Wunderbares Ereignis

  • Ich möchte hier nur einmal ein großes Lob anbringen für Daniel Barenboims Projekt des "West-Eastern Divan Orchestra", dessen Konzert ich Sonntags auf "arte" gesehen habe. Musikalisch war es tadellose Qualitätsarbeit - viel wichtiger ist aber, dass es überhaupt stattgefunden hat (durch ein paar rechtliche Tricks unterstützt).


    In einer Gesellschaft, in der (persönlicher) Profit über allem zu stehen scheint, ist derartiger Idealismus besonders lobenswert. Und Barenboim hebt sich damit auch als politisch denkender und engagierter Künstler (wie zB auch Abbado) positiv von vielen Kollegen der Vergangenheit und Gegenwart ab.


    Barenboim - ein hervorragender Künstler, ein großartiger Mensch.
    Hochachtung!

  • Ganz richtig martello, vor wenigen Tagen habe ich im Feuilletonbereich einen Artikel über das "West-Eastern Diva Orchestra gelesen" und war hellauf begeistert (das gebe ich unumwunden zu, obwohl Alfred ja ein ums andere Mal über die Verbindung von Pianismus und Dirigieren jammert - die ich übrigens selbst nicht ganz gutheißen kann). Gerade für den Nahost-Konflikt wünsche ich mir seit jeher ein solches Projekt.


    In Barenboims Orchester offenbart sich die verbindende soziale Komponente der Musik auf einmalige Weise, und das nicht etwa zum Zwecke eines schnöden Gelegenheitsgestreiche, sondern der Besänftigung einer diffizilen kulturellen Auseinandersetzung.


    Chapeau!



    Gruß
    Thomas

    "Noten haben einen zumindest ebenso bestimmten Sinn wie Wörter, wiewohl sie durch diese nicht zu übersetzen sind." (Felix Mendelssohn-Bartholdy)

  • Auch ich ziehe wirklich den Hut vor Barenboims Projekt, der Mann hat wirklich Mut (wie er schon bewies, als er als erster seit dem Holocaust Wagner in Israel spielen liess!).


    Ich habe heute einen langen Artikel im Feuilleton der Süddeutschen zeitung über sein Orchester gelesen, sehr informativ.


    Wirklich eine tolle Sache. ob sie aber wirklich eine 'Fünfte' von Beethoven gespielt haben, wie man sie noch nicht gehört hat bezweifle ich zwar, aber darum geht es ja nun wirklich nicht


    :jubel: :jubel:

    "Das beste, an dein Übel nicht zu denken, ist Beschäftigung."
    Ludwig van Beethoven

  • Die Sinfonia Concertante, KV 297b von Mozart, die auf Arte lief, fand ich persönlich sehr langweilig. Seine Versuche die Probleme der verfeindeten ethischen Gruppen zu lösen, finden mein vollstes Lob.

    "Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten" Gustav Mahler

  • Ich gestehe offen, daß ich einer Generation angehöre, die Künstler nicht nach ihren weltanschaulichen Standpunkten, sondern lediglich nach ihrer Kunst beurteilt.


    Ich glaube nicht, daß irgendjemand sich für Die politische Linie eines Wilhelm Kempff, Claudio Arrau, Wilhelm Backhaus oder Alfred Brendel interessiert hat. Auch privates Leid hat bei der Beurteilung eines Künstlers nichts zu suchen.


    Sonst haben wir eines Tages (und er ist, euphemistisch ausgedrückt, nicht mehr allzu fern.) eine Schar mittelmäßiger Künstler mit hohen ethischen Grundsätzen als "Referenz"


    Lediglich musikalische Aspekte sollten bei der Beurteilung eines Orchesters eine Rolle spielen.


    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Hallo!


    Zitat


    Ich glaube nicht, daß irgendjemand sich für Die politische Linie eines Wilhelm Kempff, Claudio Arrau, Wilhelm Backhaus oder Alfred Brendel interessiert hat.


    Und Menuhin? Furtwängler?


    Zitat


    Lediglich musikalische Aspekte sollten bei der Beurteilung eines Orchesters eine Rolle spielen.


    Für den Weltfrieden hör ich mir auch mal 'ne schlechte Fünfte an... (sehr überspitzt formuliert)


    Also ich finde dieses Projekt toll!


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Zitat

    Original von Pius


    Und Menuhin? Furtwängler?


    Kommt immer drauf an. der sogar zweimalige Parteieintritt des Herbert v. K. hat seiner Nachkriegskarriere nicht viel geschadet. Über Furtwängler (nicht in der Partei) gibts es sogar ein Theaterstück bzw. einen Film. Allerdings waren beide wohl nicht besonders politisch, man hat sich eben arrangiert...
    Politisch engagiert waren, jedenfalls in den späten 60ern soweit ich weiß Pollini und auch Abbado. Ebenfalls linksaußen, jedenfalls in jüngeren Jahren: Scherchen.
    Und Schnabel gab in den 20ern angeblich "Arbeiterkonzerte"


    (nicht sehr schwierige) Preisfrage: von welchem berühmten Dirigentne gibt es eine Aufnahme der "Internationale", allerdings integriert in eine anderes (vergleichsweise obskures) Werk (eines sehr berühmten Komponisten)?


    Freundschaft!


    :D


    JR (der eigentlich keinen Politik-thread starten will)

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Das angenehme an Barenboim ist natürlich, dass er sowohl als Dirigent wie als Pianist nicht bloß "begabt diletiert" sondern jeweils Weltklasse verkörpert (was noch nicht bedeutet, dass ihn jeder mögen muss) - er ist aber weder ein Pianist, der halt mal dirigiert (Pletnev, Buchbinder) noch ein Dirigent, der gelegentlich hinter dem Flügel Platz nimmt (Rattle, Runnicles).


    Lieber Alfred,
    deinem Posting liegt leider eine massive Sinnestäuschung zugrunde. Ohne dein Alter genau zu kennen (ich tippe auf Generation 60+) muss festgehalten werden, dass es Menschen aus dieser Generation und der noch älteren waren, die Künstler ausschließlich wegen nichtkünstlerischer Aspekte (Rasse, Religion, etc.) nicht bloß abgelehnt sondern mitunter sogar verfolgt haben. Dies ohne jeden persönlichen Vorwurf, sondern nur um der Verklärung entgegen zu wirken.
    Grundsätzlich stimme ich dir aber zu, dass Künstler primär nach der künstlerischen Leistung zu beurteilen sind; aber ich darf mich natürlich freuen, wenn dazu noch ein toller Mensch "mitgeliefert" wird. Es gibt und gab eh so viele Künstler, die persönlich zum :kotz: waren.


    Und wenn Künstler (als Intendanten) auch Kulturpolitik machen, sollte einem der weltanschauliche Hintergrund jedenfalls nicht mehr egal sein - der bestimmt dann (neben anderen Faktoren) auch, was man zu sehen bekommt.


    Zum Künstlerischen:
    Ok, das WEDO ist sicher kein künstlerischer Höhenflug der Extraklasse. Das aber war weder geplant, noch im entferntesten erwartbar. Anders als beispielsweise beim Lucerne Festival Orchestra, dass auf einer Ebene mit den Wiener und Berliner Philharmonikern steht (und tlw aus ihnen besteht). Aber das Resultat ist insofern zufriedenstellend, als es die Qualität eines "regulären" Orchesters hat - und wenn Barenboims WEDO (bei den Problemen, die allein die Probenseminare machen) auf dem Niveau der Symphoniker spielt, finde ich das völlig ausreichend.

  • Hallo Martello


    Wenn ich sagte MEINER Generation, dann meine ich 50+, nicht 60+
    und natürlich gibt es Wertungen.
    Die hat es aber immer gegeben und wird es auch immer geben.
    Und ich gebe Dir recht daß ein Künstler von uns umso mehr verehrt wurde, desto unausstehlicher er war.
    Das wird manchen der jüngeren Generation nicht einleuchten, ist aber schnell erklärt:
    Nur ein Ausnahmekünstler konnte es sich erlauben mit Vasen zu werfen,
    ganze Hotelsuiiten zu bewohnen, oder sich spezielle Champagnersorten einfliegen zu lassen wenn sie nicht verfügbar waren. Eine Aura des Unnahbaren , Unerreichbaren war da auch recht nützlich.


    Man sagt, daß Totenstille im Saal herrschte, wenn Karajan (in seinen besten Jahren, also um ca 1955-65) den Saal betrat. Bei Solti war dies beispielweise nicht der Fall.


    Aber, um beim Thema zu bleiben, es handelt sich um die Musikszene der siebziger Jahre. Da wurde niemand verfolgt wegen seiner Einstellung., weil sie wie gesagt niemanden interessierte. Das Einzige was damals zählte war, daß der Künstler "berühmt" war.


    Das Wort "völlig ausreichend" existierte damals gar nicht im allgemeinen Wortschatz. Wie sagte Oscar Wilde einst so treffend ? "Ich habe einen ganz einfachen Geschmack. Ich will immer nur das Beste"


    Ganz leise erinnere ich an die Forenregeln (die ja leider kaum jemand liest bevor er sich anmeldet - ich versteh das - ich lese sowas auch sehr selten) die Politik und Religion um Forum als Diskussionsthema nicht gestatten. Dies ist eine rein pragmatische Regelung - weil sie Streit im Forum dort verhindert, wo er vermeidbar ist.
    Nicht vermeidbar war, daß ein Mitglied (aus freien Stücken) das Forum verlassen hat, weil ein Lieblingskünstler (Stadtfeld) hier von der Mehrheit der Mitglieder vernichtend beurteilt wurde.


    Aber auf Ideologische Konflikte laß ich mich nicht ein. Sie sind nicht lösbar - und sie gehören nicht zur Musik


    Diese Regel wird immer wieder gebrochen (unter anderem durch diesen Thread) aber ich habe das bis jetzt nicht unterbunden, weil das Bedürfnis nach solchen Themen scheinbar sehr groß zu sein scheint.
    Dennoch bitte ich nachdrücklich - weltanschauliche Fragen zu vermeiden. Man stelle sich mal ein Restaurant vor wo auf der Speisekarte politische Statements stünden.


    mit freundlichen Grüßen
    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Erstens für das ältermachen (war nicht böse gemeint).


    Zweitens für den Politikbezug in diesem thread.
    Ich hab' die Forumsregeln sogar gelesen, allerdings nicht so extensiv ausgelegt, wie Du sie offenbar handhabst. Ich bin ein hochpolitischer Mensch und sehe die Kunst auch als wesentliches Mittel, Impulse im Sinne der Völkerverständigung und der Toleranz oder auch der Veränderung der Gesellschaft zu setzen (auch viele Opern oder Theaterstücke haben ja einen ganz massiven politischen Anspruch).


    Darum freut es mich besonders, wenn ich derartige Ansätze auch bei ausführenden Künstlern feststellen kann (und einigen Forianern dürfte es ähnlich gehen). Aber ich werde versuchen, in deinem Sinne Zurückhaltung zu üben.

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  • Hallo Martello,


    Pace. :hello:


    Du brauchst Dich nicht zu entschuldigen, wenn Du mich älter schätzt, weil Alter (wie man am Papst sieht) kein Kriterium darstellt. Jedes Alter hat Vor- und Nachteile, eine Totalherrschaft von Greisen ist ebenso übel wie eine solche der Jugend. Die Balance ist wichtig.
    Und die ist hier im Forum gegeben wie kaum sonst wo.


    Forenregeln sind wichtig, aber sie sind keine Dogmen. Ich habe lediglich ganz zart an sie erinnert. Und natürlich ist ein gewisser Spielraum gegeben - es sei denn, irgendwas eskaliert.


    Vielleicht ist es gar nicht schlecht die neuen Forianer drauif hinzuweisen, daß alles was ich mit schwarzer Schrift schreibe als Privatmeinung von mir zu sehen ist.
    Offizielle Postings von mir sind in roter Schrift , von den Moderatoren blau bzw Lila.


    Du wirst diese Farben hier aber nur selten finden.


    Freundliche Grüße


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo,


    Leute, die nicht selbst vollbrachte Kunstwerke benutzen, um ihre Gesinnung zu zeigen, verachte ich. Weil sie die 'Empfänger' beleidigen!
    Als ob es einen Barenboim bräuchte nem Israeli Wagner bekanntzumachen...Die Glasperlen sollten wir uns für die extraterrestischen Eroberungen zurücklegen...


    Oliver

  • Hallo martello,


    das weicht jetzt sicher etwas vom eigentlichen Thread-Thema ab, aber du sprachst ja die politischen Aspekte an:


    Erwähnen muss man da einfach Schostakowitsch, der ja eigentlich permanent politische Botschaften oder Kritiken in seinen Werken einbaute.
    So, dass sie kein Stalin etc. erkannte und die Werke auch somit nicht verboten wurden...


    Gruß, Maik

    Wie ein Rubin auf einem Goldring leuchtet, so ziert die Musik das Festmahl.


    Sirach 32, 7

  • Sorry, da komm' ich jetzt nicht ganz mit. ?(


    Wenn Barenboim politisch/gesinnungsmäßig motiviert eine fremde Komposition benutzt um als Dirigent MusikerInnen verfeindeter Staaten zu einem Orchester zu verbinden - welcher Empfänger wird da beleidigt?


    Wen verachtest Du sonst noch? Künstler, die Werke vertriebener oder verfemter Kollegen wieder in deren Heimat aufführen und damit natürlich eine bestimmte Gesinnung demonstrieren und ein Zeichen setzen wollen?
    Mienst Du das ernst oder gibt's hier bloß ein gröberes Missverständnis?

    und:
    Nein, man braucht sicher nicht Barenboim, um einen musikinteressierten Israeli mit Wagner in Kontakt zu bringen. Aber man braucht einen Barenboim - oder jemand mit vergleichbarem biographischen Hintergrund - um das (unausgesprochene) Wagner-Verbot in israelischen Konzertsälen zur Diskussion zu stellen. Wer sollte das sonst, Thielemann??

  • Zitat

    Original von Oliver
    Hallo,


    Leute, die nicht selbst vollbrachte Kunstwerke benutzen, um ihre Gesinnung zu zeigen, verachte ich. Weil sie die 'Empfänger' beleidigen!
    Als ob es einen Barenboim bräuchte nem Israeli Wagner bekanntzumachen...Die Glasperlen sollten wir uns für die extraterrestischen Eroberungen zurücklegen...


    Oliver


    Schön, dass Du wieder unter den Lebendigen bist...


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

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