Unser Freund operus hat in einem Thread über den "Wildschütz" die Auffassung vertreten, dass Spielopern "für den Einstieg in die Opernwelt" ideal seien. Wenngleich mir der Gedanke gut gefällt, stelle ich mir die Frage, ob sie es wirklich sind, sein können? In meinem Falle ganz bestimmt nicht. Die erste Opernmusik, die ich bewusst wahrgenommen habe mit zwölf Jahren war die Ouvertüre zum "Fliegenden Holländer". Die sauste mit der Wucht eines Fallbeils auf mich herab. Ich war angesteckt, infiziert für mein Leben. Erst viel später, als ich alle Stücke von Wagner oder die Opern von Strauss sehr gut kannte - ich nenne hier nur diese beiden großen Beispiele - wurde ich auf Spielopern aufmerksam, die natürlich im Kontext immer mal wieder auftauchten in der Literatur, die sich mit Wagner und Strauss beschäftigte. Und die ich mit jugendlichem Hochmut überhaupt nicht richtig zur Kenntnis nahm. Erst später änderte sich das. Genau genommen sind es in vielen Fällen hochinteressante, mit sozialen Problemen vollgestopfte Werke. Der Gattungsbegriff Spieloper wird ihnen nicht gerecht, er haftet ihnen vielmehr an wie Pech. Diese Werke sind wegen ihrer oft einprägsamen Musik nicht eigentlich gefällig. In Berlin, wo ich wohne, ist Albert Lortzing, der den Ausgangspunkt des Themas bildet, geboren und gestorben. 2001 fielen sein 200. Geburtstag und sein 150. Todestag zusammen. Keines unserer drei Opernhäuser gedachte damals seiner mit einer Inszenierung, keines der vielen Orchester nahm eines seiner sinfonischen Werke ins Programm. Verleugnung sagt auch etwas aus, nicht nur über den Verleugneten. Dabei war Lortzing ein ganz armer Schlucker, ein Außenseiter, ein politisch engagierter Mensch, der Arbeiter und einen Streik auf die Bühne brachte - eine ganz typische deutsche Biographie, für die es in dieser Zeit, die so gern ihr soziales Gewissen vor sich her trägt, genug Ansatzpunkte für eine kritische Hinwendung gegeben hätte. Ich erwähne das, um die Kompliziertheit des Themas anzureißen. Und ich bleibe dabei: Werke, die gemeinhin als Spielopern gelten, sind nichts für Anfänger. Heute schon gar nicht. Ich vertrete die These, dass sie etwas für Fortgeschrittene sind. Obwohl ich das Genre sehr schätze, bin ich mir nicht sicher, ob es lebensnotwendig ist. Wer hält dagegen? Wer hat ganz andere Gedanken?
Lieber operus, ich hoffe, Du trägst mir nicht nach, dass ich Deine ehr beifällige Bemerkung mehr oder weniger kassiert habe. Allerdings mit Quellenangabe.
Es grüßt Rheingold