MUSIKTHEATER GÖRLITZ »Le nozze di Figaro«

  • Liebe Freunde und Mitglieder
    Ende Mai war in meinem heimatlichen Musiktheater die Premiere, sowie eine weitere Vorstellung von Mozarts "Figaros Hochzeit".
    Ich selbst war noch nicht drin und kann deshalb aus eigenem Erleben noch nichts berichten. Bis zur Sommerpause sind noch drei Vorstellungen. Wenn es mir terminlich paßt, werde ich dann persönlich berichten, ansonsten in der neuen Spielzeit. Hier aber schon mal für Interessenten die Rezension aus meiner regionalen "Sächsischen Zeitung":



    Ein Graf und viele Bräute


    Mozarts „Figaro“ ist in Görlitz eine Oper über einen anmaßenden Grafen. Eine anregende, bildstarke Inszenierung.


    Für Eckehard Stier war am Sonnabend die letzte Opernpremiere als Generalmusikdirektor am Gerhart Hauptmann Theater. Mit Mozarts „Le nozze di Figaro“ war es ein populärer Klassiker und der Jubel des Publikums für die Aufführung groß. Allerdings zogen die Sänger größere Begeisterung der Premierengäste auf sich, auch wenn Stier wie gewohnt eine schwungvolle Interpretation lieferte, das Ensemble zu einer grundsoliden Leistung führte und ein sicherer Helfer in brenzligen Situationen war.
    Auf der Bühne ist wieder einmal ein gut zusammen passendes, musikalisch und stimmlich insgesamt überzeugendes und spielerisch ambitioniertes Ensemble zu erleben. Allen voran das junge und sympathische Protagonistenpaar Figaro und Susanna. Beide sind in ihrer Ausstrahlung authentisch, dem rumänischen Bariton Geani Brad ist die Partie wie auf den Leib geschrieben und auch Laura Scherwitzl findet einen guten Weg zwischen flottem parlando und lyrischem Bogen, zwischen
    fideler Kammerzofe und liebender Frau.


    Der Graf im Zentrum
    Patricia Bänsch singt und spielt einen Cherubino, der in allem überzeugt. Sie zeigt einen schlaksigen jungen Mann, der immer gut aussieht und mit lyrischen Tönen zu betören vermag, sich dieser Wirkung dennoch immer unsicher ist. Barbarina, das Mädchen, das hier die Hand drauf hat und sich den Pagen angelt, wird von Anne Petzsch mit vielversprechender, ausdrucksstarker Stimme gesungen. Sehr überzeugend setzt sie dabei auch spielerisch Akzente. Gerade in ihrer Arie zeigt die Regie einen besonderen Akzent ihrer Lesart, zeigt die menschlich-tragische Konsequenz gräflicher Anmaßung.
    Sebastian Ritschel verantwortet, unterstützt von Britta Bremer und Ronny Scholz, Inszenierung, Ausstattung und Licht für diesen „Figaro“. Sein Hauptaugenmerk liegt, im Unterschied zu vielen anderen Interpretationen, auf dem „Grafen“.
    Ganz losgelöst aus historischen Zeiten, man trägt schwarz-weiße Abendgarderobe oder schwarz-weiße Diener-Livrée, ist es kein Konflikt Plebejer-Aristokrat, wohl aber Diener und Herr. Für den Grafen haben alle Frauen verfügbar zu sein, und er merkt nicht, wie er den Bogen überspannt, wie sich Widerstand formiert. Völlig überrascht ist er am Ende, wenn die Bediensteten knüppelbewehrt auf ihn los stürzen und der Galgenstrick bedrohlich in den rotglühenden Himmel fällt.
    Tim Stolte gibt den Conte d’Almaviva mit großer Noblesse und schön klingender Stimme, die ein reiches Gestaltungsspektrum zeigt. Konzeptionell konsequent ist er kein entbrannter Liebhaber, kein reumütiger Sünder, kein gefühls- oder Lustgetriebener, sondern kalkulierender Eroberer. Das macht es den Frauen an seiner Seite schwer, mehr zu sein als ein Eroberungsobjekt, das den eigenen Preis hochtreibt. Liebe, die Seitensprung und Kränkung vergibt und wie sie aus Mozarts „Contessa perdonno“ zu klingen scheint, ist nur schwer zu spielen. Audrey Larose Zicat ist die Contessa, die unter der Eifersucht ihres Mannes ebenso leidet wie unter seiner Gefühlskälte. Sie blüht auf, wenn Cherubino seine unbeholfene Liebeserklärung singt, verfolgt wild entschlossen und konsequent den Racheplan und wird dann doch liebevoll verzeihen.
    Ritschels bildgewaltige Inszenierung mit ihren überdeutlichen Symbolen, klaren Bildern und Farben, inzwischen ein Markenzeichen das in seiner Wiederholung Gefahr läuft, sich zu verbrauchen, beleuchtet interessante Aspekte der bekannten Geschichte. Bereits im Einstieg auf den letzten Ouvertürentakten wird er anmaßende Verfügungsanspruch des Grafen vorgeführt, der wie ein Damoklesschwert über Susanna hängt.Optisch herausgehoben wird er in den unterschiedlichsten Spielarten wiederkehrende Moment der Rache (Vendetta), die zum Handlungsantrieb wird. Da findet Ritschel neben den ausdrucksstarken Bildern auch immer zu spannenden Szenen und Figurenbeziehungen. Und es gelingt ihm, in der Mozartoper auch die heiteren Elemente zu entdecken, die er über die drei „Gauner“ Bartolo, Marcellina und Basilio ins Spiel bringt. Hier bewähren sich Stefan Bley, Gabriele Scheidecker und Michael Berner.


    Neue Perspektive
    Hans-Peter Struppe als Gärtner und der engagiert und genau spielende und homogen klingende Chor runden die gelungene und eindrucksvolle Opernproduktion ab. Auch der allbekannte „Figaro“ wird in einer eigenen, heutigen Sichtweise gezeigt. Ist es zu kritisieren, dass nicht alle dramaturgischen Ideen rundum schlüssig sind, dass die Akzentverschiebung von „Le nozze di Figaro“ auf „La vendetta di Conte“ manches übergeht, was sich der Opernliebhaber erwartet?
    Das Görlitzer Publikum applaudiert mit der neuen Inszenierung einer kontinuierlichen Entwicklung im Musiktheater und hofft, dass diese sich trotz des Chefdirgenten-Wechsels fortsetzt.
    Jens-Daniel Schubert
    Sächsische Zeitung, 27.05.2013


    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Hallo Chrissy.


    Vielen dank für die Kritik. Das hilft mir etwas zur Vorbereitung, da ich die Aufführung am 14.06. sehen werde.
    Selbst wenn alles klappt (keine Zugumleitungen wegen Hochwasser) habe ich leider nur wenig Zeit mir Görlitz anzusehen. Allerdings habe ich schon früher mal danach gefragt, wo man nach der Oper in gemütlicher Atmosphäre noch einen Wein trinken kann. Vielleicht kannst du mir auf diesem Wege einen Tipp geben.


    Liebe Grüße
    Serse

  • da ich die Aufführung am 14.06. sehen werde.

    Hallo Serse


    Na dann sage ich doch gleich mal "Herzlich willkommen" und wünsche Dir, bei hoffentlich gutem Wetter, einen angenehmen Aufenthalt in meiner Stadt und einen interessanten und schönen Opernabend. Bin schon jetzt auf Deinen Bericht gespannt.



    Allerdings habe ich schon früher mal danach gefragt, wo man nach der Oper in gemütlicher Atmosphäre noch einen Wein trinken kann.

    Keine Bange, das habe ich nicht vergessen. Ich hatte auf eine terminliche Mitteilung von Dir gewartet und mir gedacht, vielleicht ist es gewünscht und zeitlich möglich, daß man sich mal kurz persönlich "Guten Tag" sagt. So hatte ich vor, Dir im Rahmen einer kleinen privaten Stadtrundfahrt, dies an Ort und Stelle direkt zu zeigen.



    habe ich leider nur wenig Zeit mir Görlitz anzusehen.
    nach der Oper in gemütlicher Atmosphäre noch einen Wein trinken.
    Vielleicht kannst du mir auf diesem Wege einen Tipp geben.

    Sollte ein Treffen aus zeitlichen oder anderen Gründen nicht möglich sein, kein Problem.
    Hier zwei Tips:
    Du gehst nach der Vorstellung aus dem Theater, wendest Dich sofort nach rechts und siehst dort eine Freitreppe. Die gehst Du rauf, überquerst die Straße und kommst auf den großen Obermarkt. Den gehst Du gerade runter, vorbei an der "Dreifaltigkeitskirche", die Brüderstraße entlang und kommst zum Rathaus auf den Untermarkt. Linksseitig ist dort ein "Restaurant und Weinhaus". Im Hof kann man in schönem Ambiente die Atmosphäre inmitten alter Mauern genießen (Nr. 22, Flüsterbogen). Vom Theater bis dorthin läufst Du ganz gemütlich in ca. 8 Min. und bekommst dabei schon einen Eindruck von unserer historischen Altstadt.
    Sollte das Deinen Erwartungen nicht entsprechen, ein weiterer Tip: Von dort gehst Du um die Ecke nach links, kommst auf die Peterstraße und da ist in ca. 80 m rechts unten das "Hotel Tuchmacher", eine exklusive Stätte, wo man bei gutem Wetter auch im Hof im Freien sitzen kann.
    Wenn Du einmal dort bist, solltest Du unbedingt wiederum nach rechts um die Ecke gehen und Du stehst vor unserer größten und schönsten Kirche, der Peterskirche (St. Peter und Paul). Von dort hast Du auch einen Blick auf unseren Grenzfluß Neiße und nach Polen. Ich hoffe, ich konnte Dir helfen.


    Alles Gute und herzliche Grüße
    CHRISSY



    Weinhaus Schulte, Untermarkt

    Hotel Tuchmacher

    Jegliches hat seine Zeit...

    Einmal editiert, zuletzt von chrissy ()

  • Hallo Chrissy.


    Vielen Dank für die ausführlichen Hinweise. Mit der Beschreibung werde ich die Lokale wohl finden. Draussen in einer lauen Sommernacht sitzen, daraus wird wohl nichts.
    Im Moment gibt es auf einigen Bahnstrecken noch Ausfälle, deshalb kann ich noch nichts darüber sagen, wann ich ankomme. Wahrscheinlich muss ich über Berlin fahren. Da ich am Donnerstag Abend noch eine Verabredung habe, will ich auch nicht früher fahren. Wenn ich Glück habe, werde ich zwischen 15 und 16 Uhr im Hotel sein. Dann habe ich noch 3,5 Stunden für einen kurzen Stadtbummel und Abendessen (wahrscheinlich in einem der beiden Lokale). Das reicht für eine kurze Übersicht.
    Eine persönliche Stadtführung hätte mich schon gefreut.


    Liebe Grüße


    Serse

  • Hallo Chrissy.


    Obwohl ich doch früher gefahren bin, habe ich durch hochwasserbedingte Umleitungen und einer Streckensperrung (Unfall) mehr als 9 Stunden nach Görlitz gebraucht. Es hat sich aber gelohnt. Der Tipp mit dem Weinhaus (Lucie Schulte, interessante Küche, es hat geschmeckt) war gut – vielen Dank. Für einen Görlitz Rundgang hatte ich fast zwei Stunden, genug um zu erkennen, dass Görlitz eine schöne Stadt ist, die ich gerne noch einmal besuchen möchte.


    Ihr habt ein schönes kleines Theater mit –für mich- ungewöhnlich vielen geeigneten Sitzplätzen.


    Die Kritik über den Figaro sehe ich im Wesentlichen ebenso wie der Kritiker. Bei Musik und Gesang muss man allerdings bedenken, dass das Theater Görlitz eben nicht in der Championsleague oder Bundesliga spielt. Allerdings gibt es auch in der zweiten Liga schöne und interessante Spiele.


    Nicht gefallen (obwohl nicht wirklich gestört) hat mir der vendetta-Gedanke, der in erster Linie nur durch die wiederkehrende Projektion des Wortes nachvollziehbar war. Der Graf, Figaro und Bartolo (der hat ja aus der Vorgeschichte –dem Barbier- zumindest einen Grund zur Rache) singen zwar öfter von Rache, aber es macht keinen Sinn sich darauf zu fokussieren. Auch fand ich nicht, dass das Hauptaugenmerk wesentlich mehr als bei anderen Inszenierungen auf dem Grafen lag.


    Auch die Dienerschaft (der Chor, anstelle vom Volk bzw. jungen Mädchen) hatte keinen ersichtlichen Grund sich für irgendetwas zu rächen oder aggressiv zu sein. Warum sie im 1. Akt dem Grafen mit Rosen (wie mit Schwertern) gedroht und ihm die abgebrochen Stiele zu Füssen warfen ist ebenso unverständlich, wie der Schluss mit den Knüppeln und der Henkersschlinge. Aber vielleicht geht man in Görlitz ja mit Knüppeln zur Hochzeitsfeier.


    Trotz der genannten Vorbehalte war es ein gutes Zweitligaspiel, das mir unter dem Strich besser gefallen hat als das CL-Spiel (Rosenkavalier) in Dresden, wegen dem ich eigentlich nach Sachsen gefahren bin.


    Vielleicht hast du ja noch die Gelegenheit dir die Oper anzusehen. Ein vergeudeter Abend dürfte es eigentlich nicht sein, obwohl es im Endeffekt ja doch Regietheater war.


    Liebe Grüße


    Serse

  • Görlitz... Es hat sich aber gelohnt.
    Der Tipp mit dem Weinhaus (Lucie Schulte, interessante Küche, es hat geschmeckt) war gut – vielen Dank.
    Für einen Görlitz Rundgang hatte ich fast zwei Stunden, genug um zu erkennen, dass Görlitz eine schöne Stadt ist, die ich gerne noch einmal besuchen möchte.

    Hallo Serse


    Danke für Deine Antwort. Na das freut mich doch ganz sehr, daß Dir meine Stadt gefallen hat und auch, daß mein Tip mit dem Weinlokal gut war. Vielleicht konntest Du dort sogar draußen sitzen und das Flair genießen.



    Ihr habt ein schönes kleines Theater

    Ja, das finde ich auch. Es wurde um 1850 gebaut und ich sage immer, wie eine "kleine Staatsoper".



    Bei Musik und Gesang muss man allerdings bedenken, dass das Theater Görlitz eben nicht in der Championsleague oder Bundesliga spielt. Allerdings gibt es auch in der zweiten Liga schöne und interessante Spiele.

    So muß man die Gegebenheiten sehen. Man weiß, man ist hier nicht in Wien oder Berlin und demzufolge muß man seine Erwartungen anpassen. Trotzdem habe ich hier in der Vergangenheit schon hervorragendes Theater erlebt, auch mit sehr guten Gesangsleistungen. Alleine die "Traviata", die brauchte sich hinter der Traviata in der Semperoper nicht zu verstecken. Als Gast hatten wir eine Sopranistin, wegen der ich 3 mal in der Vorstellung war und die mir besser gefiel, wie die Dessay in A. i. P. Schade, daß Du hier nicht die Gelegenheit hattest.



    Die Kritik über den Figaro sehe ich im Wesentlichen ebenso wie der Kritiker.
    Ein vergeudeter Abend dürfte es eigentlich nicht sein, obwohl es im Endeffekt ja doch Regietheater war.

    Nachdem ich die Kritik gelesen hatte, war mir klar, daß die Inszenierung aus dem üblichen Rahmen schlägt. Du hast es ja auch bestätigt.



    Vielleicht hast du ja noch die Gelegenheit dir die Oper anzusehen.

    Unabhängig von dem Negativen - die Gelegenheit wird sich ergeben. Mein Bruder, der 70 Km entfernt wohnt, will sich die Oper auch ansehen. Und wenn es ihm terminlich paßt, werden wir gemeinsam hingehen und ich werde dann berichten.


    Dir nochmal vielen Dank und herzliche Grüße
    CHRISSY


    Hier noch ein spezieller Gruß zur Erinnerung:


    Jegliches hat seine Zeit...