Don Giovanni – Pfingstfestspiele Baden-Baden am 26.05.2013

  • Vorgeschichte:
    Vor etwa einem Jahr habe ich „Die Hochzeit des Figaro“ in Baden-Baden, mit Anna Netrebko (Gräfin) und Erwin Schrott (Graf) sowie einer guten Besetzung in den anderen Rollen, gebucht. Eines Tages erhielt ich die Mitteilung, dass Frau Netrebko nicht Willens ist und/oder sich nicht in der Lage fühlt diese Rolle zu singen. Statt einer Umbesetzung wurde dann gleich die ganze Oper getauscht. Obwohl zwei Jahre vorher in Baden-Baden ein hervorragender konzertanter Don Giovanni gegeben wurde, wurde wieder diese Oper, aber diesmal szenisch ins Programm genommen.


    Auf dem Weg nach Baden-Baden habe ich eine Kritik im Internet, gelesen in der die gesangliche und darstellerische Leistung aller Sänger so gelobt wurde, dass ich mit einer Jahrhundertaufführung rechnen durfte. Auf dem Rückweg hat mir die Bahn heute netterweise eine FAZ spendiert, in der ein Bericht dieser Aufführung stand. Dazu später mehr –erst einmal zur Inszenierung von Philipp Himmelmann:


    Das Bühnenbild bestand im wesentlichen aus einem Baum im Winter, einigen Stühlen und diversen Marmorfiguren, die auf der großen Bühne verteilt waren. Bedeutend war noch ein Sternenhimmel (Vorhang) und dahinter ein gleicher, er allerdings segmentweise geöffnet werden konnte (Türen, Durchgänge und Fenster in einem Haus).


    Die Kostüme waren neuzeitlich und als Requisiten sind zu nennen: Eine Pistole, ein Akten-Rollkoffer, darin Aktenordner, eine Digitalkamera sowie Weinflaschen und Drogen (Pillen) für die Feier in Don Giovannis „Villa“ bzw. Popcorn- und Chipstüten und wieder Wein für das Essen mit dem Comtur.


    Leporello, hervorragend gesungen und gespielt durch Luca Pisaroni, hätte eigentlich in Digitalo oder Aktero umbenannt werden müssen. Statt die Eroberungen von Don Giovanni in einem Leporello zu notieren, hat er von allen Frauen Akten mit Photos hergestellt und diese in Ordnern archiviert, die er in dem Rollkoffer fast die ganze Zeit hinter sich her zog. Donna Elvira fand ihre Akte mit Photo, einer Kette und einem Slip in einem der Ordner. Einige Szenen mit Leporello waren so amüsant, dass es
    zumindest teilweise auch etwas zu lachen gab.


    Erwin Schrott hatte als Don Giovanni wohl die Regieanweisung bekommen, bei jeder Frau, die in Reichweite ist, alle Körperregionen unsittlich zu berühren und diese Frauen intensiv zu küssen und zwar so oft wie nur irgend möglich. Dies hat er mit einer grandiosen Leistung und Intensität umgesetzt, selbst dann wenn es gar nicht in die Szene passte. In der FAZ war ein Bild von Erwin mit seiner Anna (innige Umarmung) mit folgender Bildunterschrift: „Zur Sache, Schätzchen: Anna Netrebko (als Donna Anna) und Erwin Schrott (als Don Giovanni) in Don Giovanni, erster Akt – der Komtur ist da schon tot.“


    Erwin Schrott hat eine schöne Baritonstimme, der aber die Anpassungsfähigkeit an die Szenen fehlte. Zum Beispiel vermisste ich einfach den Schmelz in der Stimme, der zu dem Ständchen unter dem Fenster gehört. Schön anzusehen in dieser Szene war eine Akrobatin, die sich von oben an einem Schal herunter turnte. Nach der Arie hat das Publikum begeistert geklatscht – ich auch, denn das hatte die Akrobatin wirklich verdient.
    Zur Darstellung des Don Giovanni zitiere ich noch einmal die FAZ: „Mit wenigen stereotypen Gesten macht Schrott aus dem berühmten Verführer einen billigen Strizzi. ......... Rasch taucht die Frage auf, was Donna Anna und Donna Elvira an dem Flachmann so interessant finden.“
    Natürlich hat Don Giovanni die Akrobatin ausgiebig befummelt und lang anhaltend geküsst, selbst bis in die nächste Szene hinein.


    Die anderen Sänger Malena Ernman als Donna Elvira, Charles Castronovo als Don Ottavio, Jonathan Lemalu alsMasetto, Mario Luperi als Komtur und Katija Dragojevic als Zerlina sangen auf einem hohen Niveau. Darstellerisch hat mich Letztere am meisten überzeugt, während Masetto doch deutlich abfiel. (Deshalb durfte er wohl auch Zerlina selbst dann nicht befummeln, als diese ihn dazu aufforderte.)


    Nun zu Anna Netrebko als Donna Anna: Ihr Non mi dir… hat sie vor dem Vorhang gesungen. Das hat mich wirklich begeistert. Wobei eigentlich alle Arien, die vor dem Vorhang gesungen wurden, zu dem Besten dieser Aufführung gehörten.


    Bevor ich die sonstige Leistung der Anna Netrebko beurteile, möchte ich noch mal die FAZ zitieren: „Sie (Anna Netrebko) hatte sich nun mal den Don Giovanni (statt Figaro) in den Luxuskopf gesetzt, mit der Paradegockelrolle für Ehemann Schrott. Alle übrigen Partien (von Pisaroni abgesehen) sind mit Mittelmaß besetzt, damit um so heller der Stern des Ehepaars Netrebko/Schrott aufgehen möge. Zur Hälfte zu Recht!“
    Weder was das Mittelmaß, noch was die Netrebko betrifft bin ich mit der Frau Eleonore Büning (FAZ) einer Meinung. Natürlich hat die Netrebko alle anderen Teile der Oper auf allerhöchstem Niveau gesungen, leider allerdings oft auch sehr undeutlich und - das ist vielleicht mein spezielles Problem – mir hat ihre Darstellung nicht gefallen. Ihre CD’s und ihre Galas bzw. Arienabende gehören zu dem Besten das es gibt. Allerdings konnte sie mich selbst in den Opern, die einhellig bejubelt wurden (z. B. Traviata, Boheme oder Manon) nie vom Hocker reißen (gesehen als DVD oder im Kino).


    Wenn ich diese Aufführung mit der konzertanten von 2011 vergleiche, dann hat mir Letztere durchgängig besser gefallen. Die Interpretationen durch die Musik, Mimik und Körpersprache hat mich damals begeistert, diesmal nicht. Da das auch Luca Pisaroni betrifft, der ja in beiden Aufführungen mitgewirkt hat, liegt das vielleicht auch daran, dass ich die Interpretation der Musik von Thomas Hengelbrock mit seinem Balthasar-Neumann-Ensemble nicht so gut (weniger dramatisch, langsamer) finde, wie die von Yannik Nezet-Seguin mit dem Mahler Chamber Orchestra. Der Szenen-/ Arienapplaus war damals wesentlich lauter und länger.


    In Gesprächen (geführten und belauschten) in der Pause, nach der Aufführung und in der Hotelbar konnte ich feststellen, dass ich mit meiner Kritik an der Inszenierung und insbesondere auch an der Leistung von Anna Netrebko und ihrem Schrott nicht alleine war. Obwohl die überwiegende Mehrheit wohl begeistert war. Wobei ich nicht beurteilen kann, wie groß der Anteil der Leute war, die gedacht haben: „Da singt ja Anna Netrebko, dass muss ja gut sein!“



    Obwohl die Pfingstfestspiele für mich zur Tradition geworden sind, werde ich im nächsten Jahr nicht hinfahren. 270€ (Premiere 310€) für den Faust (Gounod) mit der Starbesetzung Netrebko/ Schrott (plus Charles Castronovo) ist mir eindeutig zuviel Geld.

  • Obwohl die Pfingstfestspiele für mich zur Tradition geworden sind, werde ich im nächsten Jahr nicht hinfahren. 270€ (Premiere 310€) für den Faust (Gounod) mit der Starbesetzung Netrebko/ Schrott (plus Charles Castronovo) ist mir eindeutig zuviel Geld.


    Eventuell wird es in Hamburg konzertant etwas günstiger: Anna Netrebko singt Gounods Marguerite

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Erwin Schrott hat eine schöne Baritonstimme, der aber die Anpassungsfähigkeit an die Szenen fehlte.

    Erwin Schrott ist KEIN Bariton sondern ein BASS, der aber auch Partien singt, die im Bass-Bariton-Fach angesiedelt sind. Reine Baritonpartien singt er klugerweise nicht. Der Don Giovanni kann ja von einem Bariton als auch einem Bass gesungen werden. Reine Bässe haben bei dieser Partie allerdings immer wieder Probleme im höheren Register. So wie eben auch Schrott.
    Der Leporello liegt ihm dann doch mehr. Das selbe gilt übrigens auch beim Figaro, der ihm stimmlich besser steht als sein verunglückter Conte Almaviva, bei dem er in Wien eklatante Probleme hatte. Die Verzierungen in der großen Arie bereiteten ihm enorme Schwierigkeiten und gelangen ihm überhaupt nicht.



    Obwohl die Pfingstfestspiele für mich zur Tradition geworden sind, werde ich im nächsten Jahr nicht hinfahren. 270€ (Premiere 310€) für den Faust (Gounod) mit der Starbesetzung Netrebko/ Schrott (plus Charles Castronovo) ist mir eindeutig zuviel Geld.

    Das sind allerdings gesalzene Preise. Wenn du die Netrebko als Marguerite sehen willst kannst du das auch locker weit unter 200 €. Nächste Saison zum Beispiel in Wien mit Beczala, Netrebko, Schrott und Eröd oder in der noch reizvolleren Besetzung des Royal Opera House in London - Calleja, Netrebko, Terfel, Keenlyside.


    Gregor

  • Abgesehen davon, dass ich sowieso kein Fan von der Netrebko und ihrem Herrn Schrott bin, glaube ich nicht, dass es billiger wird. Zumindest nicht in London. Für La rondine (Angela Gheorghiu, Sabina Puertolas, Charles Castronovo) habe ich 211 BP bezahlt und die Nebenkosten sind auch noch höher.


    Auch in Wien kostet es über 200 EURO. Dort kommt ja auch noch der Flug und natürlich die immens hohen Kosten durch meinen großen Kaffeekonsum dazu. In jedem kleinen Café ist der Kaffee ja fast so teuer wie auf dem Markusplatz.


    Konzertant in Hamburg wird auch nicht wesentlich billiger werden. Dort kann ich zumindest die Nebenkosten vernachlässigen.



    Das mit dem Bariton stimmt zwar, trotzdem habe ich ihn im Don Giovanni eher als Bariton empfunden.

  • Auch in Wien kostet es über 200 EURO. Dort kommt ja auch noch der Flug und natürlich die immens hohen Kosten durch meinen großen Kaffeekonsum dazu. In jedem kleinen Café ist der Kaffee ja fast so teuer wie auf dem Markusplatz.


    Aber nur, wenn man vergessen hat, die Reisekosten Venedig-Wien abzuziehen.

  • Konzertant in Hamburg wird auch nicht wesentlich billiger werden. Dort kann ich zumindest die Nebenkosten vernachlässigen.


    Habe gestern annehmbare Plätze in der Hamburger Musikhalle für regulär 25,- gekauft! - Kartenpreise der noch verfügbaren Kategorien: Euro: 165,00 / 135,00 / 105,00 / 65,00 / 35,00 / 15,00. Hat wohl auch damit zu tun, dass das NDR-Sinfonieorchester spielt, welches als Rundfunkorchester in seiner Preisgestaltung nicht vollkommen frei ist. Zum Vergleich: Im März 2014 kommt Simon Rattle mit den Berliner Philharmonikern nach Hamburg, Veranstalter ist Pro Arte und die Preisgestaltung (Kartenpreise: 229,00 / 189,00 / 139,00 / 97,00 / 20,00; zwischen den Partiturplätzen zu 20,- und der nächsthöheren Kategorie mit 97,- scheint es nichts weiter zu geben ...) würde ich als unverschämt bezeichnen! Z.B. auch für Welser-Möst und dem Cleveland Symphony (im Novenmber 2014 in Hamburg) zahle ich etwas über 20,- für Plätze, wo ich sowohl Orchester, als auch Dirigent sehen kann.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Ich muß hier auch ganz offen bekennen, schon ein paar mal in der Wiener Staatsoper gesessen zu haben, Ariadne mit Gruberova, Alcina mit Harteros, Rigoletto mit Ciofi, Salome mit Merbeth und Tosca mit Sümeji und Bruson, ich kann mich aber beim besten Willen nicht entsinnen 200 Euro für eine Karte bezahlt zu haben, nach meinem dafürhalten bewegten sich die Karten im zweistelligen Bereich unterhalb der 50 Euro Marke.

  • Lieber Sven,


    ich glaube, da irrst du dich. Ich war mit meiner Frau im September vorigen Jahres in der Wiener Staatsoper. Die Preise für die verschiedenen Vorstellungen begannen - auch ohne dass eine dieser heute berühmten Größen sang - bei allen bei etwa 50 € und gingen bis weit über 200 €. Und wenn du ins Internet schaust, wirst du das bestätigt finden.


    Liebe Grüße


    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Hallo.


    Es ist leider so, dass die Karten in der Preisgruppe 1 (oder a) in den großen Häusern und bei bester Besetzung im Bereich von 200 EURO liegen.
    Da ich auf eine bestimmte Art von Sitzen angewiesen bin, von denen es in allen Häusern nur wenige gibt und die fast immer Kategorie 1 oder 2 sind, muss ich solche Preise zahlen.
    Ich bin gerade aus München (Hoffmanns Erzählungen und Simon Boccanegra) zurück gekommen. In der Staatsoper gibt es für mich nur 2 sehr gute und weitere 2 gute Plätze. Einige andere sind akzeptabel. Alle sind in der Kategorie 2, d.h. in diesem Fall 143,50 €.


    In Wien, Mailand oder Baden-Baden hab ich eine größere Auswahl, allerdings ist das dann meist Kategorie 1 und mehr als 200€.


    Zum Ausgleich fahre ich dann gerne in die Provinz, da bekomme ich die selbe Sitzqualitaet manchmal schon für 20€


    Liebe Grüße


    Serse

  • Ich war mit meiner Frau im September vorigen Jahres in der Wiener Staatsoper. Die Preise für die verschiedenen Vorstellungen begannen - auch ohne dass eine dieser heute berühmten Größen sang - bei allen bei etwa 50 € und gingen bis weit über 200 €. Und wenn du ins Internet schaust, wirst du das bestätigt finden.


    Die günstigsten Karten kosten - je nach Kategorie - zwischen 11 und 15 Euro! Und das sind nicht nur Hörplätze sondern auch sehr oft Plätze mit recht guter Sicht. Auf über 200 Euro kommt man nur bei Bestplätzen bei Premieren, Neueinstudierungen oder Gala-Veranstaltungen.
    Es gibt auch sehr schöne Plätze die ca. 30 Euro kosten. Kann man ja im Internet leicht überprüfen.
    Ich habe das Gefühl ihr wollt nur auf den teuersten Plätzen sitzen und überseht daher absichtlich die günstigeren Karten. ;)


    Gregor

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