Ralph VAUGHAN WILLIAMS: Sinfonie Nr 2 - „London“

  • 1. Satz: Ob es der nächtliche oder der morgendliche Nebel über London ist, den man zu Beginn des ersten Satzes hört ist nicht definiert, ich würde auf das Morgengrauen tippen. Eine Harfe imitiert leise den Glockenschlag von Big ben. Das Leben in der Stadt erwacht….und es ist laut und fröhlich, jedoch die Stimmung wechselt andauernd.


    2. Satz: „Bloomsbury Square an einem Novembernachmittag“ – so deutet Vaughn-Williams diesen langsamen, verträumten Satz – und dies, obwohl er sich dagegen verwahrt hat diese Sinfonie als „Programmusik“ zu sehen – sie sei auch als „absolute Musik“ konsumierbar. Das mag durchaus sein, mir jedoch hat das – sehr diffus formulierte – Programm jedoch geholfen, mein Interesse wurde geweckt.


    3. Satz: Nächtliche Szene am Themseufer, mit entferntem Verkehrslärm – ebenfalls eine Hörempfehlung des Komponisten.


    4. Satz.
    Er ist von einer Szenes des Romans „Tono Bungay“ , wo ein Schiff das nächtliche London verlässt und man den Eindruck hat „London zieht vorüber, England zieht vorbei“
    Auch in diesem Satz ist der Glockenschlag des Big Ben musikalisch verarbeitet…


    Ursprünglich als Sinfonische Dichtung geplant – der Komponist selbst hat das Werk nie als Sinfonie Nr 2 bezeichnet, schrieb VAUGHAN die Komposition zwischen 1911 und 1913 und widmet sie seinem Komponistenkollegen und Freund Georg Butterworth (1885-1916) der ihn angeregt hatte eine „große Sinfonie“ zu schreiben.
    Am 24. März 1914 fand die Uraufführung statt. Die Partitur ging kurze Zeit später auf dem Postweg verloren – und wurde vom Komponisten rekonstruiert.


    Der Komponist war aber mit dem Werk nicht zufrieden und arbeitete es mehrmals um, zumindest 1920, und das letzte Mal 1936. Es ist in seiner Letztfassung ca 20 Minuten kürzer als das rekonstruierte Original von 1914 (auch davon gibt es eine Aufnahme und zwar die hier links abgebildete unter Richard Hickox. Ähnlich wie bei Bruckner scheiden sich auch hier die Geister, welche Version nun die gelungenere sei......



    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Alfred,


    ich freue mich, dass du die Sinfonien von Ralph Vaughan Williams hier vorstellst. Ich besitze alle 9 Sinfonien in der von dir vorgestellten Naxos-Ausgabe, darüber hinaus die Ouvertüre "The Wasps", die Norfolk-Rhapsodie, Flos Campi , die in der Gesamtausgabe der Sinfonien enthalten sind, sowie Job, das hübsche Stück "The Lark Ascending" mit Violine und weitere kleine Werke (z.B. Fantasia on Greensleeves). Ich kann die Werke von Vaughan-Williams allen empfehlen, die sich auch für die Musik des 20 Jahrhunderts begeistern können.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Ursprünglich als Sinfonische Dichtung geplant – der Komponist selbst hat das Werk nie als Sinfonie Nr 2 bezeichnet, schrieb VAUGHAN die Komposition zwischen 1911 und 1913


    Vauhan-Williams schlug später den Titel "Symphony by a Londoner" vor. Damit war das Werk als Sinfonie angesehen und vom Verlag in der Folge als Nr.2 bezeichnet worden.
    Die Sinfonie Nr.1 Sea-Sinfonie ist ja im Grunde auch keine Sinfonie in dem Sinne. In meiner Sinfonien GA mit Bryden-Thomson ist sie nicht einmal dabei ( ;) was ich gut verschmerzen kann).


    In meinen favorisierten Aufnahmen der Sinfonien unter Handley / Royal Liverpool PO (EMI) ist im Textheft auch die frühere Fassung der Sinfonie Nr.2 (wegen Abhandekommen der Urfassung wegen des Krieges) erwähnt. Es steht aber auch dabei, dass sich die kompaktere und von V-W autorisierte Spätfassung allgemein durchgesetzt hat und als gültige Fassung anzusehen ist (So wird diese Spätfassung auch nur noch aufgeführt; wie auch in meiner 2.GA unter Bryden Thomson (Chandos)).

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • London Symphony in der Originalversion 1913 mit Hickox


    Heute bin ich voller Überraschung, dass dieser Thread eines so packenden Werkes, wie der London Symphony (Sinfonie Nr.2) von RVW ganze 3 Beiträge aufweisst X( :no: :S :|

    Meine persönliche Sichtweise dazu: Da gibt es ellenlange Threads über Mozart-Sinfonien (wie aktuell die Nr.25) ... aber so ein Werk, was den Hörer so richtig ergreift und mitreisst ... 3 Beiträge ;(



    Aber nun zur London Symphony:

    Nach Jahren habe ich mir die London Symphony, die ich in den von VW später gekürzten (und allgemein gebräuchlichen) Versionen unter Handley (EMI) und noch etwas besser unter Boult (EMI, 1969) ebenfalls schätze, endlich in der Originalen Version 1913 bestellt. Die Kürzungen in der heute gebräuchlichen gekürzten Version fanden seines VW hauptsächlich in 2. und 4. Satz statt.

    Ich hatte auch wegen dem Preis jahrelang rumgedruckst die Hickox-Originalversion zu kaufen, denn heute ist der Preis (in der CD-Version, die ich für wenige € bestellt habe) absolut kaufanregend. Hickox soll laut den Höreindrücken gemäss dem ersten Rezensent bei amazon (siehe den Text dort) eine packende Int abliefern, bei der er keinen Effekt auslässt und das Werk unter Feuer hält ...



    SACD-Ausgabe

    Chandos, 2000, DDD




    :!:Vom der Art der Intensivität der Interpretation hätten mich auch die aufgewühlten Aufnahmen von Barbirolli (EMI, 1957) oder (EMI, 1969) interessiert, die einen sehr direkten nachdrücklichen Zugang haben sollen !?
    :?:Wer kennt diese Aufnahmen ? Wie sind diese im Vergleich zu Hickox zu beurteilen ?
    Oder anders gefragt: Muss man Barbirolli nach Hickox noch haben ?
    Da ist auch die Tontechnik mit entscheidend, die bei Hickox ja auf aktuellem TOP-Stand ist, denn solche farbig instrumentierten Werke muss man IMO in TOP-Klangtechnik hören !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Ich habe mir vor etwa einer halben Stunde die Sinfonie in der gezeigten Aufnahme unter Sir Adrian Boult angehört und bin sehr beeindruckt.

    Besser gehts nicht. Die Dynamik, die Klangfarbentreue. All das zeigt, daß Analogaufnahmen aus den 70ern - wenn sie gut gemacht sind, den Vergleich mit Digitaleinspielungen nicht zu scheuen brauchen.

    Heute bin ich voller Überraschung, dass dieser Thread eines so packenden Werkes, wie der London Symphony (Sinfonie Nr.2) von RVW ganze 3 Beiträge aufweisst X(:no::S:|

    Meine persönliche Sichtweise dazu: Da gibt es ellenlange Threads über Mozart-Sinfonien (wie aktuell die Nr.25) ... aber so ein Werk, was den Hörer so richtig ergreift und mitreisst ... 3 Beiträge

    Alles ist relativ.

    Mozart ist eben viel bekannter, im Konzertführer von Csampai/Holland widmet man Vaughan Williams unter "Englische Komponisten des frühen 20. Jahrhunderts" grade mal 20 Zeilen. Ich möchte jetzt keine Umfrage starten, wer eine Aufnahme dieser Sinfonie im Schrank stehen hat...


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • London Symphony in der Originalversion 1913 mit Hickox


    Leider ist aus bekannten Gründen (neue Forensoftware) die Abb in Beitrag 4 der Chandos-Aufnahme mit Hickox verloren gegangen.


    Ich hab es behoben. LG moderato


    Ich stelle gerade fest, dass ich heuer 3 GA der Sinfonien besitze. Nach Vernon Handley (EMI), Bryden Thomson (Chandos) und der beeindruckensten dann Sir Adrian Boult (EMI, Stereo), die alle drei beeindruckende Vorstellungen der LONDON Symphony (Sinfonie Nr.2) geben.

    Bei Vernon Handley sind die langsamen Sätze am beeindruckensten geraten, während Boult an den geeigneten Stellen und Sätzen noch dramatischer rüber kommt. Klanglich sind alle drei auf so hohem Niveau, das keine Wünsche offen bleiben.


    Klangliche Offenbarung bietet dann mit ungeheuerer Wucht die Originalversion 1913 mit Hickox, die hauptsächlich in den Sätzen 3 und 4 Unterschiede zu den Spätfassungen zeigt. Da ist in der Spätfassung noch vieles gestrichen worden, denn das Original hat 20 Minuten mehr Musik von VW !


    8) Man sollte beide Fassungen kennen. Diese Originalfassung ist spannend und voller Überraschungen.


    Handley: 13:42 - 10:50 - 7:35 - 12:29

    Hickox: 15:04 - 16:16 -11:04 - 18:50


    Chandos, 2000, DDD



    ^^ Die CD steht derzeit bei jpc für 19,99€. Das ist der gleiche Preis, der für die ganze Boult-GA aller Sinfonien zu löhnen wäre ... :pfeif:

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • 8) Man sollte beide Fassungen kennen. Diese Originalfassung ist spannend und voller Überraschungen.

    Ja, absolut richtig, lieber teleton.

    Eine sehr gute Aufnahme, ich habe sie hier in der SACD Version vorliegen. In Mehrkanal fühlt man sich mitten in London stehend. Aber nein, auch in Stereo klingt sie ganz hervorragend.

    Die Zweite ist zur Zeit (...das ändert sich bei mir von Zeit zu Zeit) meine favorisierte Vaughan Williams Sinfonie. Zu Beginn war es die Erste, dann die Siebente und schon eine ganze Weile die Zweite. Wahrscheinlich wird es demnächst seine Fünfte werden, die gefällt mir so langsam immer besser. Mal sehen.