagen.


    Der italienische Regisseur Damiano Michieletto hat einen gelungenen Versuch gemacht die 3 Opern thematisch zu verknüpfen. Dies gelang ihm durch kleinere Requisiten und einige inhaltliche Änderungen, die aber nicht im Widerspruch zum Libretto und dem Wesen der Opern standen.


    Auch das Bühnenbild baute aufeinander auf, obwohl mir das so richtig erst beim überraschenden (bezogen auf das Bühnenbild) Ende bewusst wurde.


    Bühnenbilder/ Kostüme:


    Il Tabarro (Der Mantel): Die Bühne war gefüllt mit mehreren Containern in Originalgröße; vor, zwischen und auf denen gespielt wurde. Die Bekleidung war sehr einfach und schäbig. Dies entspricht zwar dem Wesen der Oper, allerdings passt es nicht in einen modernen Containerhafen. Der düstere Inhalt der Oper wurde durch die hervorragende Lichttechnik unterstrichen.


    Suor Angelica (Schwester Angelica): Das Bühnenbild bestand weiterhin aus den Containern, die allerdings jetzt teilweise geöffnet waren und einen Blick in die Zelle von Angelica sowie einem Waschhaus zuließ.
    Während das Leitungspersonal in strenge moderne Uniformen gekleidet war, trugen die Schwestern/ Novizinnen einfache Kittel. Die Fürstin erschien in einem mondänen Kleid.


    Gianni Schicchi: Die Oper spielt ja nur in der Wohnung von dem toten Familienoberhaupt. Warum diese Wohnung verschachtelt mit verschieden Ebenen dargestellt wurde, konnte man erst am Ende feststellen. Die Wohnung war möbliert wie man es sich bei einem konservativen älteren Herren vorstellt. Allerdings hatte er sich einen modernen Flachbildfernseher gekauft. Die Kostüme entsprachen der Mode von vor einigen Jahren.


    Die Inszenierung/ Inhalte:


    Il Tabarro: Die Handlung ist im Wesentlichen schnell erzählt.
    Michele, ein älterer Schiffer (hier ein Boss von Hafenarbeitern) liebt seine jüngere Frau Giorgetta. Diese hat sich nach dem Tod des gemeinsamen Kindes von ihm abgewandt und eine Beziehung mit einem Hafenarbeiter begonnen. Michele versucht einen Neuanfang, was seine Frau ablehnt. Seine Trauer über das verlorene Kind wird verdeutlicht dadurch, dass Michele ein Spielzeug und Kinderschuhe immer mit sich herumträgt und mal mit einem Kinderwagen über die Bühne fährt.
    Als Michele bemerkt, dass er einen Nebenbuhler hat, tötet er diesen und versteckt ihn unter seinem Mantel. Nachdem er einen letzten Versuch
    gemacht hat seine Frau zu überzeugen, findet diese den toten Liebhaber.
    Nach ihrem Aufschrei fällt der Vorhang, .................... allerdings hinter Giorgetta.


    Der Übergang zur nächsten Oper (ohne Pause) erfolgte dadurch, dass Giorgetta von einer Aufseherin aus der Oper Suor Angelica die Haare geschnitten wurden und man ihr einen Kittel anzog. Dies sollte wohl sagen, dass sie jetzt in das Kloster gehen wird. Mit dem öffnen des Vorhanges warf sie die Kinderschuhe in die Zelle von Suor Angelica.


    Suor Angelica: Angelica ist eine junge Frau aus adligem Hause, die nach der Geburt eines unehelichen Sohnes ins Kloster gehen musste. Als ihre Tante, die Fürstin, sie nach Jahren wegen einer Erbschaftsangelegenheit besucht, erzählt diese ihr, dass ihr Kind verstorben ist. Daraufhin tötet Angelica sich selbst.
    Das Kloster ist in dieser Inszenierung eher eine Zuchtanstalt (Straflager) mit strengen Aufseherinnen anstelle von Nonnen. Vielleicht sollte das eine Anspielung auf die neueren Skandale in kirchlichen Einrichtungen sein.


    Die Trauer über die Trennung von ihrem Kind wird durch die Kinderschuhe deutlich gemacht, mit denen Angelica spielt.


    Eine inhaltliche Änderung, die aber keinen Einfluss auf das Zusammenwirken von Libretto und Handlung hat, ist es, dass Angelicas Sohn nicht nur am Leben ist, sondern sogar mit zum Kloster genommen wurde. Allerdings ging die Fürstin zuerst alleine zu Angelica. Aus Ärger darüber, dass Angelica einige
    Papiere nicht unterschreiben wollte, hat die Fürstin ihr den Tod des Kindes mitgeteilt.
    Wegen dieser Lüge hat sich Angelica das Leben genommen. Die Oper endet damit, dass der Sohn seine tote Mutter findet und erhält durch dieses kurze Bild eine neue Dramatik.


    Gianni Schicchi: Dies ist eine turbulente Komödie, die ein happy end hat.


    Ein reicher Herr ist gestorben und seine Verwandschaft freut sich auf das Erbe und verteilt dieses bzw. streitet sich darum. Dann bekommen sie (per Telefon) die Information, dass es ein Testament geben soll. Nach einer chaotischen Suche (auch unter der Leiche, die im Bett liegt) wird dieses gefunden und man stellt zur allgemeinen Trauer fest, dass das ganze Vermögen einem Kloster vermacht wurde.
    Rinuccio bedauert das deswegen besonders, weil er befürchtet, dass dann seine Tante Zita nicht die Zustimmung zur Heirat mit Lauretta gibt. Diese ist die Tochter von Gianni Schicchi, der von der snobistischen Familie abgelehnt wird.
    Trotzdem gelingt es Rinuccio seine Familie davon zu überzeugen den Rat von Schicchi einzuholen. Dieser lehnt es zuerst ab der Familie zu helfen. Erst als Lauretta ihren Vater mit der Arie „O mio babbino caro“ umgarnt stimmt er zu. In dieser Inszenierung zeigt Lauretta ihrem Vater dabei ein Ultraschallbild. Durch ihre Schwangerschaft wird eine Gemeinsamkeit zu den anderen beiden Opern hergestellt.
    Die Idee von Schicchi ist es, dass Arzt und dem Notar getäuscht werden, indem er ein noch lebendes Familienoberhaupt spielt. Dabei wird er ein neues Testament verfassen. Die einzelnen Familienmitglieder versuchen Schicchi zu bestechen (Geld, Sex) um ihn zu überreden ihnen die wertvollsten Besitztümer zu vermachen.
    Als dann der „Sterbende“ das neue Testament vorträgt, werden zuerst alle bedacht. Danach werden die wertvollsten Besitztümer (incl. dem Hasus) allerdings dem „alten Freund“ Gianni Schicchi vermacht.
    Die Familie kann nichts dagegen tun, da sie sonst ganz leer ausgehen und sogar bestraft werden würde.
    Die Oper endet damit, dass Schicchi alle aus dem Haus jagt, das ja jetzt ihm gehört und das Rinuccio seine Lauretta bekommt.


    Um einen Bogen über die drei Opern zu spannen, hat der Regisseur ein eindrucksvolles Schlussbild eingefügt:


    Die Wohnung faltete sich in kurzer Zeit automatisch zusammen und das ursprüngliche Bühnenbild von Il tabarro tauchte wieder auf. Zusätzlich hat sich Schicchi den Mantel von Michele aus der ersten Oper angezogen.


    Musik und Gesang


    Vorbemerkung: Ich bin – obwohl Klassikfan - alles nur kein Musikfachmann. Deshalb will und kann ich die Beurteilung von Musik und Gesang nicht so dezidiert wie Musikkritiker durchführen. Zumal diese auch oft die Leistungen völlig unterschiedlich beurteilen.


    Aus meiner Sicht ist es dem Dirigenten Carlo Rizzi mit dem Orchester gelungen, Puccinis Musik hervorragend zu intonieren. Das unterschiedliche Grundkonzept der Opern wurde von ihm sehr gut heraus gearbeitet. Das mir einige Passagen etwas zu laut erschienen kann auch daran liegen, dass ich zu weit vorne gesessen habe.
    Die Gesangsleistungen waren durchweg von gehobener Qualität. Hervorheben möchte ich Johan Reuter sowohl als Michele und Schicchi sowie Maria José Siri als Suor Angelica.
    Maria José Siri hat einen großen strahlenden Sopran mit dem sie die Gefühle der Sour Angelica hervorragend darstellen konnte.
    Johan Reuter gefiel mir durch den kräftigen dunklen Klang seiner Stimme, mit dem er die beiden unterschiedlichen Charaktere hervorragend sang.


    Auch die schauspielerische Leistung der Beiden, aber auch des übrigen Ensembles, trug dazu bei, dass es für mich ein gelungener Abend war.
    Etwas heraus heben möchte ich noch Gitta-Maria Sjöberg als Giorgetta sowie Hanne Fischer als Frugola in Tabarro, Randi Stene als Fürstin in Angelica bzw. Zita in Schicchi und Sine Bundgaard als Lauretta in Schicchi. Letztere hat den „hit“ „O mio babbino caro“ zwar gut gesungen ohne mich allerdings besonders zu berühren.


    Fazit: Damiano Michieletto ist es gelungen rote Fäden durch die drei Opern zu ziehen, ohne das Wesen der einzelnen Opern zu verändern. Bühnenbild und Kostüme haben mir gefallen, da sie die Handlungen unterstützten. Musik und Gesang waren von guter bis sehr guter Qualität, geführt von einem hervorragenden Carlo Rizzi.


    Aus meiner Sicht ein positives Beispiel für Regietheater.

  • Herzlich gegrüßt, lieber Serse,


    Deine Trittico-Schilderung habe ich gründlich gelesen, und es freut mich, daß die Inszenierung Dir gefallen hat.


    Nun trete ich auf den Plan, und einige im Forum (es sind 5 oder 6 wirklich fachlich kompetente Taminos, aber mit einem anderen Geschmack ausgestattet als ich) werden schon wissen - aha, der La Roche wird wieder meckern. Nein, Serse, das tut er nicht. Ich gönne Dir die Freude, zumal besonders "Der Mantel" und "Schwester Angelika" für mich zu den ergreifendsten und dramatischsten Puccini-Opern gehören.


    Mit welchen musikalischen Mitteln, eben typisch Puccini-Mitteln die Handlung so aufwühlend wird, das ist große Kunst. Ich habe die Aufführung vor vielen Jahren 2x in Dresden gesehen und hatte das Glück, eine richtig konventionelle Inszenierung zu sehen. Unvergeßlich, wie Michele auf dem Kahn vor der mittelalterlichen Kulisse einer Stadt auf dem Kahn sitzt, den toten Nebenbuhler unter dem im Sitzen weit ausgebreiteten Mantel verbirgt und versucht, seine Frau zu halten. Wie es ausgeht, wissen wir. Es ist eine Szene zum Frieren. In Erinnerung ist mir auch eine Inszenierung mit Placido Domingo, die ich im Fernsehen erlebte, auch in altertümlicher Hafenkulisse. Deshalb würde mich ein Containerbahnhof nicht reizen, mir das nochmals anzusehen. Da kommt meine Erwartungshaltung und geht mit mir durch. Nein, nein und nochmals nein sagt sie.


    Ebenso der berührende, dramatische Schluß der Schwester Angelika in Dresden, mit Angela Liebold als Sängerdarstellerin der Extraklasse. Aber bitte nicht im Container, das würde mir jede Stimmung nehmen.


    In Dresden hatte jedes der drei Stücke sein eigenens, den Vorgaben Puccinis entsprechendes Bühnenbild. Das war natürlich verbunden mit hohem Umbauaufwand und damit längeren Pausen. Da jedes Stück eine gute Stunde dauert, kam eine Aufführungszeit von knapp 4 1/2 Stunden zustande. Die habe ich gerne ausgehalten, um das zu sehen, was ich sehen wollte - Il Trittico von Puccini.


    Wie Du schon an anderer Stelle gesagt hast, im Tamino sollte und kann man seine Meinung stets sagen, unter Achtung auch anderer Meinungen. Das habe ich hiermit getan. Mich würde ein Container-Trittico abstoßen und schlechte Laune erzeugen. Daß es Dir gefallen hat, freut mich für Dich.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Lieber Serse,


    ich habe mir vor drei Tagen die schöne und ergreifende Inszenierung der Scala aus 1983 angesehen. Zwar könnte ich mir in "Il Tabarro", der ja eher zeitlos ist, eine Containerlandschaft im Hafen vorstellen. Wie du aber schon bemerkt hast, waren dann wohl die Kostüme nicht so ganz zu dem Bühnenbild der Moderne passend.
    "Suor Angelica" und "Gianni Schicchi" würde ich aber nicht in derselben Containerlandschaft sehen wollen, denn hier passen sie nach meiner Ansicht überhaupt nicht hinein. Dass das in den Augen aller Zuschauer den Zusammenhang erkennbar machte, wage ich zu bezweifeln, wenn das nicht durch das Programmheft suggeriert wurde. Ich erinnere mich an eine Hamburger Inszenierung, von der ich allerdings nur die beiden letzten Teile kenne, wo in beiden Teilen mit verschiebbaren Glaswänden gearbeitet wurde, die während des jeweiligen Stücks ständig hin- und hergeschoben wurden, was - speziell bei "Suor Angelica" - nicht nur störend war, sondern dem Stück jede Wirkung nahm.
    Für mich sind es drei Stücke mit unterschiedlichen Sujet, die auch unterschiedliche Kulissen und Kostüme verlangen. Eine Einheit sehe ich eher insofern, als ich das Ganze wie eine Sinfonie in drei Sätzen betrachte: "Il Tabarro", ein einleitendes Allegro, "Suor Angelica", ein mehr lyrisches Adagio, "Gianni Schicchi", ein abschließendes Scherzo.
    Dennoch freue ich mich mit dir, wenn dir dir Aufführung gefallen hat.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Hallo lieber La Roche.


    Ich freue mich über deine Antwort. Wie ich schon sagte, habe ich den Trittico komplett erst einmal vorher gesehen und auch keinen Teil in einer klassischen Aufführung. Deshalb kann ich nicht vergleichen.
    Ich könnte jetzt natürlich versuchen mir eine klassische Inszenierung auf DVD zu besorgen, da ich kein großer Freund vom Fernsehen bin, auch nicht bei Opern, werde ich das wohl nicht machen.
    Richtig klassische und (kosten-) aufwändige Aufführungen gibt es ja immer seltener, zumindest in Deutschland. Da ich nun mal auf Liveerlebnisse fixiert bin, muss ich entweder weit reisen oder mich mit gewissen Dingen arrangieren. Da es mir ja auf Musik und Gesang mit einem dazu passenden "Schauspiel" ankommt, muss ich das "passend" neu interpretieren oder zu Hause bleiben und der Oper entsagen.
    Zumal man ja selbst in Russland nicht mehr sicher sein kann (31.03.11, St. Petersburg, Marinsky Theater, Idomeneo). Dort hat es dazu geführt, dass nach der Pause kaum ein Besucher über 60 Jahre in der Oper geblieben ist.


    Solange Bühnenbilder, Kostüme und Masken nicht abstossend sind und sie zu dem Inhalt/Wesen der Oper passen, akzeptiere ich dass inzwischen und kann viele Inszenierungen genießen.
    Auf Live-Oper verzichten möchte ich nicht!


    Liebe Grüße
    Serse

  • Lieber Serse,


    erstmal Danke für den interessanten Bericht. Ich freue mich sehr für dich, dass du diesen Abend sehr genossen.
    Ich kann mir aber auch nicht wirklich vorstellen, dass mir diese Aufführungen gefallen hätten, da es scheint, dass zumindest Suor Angelica und Gianni Schicchi stark verfremdet wurden, und bekanntlich bin ich hier im Forum ein ziemlich grosser Gegner des sog. Regietheaters.
    Ich würde auch gerne folgendes zu bedenken geben: Puccini hat beim Trittico bewusst drei grundverschiedene Einakter zu einem abendfüllenden Abend zusammengefügt. Der tragisch-grausame Tabarro, die lyrisch-traurige Suor Angelica und der heitere-sarkastische Gianni Schicchi. Die Werke sind bewusst sowohl musikalisch, als auch atmosphärisch und thematisch völlig voneinander abgegerenzt und auch die Reihenfolge, in der sie zu spielen sind, ist vorgegeben. Ein verbindendes Element, wie das Bühnenbild in der Inszenierung von Damiano Michieletto sind von Puccini nicht vorgesehen (ebensowenig Umstellungen oder sogar "Mischungen" der drei Einakter, wie bereits in der Vergangenhit durch Regisseure passiert....). Ich glaube deshalb, das Herr Michieletto mit seiner Inszenierung bewusst versucht hat, die von Puccini gewollten Unterschiede der verschiedenen Werke, "auszubügeln", bzw. zu negieren. Es scheint auch hier wieder der Fall eingetreten zu sein, dass ein Regisseur, die Vorgaben eines Koponisten ignoriert, bzw.glaubt, klüger als dieser zu sein, was ich sehr bedaure.....

  • Hallo Figaroo.


    Die Vorgaben der Komponisten historisch abgesichert zu definieren ist aus meiner Sicht in vielen Fällen nicht immer eindeutig möglich. Viele Opern wurden über das Komponistenleben immer wieder verändert. Teils sind sie vor Vollendung der letzten Überarbeitung gestorben. Was sind da die Vorgaben der Komponisten. Bei den neueren Komponisten gibt es ja zumeist ausreichende Dokumentationen, aber wie ist es bei den Barockopern bei denen häufig nur die Partitur und das Libretto gefunden wurden und das oft nur unvollständig. Wer definert dann die Vorgaben des Komponisten.


    Ich habe zwar viel gelesen, bin aber kein Musikfachmann oder Musikhistoriker und kann deshalb diese Vorgaben nicht beurteilen. Zumal sich die Historiker und Fachleute nicht immer einig sind.


    Für mich gibt es auch eine spannende Frage über die ich gerne nachdenke: Welche Vorgaben würden die Komponisten (die ja zumindest für die Uraufführung die Regie wesentlich beeinflusst haben) machen, wenn sie (z. B. Rossini) in der heutigen Zeit leben würden und unsere Lebenserfahrungen hätten? Vielleicht würde dann die Cenerentola bei Gucci eingekleidet, von einem Rollce Royce abgeholt und in die Villa mit Swimmingpool des Prinzen gefahren werden. Das könnte Rossini - ohne die Oper wesentlich zu verändern - in einem schönen Bühnenbild mit farbenfrohen Kostümen umsetzen.
    Im Gegensatz zu vielen zeitgenössischen Regisseuren, die sich nur profilieren wollen, war den Komponisten die Meinung des Publikums oder ihrer Auftraggeber nicht egal.


    Liebe Grüße


    Serse

  • Für mich gibt es auch eine spannende Frage über die ich gerne nachdenke: Welche Vorgaben würden die Komponisten (die ja zumindest für die Uraufführung die Regie wesentlich beeinflusst haben) machen, wenn sie (z. B. Rossini) in der heutigen Zeit leben würden und unsere Lebenserfahrungen hätten?

    Eine Oper ist zunächst einmal aus der Zeit heraus zu begreifen, in der sie geschrieben wurde. Was bedeutet das? Quellenstudium. Was wollte der Komponist? Wie hat er sich die Oper vorgestellt? Warum hat er sie in einer bestimmten Zeit angesiedelt? Und: Es ist irrelevant, was der Komponist heute schreiben würde. Lebte Rossini heute, würde er wahrscheinlich überhaupt keine Cenerentola mehr schreiben, sondern etwas ganz anderes. Er würde auch eine andere Instrumentation verwenden, vielleicht sogar ein Musical komponieren. Solche Hypothesen können aber nicht als Entschuldigung dafür gelten, eine Oper ganz einfach ins Hier und Jetzt zu versetzen, wenn in der Parititur klare Angaben gemacht wurden, über die sich dann einfach hinweggesetzt wird.Es ist mir nicht klar, warum man die Komponisten immer auf ihre Musik reduziert, wohingegen ihre Librettiangaben als austauschbare Variable betrachtet werden. Mir ist kein Komponist bekannt, dem es egal gewesen wäre, wie seine Opern aufgeführt werden. Am deutlichsten hat dies neben Wagner auch Verdi ausgedrückt, der sich wegen der von der Zensur einfach verordneten Zeitversetzung in seinem "Ballo in maschera" sogar an einen Anwalt wandte - leider ohne Erfolg:


    "Diese Veränderung von Zeit und Ort nimmt dem Drama und der Musik den Charakter. Das Kolorit, der Hintergrund des musikalischen Bildes werden unabänderlich verfälscht. Der Anwalt des Theaters mag gerne ausführen, wie sinnlos es sei, von lokalen Farben und mehr oder minder entfernten Epochen zu sprechen, dieser Lästerung der Kunst habe ich nur zu entgegnen: Alle Epochen haben, das ist bekannt, ihren jeweiligen Charakter. Die Menschen des 15. Jahrhunderts waren in ihren Bräuchen und im Fühlen anders als die Menschen des 19. Jahrhunderts, und die Norditaliener ähneln nicht denen aus dem Mezzogiorno. Ein Künstler kann und muss diese Unterschiede enthüllen, ansonsten wird er sich nie aus der Masse erheben und niemals etwas anderes als Mittelmäßigkeit erschaffen." (aus Aldo Oberdorfer, Giuseppe Verdi - Autobiografia dalle lettere)



    Zitat

    Vielleicht würde dann die Cenerentola bei Gucci eingekleidet, von einem Rollce Royce abgeholt und in die Villa mit Swimmingpool des Prinzen gefahren werden. Das könnte Rossini -ohne die Oper wesentlich zu verändern- in einem schönen Bühnenbild mit farbenfrohen Kostümen umsetzen.

    Das kannst du so oder ähnlich mittlerweile x-fach an zig Bühnen der Welt "bestaunen". Wo ist der Witz?



    Zitat

    Im Gegensatz zu vielen zeitgenössischen Regisseuren, die sich nur profilieren wollen, war den Komponisten die Meinung des Publikums oder ihrer Auftraggeber nicht egal.

    Dem stimme ich gern zu.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Solche Hypothesen können aber nicht als Entschuldigung dafür gelten, eine Oper ganz einfach ins Hier und Jetzt zu versetzen, wenn in der Parititur klare Angaben gemacht wurden, über die sich dann einfach hinweggesetzt wird.


    Chapeau! Danke, liebe Sognatrice, für Deinen insgesamt hervorragenden Beitrag und Deiner Meinung. Deiner punktgenauen Aussage stimme ich voll inhaltlich zu.


    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Liebe Sognatrice,


    dein Zitat von Verdi war wohl das Beste und Eindeutigste, was den Herren Verunstaltern entgegen gehalten werden kann und gehört eigentlich auch in das Thema "Prominente und ihre Abneigung gegen das Regietheater". Denn das ist nun ja authentischer Verdi und belegt doch ganz eindeutig, dass jeder, der Verdis Opern in irgendeiner Weise verändert gegen den Willen des Komponisten handelt. Es widerlegt alle Ausreden der Herren Verunstalter, die sich einbilden, dass der Komponist die Oper sicher so gedeutet haben könne, wie es ihre kranke Phantasie erdacht hat. Sie führen sich damit aber nicht nur für Verdi als falsche Propheten vor. Sie tun es nach meiner Ansicht auch für Wagner, der seine Libretti selbst so und nicht anders verfasst hat, wie auch alle anderen Komponisten, die das Werk ihres Librettisten durch ihre genau dazu komponierte Musik sanktioniert haben. Es gibt keine einzige glaubwürdige Begründung dafür, dass ein Werk eines nicht mehr lebenden Komponisten zeitlich und örtlich verändert oder sogar dessen Handlung umgestrickt werden dürfe!!!


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Bei einer Einführung in der Rheinoper wollte der Vortragende uns tatsächlich weiß machen, das Verdi wenn er noch leben würde, ein starker Verfechter des RT sei, da er auch zu Lebzeiten immer offen für Neuerungen gewesen sei. Das fand ich sehr an den Haaren herbeigezogen. Das Trittico zählt mit zu meinen Lieblings Opern von Puccini und Chrissy möge mir verzeihen, kommt in meiner Rangliste sogar noch vor La Bohme. Wir hatten an der Rheinoper mal eine Trittico Aufführung dirigiert von 3 Dirigenten, was auch sehr spannend war. Das schönste Stück für mich aus dem Trittico ist Suor Angelica. Einfach nur Gänsehaut.

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  • Ich habe vielleicht eine andere Einstellung zur Oper als einige der Forumteilnehmer.
    Ich gehe in die Oper, damit ich etwas hören und sehen kann, dass mir gefällt! Unabhängig davon, dass ich mich auch für den historischen Hintergrund (des Opernstoffes, der Entstehung, des Komponisten) interessiere, ist es mir egal was der Komponist vogeschrieben oder gedacht hat. Mir muss es gefallen.
    Ich möchte mir nicht von jemandem der über 100 Jahre tot ist (oder von anderen) vorschreiben lassen was mir zu gefallen hat.
    Wenn mir ein Wein zu Filetsteak nicht schmeckt trinke ich ihn ja auch nicht dazu, nur weil der Winzer oder Weinfachleute der Meinung sind, dass der Wein dazu am Besten schmeckt. Vielleicht schmeckt er mir ja zu anderem Essen!


    Ich habe sowieso Verständnisprobleme: Wo fängt das Regietheater an?
    Ist das schon der Fall, wenn die Kostüme aus einer anderen Zeit stammen? Ist das der Fall, wenn der Regisseur/ Dirigent eine neue Arie einfügt?


    Wenn das so ist, dann habe ich mit Lucio Silla bei den Mozartwochen in Salzburg eben Regietheater gesehen. Für mich war es eine sehr schöne klassiche Inszenierung. Da ging es mir ebenso wie wahrscheinlich allen anwesenden Zuschauern. Ich habe zumindest -vor Ort oder später- keine gegenteilige Meinung gehört.
    Die Oper spielt ja zur Römerzeit. Kostüme und teilweise das Bühnenbild passte aber nicht in diese Zeit. Zitat von Karl Harb (Salzburger Nachrichten): Es wurden ..... "stilistische Anleihen am Figuren- und Bewegungsvokabular des 18. Jahrhunderts genommen. Ich finde diese mir neuen Wortschöpfungen interessant.
    Zusätzlich hat man noch eine Arie von JC Bach eingebaut (nicht von Mozart!!). Ist das also ablehnungswürdiges Regietheater?


    Und wenn, dann lohnt es sich schon alleine wegen der Musik und dem Gesang. Im Zweifel hat man noch die Möglichkeit sich selbst zu überzeugen, da die Inszenierung auch während der Salzburger Festspiele auf geführt. Für Norddeutsche gibt es zwei halbszenische Aufführungen zum Musikfest in Bremen. Noch einmal Karl Harb: "Was für ein Ensemble! Was für ein Orchester! Was für eine Oper! Karten für Bremen habe ich schon.



    Ich habe mal irgendwo gelesen, dass die Verfechter der Werkstreue sich hauptsächlich auf die Aufführungepraxis der Zeit Anfang bis Mitte des 20. Jahrhundert beziehen. Das macht aus meiner Sicht Sinn, da es vorher keine Film- und Tonaufnahmen gab. Für jemanden der nicht Musikhistoriker ist, ist eine andere Beurteilung schwer möglich. Musikhistoriker haben ja auch oft Meinungen, die von anderen Kollegen abweichen.


    Wie gesagt ist mir das alles eigentlich egal.


    Ich will geniessen!!!!


    In dem Sinne. Ich muss noch für meine nächste kleien Opernreise packen.


    Liebe Grüße an alle.


    Serse





    Wie hat mal ein Intendant gesagt: "In der Oper sitzten 1000 Leute und jeder sieht eine andere Oper."

  • Ich habe vielleicht eine andere Einstellung zur Oper als einige der Forumteilnehmer.
    Ich gehe in die Oper, damit ich etwas hören und sehen kann, dass mir gefällt! Unabhängig davon, dass ich mich auch für den historischen Hintergrund (des Opernstoffes, der Entstehung, des Komponisten) interessiere, ist es mir egal was der Komponist vogeschrieben oder gedacht hat. Mir muss es gefallen.

    Klar ist das egal. Finde ich auch. Mich nerven auch die vielen Vorschriften. Warum muss die Tosca immer von einer Frau gesungen werden? Würde mir von einem Tenor viel besser gefallen. Oder auch mal ganz ohne Gesang, nur als Instrumentalversion für Saxophon. Und wie ich die dynamischen Anweisungen in der Kammermusik verabscheue! Ich spiele doch das Stück, also habe ich auch das Recht, alles fff zu spielen, weil mir das so gefällt. Basta! Diese hochnäsigen Komponisten immer mit ihren Vorschriften sind ja soo überflüssig.



    Zitat

    Ich möchte mir nicht von jemandem der über 100 Jahre tot ist (oder von anderen) vorschreiben lassen was mir zu gefallen hat.

    Tja, leider ist derjenige, der über 100 Jahre tot ist, aber zufällig derjenige, ohne dessen Arbeit du deinen Genuss gar nicht hättest.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Lieber Serse,


    in den meisten Fällen wir wissen wir genau, was der Komponist haben wollte und wenn er wirklich einmal ein for der Uraufführung gestorben war, betrifft das nicht die Inszenierung sondern vor allem musikalische Fragen, z.B. Hoffmanns Erzählungen, der auch einen gewissen Einaktercharakter hat, mit dem grossen Unterschied, dass hier die einzelnen Akte sowohl von der Handlung als auch der Musik her eng miteinander verbunden sind.
    Wenn Rossini heute leben würde und so komponiert hätte, wie du beschrieben hast, dann müsste man da auch Swimmingpool, Gucciladen oder Rolls Royce-Wagen auf die Bühne bringen, was bei heutigen Regisseuren ja dann ebensowenig der Fall wäre, wie bei Pferdekutsche, Schloss etc......
    In Fällen wie den von dir genannten Barockopern, wo wirklich nur das Libretto erhalten ist, verlangt da bei einer Aufführung eine liebevolle und genaue Rekonstruktion. Natürlich ermöglicht das einem Bühnenbildner das Einbrigen eigener Phantasie und Können, was aber keinesfalls als "Freifahrtschein" missverstanden verden darf, nach dem Motto "angeblich wissen wir nichts, also darf ich alles....". Im Gegenteil, wenn wir etwas nicht wisen, verlangt das grosses Können und Respekt vor dem Werk.

  • Wobei man Serse eins zugute halten muss: Er ist ehrlich! Was war das für ein Eiertanz in vielen Threads, als auf die klare Frage, wozu der Komponist denn ein Libretto in seine Komposition einbezogen und klare Anweisungen in die Partitur geschrieben hat, nur ausweichend und hochgradig verklausuliert geantwortet wurde. Hier fasst einer mal die Haltung vieler heutiger, sogenannter "Theatermacher" zusammen: Mir muss es gefallen, der Komponist ist eh tot und sowieso nicht mehr entscheidend, also - Feuer frei!

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Zitat

    Zitat von Serse: Ich gehe in die Oper, damit ich etwas hören und sehen kann, dass mir gefällt! Unabhängig davon, dass ich mich auch für den historischen Hintergrund (des Opernstoffes, der Entstehung, des Komponisten) interessiere, ist es mir egal was der Komponist vogeschrieben oder gedacht hat. Mir muss es gefallen. Ich möchte mir nicht von jemandem der über 100 Jahre tot ist (oder von anderen) vorschreiben lassen was mir zu gefallen hat.

    Lieber Serse,


    ich gehe auch in die Oper, damit ich etwas hören und sehen kann, was mir gefällt. In der Regel kenne ich das Werk, und wenn mir einmal ein Werk weniger bekannt ist, habe ich mich genau über das Werk und seinen Komponisten informiert. Dann gehe ich hinein, weil ich das Werk in seiner Gesamtheit mag, also so wie es der Komponist im Original verfasst hat. Ich möchte mir nicht von jemandem, der heute lebt, den - wie schon aus entsprechenden Aussagen bekannt - das eigentliche Werk, speziell die Musik nicht interessiert und der nur seine verrückten Ideen an den Mann bringen will, vorschreiben lassen, dass ich das Werk nicht wie der Komponist sondern genauso wie dieser vermeintliche "Künstler" zu sehen habe. Nein, ich möchte das erwartete Originalwerk des Komponisten, wie er es vor 100 Jahren wirklich geschrieben hat, sehen und deshalb gehe ich in die Oper. Würdest du auch ein Buch lesen wollen, das ein Dichter vor 100 Jahren geschrieben hat, aber irgendein Möchtegern-Dichter in der Handlung und im Stil völlig verändert hat, weil er glaubt, er müsse die Handlung zeitgerecht umkrempeln, oder ein Kunstwerk, das vor 100 Jahren entstanden ist, modern überschmiert sehen?
    Derzeit ist es doch der Regisseur, der dir vorschreibt, was dir gefälligst zu gefallen hat, indem er sich an dem eigentlichen Werk vergeht und es entstellt, so dass es oft überhaupt nicht mehr als das in der Ankündigung vorgegebene Werk zu erkennen ist.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Hallo Gerhard Wischniewski


    Ich habe gerade eine längere Antwort formuliert. Da ich anscheinend ungewollt abgemeldet (???) wurde, ist diese weg.


    Ich werde das nach meiner Rückkehr wiederholen.


    Guten Morgen


    Serse

  • Lieber Serse,


    das passiert mir auch schon mal - aus welchem Grund, habe ich noch nicht herausbekommen - dass ich mich neu anmelden muss. Was aber noch schlimmer ist, dass der Computer zwischendurch stecken bleibt. das Internet zusammenbricht, Stromausfall oder ein Kurzschluss entsteht und all das schön Formulierte weg ist.
    In Fällen von längerem Text ist es deshalb ratsam, diesen in einem Schreibprogramm vorzuformulieren und dann hierhin zu kopieren. Regelmäßig mache ich das, wenn ich einen Operninhalt nach Libretto für unseren Opernführer schreibe, an dem ich (weil es meist ein fremdsprachiges Libretto ist) über mehrere Tage arbeite. Da wäre es fatal, wenn plötzlich alles fort wäre.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Zurück von einer kleinen Reise in die Provinz (Gelsenkirchen - Lady Macbeth und Bonn - La Traviata) möchte ich noch auf die füheren Kommentare eingehen.
    Vielen Dank für den Tip von Gerhard, dass so etwas öfter passieren kann. Das mit dem Einfügen wollte ich eigentlich vermeiden, da es bei Formatierungsprobleme gibt und ich viel nacharbeiten muss.


    Ich merke schon, dass es anscheinend in diesem Forum nur Leute gibt, die Regietheater in jeglicher Form ablehnen und die sich als Interessensvertreter der Komponisten sehen. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob sie diese Interessen auch wirklich kennen.
    In der Naturwissenschaft sagt man, das wenn drei Experten zusammen sitzen man drei Meinungen hat. Dabei reden die oft über überprüfbare Daten und Fakten. In der Musikwissenschaft kann das eigentlich nur noch mehr der Fall sein.


    Ich habe ein Definitionsproblem: Wo fängt verdammenswertes Regietheater an? Ich glaube ich schreibe doch noch einen Bericht über Lucio Silla. Vielleicht helfen mir Reaktionen darauf weiter.



    Zitat von Strano Sognator

    Warum hat er sie in einer bestimmten Zeit angesiedelt?

    Weil erkeine anderen kannte!



    Zitat von Strano Sognator

    Und: Es ist irrelevant, was der Komponist heute schreiben würde. Lebte Rossini heute, würde er wahrscheinlich überhaupt keine Cenerentola mehr schreiben, sondern etwas ganz anderes. Er würde auch eine andere Instrumentation verwenden, vielleicht sogar ein Musical komponieren.

    Sorry, da habe ich mich wohl falsch ausgedrückt. Ich meinte: Wie würde ein Komponist die Oper weiter entwickelt haben, wenn er bis heute weiter gelebt hätte?



    Zitat von Gerhard Wischniewski

    Würdest du auch ein Buch lesen wollen, das ein Dichter vor 100 Jahren geschrieben hat, aber irgendein Möchtegern-Dichter in der Handlung und im Stil völlig verändert hat, weil er glaubt, er müsse die Handlung zeitgerecht umkrempeln, oder ein Kunstwerk, das vor 100 Jahren entstanden ist, modern überschmiert sehen?

    Nun ein Kunstwerk überschmieren bedeutet es unwiederbringlich zu zerstören. Das geht nicht. Gegen Kopien, auch in abgeänderter Form habe ich nichts. Ebenso wenig, wie ich ein Problem damit habe, dass jemand einen Roman von Dumas inhaltlich verändert zu einer Oper gemacht hat, hätte ich auch kein Problem damit, wenn jemand das Werk als Grundlage für ein neues Buch nimmt. Er dürfte es nur nicht Kameliendame nennen. Vielleicht gefällt es mir ja sogar besser.
    Architekten sind ja auch Künstler und oft schon über 100 Jahre tot. Wen interessiert es, was der Architekt eines Altbaus sich damals gedacht hat, wenn er ein modernes Bad einbauen möchte.


    Ich habe 2011 in Prag eine Rigoletto Inszenierung gesehen, über die im Forum auch berichtet wurde. Es war wirklich eine sehr schöne Aufführung. Bei mir war nur die Besetzung anders. Diese war zwar gut, aber nicht herausragend. Dasselbe Bühnenbild mit wahrscheinlich
    identischen Kostümen hatte ich vorher schon einmal gesehen. Beim Nachdenken darüber wo das gewesen sein könnte, habe ich versucht mich an alle klassischen Aufführungen zu erinnern. Dabei ist mir aufgefallen, dass sie alle ziemlich ähnlich waren. Dauernde Wiederholungen können schon etwas langweilig werden und wenn sie noch so schön sind. Ich war der Ansicht, dass ich so eine Inszenierung nur dann noch einmal sehen möchte, wenn Spitzensänger und ein sehr gutes Orchester mitwirken. Das ist ein Grund dafür, dass ich offen für Änderungen bin, solange sie zu einer harmonischen Aufführung (Musik, Gesang und Schauspiel) führen.

    Ich bin kein Freund der wahren Lehre! Wie ich schon sagte ich möchte etwas genießen, das mir gefällt. /color]



    Zitat von Gerhard Wischniewski

    Derzeit ist es doch der Regisseur, der dir vorschreibt, was dir gefälligst zu gefallen hat, indem er sich an dem eigentlichen Werk vergeht und es entstellt, so dass es oft überhaupt nicht mehr als das in der Ankündigung vorgegebene Werk zu erkennen ist.

    Der Regisseur kann mir gar nichts vorschreiben. Ich habe immer noch die Wahlmöglichkeit, obwohl das immer schwieriger wird. Entstellungen, optische Entgleisungen und unverständliche Veränderungen lehne ich ab und versuche diesen Aufführungen aus dem Weg zu gehen. Das gelingt nicht immer, da gerne Etikettenschwindel betrieben wird. Alle Hinweise in Programmen oder im Internet bis hin zur Werkseinführung deuten auf eine normale Aufführung hin. Danach begreift man oft gar nichts mehr. Wahrscheinlich haben die Theater Angst davor, das viele Leute zu Hause bleiben, wenn sie vorher die Wahrheit hören.


    Liebe Grüße
    [color=#000000]Serse

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  • Zitat von Serse

    Ebenso wenig, wie ich ein Problem damit habe, dass jemand einen Roman von Dumas inhaltlich verändert zu einer Oper gemacht hat, hätte ich auch kein Problem damit, wenn jemand das Werk als Grundlage für ein neues Buch nimmt. Er dürfte es nur nicht Kameliendame nennen.

    Siehst du, das ist es. Im Verunstaltungstheater wird ein Werk verändert, aber dennoch als das Originalwerk deklariert. Es wäre nichts dagegen einzuwenden, wenn ein Komponist denselben Stoff verwendet (was ja in der Operngeschichte häufig geschehen ist) aber damit ein vollständig neues Werk schafft. Das Werk, das aber deklariert wird, muss auch das entsprechende Werk sein. Meinetwegen kann also ein Werk mit dem Stoff einer schon vorhandenen Oper mit einem neugeschaffenen Libretto und neu komponierter Musik unter demselben Titel, aber mit dem Namen eines neuen Librettisten und neuen Komponisten aufgeführt werden. Alles andere ist (dein treffendes Wort habe ich fett formatiert):


    Zitat von Serse

    Entstellungen, optische Entgleisungen und unverständliche Veränderungen lehne ich ab und versuche diesen Aufführungen aus dem Weg zu gehen. Das gelingt nicht immer, da gerne Etikettenschwindel betrieben wird. Alle Hinweise in Programmen oder im Internet bis hin zur Werkseinführung deuten auf eine normale Aufführung hin.

    Und das nenne ich Verunstaltungstheater!!!


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Weil er keine anderen kannte!

    :hahahaha::hahahaha: Ist das ernst gemeint?



    Dauernde Wiederholungen können schon etwas langweilig werden und wenn sie noch so schön sind

    Das ist völlig richtig, und das Regisseurtheater ist für diese gähnende Langeweile das allerbeste Beispiel.



    Zitat

    Ich merke schon, dass es anscheinend in diesem Forum nur Leute gibt, die Regietheater in jeglicher Form ablehnen und die sich als Interessensvertreter der Komponisten sehen. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob sie diese Interessen auch wirklich kennen.

    Wenn man sich jahrelang intensivst mit einem Komponisten auseinandergesetzt hat, seine Briefe, Aufzeichnungen und nicht zuletzt seine Werke studiert, ist man deshalb noch lange kein "Interessensvertreter", darf aber von sich behaupten, ein wenig mehr von der Materie zu verstehen als jemand, dem nach eigener Aussage die Vorstellungen des Komponisten egal sind.



    Zitat

    In der Naturwissenschaft sagt man, das wenn drei Experten zusammen sitzen man drei Meinungen hat.

    Das ist aber sehr verallgemeinernd. Es gibt naturwissenschaftliche Gesetze, die ohne Wenn und Aber für alle gelten. Es gibt Studien, die eindeutige Ergebnisse produzieren. Die kann man natürlich trotzdem leugnen, aber ob man dann seine Glaubwürdigkeit als "Experte" aufrecht erhalten kann, das sei mal dahingestellt.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Hallo Strano Sognator.


    Zitat

    :hahahaha: :hahahaha: Ist das ernst gemeint?

    Ja! Wenn man etwas nicht weiss oder wissen kann, dann kann es eine Entscheidung nicht beeinflussen. Wenn man es aber gewusst hätte, dann hätte man vielleicht anders entschieden.



    Zitat

    Das ist völlig richtig, und das Regisseurtheater ist für diese gähnende Langeweile das allerbeste Beispiel.

    Alle Wiederholungen werden irgendwann langweilig. Hässliches Regietheater werde ich mir aber nicht so oft ansehen, dass es langweilig werden kann.



    Zitat

    Wenn man sich jahrelang intensivst mit einem Komponisten auseinandergesetzt hat, seine Briefe, Aufzeichnungen und nicht zuletzt seine Werke studiert, ist man deshalb noch lange kein "Interessensvertreter", darf aber von sich behaupten, ein wenig mehr von der Materie zu verstehen als jemand, dem nach eigener Aussage die Vorstellungen des Komponisten egal sind.

    Ich bin weit davon entfernt mich fachlich qualifiziert mit vielen Forumteilnehmern zu messen. Ich will es auch nicht, da Oper für mich Gefühl und Genuss ist. Da geht mir mit der Oper wie mit dem Essen.



    Zitat

    Das ist aber sehr verallgemeinernd. Es gibt naturwissenschaftliche Gesetze, die ohne Wenn und Aber für alle gelten. Es gibt Studien, die eindeutige Ergebnisse produzieren. Die kann man by CouponDropDown">natürlich trotzdem leugnen, aber ob man dann seine Glaubwürdigkeit als "Experte" aufrecht erhalten kann, das sei mal dahingestellt.

    Da ich öfter lese, dass zwei verschiedene Studien zwei unterschiedliche eindeutige Ergebnisse ergeben, dann habe ich meine Zweifel. Ich habe selbst an verschiedenen Studien teilgenommen und viele andere ausgewertet. Ergebnissen von Studien in jedem Bereich stehe ich - ohne eigene Recherchen - grundsätzlich skeptisch gegenüber.



    Zitat von Gerhard Wischniewski

    Und das nenne ich Verunstaltungstheater!!!

    Auch wenn ich den Begriff noch nicht kannte: Ich freue mich, dass ich endlich mal mit jemandem voll einer Meinung bin.



    Liebe Grüße


    Serse

  • Hallo Serse,


    Ich merke schon, dass es anscheinend in diesem Forum nur Leute gibt, die Regietheater in jeglicher Form ablehnen [...]


    nicht nur :hello: Aber tatsächlich ist die Gegenposition (und sei sie noch so gemäßigt) inzwischen schwer zu vertreten, entsprechende Diskussionen (zumeist) fruchtlos und schon nach kurzer Zeit weit entfernt einer vernünftigen bzw. kritischen Auseinandersetzung.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Hallo Michael.

    Zitat


    Zitat von »MSchenk«


    Hallo Serse,

    nicht nur :hello: Aber tatsächlich ist die Gegenposition (und sei sie noch so gemäßigt) inzwischen schwer zu vertreten, entsprechende Diskussionen (zumeist) fruchtlos und schon nach kurzer Zeit weit entfernt einer vernünftigen bzw. kritischen Auseinandersetzung.

    Es ist wohl richtig, dass eine Diskussion fruchtlos ist, wenn zwei gegensätzliche Standpunkte auf einander treffen.


    Da ich Opern immer gefühlsbetont sehe und im Normalfall auch gar nicht weiß, was Werktreue für die jeweilige Oper bedeutet, kann ich eigentlich auch nicht mit diskutieren.


    Nach dem Bericht von Strano Sognator über den Wiener Rigoletto bin ich mir sicher, dass der mir sehr gut gefallen hätte, ob das werktreu ist, kann ich nicht beurteilen. Für mich gibt es nur gute und schlechte Inszenierungen und das hat wieder etwas mit Gefühl zu tun.


    Schlechte Rigolettos habe ich in letzter Zeit in München und Düsseldorf gesehen.


    Für mich gehört die Aufführung von Lucio Silla aus Salzburg (Bericht habe ich gerade eingestellt) zu den sehr guten. Da die Handlung optisch in eine andere Zeit versetzt wurde und man eine Arie eines anderen Komponisten eingefügt hat, ist das wahrscheinlich als Regietheater abzulehnen. Oder?


    Liebe Grüße


    Serse

  • Hallo Serse,


    Es ist wohl richtig, dass eine Diskussion fruchtlos ist, wenn zwei gegensätzliche Standpunkte auf einander treffen.


    Da ich Opern immer gefühlsbetont sehe und im Normalfall auch gar nicht weiß, was Werktreue für die jeweilige Oper bedeutet, kann ich eigentlich auch nicht mit diskutieren.


    das würde ich nicht so sehen! - Zum einen wird gerade zum Themenkomplex Regietheater oftmals sehr "gefühlsbetont diskutiert" - für meinen Geschmack manchmal auch etwas zu gefühlsbetont; ich selber bin eher das, was man als "Kopfmenschen" bezeichnen wird (Mathematiker) und gegen Gefühle lässt sich ungefähr so schlecht argumentieren, wie gegen Religion oder UFO-logie ... - und zum anderen darf hier jeder seine eigene Meinung dazu haben, was er noch als werktreu akzeptieren mag.


    Ich kann dich also nur ermutigen, deinen Standpunkt weiterhin zu vertreten! Denn es braucht hier mehr gesunden Menschenverstand und weniger Dogmatismus.


    Für mich gehört die Aufführung von Lucio Silla aus Salzburg (Bericht habe ich gerade eingestellt) zu den sehr guten. Da die Handlung optisch in eine andere Zeit versetzt wurde und man eine Arie eines anderen Komponisten eingefügt hat, ist das wahrscheinlich als Regietheater abzulehnen. Oder?


    Wahrscheinlich! ... ? - Aber da sollten sich lieber die "Experten" zu äußern :angel:

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • das würde ich nicht so sehen! - Zum einen wird gerade zum Themenkomplex Regietheater oftmals sehr "gefühlsbetont diskutiert" - für meinen Geschmack manchmal auch etwas zu gefühlsbetont; ich selber bin eher das, was man als "Kopfmenschen" bezeichnen wird (Mathematiker) und gegen Gefühle lässt sich ungefähr so schlecht argumentieren, wie gegen Religion oder UFO-logie ... - und zum anderen darf hier jeder seine eigene Meinung dazu haben, was er noch als werktreu akzeptieren mag.

    Für einen sogenannten "Kopfmenschen" reagierst du aber recht oft erstaunlich (über)gefühlsbetont. :baeh01:


    Finde ich aber gar nicht schlimm, nur zugeben kann man es ja mal.



    Ich kann dich also nur ermutigen, deinen Standpunkt weiterhin zu vertreten! Denn es braucht hier mehr gesunden Menschenverstand und weniger Dogmatismus.

    Was "gesunder Menschenverstand" in diesem Kontext bedeuten soll, dürfte auch erst mal einer Diskussion wert sein. :whistling:

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Für einen sogenannten "Kopfmenschen" reagierst du aber recht oft erstaunlich (über)gefühlsbetont. :baeh01:


    Finde ich aber gar nicht schlimm, nur zugeben kann man es ja mal.

    Was immer du willst, liebe Strano - aber was jetzt genau?



    Was "gesunder Menschenverstand" in diesem Kontext bedeuten soll, dürfte auch erst mal einer Diskussion wert sein. :whistling:

    Au, ja! - So, wie hier?


    In diesem Sinne: Gutes Nächtle :hello:

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Hallo Michael


    Zitat von MSchenk

    ich selber bin eher das, was man als "Kopfmenschen" bezeichnen wird (Mathematiker) und gegen Gefühle lässt sich ungefähr so schlecht argumentieren, wie gegen Religion oder UFO-logie.

    Wenn das so ist, dann gehöre ich als Chemiker auch zu den Kopfmenschen. Vielleicht ist es einfach nur so, dass jemand der immer mit Daten, Fakten oder Formeln umgehen muss, als Ausgleich gefühlsebetontes oder irrationales Denken benötigt. Und da gebe ich dir Recht man kann Gefühle ablehnen oder belächeln (hoffentlich nur insgeheim), aber nicht dagegen argumentieren.



    Zitat

    Ich kann dich also nur ermutigen, deinen Standpunkt weiterhin zu vertreten!

    Vielen Dank. Ich würde es gerne anders formulieren: Ich stehe zu meinen Gedanken und Gefühlen und kommuniziere sie offen und ehrlich. Es gibt Situationen wo man dafür Mut benötigt. Hier im Forum aber nicht.


    Zum Thema Standpunkt hat ein anderer „Kopfmensch“ –Albert Einstein- folgendes gesagt:
    "Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius Null. Und das nennen Sie ihren Standpunkt."


    Liebe Grüße


    Serse

  • Wenn das so ist, dann gehöre ich als Chemiker auch zu den Kopfmenschen


    Willkommen, Berufskollege! Wir verstehen halt etwas von Cyanäthylacetaminomalonsäurediäthylester. Die anderen nicht.


    Deshalb brauchen wir beim Opernbesuch den Kopf in erster Linie zum Gucken und Hören, zum Weinen und Lachen. Wir brauchen nach Fakten, Formeln, nach Gestank und Geräuschen (Chemie ist das, was knallt und stinkt!) etwas fürs Gefühl, ohne uns das Geschehen in Formeln oder Zahlen vorstellen zu wollen.


    Aber wir haben noch einen Vorteil! Wir wissen nicht nur, wie Alkohol schmeckt, wir können sogar welchen machen!!!


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

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