Bewegender Rigoletto an der Wiener Staatsoper (8.4.2013)

  • Hier im Forum wurde ja häufig geschrieben, dass Film-oder Schauspielregisseure die Finger von der Oper lassen sollten. Sicherlich, das mag in vielen Fällen zutreffen, im Fall von Sandro Sequi, der für die Inszenierung des Rigoletto an der Wiener Staatsoper verantwortlich zeichnet, allerdings überhaupt nicht. Ich habe selten einen so stimmungsvollen und gut inszenierten Rigoletto erlebt. Zusammen mit den stilechten Kostümen von Giuseppe Crisolini-Malatesta sowie den Bühnenbildern von Pantelis Dessylas, von denen jedes einzelne einem Andrea Mantegna-Fresko ähnelt, kam die heutige Aufführung dem Ideal des Gesamtkunstwerks schon sehr nahe. Eine durchdachte Personenführung trug dazu natürlich nicht unwesentlich bei.
    Der Mord an Gilda wurde in völliger Dunkelheit verborgen, die Librettoangabe "e tutto resta sepolto nel silenzio e nel buio" wurde hier also ganz konkret umgesetzt, was ich in dieser Art und Weise noch nie erlebt habe. Das schreckliche Geschehen bleibt also der Phantasie des Publikums überlassen, und die hochdramatische Musik Verdis wird zur Protagonistin.
    Als sich das Dunkel lichtet, findet sich Rigoletto mit dem Sack vor einem vom Mondlicht beschienenen Mincio und der nachempfundenen Mantuanischen Silhouette wieder. Alles ist scheinbar wie vorher, es gab ja nur ein gewöhnliches Gewitter, der Frieden ist wiederhergestellt. Hier konnte man wirklich gut nachempfinden, wie einsam Rigoletto in seinem Leid ist - der Mincio fließt ruhig und friedlich weiter, der Duca geht wieder fröhlich singend neuen Liebesabenteuern entgegen - nur für Rigoletto ist nichts mehr wie vorher.


    Wieder einmal waren Chor und Orchester sehr zu loben. Beim "Zitti, zitti" der Herren gab es keine Wackler, der Chorklang war rund und ausgeglichen, was auch für das von Jesús Lòpez Cobos ganz hervorragend geführte Orchester gilt.


    Simon Keenlyside in der Titelrolle hat eigentlich alles, was ein echter Belcantist so braucht: Stil, gute Stimmführung, Variantenreichtum und eine solide Technik. ABER: Er ist für diese Partie nicht dramatisch genug. Die lyrischen Passagen wie etwas das "Piangi, piangi" gelangen ihm außergewöhnlich, aber "Si, vendetta" war schlichtweg zu "brav". Das war kein in der Seele verwundeter Vater, der die Schande seiner Tochter blutig rächen möchte, sondern eher ein gebrochener, zutiefst trauriger Mann, der keinen Gedanken mehr fassen kann. Die Kräften schwanden ihm auch bei der „Maledizioooone“, die er nicht in einer Phrase schaffte.


    Eine echte Überraschung war der Duca von Matthew Polenzani, dessen lockerer, gut sitzender und attraktiver Tenor für Begeisterung sorgte. Die Stelle "È amor che agl'angeli più ne avvicina! Adunque amiamoci, donna celeste;D'invidia agli uomini sarò per te.." im Duett mit Gilda als eine der schwierigsten Klippen, die es zu umschiffen gilt, meisterte er mühelos, und mit wunderschönem Piano ließ er "La donna è mobile" ausklingen. Dass er nach der Stretta "Ossente amor mi chiama" kein hohes D einlegte, hat mich nicht gestört. Vorgeschrieben ist es sowieso nicht, und zugusten der anderen guten Leistungen verzichte ich gern auf einen hohen Ton.


    Den meisten Applaus erhielt - völlig zu Recht - allerdings Olga Peretyatko, die in der Rolle der Gilda an diesem Abend debütierte. Glockenreine Koloraturen, eine sichere Höhe, ein edles, silbriges Timbre und tragfähiges Piano - da blieben wirklich keine Wünsche offen. Man kann nur hoffen, diese außergewöhnliche Sopranistin auch an anderen Bühnen noch oft zu hören sein wird.


    KS Kurt Rydl zeigte als Sparafucile die Reste des einstigen, furchteinflößenden Hagen. Man konnte sich gut vorstellen, was das mal für ein überragender Wagner-Sänger gewesen sein muss. Als Sparafucile mangelte es ihm ein wenig an dessen dämonischer, raffinierter Ausstrahlung, denn der Auftragskiller, der sowohl seine Auftraggeber als auch seine Opfer mit List zu umgarnen weiß, ist ja alles andere als ein gewöhnlicher Straßenräuber. Wie passend die Dramaturgie Verdis bzw. Piaves ist, wurde an der tragikkomischen Szene im düsteren Gang vor Rigolettos Haus einmal mehr deutlich. Nur eine Mauer trennt Gilda von dem Mann, der sich als "Kleinunternehmer" harmlos, aber geschickt in Szene zu setzen weiß und der ihr Schicksal - einem Todesengel ähnlich - schließlich vollenden wird.


    Die Maddalena von Elena Maximova war - zumindest stimmlich - der Schwachpunkt an dieser ansonsten doch sehr bereichernden Aufführung. Äußerlich hatte die verführerische Tänzerin einiges zu bieten, um den liebestollen Duca leicht zu umgarnen, aber gesanglich war da eine ziemliche Unausgeglichenheit hörbar. Für die berühmten "drei Stimmen", die man abgesungenen Altistinnen manchmal zuschreibt, ist die Sängerin noch um einiges zu jung. Bleibt zu hoffen, dass es sich um eine vorübergehende Indisposition handelt.


    In einer Live-Aufführung sind aber nun einmal auch Abstriche zu machen, und die Freude an eineml solchen Opernabend mindert dies ganz bestimmt nicht.


    Die Reise nach Wien hat sich aufgrund der von mir genossenen Aufführungen allemal gelohnt. Derartige Produktionen sucht man an vielen Weltbühnen vergebens, und ich verlasse die charmante Kunststadt sehr ungern, aber sehr zufrieden.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Hallo Strano Sognator.
    Ich ärgere mih nach diesem Bericht, doch darüber, dass ich mich dagegen entschieden habe, mir diese Vorstellung anzusehen.
    Aber vielleicht gibt es ja in der nächsten Saison eine Wiederaufnahme mit ähnlich guter Besetzung.


    Zitat von Strano Sognator

    Den meisten Applaus erhielt - völlig zu Recht - allerdings Olga Peretyatko, die in der Rolle der Gilda an diesem Abend debütierte. Glockenreine Koloraturen, eine sichere Höhe, ein edles, silbriges Timbre und tragfähiges Piano - da blieben wirklich keine Wünsche offen. Man kann nur hoffen, diese außergewöhnliche Sopranistin auch an anderen Bühnen noch oft zu hören sein wird.

    Ich habe die Peretyatko in Lucio Silla (Mozartwoche Salzburg) genossen, obwohl sie in der Aufführung dort für mich nur an zweiter Stelle kam. Man kann sie bei den Salzburger Festspielen und beim Musikfest Bremen (halbszenisch) noch in Lucio Silla hören. Ausserdem singt sie in Hamburg im Liebestrank. Für Bremen und Hamburg habe ich Karten. Ausserdem gibt sie ein Konzert im Gasteig in München, dass ich mir auch anhören werde. In Verona auch als Gilda und an der MET in I puritani werde ich sie wohl nicht sehen.


    Liebe Grüße


    Serse

  • Wie passend die Dramaturgie Verdis bzw. Piaves ist, wurde an der tragikkomischen Szene im düsteren Gang vor Rigolettos Haus einmal mehr deutlich. Nur eine Mauer trennt Gilda von dem Mann, der sich als "Kleinunternehmer" harmlos, aber geschickt in Szene zu setzen weiß und der ihr Schicksal - einem Todesengel ähnlich - schließlich vollenden wird.


    Darf ich das so verstehen, dass in dieser Inszenierung Rigoletto und Sparafucile Grundstück an Grundstück wohnen? Das ist aber nicht die Konzeption von Verdi und Piave, wo Rigoletto neben dem Anwesen (Palast) des Fürsten Ceprano wohnt und das Wirtshaus des Sparafucile vor den Toren Mantuas liegt (genaugenommen sogar auf dem anderen Ufer des Mincio, was eine ziemliche Entfernung bedeutet).


    Immerhin erfreulich, dass es in Wien zur Zeit einen gut ansehbaren Rigoletto gibt. Wenn ich da an den letzten, für mich völlig verunglückten Grazer Rigoletto denke (Tatjana Gürbaca, Klaus Grünberg, Silke Willrett)...

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Ich kann im Großen und Ganzen Strana's Einschätzung teilen, sehe jedoch bei allen Hauptrollensängern noch mehr Potential.
    Keenlyside schien mir in dieser ersten Aufführung noch nicht ganz in der Rolle angekommen zu sein. In den lyrischen Passagen wirklich klangschön, geriet er in den dramatischen Momenten doch an seine Grenzen. Vielleicht nicht ganz sein Tag gewesen. Polenzani tatsächlich mit recht sicherem, virilen Tenor, aber im Piano doch mit Problemen. Und Peretyatko? Von den Medien als Sensation und Stimmwunder gepriesen, wurde man da schon auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Es war eine gute Leistung, sicher, aber die Gilda definiert sie nicht neu. Die Koloraturen gelangen ihr ausgezeichnet, Spitzentöne wurden angeschliffen, aber halten konnte sie sie nicht. Da hat man schon raffiniertere Gildas gehört.
    Wie gesagt, besteht bei allen Sängern noch Luft nach oben. Schließlich war das erst die erste Vorstellung, da muß noch vieles zusammenwachsen. Man darf auch nicht vergessen, dass es in dieser Vorstellung einige Rollen- (Keenlyside) und Hausdebüts (Peretyakto) gab.
    Trotz dieser Einwände sicher immer noch eine gute Vorstellung. Ich werde auch die letzte Vorstellung besuchen, und hoffe, dass da noch eine Steigerung auszumachen ist.
    Die Nebenrollen waren gut besetzt, das Dirigat hätte an manchen Stellen sängerfreundlicher sein können.


    Die Inszenierung ist natürlich wunderbar, die übrigens genauso wie beispielsweise die mustergültigen Inszenierungen von Der Rosenkavalier, Tosca oder La Boheme weiter erhalten bleiben wird.


    Viva Verdi!
    Gregor

  • Ich hab auch schon viel schlechtere Aufführungen gesehen. Am meisten interessiert hat mich Keenlyside. Da er ein kluger Sänger ist (auch wenn ich ihm Verdi nicht unbedingt auf den Leib geschneidert ist, finde ich) war ich gespannt wie er die vielen verschiedenen Anforderungen des Rigoletto löst. Mit seinen stimmlichen Mitteln hat er - finde ich - sein wahrscheinlich bestmögliches daraus gemacht. Vieles fehlt mir da aber: weder hat er genug Dramatik und Autorität für die großen Ausbrüche: "odio a voi, cortigiani" (am Ende von "Pari siamo"), "Ite di qua voi tutti", "Cortigiani", "ora mi guarda, o mondo" noch hat er den langen Atem und die stete Linie für "ah veglia, o donna" oder "Piangi, piangi, fanciulla". Nicht schlecht und mit gesanglichem Konzept aber inm Grunde überfordert.


    Polenzani fand ich auch besser als erwartet. Keine schöne Stimme und kein besonders feiner Sänger, aber sehr sicher, auch in den schwierigen Passagen, vor allem im Duett mit Gilda..


    Peretyatko profitiert enorm von ihrer Frische und ihrer Jugend. Eine sehr rollendeckende Gilda, wenn auch nicht sensationell. Sehr korrekt gesungen auch mit Nuancen und piani, sehr gut gelungen "lassù in ciel". Als Gilda gut besetzt, Puritani wird auch noch gehen, von Lucia, die sie angeblich auch im Repertoire hat würde ich ihr abraten.


    Lopez-Cobos war knallig und laut, der Chor hatte im ersten Bild einige Anlaufschwierigkeiten bei seinen Einsätzen.

  • Das macht mich jetzt neugierig, wie definiert man denn eine Gilda neu?
    Gibt es neues Notenmaterial?
    Meiner Meinung nach sind alle gesanglichen Möglichkeiten, für diese Rolle, von den letzten rund 1000 Sopranistinnen (die auf Tonträgern festgehalten worden sind) in unterschiedlichen Variationen ausgeschöpft worden.
    Mal mehr und mal weniger erfolgreich.

  • Vielen Dank für den schönen Bericht und die weiteren Stellungnahmen. Man sieht auch hieran wieder, dass ein renommiertes Theater gut auf Verunstaltungen verzichten kann. Und den Zuschauer freut's.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Darf ich das so verstehen, dass in dieser Inszenierung Rigoletto und Sparafucile Grundstück an Grundstück wohnen? Das ist aber nicht die Konzeption von Verdi und Piave, wo Rigoletto neben dem Anwesen (Palast) des Fürsten Ceprano wohnt und das Wirtshaus des Sparafucile vor den Toren Mantuas liegt (genaugenommen sogar auf dem anderen Ufer des Mincio, was eine ziemliche Entfernung bedeutet).

    Nein, so meinte ich das nicht. Mit der Mauer, die die Bühne sozusagen in Paradies und Unterwelt einteilt, meinte ich ganz einfach die Grundstücksmauer zwischen Rigolettos Haus bzw. Hof, in dem Gilda in ihrer überbehüteten Welt lebt, und dem düsteren Gang, in dem sich Rigoletto bei ihrem späteren Mörder nach den Formalitäten für einen etwaigen Auftrag erkundigt.



    Und Peretyatko? Von den Medien als Sensation und Stimmwunder gepriesen, wurde man da schon auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Es war eine gute Leistung, sicher, aber die Gilda definiert sie nicht neu. Die Koloraturen gelangen ihr ausgezeichnet, Spitzentöne wurden angeschliffen, aber halten konnte sie sie nicht. Da hat man schon raffiniertere Gildas gehört.

    Eine Gilda muss ich nicht "neu definiert" erleben - es genügt, wenn die Anforderungen der Partitur erfüllt werden und die Sängerin der Rolle gerecht wird. Das war in diesem Fall so- bis auf kleine Schnitzer, die der Debüt-und Livesituation geschuldet sind. Die Medien richten mit ihren Vorschusslorbeeren viel Schaden an, und was im voraus über einen Sänger postuliert wird, interessiert mich daher überhaupt nicht.



    Zitat

    Keenlyside schien mir in dieser ersten Aufführung noch nicht ganz in der Rolle angekommen zu sein

    Das würde ich nicht sagen. Meiner Ansicht nach hat er alles gegeben - mehr war eben nicht zu holen. Wenn er schon zum letzten Ausweg greifen muss und Phrasen zeratmet, dann ist er schlichtweg überfordert.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Liebe Sognatrice


    Danke für Deinen ausführlichen und überaus guten und hochinteressanten Beitrag. Durch die reingestellten Szenenbilder von Gregor und Deinem in allen Einzelheiten geschilderten Bericht, fühlt man sich, als wäre man dabei gewesen. (Auch von mir eine Lieblingsstelle "E`il sol del anima...")
    Ich freue mich riesig für Dich, daß Du solch ein schönes Erlebnis hattest und überhaupt, daß Dein "Wien- Aufenthalt" wohl rundum gut und stimmig war. Solltest Du noch dort sein, wünsche ich Dir von ganzem Herzen eine gute und glückliche Heimreise.


    Alles Liebe und Gute für Dich. Tanto bene e multi cari saluti
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Nein, so meinte ich das nicht. Mit der Mauer, die die Bühne sozusagen in Paradies und Unterwelt einteilt, meinte ich ganz einfach die Grundstücksmauer zwischen Rigolettos Haus bzw. Hof, in dem Gilda in ihrer überbehüteten Welt lebt, und dem düsteren Gang, in dem sich Rigoletto bei ihrem späteren Mörder nach den Formalitäten für einen etwaigen Auftrag erkundigt.

    Aha. Danke.


    Was Simon Keenleyside als Rigoletto anlangt: man muss ein wenig seine "Herkunft" bedenken. So viele Papagenos, Guglielmos und Don Giovannis hört man ja nicht als Rigoletto. Er ist also nicht der typische Verdi-Bariton, sondern erarbeitet sich einige Rollen aus diesem Fach. Und da er den Rigoletto schon seit 2010 im Repertoire hat, dürfte er sich darin schon einigermaßen auskennen. Man wird von ihm aber mehr eine feine Rollenzeichnung erwarten können und gewisse Abstriche in rein vokaler Gewalt machen müssen. Er erinnert in seinem Werdegang etwas an die Karriere von Thomas Hampson.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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  • Hallo, Strano,


    man sollte Dich öfters nach Wien schicken und Dir die Premierenkritiken anvertrauen, weil man dann substanzreiche, verständlich-überzeugende Schilderungen lesen darf. Danke.
    Erstaunt hat mich allein das Urteil über Kurt Rydl, dass er keinen dämonischen Sparafucile verkörpert hätte, denn er hat ja gerade Schurken immer besonders eindrucksvoll dargestellt. Seine verbliebenen stimmlichen Möglichkeiten sollten aus dem Blickwinkel seiner jahrzehntelangen Verdienste betrachtet und durch wohlwollendes Erinnern kompensiert werden. Übrigens ist der Bandito eine besonders in den tiefen Lagen anspruchsvolle Partie, wo die gesangliche Leistung -wie meistens in italienischen Opern - nicht durch Kraft und Lautstärke gerettet werden kann.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Das würde ich nicht sagen. Meiner Ansicht nach hat er alles gegeben - mehr war eben nicht zu holen. Wenn er schon zum letzten Ausweg greifen muss und Phrasen zeratmet, dann ist er schlichtweg überfordert.


    Er singt die Rolle seit 2010 aber nicht oft. Dass er im Grunde wie Hampson ein großartiger Kavaliersbariton ist kann man in der Interpretation und seinen stimmlichen Möglichkeiten berücksichtigen, aber trotzdem sollte er die Rolle stimmlich ausfüllen, was er nicht ausreichend tut. Er hat es intelligent gelöst, aber an gewissen Stellen muss man beim Rigoletto einfach stimmlich Farbe bekennen und da ist er zwar laut, vermittelt aber nicht die Größe der Rolle.


    Kurt Rydl war im Übrigen grauenhaft. Lautes Gepoltere, schreckliche Intonations-Mängel, mittlerweile greift er mehr daneben als er Töne richtig erwischt....

  • Hallo, Strano,


    man sollte Dich öfters nach Wien schicken und Dir die Premierenkritiken anvertrauen, weil man dann substanzreiche, verständlich-überzeugende Schilderungen lesen darf. Danke.

    Aber gerne doch. Nun, gegen diesen konstruktiven Vorschlag habe ich absolut gar nichts einzuwenden, allerdings sehe ich in den Finanzen einen kleinen, aber wichtigen Hinderungsgrund. Aber vielleicht kann ja die Gottlob-Frick-Gesellschaft in Zusammenarbeit mit Tamino einen kleinen Spendenfond einrichten, aus dem solche und ähnliche Ausgaben bestritten werden. :D:hello:



    Zitat

    Erstaunt hat mich allein das Urteil über Kurt Rydl, dass er keinen dämonischen Sparafucile verkörpert hätte, denn er hat ja gerade Schurken immer besonders eindrucksvoll dargestellt. Seine verbliebenen stimmlichen Möglichkeiten sollten aus dem Blickwinkel seiner jahrzehntelangen Verdienste betrachtet und durch wohlwollendes Erinnern kompensiert werden.

    Das sehe ich ein wenig anders. Im Augenblick der Vorstellung zählt für mich die momentane Leistung, nicht die Leistung vergangener Zeiten, auch wenn sie noch so lobens-und beachtenswert war. Namen und Biographien interessieren mich herzlich wenig, denn sie bestärken eine unangebrachte Erwartungshaltung bzw eine ebenso unangemessene, allzu große Milde. Beides ist sowohl für den Interpreten als auch für sdas Publikum ungünstig. Wie Gioconda meine ich auch, dass hier keine angemessene Leistung abgeliefert wurde - von ein paar schönen Resten (die ich ja auch erwähnt habe) einmal abgesehen.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Hallo, Strano,


    wenn ich formuliere: -"Seine verbliebenen stimmlichen Möglichkeiten"... und "durch wohlwollendes Erinnern kompensieren" - dann ist das aus meiner Sicht und in der Art meines sprachlichen Ausdrucks keine unangemessene, allzu große Milde, sondern eine klar die Defizite aufzeigende kritische Feststellung.
    Wobei Du allerdings recht hast, ich ziehe bei Rezensionen und Urteilen - vielleicht sogar in meiner ganzen Ausdrucksweise - sprachlich das elegant, filigrane Florett dem massiven, schweren Säbel vor. Weil ich die enormen Schwierigkeiten des ungemein fordernden Künsterlebens kenne ist meine Grundhaltung Sängern gegenüber "con amore" und die schlägt halt überall und ständig durch.


    Herzlichst
    Operus :hello:

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Weil ich die enormen Schwierigkeiten des ungemein fordernden Künsterlebens kenne ist meine Grundhaltung Sängern gegenüber "con amore" und die schlägt halt überall und ständig durch.


    Die Schwierigkeiten des Künstlerlebens und explizit des Sängerlebens kenne ich durch mein Elternhaus nur allzu gut. Irgendwo gab es hier mal eine Diskussion zu den Buhs, und da habe ich geschrieben, dass ich niemals einen Sänger ausbuhen würde. Aus eben diesen Gründen. Besetzungen an einer Weltbühne wie der Wiener Staatsoper (und ihrem finanziellen Fond) beurteile ich aber schon unter etwas anderen Voraussetzungen als die an einer kleinen Bühne.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Zitat Strano Sognator: "Mit der Mauer, die die Bühne sozusagen in Paradies und Unterwelt einteilt, meinte ich ganz einfach die Grundstücksmauer zwischen Rigolettos Haus bzw. Hof, in dem Gilda in ihrer überbehüteten Welt lebt...".


    Die Mauer interessiert mich auch. Sie trennt Paradies und Unterwelt? Du schreibst dann relativierend, dass Gilda in einer überbehüteten Welt lebt. Aus meiner Sicht ist das schon treffender. Diese Welt war nun wirklich kein Paradies. Sie wird von ihrem Vater unter Verschluss gehalten, eingesperrt - was auch eine Form von Missbrauch ist. Die Gründe kennen wir. Sie haben auch mit Selbstsucht und Egoismus zu tun - und natürlich mit seiner Erfahrung am Hof von Mantua. Als Gilda mit der Welt außerhalb dieser Mauern in Berührung kommt, geht sie daran zu Grunde. Sie ist völlig unvorbereitet auf das, was "draußen" lauert. Das ist mir wichtig an dieser genialen Oper. Rigoletto wollte Gilde beschützen, doch er hat sie auf dem Gewissen. Das ist seine Tragik.


    Kurz und gut: Das muss ja wirklich eine geniale Inszenierung gewesen sein in Wien, wo ich auch schon anderes gesehen habe. Ich lese gern, dass das Haus, das in der Vergangenheit auch arg Federn gelassen hat, mit diesem Rigoletto zu seiner überragenden Bedeutung zurückzufinden scheint. Auf nach Wien!


    Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Kurz und gut: Das muss ja wirklich eine geniale Inszenierung gewesen sein in Wien, wo ich auch schon anderes gesehen habe. Ich lese gern, dass das Haus, das in der Vergangenheit auch arg Federn gelassen hat, mit diesem Rigoletto zu seiner überragenden Bedeutung zurückzufinden scheint. Auf nach Wien!


    Rheingold


    Na ja genial... Traditionell im besseren Sinne. Sie ist sehr stimmig, schlüssig und hat ATMOSPHÄRE. Das ist schon viel! Vor allem das letzte Bild war sehr gut gelöst, finde ich.

  • Kurz und gut: Das muss ja wirklich eine geniale Inszenierung gewesen sein in Wien, wo ich auch schon anderes gesehen habe. Ich lese gern, dass das Haus, das in der Vergangenheit auch arg Federn gelassen hat, mit diesem Rigoletto zu seiner überragenden Bedeutung zurückzufinden scheint. Auf nach Wien!


    Was heißt genial, die Inszenierung ist einfach sehr stimmig und wird in ganz Deutschland ihresgleichen erfolglos suchen können. Ich finde es jedenfalls ganz allgemein beachtlich - oder auch genial, wenn du willst - dass ein Haus wie die Wiener Staatsoper eben nicht fast alle alten Produktionen durch Regisseurtrash ersetzt, so wie es in Deutschland gang und gäbe ist, man denke nur an München.


    @KSM: Wie alt die Inszenierung ist, weiß ich nicht, aber ich schätze, dass es mindestens 20 Jahre sind. Sandro Sequi ist schon 1998 gestorben.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

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  • Vielen Dank für Deinen Bericht, liebe Strana. Habe mir die Fotos angeschaut und bin sehr angetan. Eine Frage: Fließt das Wasser oder bleibt es so starr? Was ich beim Betrachten der Bilder auch dachte: Wir sollten vielleicht mal einen Requisiten-Thread eröffnen. Der geschnitzte Stuhl, den man auf einem Foto sieht, der ist schon nicht schlecht und es drängte sich mir die Frage auf:


    WO SIND EIGENTLICH DIE GANZEN ALTEN MÖBEL UND REQUISITEN GELANDET NACHDEM DAS REGIETHEATER DIE MACHT ERGRIFFEN HAT?


    Weiß hierzu jemand Näheres? Da standen ja überwiegend handwerklich bestens gefertigte Möbel auf den Bühnen. Teilweise sogar echte Antiquitäten. Ist das verkauft worden? Auch wenn ich Vorkriegsfotos von Inszenierungen sehe, dann frage ich mich, wo das ganze Zeug ist? Bei der Theaterdichte im deutschsprachigen Raum kann das unmöglich ALLES verbrannt sein. Kennt einer den Wiener Fundus? Von den Kostümen weiß ich, dass da noch vieles vorhanden ist, teilweise von vor der Jahrhundertwende.

  • Liebe Strana,


    in diesem Thema ist von Bildern die Rede. Ich habe in den bei mir angekommenen Berichten keine gefunden. Mit Google fand ich unter der Ankündigung der Staatsoper nur zwei Bilder, die aber geradezu packend waren. Eine wundervolle Inszenierung. So muss Rigoletto sein!!! Gibt es irgendwo noch mehr Bilder?


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • WO SIND EIGENTLICH DIE GANZEN ALTEN MÖBEL UND REQUISITEN GELANDET NACHDEM DAS REGIETHEATER DIE MACHT ERGRIFFEN HAT?


    Weiß hierzu jemand Näheres? Da standen ja überwiegend handwerklich bestens gefertigte Möbel auf den Bühnen. Teilweise sogar echte Antiquitäten. Ist das verkauft worden? Auch wenn ich Vorkriegsfotos von Inszenierungen sehe, dann frage ich mich, wo das ganze Zeug ist? Bei der Theaterdichte im deutschsprachigen Raum kann das unmöglich ALLES verbrannt sein. Kennt einer den Wiener Fundus? Von den Kostümen weiß ich, dass da noch vieles vorhanden ist, teilweise von vor der Jahrhundertwende.


    Vielleicht haben sich das die Verunstaltungsregisseure geschnappt und es steht jetzt in ihren Villen. Würde mich nicht wundern.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • in diesem Thema ist von Bildern die Rede. Ich habe in den bei mir angekommenen Berichten keine gefunden. Gibt es irgendwo noch mehr Bilder?

    Lieber Gerhard


    Im Thread "lächerliche und absurde Inszenierungsideen..." hat Gregor im Btr. 559 wunderschöne Bilder reingestellt. Wahrscheinlich sind diese gemeint. Beim Anschauen geht einem das "Theater-/Opernherz"auf. Viel Freude.


    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • @Joseph II:: Lach! Ja, wie diese total modernen Architekten, die selbst in den schnörkeligsten Gründerzeitvillen hausen :-)


    Im Ernst: Ich habe Fotos von z.B. Tannhäuser-Inszenierungen gesehen, wo derart aufwändig geschnitzte Stühle, Truhen usw. stehen, dass ich mir eibnfach nicht vorstellen kann, dass das alles futsch ist. In Köln z.B. gab es einen Ehrenthron für Galas verdienter Sänger und Schauspieler und den habe ich auch auf einem Foto von 1958 wieder erkannt. Da steht das gute Stück im Lagerraum der alten Oper, die kurz darauf abgerissen wurde. Von dem Thron fehlt jede Spur. Wahrscheinlich steht der jetzt wirklich in irgend einem Privathaushalt :-(

  • Die Inszenierung wird dort "doch recht schäbig und unimaginativ" genannt. 8|


    Und "Megabass" Kurt Rydl wird auch sehr gelobt.


    Da hatten unsere Tamino-Mitglieder aber ganz andere Erfahrungen, dünkt mir! :D

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Könnt ihr euch an den Schrott erinnern den ich in München unter dem Titel Rigoletto ertrangen musste.......??????????


    Teilen wir uns den Ärger, mein Rigoletto vor einem Jahr in der Dresdner Semperoper war nicht besser.
    CHRISSY

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