Wagner's Lohengrin

  • Jeder kennt diese wunderbare Oper - ganz, wirklich ganz? - oder doch nicht so ganz. Abgesehen von der nie gesungenen 2. Strophe der Gralserzählung gibt es noch etwas, was nicht so ganz bekannt ist.


    Es handelt sich um den sogenannten "Gesang des Schwans (Gottfried)" am Ende der Oper. Noch in der Kompositionsskizze, letztes Blatt Nr. 21 (verschollen, ehem. Deutsches Sängermuseum Nürnberg, Schlußeintrag "30.July 46./RW", ist es nach Lohengrins - stummen - Gebet notiert und auch gleich vertont. Der Text lautet: "Leb wohl, du wilde Wasserfluth, die mich so weit getragen hat, leb' wohl du Welle blank und rein, durch die mein weiß Gefieder glitt - am Ufer harrt mein Schwesterlein, das soll von mir getröstet sein!"


    Wagner selbst notierte auf diesem Blatt: "Die Nothwendigkeit dramatischer Haushaltung erlaubt mir nicht, diesen Gesang des Schwans in meinem Lohengrin ausführen zu lassen."


    Er übergab Text und Melodie August 1853 daher als Widmung in das ihm zugesandte Stammbuch der Frau Lydia Steche aus Plagwitz bei Leipzig. Eine Übertragung des Stammbuch-Blattes findet sich im 2.Band der Glasenapp - Biographie, Seite 186 und bei A. Naubert: "Ein ungedrucktes Stückchen Lohengrin", in: "Allgemeine Musikzeitung XX (1893), Nr. 6, Seite 72f.


    Sollte jemand eine Aufnahme dieses Liedes kennen, wäre es sicher sehr interessant, da die einzige bekannte Aufnahme im Richard Wagner Museum aus dem Jahr 1990 mit Iris HelenHilbk liegt und nicht zugänglich ist, da es sich um eine Privataufnahme für die Familie Wagner handelt.


    Wie man sieht, gibt es noch immer ungehobene Schätze, die zugänglich gemacht werden sollten.

  • am Ufer harrt mein Schwesterlein, das soll von mir getröstet sein!"


    Ein liebliche Rede. Das soll vom forschen Wagner sein? Wenn´s wirklich wahr ist, rührt es mich zu Tränen.


    Selbst für Webers Euryanthe wären diese edlen Zeilen zu erhaben, da bin ich doch froh, dass dem weniger geschulten Hörer des Lohengrin erspart bleibt, das Geheimnis dieses rätselvollen Verses zu ergründen.


    Was aber meinte der Meister selbst mit "dramatischer Haushaltung"? Wollte er vielleicht ein unerträgliches Gefühlschaos unter dem Publikum vermeiden begleitet von der Sorge, der durch übermässigen Tränenfluss erblindete Opernfreund könne nach der Vorstellung nicht mehr den Weg ins traute Heim finden und stattdessen irgendwo landen, was man der züchtigen Hausfrau lieber nicht erzählt, oder dass das Liedchen ähnlich dem "la donna è mobile" zu einem Gassenhauer wird, der den Rest der Handlung vergessen macht?
    Vielleicht war der Text auch einfach nur zu gut!


    Schließlich wäre es noch interessant, zu erfahren, wieso Wagner seine seltsam inspirierte Dichterlaune an Frau Lydia Steche auslässt. Hatte sie ein Darlehen zurück gefordert oder gar beim Parsifal gehustet?


    Jedenfalls, lieber Erich, danke ich Dir für Deine Besorgnis um meine Gesundheit. Ich werde kein Auge mehr zutun, ehe mir nicht Antwort auf alle dank Deiner Nachricht erstandenen Fragen zuteil wird.


    Mit besten Grüßen aus dem Venedig des Nordens.

  • Lieber hami799,


    ..."Bereitet heute uns denn auch ein Fest, heut, wo der kühne Schreiber uns zurück gekehrt, den wir so ungern lang vermißten. Was wieder ihn in unsre Nähe brachte, ein wunderbar Geheimnis dünkt es mich. Durch Liedes Kunst sollt ihr es uns enthüllen, deshalb stell' ich die Frage jetzt an euch: Könnt ihr des Hamis Schweigen mir ergründen?"... (frei nach Richard Wagners "Tannhäuser").
    Auf jeden Fall bin ich froh, dass Du pünktlich mit den ersten echten Frühlingstagen wieder aus Deiner nordländischen Schockstarre erwacht und in unserer Mitte bist. Ich hoffe, dass es Dir gut geht und wir wieder vermehrt mit Deinen humorig-hintersinnigen Beiträgen rechnen dürfen.


    Herzlichst
    Operus :hello:

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Lieber Erich,


    durch deinen Hinweis aufmerksam geworden, interessiere ich mich nun sehr für die zweite Strophe der Gralserzählung. Ich habe mein Libretto und auch ein Libretto im Internet durchforstet, fand aber nicht das, was du meinst. Kannst du mich aufklären oder mir wenigstens die Anfangszeile der zweiten Strophe nennen?
    Oder schickt man in Wien die Leute auch noch am 8. in den April?


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • „Nun höret noch, wie ich zu euch gekommen!
    Ein klagend Tönen trug die Luft daher,
    daraus im Tempel wir sogleich vernommen,
    daß fern wo eine Magd in Drangsal wär';
    - als wir den Gral zu fragen nun beschickten,
    wohin ein Streiter zu entsenden sei,
    - da auf der Flut wir einen Schwan erblickten,
    zu uns zog einen Nachen er herbei:
    - mein Vater, der erkannt des Schwanes Wesen,
    nahm ihn in Dienste nach des Grales Spruch,
    denn wer ein Jahr nur seinem Dienst erlesen,
    dem weicht von dann ab jedes Zaubers Fluch.
    Zunächst nun sollt' er mich dahin geleiten,
    woher zu uns der Hilfe Rufen kam,
    denn durch den Gral war ich erwählt zu streiten,
    darum ich mutig von ihm Abschied nahm.
    Durch Flüsse und durch wilde Meereswogen
    hat mich der treue Schwan dem Ziel genaht,
    bis er zu euch daher an's Ufer mich gezogen,
    wo ihr in Gott mich alle landen saht.“

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • An Wolfram von Heilbronn!


    Hab Dank, Du Edler von Heilbronne,
    Du milder Strahl der hehren Sonne,
    Hab Dank für Deinen lieben Gruß.
    Doch wähn ich auch den Pferdefuß,


    Da Du in Deinem schwäbschen Geize
    Vergessen hast, mit welchem Reize
    Die grausen Sänger den Verbockten
    Einst tückisch ins Verderben lockten.


    Doch will ich darauf nicht besteh´n
    Im Herbst, beim frohen Wiedersehn
    Sind meine Wünsche eher klein,
    Gemeine Atzung darf es ein.


    Ein Gläschen Wein, wie mies auch immer
    A Semsakrebsler oder schlimmer,
    Sogar a Trollinger dät schmecka
    Vor mir brauchsch wirklich nix verstecka.


    Am liebsten trinkt doch Hans der Fiesling
    Heilbronner Saft getarnt als Riesling.


  • Hier singt Sandor Konya den kompletten Text (CD3, Track 9)


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Gratulation, Harald!
    Als Wagner-Fan hast du dir eine der besten Aufnahmen herausgesucht! :jubel:


    Ich bin kein Wagner-Fan, ganz im Gegenteil. Habe außer diesem nur 35 andere Lohengrins.

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Habe außer diesem nur 35 andere Lohengrins.


    So wenige? ;) Diese RCA-Aufnahme finde ich nicht so aufregend gut.
    Sie ist doch arg allgemein. Viel spannender ist Konya live in Bayreuth, wenngleich er dort nicht die komplette Gralserzählung singt, was auch besser ist.


    LG Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

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  • Die Gralserzählung mit der 2. Strophe gibt es auch von Franz Völker, aufgenommen in Bayreuth 1936.


    Das war meines Wissens auch das einzige Mal, dass sie in Bayreuth vollständig gesungen wurde.


    (Winifred Wagner erzählte, dass man das still und heimlich mit Franz Völker abgesprochen hatte; Herr H., der bei der Premiere bei ihr in der Loge saß, erschrak kurz, weil er zuerst glaubte, Völker habe sich versungen, aber dann dämmerte ihm schnell die Erkenntnis.)


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Wenn ich den Text der zweiten Strophe des Gralsliedes lese, muss ich für meinen Teil sagen, dass ich sie durchaus für verzichtbar halte. Für meine Begriffe würde sie die Wirkung der ersten Strohe eher schmälern. Was den "Gesang des Schwans" betrifft, er erscheint mir so banal, dass er den Schluss des Lohengrin abwerten würde. Interessant wäre jedoch, beide einmal unabhängig vom Lohengrin zu hören.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • In der 98er Aufnahme unter Barenboim singt Seiffert auch die 2. Strophe. Er kann es auch.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Großes Lob sollte im Grunde in den Quellen der Freude stehen, denn wie kundig sich die Taminos bei der Recherche und Nennung von Informationen über Schwanengesang und die 2. Strophe der Graslerzählung und deren seltene Tenor-Interpreten erweisen ist eine Bereicherung, Freude und ein schlagender Beweis für die kenntnisreiche Qualität, die in unserem Tamino-Klassik-Forum vereinigt und zu finden ist. Chapeau!


    Persönlicher Dank noch an an den nordischen Barden hami1799 für seine dichterischen Grüsse:


    Die Schönheit der Verse weckten Begeisterung
    und gaben dem alten Zecher neuen Schwung.
    Deshalb hat er viel zu viel getrunken
    und ist benebelt in den Schlummer gesunken.
    Aus diesem Traum ist er noch nicht ganz erwacht,
    er hätte gern weitere Lohengrin-Strophen erdacht.
    Über diesem Sinnen ist er vollends abgeschlafft
    und sucht verzweifelt nach neuer Kraft.
    Liegt die bei Wagner oder in neuem Weingenuss?
    Auf jeden Fall ist mit dem Dichten Schluss!


    Herzlichst grüßt Euch Euer Operus. :hello::hahahaha:

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Durch Flüsse und durch wilde Meereswogen
    hat mich der treue Schwan dem Ziel genaht,
    bis er zu euch daher an's Ufer mich gezogen,
    wo ihr in Gott mich alle landen saht.


    Man lernt nie aus. Die transitive Variante von "sich nahen" ist mir seit über sieben Jahrzehnten entgangen. Gibt es die wirklich? Oder meinte der Dichter "nähen"?


    Wozu die zweite, und wie mir scheint, künstlerisch schwächere Strophe gut sein soll, ist mir allerdings ein Rätsel.
    Wen interessiert denn nach dem Klimax "sein Ritter, ich, bin Lohengrin genannt" noch die langweilige Vorgeschichte? Den einzigen Vorteil sähe ich nur in der Reduktion des Minutenpreises für die Eintrittskarte und der Bekanntschaft mit einem kleinen, zusätzlichen Bündel sicherlich wunderbarer Noten.


    Dramaturgisch wäre nichts gewonnen. Das Kleingedruckte taugt allenfalls fürs Archiv. Etwas den Helden Kompromittierendes ist in der zweiten Strophe nicht enthalten und Ortruds eventuelle Einsprüche kämen auf jeden Fall zu spät. Keine Chance daher, den Fall neu aufzurollen.


    Und außerdem: wer möchte nach so vielen Stunden das Ganze nochmal hören? Ich schon, aber sonst doch niemand.

  • Lieber hamii1799.


    machen wir es schlau, machen wir ein Gegengeschäft: Ich verlange für eine Stunde genau denselben Preis, den Du von mir für Vermittlung höherer dichterischer Weihen verlangen würdest. Aber Vorsicht das wird Schwerstarbeit - denn bei mir ist Hopfen und Mal verloren.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Musikalisch besonders feinfühligen Menschen hingegen bleibt durch das singen der 2. Strophe der deutliche Bruch in der Musik ersparrt.
    Ich hatte mich schon immer gewundert wie es zu diesem Bruch in der Musik kommen konnte, wo die Werke doch sonst durchkomponiert sind.
    Die Erklärung erhielt ich als ich vor 20 Jahren die Völker aufnahme entdeckte, da wurde mir klar, wenn etwas herausgekürzt wird, dann nimmt meist der musikalische Ablauf schaden, wie hier im Lohengrin.
    Die Musik wird nicht logisch fortführend aufgebaut, da nach dem Ende der erste Strophe und dem großen Tusch mit dem Chor ca. 7 Minuten fehlen, es kommt zu einem unlogischen Bruch in der Musik an den sich meine Ohren nie gewöhnen werden, zu deutlich tritt er leider jedesmal in den Vordergrund.
    Hier hätte Richard Wagner feinfühliger kürzen müßen.

  • Musikalisch besonders feinfühligen Menschen hingegen bleibt durch das singen der 2. Strophe der deutliche Bruch in der Musik ersparrt.


    Interessanter Einwand. Bei Kürzungen kommt immer etwas zu kurz, die Dramaturgie ist es hier aber kaum, für mich ist eher das Gegenteil real.


    Nach der Enthüllung des Namens und dem Zweck der teilweise gescheiterten Mission scheint mir keine Steigerung mehr möglich. Ein sanftes Ausklingen vielleicht, aber der Hörer kennt schon die Vorgeschichte und den Edlen von Brabant ist nicht zuzumuten, neben Lohengrins Wehklagen noch einen uninteressanten Reisebericht zu ertragen.


    Wichtiger erscheint mir der straffe Fortlauf der Handlung. Wie reagiert Elsa, was hat Ortrud noch für Trümpfe und wo steckt Gottfried?


    Vielleicht muss man hier wählen zwischen Pest und Cholera, vielleicht wird der Leu aber erst durch die eigenen, vorgefassten Erwartungen geweckt.

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  • Aus euren Beiträgen glaube ich herauszulesen, dass ihr alle den Lohengrin liebt, so wie wir ihn alle kennen. Aber - und das ist kein Nachteil fürs Werk - gibt es doch noch Dinge, die uns neu sind und unsere Sicht auf das Wagner'sche Gesamtkunstwerk und den Werdegang vertiefen.


    Liebe Grüße und herzlichen Dank -



    Erich

  • gibt es doch noch Dinge, die uns neu sind und unsere Sicht auf das Wagner'sche Gesamtkunstwerk und den Werdegang vertiefen.


    Meinst Du damit den bereits erwähnten "Gesang des Schwans", lieber Erich, oder gibt es da noch andere Dinge, die uns, die das Werk sehr lieben, entgangen sind? Ich bin gespannt.


    Zur oben erwähnten RCA-Einspielung, in der Sandor Konya die komplette Gralserzählung singt, möchte ich noch eine Anmerkung machen. Im Text der Oper verschwindet Lohengrin mit den Worten:
    "Seht da den Herzog von Brabant,
    zum Führer sei er euch ernannt!"


    Konya singt:
    "Seht da den Herzog von Brabant,
    zum Schützer sei er euch ernannt!"


    Im Textheft der LP-Ausgabe soll die Konya'sche Version stehen, ins Booklet der mit vorliegenden CD-Ausgabe ist entgegen der gesungene Änderung aber wieder der Originaltext eingegangen.


    Es grüßt Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Soweit ich weiß, wurde diese Variante in Wielands Bayreuth anfangs auch gesungen. Ich habe mindestens eine Aufnahme aus Neubayreuth, wo es der Fall ist. Ziemlich sicher wollte man irgendeine Assoziation gleich nach dem Krieg vermeiden.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Du hast natürlich völlig Recht, lieber Joseph II.!


    Beim ersten Lohengrin der Neubayreuther Ära 1953 - wo es eigentlich nahe gelegen hätte, sich auf den den "Schützer" zu verlegen, ernennt Windgassen den kleinen Gottfried zum "Führer" von Brabant. Konya kehrt 1958 zum Schützer zurück und bleibt auch 1959 dabei. 1962 schließlich lässt Wieland in seiner berühmten neuen Inszenierung Jess Thomas auch Schützer singen. Darauf folgt James King 1968 (!) wieder mit dem Führer. Es geht also hin und her. Nirgends habe ich etwas über die Beweggründe gelesen. Deine Erklärung macht natürlich Sinn. Aber eine konsequente Haltung ist nicht so richtig zu erkennen. Danke, dass Du darauf aufmerksam gemacht hast.


    So macht TAMINO Spaß. :)


    Es grüßt Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Solche Textänderungen im Lohengrin gab es häufiger und auch an anderen Textstellen. Wolfgang Sawallisch verlangte z. B. im Königsgebet", dass Franz Crass statt "Herr Gott, bewahr uns vor der Ungarn Wut!" "... bewahr uns vor der Feinde Wut" singen sollte.
    In der Aufführung vergaß Crass diesen Hinweis und sang den gewohnten, ursprünglchen Text. Dies soll den Dirigenten sehr geärgert haben.
    Ich denke hinter all diesen Textkorrekturen stehen "politische Überlegungen". Es sollen Texte vermieden werden, die zu ungewünschten Assoziationen oder Unterstellungen führen könnten. Das Wort "Führer" war in Neubayreuth wahrscheinlich solch ein vorbelasteter Text.
    Zu wünschen wäre, dass sich die jetzigen Verantwortlichen bei den Bayreuther Festspielen diese Sensibiltät, bei Inszenierungen, Engagement von Mitwirkenden usw. bewahren.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Zu wünschen wäre, dass sich die jetzigen Verantwortlichen bei den Bayreuther Festspielen diese Sensibiltät, bei Inszenierungen, Engagement von Mitwirkenden usw. bewahren.


    Die Frage ist nur, lieber Operus, wie weit darf man gehen?


    Ich glaube es war 1972. In München gab es den Lohengrin mit Sawallisch. Nach der Ouverture ging es weiter mit "Komm´ ich zu euch nun, Männer von Brabant ..."


    Das wurmt mich heute noch und am liebsten hätte ich mein Eintrittgeld zurück, vor allem weil ich nicht glaube, ein ausländischer Wagner-Enthusiast hätte am ausgelassenen Text Anstoß genommen. Diplomatische Verwicklungen mit Ungarn waren meines Erachtens ebenfalls nicht zu befürchten.


    Herzlich
    hami1799

  • In der Aufführung vergaß Crass diesen Hinweis und sang den gewohnten, ursprünglchen Text. Dies soll den Dirigenten sehr geärgert haben.


    Bei allem Respekt vor Sawallisch! Aber diesen Ärger gönne ich ihm von Herzen. :D Ich habe wirklich meine Schwierigkeiten mit political correctness auf dem Theater. Wenn schon nicht im Alltag, gibt es im Theater doch alle Möglichkeiten, mit einer historisch schwierigen Vorlage schöpferisch-kritisch umzugehen. Weglassen oder umdichten ist nach meinem Dafürhalten die primitivste, schlichteste und langweiligste Lösung.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Zitat

    Zitat von Rheingold: Weglassen oder umdichten ist nach meinem Dafürhalten die primitivste, schlichteste und langweiligste Lösung.

    Das gilt für den Text wie auch für die Inszenierung.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Lieber Rheingold1876,


    vielleicht ergibt sich noch etwas, ich stöbere weiter und falls ich fündig werde, berichte ich darüber.


    Grüße aus Wien -


    Erich

  • Ich habe in den letzten Tagen diesen Lohengrin gehört.Herausragend Peter Seiffert in der Titelrolle. Strahlend in der Höhe und sehr kräftig und ausdrucksvoll in der Mittellage. Und die zarten Elsa-Momente singt er sehr lyrisch. Chapeau für diese Leistung und als Zugabe enthält diese Barenboim-Aufnahme die 2. Strophe der Gralserzählung.


    Emily Magee als Elsa sei hier auch als herausragend erwähnt, ebenfalls Rene Pape als König Heinrich. Mir persönlich gefällt Deborah Polaski als Ortrud nicht so sehr. Weniger wegen ihrem Timbre als wegen ihrer Rollen-Interpretation. Sie ist In den "bösen Momenten" nicht wirklich böse und in den "schmeichelnden Momenten" ist sie weniger nett. Sie spielt nicht das Spiel, das ihr die Rolle zuschreibt.


    Falk Struckmann ist in der Rolle des Telramund noch am Besten aufgehoben, auch wenn ich seine "ä-Verlängerungen" am Ende mancher Wörter störend finde.


    Insgesamt eine Aufnahme, die ich weiterempfehlen kann.

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