MAX LORENZ - WAGNER wahrhaftig

  • Wie wenige andere Heldentenöre des letzten Jahrhunderts polarisiert Max Lorenz Verehrer und Verächter seiner Kunst. Der 1901 in Düsseldorf geborene Tenor konnte trotz Auftritten in New York, London und an der Scala nie die Karriere machen, die seiner Befähigung entsprochen hätte, nicht zuletzt weil der Zenit seines Könnens mit dem Zweiten Weltkrieg einher ging. Als Ensemblemitglied war er im Laufe seiner Karriere in Dresden, Berlin, Wien und New York engagiert (1947 – 50). Er sang neben allen wichtigen Wagnerpartien, zahlreiche denkwürdige Uraufführungen, viele Strausspartien, den Palestrina und einiges aus dem heroischen italienischen Fach (Othello, Alvaro, Radames). Während des Krieges blieb er in Deutschland, war aber wegen der Hochzeit mir einer Jüdin ähnlich wie Frida Leider zahlreichen Repressalien ausgesetzt.



    Einige heutige Hörer finden seinen theatralischen Stil antiquiert und überspannt, andere rühmen seine Wahrhaftigkeit, die geradezu modern wirkt. Genau wie Jon Vickers beeindruckt Lorenz nicht durch die Schönheit seiner Stimme, nicht durch sein Prachttimbre. Es ist das genuine, schmerzliche Pathos seiner Auffassung, daß den Hörer unmittelbar anrührt und in den Bann schlägt. Er geht zuweilen soweit, auf die richtige Intonation und korrektes rhythmisches Timing zu verzichten, erscheinen ihm diese Maßnahmen im Sinne der Wahrhaftigkeit. Im Dienst der Worte scheut er auch vor außermusikalischer Rhetorik nicht zurück, verlässt nicht selten vorsätzlich die Gesangslinie im Dienste des Ausdrucks, ja, verfehlt denselben auch schon mal. Doch, um es mit einem auf die Callas gemünzten Wort von Ingeborg Bachmann zu sagen, er „kann einen Ausdruck verfehlen, weil [er] weiß, was Ausdruck überhaupt ist“. Er ist dadurch auch so etwas wie der Antipode zu Lauritz Melchior, der trotz ungleich prächtigeren Materials musikalisch keineswegs korrekter, jedoch nicht selten lethargisch und routinierter singt.


    Wem Lorenz’ Initiative zu weit geht, sei zumindest an Richard Wagners Aufsatz „Über Schauspieler und Sänger“ erinnert. Hier schreibt der Komponist: „Unser ganzes Dichter- und Komponistenschaffen ist nur Wollen nicht aber Können: erst die Darstellung ist das Können – die Kunst“. Der „eigentliche Kunstanteil bei Theateraufführungen“ müsse „den Darstellern zugesprochen werden“.


    In seinem Artikel über Max Lorenz im Rahmen seines Werkes „Die großen Sänger“ stellt Jürgen Kesting richtigerweise fest, der Sänger werde „hierzulande weitaus höher eingeschätzt als im angelsächsischen Sprachraum“, bleibt aber die Erklärung für dieses Phänomen schuldig. Lorenz beeindruckt durch seine differenzierte Wortartikulation, den deklamatorischen Stil, die Prägnanz der Formung und seine überdeutliche, zuweilen schneidende Diktion. Solcherlei Meriten können einleuchtenderweise von Rezipienten mit deutscher Muttersprache am stärksten wahrgenommen werden – ebenso wie in dem aktuellen Fall von Domingos Tristan dessen idiomatische Grenzen in unserem Sprachraum auch am schwersten wiegen.


    Seine oft brillante Höhe steht zuweilen matteren tiefen Tönen gegenüber. Das helle Timbre (Verächter behaupten, es sei eher weiß) beweist, daß es sich bei seiner Stimme um einen echten Tenor und keine hochgezogene Baritonstimme handelte. Wer Lorenz im Zuge seines zweifellos stark vom gesungenen Wort geprägten Stils leichtfertig jegliche italienische Schulung absprechen möchte, höre das absolut perfekte Legato in seiner Aufnahme der Alvaro-Arie aus "La Forza del Destino" oder Tristans unvergleichlich anrührend gesungenen Traum von Isolde auf dem nahenden Schiff. Dieser kulminiert in der großartigen, für meine Begriffe unerreichten Färbung der Worte „Ach, Isolde, wie schön bist Du?“.



    Ohnehin steht sein Tristan für mich allein auf weiter Flur und wird bestenfalls von Jon Vickers erreicht, nicht jedoch übertroffen. In Passagen wie „Es naht! Es naht! Mit mutiger Hast! Sie weht! Sie weht! Die Flagge am Mast“ erreicht er eine Emphase, die ihn über alle (sic!) Rollenkollegen stellt. „Wie, hör' ich das Licht? Die Leuchte, ha!“ ist nun bereits kein Gesang mehr, viel eher ein schon metaphysisches letztes Aufbäumen eines dem Jenseits gehörenden Geschöpfs. Daß die lyrischen Momente der Partie, wie das Liebesduett des zweiten Aktes von Melchior, Vickers und einigen anderen Tenören verinnerlichter und damit adäquater gesungen werden, schmälert diese Leistung nur gering. Die Aufnahme unter Robert Heger ist denen unter Schmidt-Isserstedt und De Sabata deutlich vorzuziehen, da Lorenz in vorletzter indisponiert und heiser klingt und bei letzterer der Klang des Scala-Mitschnittes von 1951 selbst von Connaisseurs schlecht goutiert werden kann.


    Lächerlicherweise attestiert Jens Malte Fischer Lorenz’ Stil „etwas Blitzkrieghaftes“ und versucht damit Hitlers Affinität zu dem Sänger während des dritten Reiches zu erklären und eine besondere Tauglichkeit für die NS-Ideologie nachzuweisen (wobei Fischer richtigerweise – das muß auch gesagt werden – Lorenz jede Neigung in diese Richtung abspricht). In Wahrheit waren Hitler und seine Gefolgschaft weit weniger an Lorenz interessiert als heutzutage zuweilen behauptet wird. Vielmehr war sein Einsatz in Bayreuth eine für die Machthaber unangenehme Notwendigkeit, die aus Ermangelung an befähigten Alternativen entstand. So merkt Joseph Goebbels im Juli 1933 in seinem Tagebuch über den Tenor an: „Lorenz als Siegfried unmöglich. Da ist das alles in Berlin viel besser. Keine heroische Auffassung.“.
    So wollte Hitler 1934 nachdem er nicht zuletzt Röhms Homosexualität als Rechtfertigung für seinen Umgang mit dem „Röhm-Putsch“ gebrauchte, Max Lorenz sogar von den Bayreuther Festspielen ausschließen, als dieser, so berichtet Wolfgang Wagner, in eindeutiger Situation erwischt wurde. Winifred musste wohl sogar mit der Schließung Bayreuths drohen („Ohne Lorenz kann ich Bayreuth nicht machen") um Hitler zu besänftigen.



    Zurück zur Musik:
    Von Lorenz’ außergewöhnlicher Fähigkeit, den Sinngehalt der gesungenen Worte zu illuminieren, profitiert in besonderem Maße auch sein Tannhäuser und Siegmund. In erster Partie ist er leider nicht komplett, sondern nur in Auszügen dokumentiert und wird in dieser Rolle bestenfalls von Ernst Gruber (hier mehr über ihn) übertroffen. Keiner spottet im 2. Akt so provokant, so wollüstig wie er. Keiner, vermittelt den endgültig vom Glauben abgefallenen Tannhäuser des dritten Aktes so eindringlich, fast neurotisch. Bei „Da ekelte mich der holde Sang“ muß er sich nicht wie Wolfgang Windgassen, schreiend entäußern um ebenso nachdrücklich zu wirken.

    Deutlich besser ist sein Siegmund dokumentiert. Absolut konkurrenzlos und bestenfalls von Melchior, Suthaus und Vickers erreicht, ist der erste Walküre-Akt („Siegmund, den Wälsung siehst du Weib“!!!). Nur in der Todesverkündigung scheint mir Vickers deutlich vor Lorenz angesiedelt zu sein. Der zurückgenommene, kontemplative Beginn liegt dem Kanadier besser.


    Eine Offenbarung auch der deutsche gesungene Monolog und Tod des Othello. Die Worte „Gott! Warum hast du gehäuft, dieses Elend“ hat nur Lauritz Melchior großartiger eingefärbt. In Othellos Tod dann ist man fassungslos bei den Worten „Kalt, liebliches Kind, wie die Keuschheit“. Unglaublich.


    Bajazzos „Hüll’ dich in Tand“ und das bereits erwähnte „Die Welt ist nur ein Traum“ Alvaros beweisen, dass ein großartiger Sänger selbst die geschmäcklerischsten deutschen Verdi-Übersetzungen zu sublimieren vermag.


    Recht spät, aber nicht minder beeindruckend sein Radames in einer Aida-Produktion des Hessischen Rundfunks von 1952. Neben einer überraschend sicheren und befriedigen Aida Annelies Kuppers (ihre unstete, zuweilen desolate Senta unter Fricsay klingt noch im Ohr) singt Lorenz einen recht robusten aber feurigen Liebhaber. Sein vibrierender Auftritt im Nilakt ("Ich seh’ dich wieder, meine Aida") rückt das nachfolgende Duett in die Nähe des euphorisch-emphatischen Beginns des Tristan/Isolde-Liebesduettes. Wer Lorenz noch frischer hören will, greift zu der Duettaufnahme von 1930 neben Else Gentner-Fischer.



    Beeindruckend auch sein Ägisth und besonders sein Bacchus ("bis du auch eine Zauberin") neben der großartigen Maria Reining.


    Es soll nicht verschwiegen werden, daß Stolzing und Lohengrin sicher nicht seine größten Wagnerpartien waren. Hierfür fehlte es seiner Stimme an Wärme, Rundung und lyrischem Schmelz. Beides indes Partien die man vielleicht auch nicht unbedingt mit Luwig Suthaus identifizieren würde.


    Für mich ist Max Lorenz kein anachronistischer Heldentenor von Gestern, sondern wie nahezu kein zweiter Sänger des letzten Jahrhunderts, ein unbeirrbarer Sucher nach Wahrhaftigkeit.


    Hoffentlich habe ich genug Kontroverses geäußert, um bei Euch auf Widerspruch zu stoßen. Eine lebhafte Diskussion würde mich freuen.


    Liebe Grüße


    Gino Poosch

    Im Verhältnis zur Musik ist alle Mitteilung durch Worte von schamloser Art.
    Friedrich Nietzsche

  • Hallo Gino,


    nachdem ich mir auf Deinen enthusiastischen Beitrag hin noch einmal einige Lorenz-Aufnahmen aus meiner Sammlung (Preiser-Recital, 1. Akt Walküre unter Elmendorff, Heger-Tristan, Rienzi) ausschnittweise angehört habe, muß ich Dir doch teilweise widersprechen.


    Zunächst das Positive: im Gegensatz zu allen heutigen Rollenvertreter (inkl. Heppner) verfügte Lorenz über einen genuinen Heldentenor mit außergewöhnlicher Durchschlagskraft und fantastischer Höhe (dafür fehlt ihm "unten" ein bißchen, wenn man ihn z.B. in "Ein Schwert verhieß mir der Vater" mit Melchior vergleicht, der da natürlich aufgrund seiner Baritonvergangenheit Vorteile hat). Sein Engagement und seine Identifikation mit den jeweiligen Rollen sind außergewöhnlich, genauso wie seine sehr klare Diktion (bedingt durch den Sitz der Stimme sehr weit "vorne").


    Doch diese Qualitäten sind es auch, die ihn für meinen Geschmack oft an der Grenze des Erträglichen singen lassen. Sicher, die Exstasen des dritten Tristan-Aktes lassen sich kaum mit rein musikalischen Mitteln bewältigen. Auch Melchior greift dort teilweise zur Deklamation, aber er kommt doch grundsätzlich eher vom Gesanglichen her und entwickelt die Akzente daraus. Lorenz fügt, wie Du richtig gesagt hast, das Wort eher dem Gesang hinzu. Seine emphatische Phonation wird natürlich noch durch die damalige Aufnahmetechnik verstärkt und dadurch bekommt seine Stimme zusätzlich noch eine schneidend-grelle Aura (insofern ist die Bezeichnung "weiß" nicht falsch, ich würde eher von "weiß-gleißend" sprechen im Vergleich zu Melchiors "rotglühendem" Timbre). Was mich aber am meisten stört, sind die extremen Akzente (übermäßig betonte Konsonanten, rrrrrrollende "R"s usw.), welche die Gesangslinie unnötig stören und, wie Kesting es formuliert, "provinziell" wirken.


    Insofern ist auch die Ablehnung im angelsächsischen Raum, wo ja weit mehr Wert auf die vom klassischen Belcanto herkommende Gesangstechnik (Legato, Singen auf dem Atem, Beherrschung des "messa di voce" etc.) gelegt wird, verständlich. Ähnlich kritisch äußern sich ja Größen wie Steane oder Scott über italienische Sänger wie Pertile, Masini (Kesting: "Antikisches Heldengejammer") oder auch Gigli, die ja teilweise stark vom Stil des "Verismo" beeinflußt waren und deren Gesang entsprechend oft rhetorisch geprägt war. Zwar ist die Bemerkung J. M. Fischers gegenüber Lorenz ("blitzkrieghafter Stil") wegen der damit verbundenen politischen Konnotation sicher unangemessen, sie hat aber auf den zweiten Blick auch manches für sich: in Lorenz´Singen findet sich etwas unwiderstehlich Dynamisches, Überrumpelndes, aber auch Waffenstarrendes und Volkstribunhaftes im Stil der damaligen Zeit. Ich glaube, daß er, ob bewußt oder unbewußt, vom Expressionismus beeinflußt wurde, der ja bis Hitlers Machtergreifung die herrschende zeitgenössische Kunstform in Malerei, Bildhauerei und Film war. Sein Gesang erinnert mich stark an grob gearbeitete Holzschnitte, die ganz unmittelbar auf das Empfinden des Betrachters zielen.


    Ob es das war, worauf Wagner abzielte, kann ich nicht sagen, ich glaube es eher nicht. Dem Ideal des "germanischen Belcanto" am nächsten gekommen sind eher Sänger wie Urlus oder Melchior. Lorenz steht doch mehr auf der Seite des Bayreuther Stils Cosimascher Prägung mit seiner (Über-)Betonung des Wortes zu Lasten der Gesangslinie. Das mindert seine Bedeutung und seine Eignung für das Fach nicht. Nur bereiten mir andere Sänger mehr Hörvergnügen.


    Grüße


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Hallo Giselher,


    ich stehe nicht an, eine einzige Deiner Diagnosen zu widerlegen. Diese Vorwürfe sind sachlich korrekt und - wie Du anmerkst - bereits von zahlreichen Autoren geäußert und zum Teil wortgenau wiederholt worden. Auch hat es eine Menge für sich, ihn in Verbindung mit dem Expressionismus zu bringen. Objektiven Maßstäben zufolge gibt es sicher viele vollkommenere Sänger als Lorenz.


    Sänger die eine übergroße Ausdrucksenergie, ein nahezu zwanghaftes Authentizitätsstreben in die Waagschale werfen, tun dies nicht selten um ihre stimmlichen Mängel zu kaschieren. So war Gwyneth Jones auch in den letzten Bühnenjahren für mich die eindrucksvollste, expressivste - wenn Du so willst - ideale Verkörperung der Elektra. Sie gab ihr ein Gesicht, einen klar umrissenen Charakter - aber keine Stimme. Auch für mich ist dies nur die Hälfte des Weges. Obwohl ich gerne zugebe, daß, müßte ich mich entscheiden, eine stimmlich potente Elektra ohne Profil mich weniger interessierte, als eine, der vielleicht die beiden C's fehlen, dafür aber einen wirklichen Menschen auf die Bühne bringt.


    Der Vorwurf des Kaschierens kann Max Lorenz, trotz der beschriebenen Defizite nicht gemacht werden. Und genau das ist es was ich an ihm liebe. Diese jede seiner Phrasen durchdrungene Lust am Theater, am Ausdruck. Oder wie Thomas Mann unvergleichlich über Schiller schreibt: "Lust am höheren Indianerspiel". Routine ist ihm fremd gewesen. Vielleicht kommt diese Affinität dazu, auch aus den hunderten von gähnend langweiligen Opernaufführungen die ich in den letzten Jahren erlebt habe. Da es heute offenkundig schon ausreicht, eine Partie zu bewältigen. Die identifikatorische Dimension muß da unter der Last der Anforderungen zumeist auf der Strecke bleiben.


    Und natürlich greift, wer eine Belcanto-Gralserzählung sucht, eher zu Konya, Urlus oder Völker.


    Liebe Grüße


    Gino

    Im Verhältnis zur Musik ist alle Mitteilung durch Worte von schamloser Art.
    Friedrich Nietzsche

  • Hallo Gino,


    ich kann Deine Argumente verstehen und auch nachvollziehen, zumal dann, wenn man jetzt nicht nur die Stimme, sondern auch die Bühnenpräsenz von Sängern einbezieht. Ähnliche "Theatertiere" wie Lorenz dürften auch Sänger und Sängerinnen wie George London, Anja Silja oder Leonie Rysanek gewesen sein. Ich selbst habe Frau Rysanek nur ein einziges Mal auf der Bühne gesehen, anläßlich ihrer Abschiedsvorstellung im März 1996 in Hamburg. Obwohl diese "Elektra" wirklich nicht schlecht besetzt war (Janis Martin, Inga Nielsen, Franz Grundheber), ragte ihre Leistung als Klytemnästra derartig stark heraus (und sie war bei erstaunlich frischer Stimme!), daß ich bei ihrem Auftritt einfach vergaß, daß ich Zuschauer einer Opernaufführung war. Ich wurde regelrecht hineingesogen in das Geschehen und am Ende hatte ich ganz schweißnasse Hände vor Aufregung. Auch wenn es vielleicht vokal bessere Klytemnästren gab oder gibt, so hat mir Frau Rysanek mit den nicht unerheblichen Resten ihrer Stimme und ihrer unvergleichlichen Präsenz doch mein bisher größtes Opernerlebnis geschenkt. Insofern verstehe ich Deinen Einsatz für Lorenz und nehme ihn als Mahnung, daß man die Lebensleistung von Sängern fairerweise nicht nur nach ihren akustischen Hinterlassenschaften beurteilen sollte.


    Grüße


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Ariadne Wiener Staatsoper 1944 -und nichts anderes wird auf die Insel mitgenommen!!!!
    Als bekennender Callas-Wittwer und Fritz-Jünger muss ich sagen:
    Es gibt nichts besseres!
    Nicht nur die Umstände (in Anwesenheit des Komponisten zu seinem 80.), Dirigent Karl Böhm, die schaurige Vorstellung der nahenden Bombenzerstörung der Oper.....aber dann sind da Maria Reining und Max Lorenz. Was diese Sänger an Stimmschönheit, Kraft, Intensität und wahrer Größe hier zeigen, ist unbeschreiblich. Auch die anderen Partien sind gut bis sehr gut besetzt. Auch die Qualität (live 44) ist beachtlich. (Preiser Records). Sieh nach bei Gino (oben)
    Eine Lehrstunde des Gesangs, der Oper.
    Widerspruch???? Nein???? Ist auch nicht möglich!
    :stumm::stumm::stumm:

    Einmal editiert, zuletzt von nobisotti ()

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  • Bei dieser Aufnahme kann man nicht widersprechen, Alda Noni noch als Zerbinetta, und Irmgard Seefried und Paul Schöffler als Komponist und Musiklehrer.


    Habe diese Aufnahme noch auf der 3er LP Gesamtaufnahme


    Alda Noni hat sich ja, nach 1945, rasch nach Italien, verabschiedet?!


    Liebe Grüße Peter aus Wien. :jubel: :jubel: :jubel: :hello: :hello:

  • Lauritz Melchior, Max Lorenz und Svet Svanholm galten als die überzeugendsten Wagner-Tenöre ihrer Zeit. Interressant ist, dass Melchior und Lorenz den gleichen Gesangslehrer hatten, nämlich Ernst Grenzebach, der später auch Peter Anders ausbildete. Lorenz war eine dominierende Bühnenerscheinung mit suggestiver Ausstrahlung und zwingender Bühnenpräsenz. Seine Mimik, Gestik und Körpersprache wirkte gelegentlich forciert und plakativ aufgesetzt. Der Sänger hatte eine ungeheure stimmliche, metallische Strahlkraft, mit einem hellen, sofort erkennbaren Timbre. Durch seine exzellente Stimmtechnik kannte er keinerlei Höhenprobleme. Selbst das für Heldentenöre oft schwer erreichbare hohe C meisterte er mühelos. Natürlich war er in erster Linie ein Wagner-Sänger, erzielte aber auch große Erfolge in Verdi- und Puccini-Rollen. An der Wiener Staatsoper soll Lorenz wesentlich öfter andere Partien als Wagner gesungen haben. Mit Lauritz Melchior, der fast ausschließlich auf Wagner festgelegt war, alternierte er oft.
    Warum polarisiert Lorenz bei all seinen aufgezeigten Qualitäten ? In den kompetenten Analysen in diesem Thread wurden Gründe dafür bereits deutlich aufgezeigt. Wahrscheinlich ist es das immer ektatische, expansive, robust-kräftige Singen, das die Opernfreunde, denen Volumen und Größe einer Wagner-Stimme das Wichtigste ist, begeistert. Dagegen wirkt er offenbar auf Hörer, die Wert auf sensibleren, differenzierteren und variableren Ausdruck legen weniger überzeugend. Wortverständlichkeit und klare Diktion sind hohe Sängerqualitäten. Sie dürfen jedoch wie bei Lorenz nicht auf Kosten der Gesangslinie übertrieben werden.-- Aber wie froh wären wir, wenn wir heute nur einen Heldentenor vom Format, der Stimmkraft und der sängerischen Beständigkeit hätten, die Lorenz auszeichnete. Authentizität und Intensität sind also dias Markenzeichen des großen Künstlers. Insofern ist der Titel des Threads: "Wagner wahrhaftig" treffend gewählt.
    Bei allen kontroversen Diskussionen: Max Lorenz geht in die Operngeschichte als einer der größten Wagnertenöre ein.
    Herzlichst.
    Operus
    .

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Zitat

    Zitat operus
    Dagegen wirkt er offenbar auf Hörer, die Wert auf sensibleren, differenzierteren und variableren Ausdruck legen weniger überzeugend.


    Und genau hier setzt meine Lorenz-Kritik denn auch an. Kurz: Ich finde diesen Sänger unerträglich. Er würde heute, sänge er so, wie es die Dokumente darlegen, auf keiner Provinzbühne mehr geduldet.
    Lorenz hat ein fabelhaftes Material, seine Stimme klingt leuchtend und doch stählern, vom Klang her ein Heldentenor, wie man sich ihn vorstellt.


    Was er mit der Stimme aber anstellt, ist grauenhaft. Es ist Freistilsingen. Man nehme sich nur einmal den Klavierauszug oder die Partitur zum Vergleich. Da geht es nicht um einzelne Freiheiten wie das Anschleifen eines Tons. Es geht um ganze Phrasen, die zurechtgesungen werden, um Notenwerte, die nicht annähernd beachtet werden. Das ist dem Komponisten gegenüber ein völlig respektloses Singen, das ich aus voller Überzeugung ablehne. Das ist nicht "Wagner wahrhaftig", das ist "Wagner willkürlich".


    Die jenseitigste Leistung bietet Lorenz aber in Gottfried von Einems "Prozeß". Gleich zu Beginn verlangt Einem eine rhythmische Deklamation auf einem Ton. Lorenz kann nicht nur den Rhythmus nicht halten, er umsingt den Ton auch permanent, mal etwas höher, mal etwas tiefer. Man kann nicht argumentieren, er wäre hier schon am Ende seiner Karriere. Einen Ton in Mittellage halten zu können, hat nichts mit dem Alter zu tun. Und wenn doch, dann hat Lorenz den Zeitpunkt seines Abtritts eben verpaßt.


    :hello:

    ...

  • Heute abend gibt es im ARD Festival TV ein Porträt von M.Lorenz.


    Ich selber habe über ihn (etwas abgemildert) die gleiche Meinung wie

    Edwin.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Falls es interessiert, hier einige Informationen zu der von Herbert genannten Fernseh-Sendung über Max Lorenz:


    Wagners Meistersänger - Hitlers Siegfried
    Auf den Spuren von Max Lorenz
    Sendetermin: 27.07.2008, 20:35 Uhr
    Ein Film von Eric Schulz


    Zitat

    Max Lorenz war der bedeutendste Wagnertenor seiner Zeit. Sein 'Siegfried' machte ihn zum führenden Protagonisten auf der Festspielbühne in 'Hitlers Bayreuth'. Vielen Nazis war er wegen seiner Ehe mit einer Jüdin und seiner Homosexualität allerdings ein Dorn im Auge. Sein Ausnahmerang sicherte ihm in der Not immerhin den Schutz von ganz oben: als ihm aufgrund homosexueller Umtriebe der Prozess gemacht wurde, befahl Hitler, das Verfahren auf Eis zu legen. Hermann Göring wiederum stellte Lorenz und seiner jüdischen Frau ein Protektionsschreiben aus, nachdem SS-Leute mit einem Deportationsbefehl vor der Tür standen.


    Die Geschichte von Max Lorenz ist eng verknüpft mit der Geschichte des Hauses Wahnfried in Bayreuth von Weimarer Zeiten bis hinein in die Bundesrepublik. Auf seinen Spuren zu wandeln bedeutet, ein Stück Zeitgeschichte aus dem Blickwinkel einer schillernden Künstlerpersönlichkeit zu betrachten. Die Fernsehdokumentation über den Ausnahmesänger gibt Auskunft über Heldenideal und Wagnerdarstellung der damaligen Zeit, sucht Antworten auf Fragen zur Karriere von Max Lorenz während des Dritten Reiches und berichtet über Komplikationen, denen er ausgesetzt war.


    Im Mittelpunkt des Portraits steht der Sänger Max Lorenz. Der Film zeigt ihn in Archivaufnahmen, die einen Zeitraum von vier Jahrzehnten umspannen. Darüber hinaus kommen zahlreiche Bühnenkollegen und Zeitzeugen zu Wort: Dietrich Fischer-Dieskau, der Lorenz von früher Jugend an bewunderte und schließlich selbst mit ihm auf der Bühne stand. René Kollo, der seinen Vorgänger für den 'wohl bedeutendsten Wagnertenor' hält, die Sopranistin Hilde Zadek und der Tenor Waldemar Kmentt, die Lorenz als Kollegen über viele Jahre hinweg erlebten, aber auch die Tänzerin Lieselott Tietjen, Witwe des mächtigsten Theatermannes unter den Nationalsozialisten: Heinz Tietjen. Sie alle und noch weitere Interviewpartner sind außerdem stets dabei, wenn Max Lorenz singt: sie lauschen im Film simultan seiner Stimme, wobei die Kamera dabei Reaktionen und Kommentare der einzelnen Zuhörenden festhält. Die Kunst von Max Lorenz, Zeugnis einer längst vergangenen Ära der Operngeschichte, wird auf diese Weise zur faszinierenden Gegenwart.


    Sendetermine:
    Sonntag, 27.07.2008, 20:35 Uhr
    Sonntag, 03.08.2008, 14:55 Uhr


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

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  • Hallo Herbert,
    vor allerm, glaube ich, muß man mit dem Irrglauben aufräumen, es sei eben der Stil der Zeit gewesen, neben den Noten zu singen. Unabhängig davon, ob man die Interpretationen nun mag oder nicht, höre man sich etwa Svanholm an oder Aldenhoff oder Suthaus oder gleich Melchior: Da gibt es minimale Freiheiten im Rahmen der Interpretation, aber sie bleiben am Notentext dran und singen nicht willkürlich Hochtöne, wo Wagner sie nicht vorsieht etc. etc. Ich glaube sogar, daß Lorenz' schlechtes Beispiel daran mitschuld ist, wenn man heute glaubt, früher wurde permanent neben den Noten gesungen.
    :hello:

    ...

  • Lieber Edwin,
    mich stört auch das herausstoßen von Tönen, die meist zu hoch
    intoniert sind, um seine Heldenhaftigkeit zu unterstreichen, dazu kommt noch häufiges unmotiviertes Atmen um für jede Note durch Überdruck die höchste Lautheit zu erzeugen. Als Pluspunkte möchte ich sein ekstatisches, hingebungsvolles interpretieren und seine deutliche Aussprache erwähnen, beides ist ja bei Wagners Opern und Musikdramen nicht ganz unwichtig.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Lieber Herbert,

    Zitat

    und seine deutliche Aussprache


    Aber die war ein Zug der Zeit. Ich wundere mich oft, wenn ich ältere Aufnahmen höre, wie deutlich artikuliert wurde, manchmal so deutlich, daß man sogar Akzente (wie Svanholms schwedischen) erkennen konnte. Erst nach 1945 wurde die Aussprache einige Zeit undeutlicher (vielleicht, um bei Wagner den Text bewußt zu verschatten), um in letzter Zeit wieder an Gewicht zu gewinnen.
    :hello:

    ...

  • Max Lorenz finde ich absolut grauenhaft - neben seinen Wagnerpartien ist es vor allem der Herodes, der mir die Schuhe auszieht. Eine derartig schlampige, unpräzise und willkürliche Darbietung ist selten. Dazu dieser vokale Überdruck und die affektierte Ausdrucksweise - da nutzt das beste Material nix, um sowas zu retten.


    Als Josef K. habe ich ihn noch als ganz ordentlich in Erinnerung (zumindest im Vergleich zu anderen seiner Rollen...) :wacky:

  • Lieber Alviano,

    Zitat

    Als Josef K. habe ich ihn noch als ganz ordentlich in Erinnerung


    Ich ursprünglich auch. Dann sagte ein sehr gut hörender Kritiker, dem ich sozusagen meine Anfänge verdanke, etwas in der Richtung, daß Lorenz den "Josef K." zerstört habe, worauf ich mir das Ganze mit Partitur anhörte - es ist unglaublich, was da alles passiert. Phrasen werden höher oder tiefer gelegt, um ganze Viertel versetzt gebracht etc. etc. Unfaßbar, daß es ein Sänger wagt, den Notentext derart zu mißachten. Ich gebe aber zu, daß der Herodes noch schlimmer ist. Und das will etwas heißen.
    Außerdem wurde mir von älteren Opernbesuchern versichert, Lorenz' Darstellung sei an der Grenze zur Lächerlichkeit gewesen, nämlich stocksteif, plötzlich maßlos outrierend, wobei man bei der Einheitsgeste für Trauer, Verzückung und Ekel stets zu Kichern begann: Lorenz pflegte als Zeichen höchster emotionaler Anteilnahme die Hand mit dem Handrücken schwungvoller Geste zur Stirn zu führen und dann gen Himmel zu starren. Es soll urkomisch gewesen sein...
    :hello:

    ...

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  • In meinem Beitrag zur Dikussion über Max Lorenz habe ich versucht, Plus- und Minus des Sängers aus meiner Sicht darzustellen. Natürlich stimmt der ungenaue Umgang mit den Notenwerten und das sehr "freie Singen". Das war ein allgemeines Problem in dieser Zeit . Auch andere renommierte Sänger haben sich damals mehr um Ausdruck als um Genauigkeit gekümmert. Eine so pauschal vernichtende Kritk, wie sie einge Taminos formulieren, hat Lorenz m. E. nicht generell verdient. Zur Stützung meiner Thesen hörte ich mir Ausschnitte aus dem "Rienzi" unter Johannes Schüler(1941) und dem Live-Mitschnitt der "Götterdämmerung" bei den Bayreuther Festspielen unter Keilberth 1952 an. In beiden Aufnahmen singt Lorenz höchst achtbar. Wird unsere kritische Einstellung zu diesem Sänger nicht auch davon beeinflusst, dass er in einem schwierigen, dunklen Kapitel der Bayreuther Festspiele einer der Protagonisten war? Laut Ankündigung im Forum gibt es zur Zeit sogar Fernseh-Sendungen mit dem Titel "Max Lorenz - Hitlers Siegfried". Ich glaube, da schwingt sicherlich berechtigt ein gewisses Unbehagen in unseren Beurteilungen mit. Nicht vergessen werden sollte auch, dass Lorenz nach Beendigung seiner aktiven Sängerlaufnbahn ein erfolgreicher Gesangslehrer war, der Tenöre wie James King, Jess Thomas und Jean Cox unterrichtete.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Zitat

    Original von operus
    Wird unsere kritische Einstellung zu diesem Sänger nicht auch davon beeinflusst, dass er in einem schwierigen, dunklen Kapitel der Bayreuther Festspiele einer der Protagnisten war?


    Klar - deswegen gefällt mir auch der Dirigent Clemens Krauss ausgesprochen gut - weil der so ein überzeugter Antifaschist war.


    Ich finde das Gesinge von Lorenz fürchterlich - und das hat nix damit zu tun, dass er sich mit Statisten in den Bayreuther Kulissen vergnügt hat oder der "Führer" Lorenz gut fand, ganz bestimmt nicht.

  • Nein, das hat nichts mit Lorenz' Umgang mit diversen Verbrechern zu tun. Es hat mit Lorenz' Umgang mit dem Notentext zu tun. Ich erinnere mich an z.B. ein Rienzi-Gebet (ob in der Schüler-Aufnahme weiß ich nicht mehr), in dem Lorenz lustig brüllend auf hohe Töne hinaufschliff - die leider nicht so notiert sind. Scheußlich gesungen und mit dem falschen Ton als Ziel obendrein - nein, das hat mit Gesangskunst nichts zu tun. Es hat auch mit Hitler nichts zu tun. Es manifestiert sich ausschließlich der grenzenlose Egoismus eines Sängers von begrenzter Musikalität.
    Es stimmt auch nicht, daß solche Praktiken bei anderen ebenfalls Usus gewesen wären. Svanholm etwa schmeißt von Zeit zu Zeit, aber er singt nie Freistil, Melchior (den ich nicht sonderlich schätze) singt ebenfalls nicht willkürlich, Treptow (für mich auch kein idealer Heldentenor) bleibt sehr genau an den Noten, wenn er eine nicht korrekt singt, dann weil die Stimme nicht anspricht.
    Für Kritik, wie Alviano und ich sie geäußert haben, automatisch unseren Antifaschismus verantwortlich zu machen, ist etwas zu einfach.
    :hello:

    ...

  • Zumal Max Lorenz in seiner zeitlichen Eingebundenheit ins 1000 jährige Reich ja auch ein Sonderfall war: mit einer Jüdin verheiratet und homosexuell hätte er eigentlich eine Persona non grata sein müssen, konnte aber aufgrund von Protektion von höchster Stelle bleiben und vermutlich genau den Wagnergesang bieten, den das damalige NS-Publikum hören wollte. Ich persönlich bin in meiner Beurteilung von Max Lorenz eher gespalten: die Stimme empfinde ich als hässlich, den Vortrag oft weit jenseits des guten Geschmacks (und der Noten), bisweilen unfreiwillig komisch. Dennoch haben viele seiner Aufnahmen irgendewtas: es ist überrumpelnd, im maßlos übertriebenen schon teilweise faszinierend. Übrigens hielt er sich in seinen ganz frühen Aufnahmen stärker an den Notentext. Da kamen dann vokale Schwächen deutlich hervor.Vielleicht wollte er diese durch sein grenzenloses Outrieren auch nur kaschieren.


    Gruß
    Dieter

  • Hallo Alviano,
    wie kommst du darauf, dass Clemens Krauss, der für seine Musiker "judenfreie" Wohnungen benötigte, Antifaschist war ???
    Das Max Lorenz "frei nach Schnauze" sang, ist im "Tristan" unter de Sabata zu erleben....jedoch ist er für mich trotz seiner Meriten, die ich als Dirigent nicht tolerieren würde, ein "echter" Heldentenor im Gegensatz zu manchen "Pseudo-Heldentenören", die sich beweisen mussten, "wie toll sie sind".
    :hello: Heldenbariton

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

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  • Zitat

    Original von heldenbariton
    Hallo Alviano,
    wie kommst du darauf, dass Clemens Krauss, der für seine Musiker "judenfreie" Wohnungen benötigte, Antifaschist war ???


    Ich fürchte, mitunter muß man das Warnschild "Sarkasmus" fett gedruckt über die Beiträge stellen...

  • Was ist an Max Lorenz denn bitte mehr Heldentenor als etwa an Wolfgang Schmidt, außer, dass er sich traute, wild drauf los zu schreien und einfach nicht heiser wurde !? Der Sänger, der Max Lorenz unter den Nachgeborenen am ähnlichsten war, war m.E. Gerhard Stolze, der allerdings beim Mime blieb und dessen Tristan-Projekt nicht zustande kam. Max Lorenz hatte eine "brüchige" Mittellage, keine Tiefe und eigentlich nur laute hohe Töne. Mezzavoce oder ähnliche Finessen sucht man bei ihm vergeblich. Ich bezweifle, dass er heute seine Karriere wiederholen könnte.

  • Zitat

    Original von Armin Diedrich


    Ich fürchte, mitunter muß man das Warnschild "Sarkasmus" fett gedruckt über die Beiträge stellen...


    :rolleyes:

  • Um auch einen aktuellen Höreindruck von Max Lorenz zur Diskussion hier beisteuern zu können, habe ich mir die Aufnahme der "Aida", die 1952 beim HR entstanden ist, angehört.


    Alle hier bereits benannten Probleme lassen sich auch in dieser Aufnahme wiederfinden. Die Stimme ist, das ist auch mein subjektiver Eindruck, vor allem in der Mittellage und der Tiefe gänzlich unattraktiv. In der Tiefe hat Lorenz keine Reserven, die Stimme ist insgesamt eher grobkörnig und leicht unruhig.


    Schwerer wiegt der gesangliche Freistil des Tenors. Das von Edwin beschrieben Phänomen, dass der Sänger bei Passagen, die auf der gleichen Note notiert sind, diese nicht zu halten vermag, ist auch bei diesem Radames zu erleben. Zielnoten nach unten werden nur eiernd erreicht, auch da hört man mehr als einen Ton, die Intonation ist mehr als fragwürdig. Jenseits aller Toleranz ist das Zurechtrücken von Notenwerten - Lorenz singt frisch drauf los und muss dann sehen, dass er mit seinem Text irgendwie hinkommt. Bei der Arie "Holde Aida" zerhaut der Sänger mit Zwischenatmern fast jede Phrase, manche Wortbildung wird geradezu knallig, auf Kosten der korrekten Töne, angeschleift und ausgestellt.


    Die Höhe wirkt nicht immer frei - aber die Kraftreserven sind tatächlich beachtlich, wenn ein "con forza" notiert ist, muss man sich bei Lorenz keine Sorgen machen, dass er das auch genauso bringt, "schön" ist allerdings anders und eine mezzavoce (oder vergleichbare Feinheiten) gibts gar nicht, bestenfalls wird an zwei Stellen, eine davon als "pp" notiert, ein hässliches Falsett bemüht.


    Jetzt ist das keine Ausnahme, sondern eine typische Max-Lorenz-Darbietung, mein Fall ist das nicht.

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  • Besagte Sendung ist mittlerweile auch bei youtube zugänglich gemacht worden (fragt sich natürlich, wie lange):


    Die Stichworte "max lorenz dokumentation" führen zu der durch fünf geteilten, m. E. sehr interessanten Dokumentation.


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões


  • Darüber hinaus ist sie als DVD erhältlich, um ein sehr interessantes Dokument ergänzt: "Siegfried"-Ausschnitte aus einer Aufführung unter Erich Kleiber in Buenos Aires - womit jetzt alle erhaltenen "Ring"-Aufnahmen dieses Dirigenten auf CD vorliegen.

  • Zitat

    Original von operus
    Eine so pauschal vernichtende Kritk, wie sie einge Taminos formulieren, hat Lorenz m. E. nicht generell verdient. Zur Stützung meiner Thesen hörte ich mir Ausschnitte aus dem "Rienzi" unter Johannes Schüler(1941) und dem Live-Mitschnitt der "Götterdämmerung" bei den Bayreuther Festspielen unter Keilberth 1952 an. In beiden Aufnahmen singt Lorenz höchst achtbar.


    Ich finde auch, daß das überaus beeindruckend klingt.


    Bei dieser Dokumentation "Wagners Meistersänger" irritierte mich allerdings, daß alle der interviewten ehem. Sänger Lorenz konkurrenzlos dastehen sahen - und was ist mit Lauritz Melchior, fragte ich mich?


    Als Person ist Lorenz wirklich interessant, zumal er sich gegen den Nazi-Wahnsinn durchsetzen konnte, was die Treue zu seiner jüdischen Frau anbelangt - eine große Leistung in dieser Zeit.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Für viele Opernfanatiker (mich auch ab und zu) ist diese Überraschungswirkung bei originalwidriger Interpretation durch unerwartete Höhe Note etc. wirklich reizvoll, aber diese als großen Irrtum bei Darbietung der Wagners Stücke gebe ich hier auch vollkommen zu, Wagner ist kein Rossini oder Vivaldi.


    Auch bei dem nicht mehr jung seienden aber doch etwas spät als Wagnertenor gewordenen John Treleaven findet man deutlich dieses "Freistilproblem", er kann jede Note gut bis auf als original komponiert...und als Siegfried hat er im ersten Akt eine Mime-stimme, im zweiten Akt ein Siegmund-stimme, dann im letzten Akt wieder ein Loge-Stimme :D Manchmal bin ich auch sehr gewundert, wieso so ein Wagnertenor den Weltruhm errungen könnte...


    Manchmal hat dies mit Alter zu tun, der ehemalig kompetente Wolfgang Neumann wieder als Siegmund und Loge vor einigen Jahren muss immer auf die mittelhohe Note hinaufrutschen. In der Aufnahme Salome aus 50er sollte Lorenz schon mit Stimmproblem behaftet sein.

    Soll er dir noch so viel Atem lassen, als 'en Altweiberfurz, soll ich?

  • Ich erlebte Woflgang Neumann vor ca. 4- 5 Jahren in einer eindrucksvollen Tristan-Inszenierung in Mannheim. Da war er stimmlich für mich eine Entdeckung. Ohne Ermüdungserscheinungen, mit großer, gut geführter Stimme, die alle Ansprüche an einen Wagner-Helden erfüllte, sang er die Riesenpartie. Selbst die Fieberszenen gelangen ausgezeichnet. Von dem "Heraufschleifen" der Töne, die Xing Wang reklamiert, merkte ich nichts Aber auch meine bessere Hälfte, die fast jeden Fehler (nicht nur bei mir bemerkt) hatte nichts zu "meckern" Das ist aber oft die "Gnade" der Live-Aufführung und einer bei mir beginnenden Alterschwerhörigkeit. Vielleicht war Neumann im Zusammenspiel mit der jugendlichen Isolde etwas steif.
    Meine Frau und ich waren so angetan, dass wir in die Kantine des Mannheimer Ntionaltheaters gingen. Dort sprach ich lang mit Günter Neumann, versuchte dann auch, ein Interview zu basteln. Leider wurde das von keiner Zeitung veröffentlicht.
    Herzlichst
    Operus
    Die Höflichkeit und Fainess erfordert eine persönliche Ergänzung: Ich liebe meine Frau, auch wenn ich manchmal "schnoddrig" formuliere. Sie ist auch musikalisch meine beste Beraterin.

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

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