Liebe Forianer,
nein er war eigentlich kein Wiener, mein Lieblingsdirigent Karl Böhm. Der gelernte Jurist (sein Vater bestand darauf, daß er "etwas Ordentliches" lernen müsse, bevor er sich der Musik widmen dürfe, war Grazer, beherrschte aber das Wiener "Schönbrunner-Deutsch", daß selbst ich, ein geborener Hietzinger (aus diesem Wiener Bezirk stammt dieser Akzent) vor Neid erblassen muß.
Der Titel ist euphemistisch, den Böhm war in seinen mittleren Jahren durchaus berühmt, zum "Mass aller Dinge" in Sachen Mozart wurde er jedoch erst im Alter. Das vor allem weil er der langlebiste, oder auch der "jüngste der alten Garde war, und so machte er im Stereo-Zeitalter wesentlich mehr aufnahmen, als etwa Josef Krips oder Bruno Walter, ebenfalls zwei Mozart-Giganten. In seinen letzten Jahren genoss er speziell in Wien fast göttergleiche Verehrung, und wurde von vielen Karajan bei weitem vorgezogen (angeblich auch in Japan).
Böhm war auch im hohen Alter kein "Tattergreis" sondern ein Dirigent, der wußte was er wollte, und der das auch nörgelnd, grantelnd durchsetzte. Meiner Meinung nach ist sein Mozart beispiellos und konnte IMO bisher von niemandem glaubhaft substituiert werden.
Aber auch als Richard Strauss-Dirigent machte er sich einen Namen.
Interessant ist, daß selbst jene, die ihn nicht so mögen, seine Wagner- und Bruckner-Interpretationen loben.
Sein Brahms ist ja teilweise bereit gestrichen.
Auch von seinem Haydn ist kaum mehr was im Katalog, was schade ist, weiler war ausgezeichnet.
Für weit unterschätzt halte ich jedoch seinen Beethoven, der zwar im krassen Gegensatz zu heutigen Interpretationen steht, aber trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb unverzichtbar für mich ist. Durchaus kräftig und energisch, dabe trotzem klangschön und weich, ein Widerspruch an sich, und trotzdem: Böhm macht dieses Paradoxon möglich. Mit fallen hier einige weitere Attribute zu Böhms Dirigat ein:
"triumphierend", "strahlend", "tänzerisch", "geschmeidig", niemals jedoch bei allem "drive" kantig oder rauh.
Was ich nicht verstehe, ist daß er keinen Mahler aufgenommen hat, der hätte ihm eigentlich liegen müssen.....
Freundliche Grüße aus Wien
Alfred