Wenig bekannte Streichquartette des 20. Jahrhunderts

  • Nachdem Tamino-Mitglied Kurzstueckmeister zu Recht daraufhin gewiesen hat, dass man unter Neue Streichquartette wohl nicht unbedingt die von Arnold Bax, Paul Hindemith oder Villa-Lobos vorstellen kann, eröffne ich hiermit einen neuen Link für die schon etwas älteren Werke des 20. Jahdts, die aber nicht von Bartok, Schönberg oder Schostakowitsch stammen, für die es jeweils eigene threads gibt.


    Unter Neue Streichquartette sollten ab jetzt nur Werke ab ca. 1975 genannt werden, also wirklich zeitgenössische Streichquartette.

  • Arnold BAX: Streichquartett Nr. 1 in G-dur


    Die einen werden sich wundern, daß ausgerechnet ich ein Streichquartett des 20. Jahrhunderts vorstelle, die andern werden meinen es sei eigentlich eher schaumgebremst modern - und gehöre deshalb nicht in diesen Thread. Per Definition erfüllt es indes die Voraussetzungen, denn es wurde vom Philharmonic Quartet am 7. Juni 1918 in der Londoner Aeolan Hall uraufgeführt. Gewidmet war es Edward Elgar.
    Das Quartett ist - entgegen der Klassischen Form seit Haydn - dreisätzig.
    Vor allem der erste Satz ist es der mir gefällt, das zwanzigste Jahrhundert hat seine Signatur hinterlassen , aber sie ist nicht ausgeprägt (Vorsicht, mancher mag dies anders sehen!), die Grundstimmung ist eher heiter. Der zweite Satz wird im Booklet als Klagegesang beschrieben, ich empfinde ihn jedoch lediglich als versonnen-introvertiert.
    Der dritte Satz feurig, temperamentvoll rhythmisch betont, tänzerisch mit Pizzicato-Elementen.


    Das Maggini Quartett spielt - wie immer - hervorragend


    mfg aus Wien
    Alfred


    PS: Das Quartett Nr 2 folgt zu einem späteren Zeitpunkt - oder wird von einem anderen Mitglied vorgestellt....

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Die einen werden sich wundern, daß ausgerechnet ich ein Streichquartett des 20. Jahrhunderts vorstelle, die andern werden meinen es sei eigentlich eher schaumgebremst modern - und gehöre deshalb nicht in diesen Thread. Per Definition erfüllt es indes die Voraussetzungen, denn es wurde vom Philharmonic Quartet am 7. Juni 1918 in der Londoner Aeolan Hall uraufgeführt. Gewidmet war es Edward Elgar.

    Also für mich gehört Arnold Bax ganz klar ins 20. Jhdt. auch wenn ich seine Streichquartette noch gar nicht kenne. Aber die Symphonien sind schon typische Produkte dieser Zeit. Saint-Saens würde ich klar im 19. Jhdt verorten wie auch Max Bruch, auch wenn sie noch länger gelebt haben.

  • Ein weiterer Vorschlag von mir: Paul Hindemith: Streichquartett Nr 2. Er schrieb es im Alter von 23 Jahren als er im Krieg an der Front war. Dennoch ist es weder ein anklagendes, zerrissenes oder düsteres Werk. Im Gegensatz zu dem was ich erwartet hatte stellt sich das Quartett stellenweise sogar ein wenig konservativ, lyrisch und stellenweise betörend schön dar. Alles im Bereich der Rahmenbedingungen - versteht sich. Das gilt sowohl für den forschen und gelegentlich dennoch nachdenklich verspielten 1., als auch für den lyrischen 2. Satz. Obwohl natürlich schon das gesamte Werk dem frühen 20. Jahrhundert verpflichtet ist habe ich das beim 3. Satz am stärksten empfunden. aber auch hier gibt es ein paar spätromantische Oasen...und jede Menge an Überraschungen. Hindemith bekommt - so nicht bereits einer existiert, demnächst einen eigenenThread über seine Kammermusik

    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ein weiterer Vorschlag von mir: Paul Hindemith: Streichquartett Nr 2.

    Ja, der Hindemith wäre bei mir auch bald dran gewesen, auch diese schöne Aufnahme. Zu Hindemith würde mich auch eine Diskussion interessieren, warum seine Musik verglichen z.B. mit der von Bartok, so wenig populär ist. So sind die Gesamteinspielungen von Bartok-Quartetten kaum noch zu zählen, mindestens 25 muss es geben. Es gibt kaum ein renommiertes Streichquartett, dass hier nicht Position bezogen hätte. Bei Hindemith fallen mir gerade mal zwei Gesamtaufnahmen ein, eine immer noch hochpreisige mit den Juilliards und die bei CPO mit dem Danish String Quartet. Und demnächst halt die entstehende vom Amar Quartet (Vol.2 ist auch schon erschienen).


  • Zu Hindemith würde mich auch eine Diskussion interessieren, warum seine Musik verglichen z.B. mit der von Bartok, so wenig populär ist.


    Hindemiths stark nachlassende Popularität kann ich auch nicht ganz nachvollziehen. Aber das heißt nicht viel, ich kann auch nicht verstehen, warum Webern nicht populärer ist als Lehár (auch ein Komponist des 20. Jahrhunderts).
    :D
    Hindemith nehmen heute viele Leute als verstaubt, vorgestrig, trocken, akademisch, langweilig wahr. Man stößt sich am restaurativen Zug und vermisst den emotionalen Überschwang - das waren aber genau die Eigenschaften, die ihn zur Zeit unserer Großväter so populär machten. Wenn man bedenkt, dass etwa das Regietheater vorzugsweise alle Stoffe in die 50er-Jahre verlegt (wenn's nicht gerade Nazis sein sollen), um Kritik an den wertkonservativen Aspekten jener Ära zu üben, an der letzten Ära vor 1968 sozusagen, dann kann man vielleicht verstehen, warum deren "deutschester" Vertreter der musikalischen Hochkultur heute geradezu das Feindbild des aktuellen Kulturbetriebes ist und als Synonym für "muffig" herhalten dürfte. Sebstverständlich versucht man dann auch noch, ihn ins rechte Egk abzuschieben.


    Bartók hingegen fungiert als Multi-Kulti-Hero, der den kitschigen Folklore-Missbrauch des 19. Jahrhunderts überwunden haben soll und nun seriös wissenschaftlich eine echt barbarische moderne Musik geschaffen hat.


    Komisch nur, dass diese eigentlich ziemlich lächerliche Grundlage für Verachtung und Begeisterung zieht. Schließlich wird der späte Bartók ja auch ziemlich "bieder" verglichen zu seinen wildesten Stücken und das Gemeinsame der beiden Komponisten überwiegt doch. Aber der Musikbetrieb braucht nur wenige Heroen, und somit wurde Hindemith eben abgeschossen.

  • Ich bin kein Experte bzgl. dieser ganz eigenen musikalischen Form, d.h. Streichquartette scheinen mir durchaus faszinierend in ihrer Vielfalt, neigen jedoch - insbesondere, wenn es moderner wird - gerne dazu, auch "anstrengend" zu sein. Die entsprechenden Werke Villa-Lobos (immerhin 17 an der Zahl) dürften jedoch auch für einen Neuling auf diesem Gebiet nicht allzusehr abschrecken.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Die Streichquartette von Villa-Lobos sind zwar sicher nicht so populär wie die Choros oder die Bachianas Brasileiras, aber wahre Lehrstücke, um den markanten Personalstil des Brasilianers zu erfassen . Ich finde sie bemerkenswert abwechslungsreich - man kann tendenziell sogar drei Stilperioden erkennen, eine stärker folkloristische noch eher am Anfang des Jahrhunderts, eine etwas herber modernistische in der Zeit zwischen den Weltkriegen und eine ausgeprägt klassizistische Spätphase. Seine Sinfonien geben diese Vielfalt nicht her, die anderen Orchesterwerke sind vielleicht in dem Maß eingängiger, in welchem das generell gern von Orchestermusik im Vergleich mit Kammermusik behauptet wird.


    So zeigt meiner Meinung nach - obgleich ich damit natürlich keine vergleichbare Bedeutung assoziieren will - Villa-Lobos eine ähnliche Entwicklung wie etwa Beethoven mit op. 18, dann den mittleren und schließlich den "dreistelligen" späten Quartetten. In jedem Fall lohnt sich das Kennenlernen der preisgünstigen Box, die MSchenk abgebildet hat.


    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Nachdem ich im thread Neue Streichquartette diese vier netten Damen schon angekündigt habe, folgt hier nun endlich auch ihre erste hochgelobte CD-Einspielung.




    Der Name des etwas exzentrischen dänischen Komponisten Rued Langgaard ist sicher nicht jedem hier bekannt, aber Interessierten der symphonischen Musik des 20. Jhdts ist er sicher schon über den Weg gelaufen. So gibt es eine vielgelobte Chandos-Aufnahme seiner eindrucksvollen 1. Symphonie von 1911 dirigiert von Neeme Järvi. Der folgten dann in 40 Jahren noch 15 weitere, einige davon nur wenige Minuten lang. Es gibt einige Einträge hier im Forum dazu.


    Hier nun also die erste CD einer geplanten Gesamteinspielung seiner 9 Streichquartette. Es ist mutig aber auch sehr zu loben, dass sich das junge dänisch-deutsche (3:1) Streichquartett für sein CD-Debut gleich so eine Repertoirelücke ausgesucht hat. Das garantiert aber natürlich gleich höhere Aufmerksamkeit, als wenn hier zwei, drei Standardwerke von Haydn bis Brahms vorgelegt würden.


    Und diese Quartette sind schon eine Entdeckung. Sie entstanden zwischen den beiden Weltkriegen und sind gemäßigt modern. Eine gewisse Ähnlichkeit mit denen von Leos Janacek wurde von Kritikern hervorgehoben und ist nicht von der Hand zu weisen. Wobei ich mir noch nicht sicher bin, dass sie wirklich solch hochkarätige Meisterwerke wie die von Janacek sind. Aber für den neugierigen Geist lohnt sich ein Kennenlernen auf jeden Fall, zumal die Einspielung durch das Damen-Quartett sehr gelungen ist.


    Das hat dann auch zur Nominierung für "Beste Aufnahme in der Kategorie Kammermusik 2013" beim BBC Music Magazine geführt. Diese Trophäe hat dann allerdings folgende Einspielung nach Hause getragen, die ich mir dann wohl auch noch zulegen muss:



    Den Weg der vier reizenden Damen werde ich sicher weiterverfolgen.

  • Es gibt übrigens schon eine ältere Einspielung einiger Langgaard-Streichquartette mit dem Kontra-Quartett (die auch alle Quartette von Vagn Holmboe eingespielt haben, darüber wird noch zu reden sein), die ich aber nicht kenne.


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  • Hier mal eine Kuriosität, habe ich letzte Woche für 1 € ersteigert.


    Rudolf Leberl wurde 1884 in Böhmen geboren und starb 1952 in Regensburg. Er hatte das Pech, erst den Nazis nicht genehm zu sein (an seiner Musik wird es nicht gelegen haben, s.u.), sie entfernten ihn 1941 durch "Zwangspensionierung" aus seiner Musikprofessur in Budweis. Und 1945 wurde er dann auch noch als Sudetendeutscher aus seiner Heimat vertrieben.
    Kurz nach Ankunft in seiner neuen Heimat schrieb er die beiden Streichquartette, deren Namen sich auf die verlorene und neugefundene Heimat beziehen: "Böhmerwaldquartett" und "Bayrisches Quartett". Niemand wird hinter diesen Titeln avantgardistische Musik erwarten und so ist es auch, die Musik ist völlig aus der Zeit gefallen. Wenn man mir das als zwei unbekanntere Werke von Dvorak verkauft hätte, ich hätte es geglaubt. Allerdings fehlt Herrn Leberl natürlich das musikantische Genie eines Dvoraks; die Quartette sind nicht schlecht, aber es fehlt jede persönliche Note oder ein Einfall, der einen aufhorchen läßt. Auch verwundert mich der eher fröhliche und gelöste Ton so kurz nach der Vertreibung.


    Mit Schmunzeln liest man folgendes im Beiheft:
    "Das Streichquartett C-Dur erregte Aufsehen, als es von einem Ensemble der Wiener Philharmoniker 1985 in Wien gespielt wurde... "
    Ich bin mir sicher, unsere Wiener Freunde hier erinnern sich noch dran. :jubel:



    Noch besser finde ich:


    "Musikalisch stehen beide Quartette in der Tradition Franz Schuberts und Gustav Mahlers".


    Hat der Autor dieser Zeilen möglicherweise noch Partituren im Safe, die die Musikwelt nicht kennt? :hahahaha:



  • Hans Werner Henze - vor wenigen Monaten verstorben - gilt als einer der bedeutendsten deutschen Komponisten des letzten Jahrhunderts. Dieser Ruhm beruht vor allem auf seinen zahlreichen Bühnenwerken und seiner Orchestermusik.


    Zu den Bühnenwerken kann ich nichts sagen, ich kenne lediglich die ARD-Verfilmung von "Der junge Lord". Seine Symphonien 1-7 (es gibt 10) haben mich nicht nachhaltig beeindruckt. Die DLP mit 1-5 habe ich längst weitergereicht und die 7. unter Simon Rattle steht zwar noch im Schrank, aber hat den CD-Player auch nur einmal von innen gesehen.


    Nichtsdestotrotz war ich gespannt auf seine 5 Streichquartette, die er so zwischen 1950 und 1977 geschrieben hat.


    Die vorliegende Aufnahme ist vom Arditti Streichquartett. Um es kurz zu sagen, ich kann mit keinem etwas anfangen. Zweimal habe ich mich durch die Platten durchgehört (man könnte auch sagen durchgequält) und nichts gefunden, was mein Interesse fand. Das hat mich doch etwas überrascht und ich frage mich, liegt es nur an mir oder sind diese Werke wirklich nicht gelungen. Auffällig ist, dass es anscheinend von keinem einzigen eine weitere Aufnahme gibt. Und ich habe in vielen Jahren noch nicht ein Konzertprogramm gesehen, bei dem eines auf dem Programm stand.


    Das fällt schon auf, z.B. im Vergleich mit den auch nicht gerade "eingängigen" Beiträgen von Elliott Carter, für den sich trotzdem mehrere Quartette einsetzen (Arditti, Juilliard, Pacifica).


    Aber immerhin, die Ardittis haben es eingespielt und die Einspielung wurde auch seinerzeit von einem Rezensenten gelobt (siehe jpc Begleittext).


    Mich würde interessieren, ob einer der Taminos, die sich für zeitgenössische Musik interessieren, die Quartette kennt und etwas dazu sagen mag.


    Diese negative Erfahrung hat mich bisher auch davon abgehalten, mich mit den SQs von Peter Maxwell Davies auseinanderzusetzen, da für meine Ohren dessen Orchestermusik der von Henze ein wenig ähnelt. Auch finde ich es zumindest sehr ungewöhnlich, dass jemand im 21. Jhdt. 10 Streichquartette in nur wenigen Jahren schreibt. Ob da die Inspiration immer auf dem höchsten Niveau war? Aber Leif Segerstam hat ja z.B. angeblich schon über 250 Symphonien komponiert, ob wir die alle Mal zu hören bekommen?

  • Zu Leberl:

    Auch verwundert mich der eher fröhliche und gelöste Ton so kurz nach der Vertreibung.

    Schoeck schrieb seine "Elegie" in einer besonders glücklichen Zeit seines Lebens. Der Ausdruck eines Kunstwerks muss nicht immer etwas mit der psychischen Verfassung des Verfassers zu tun haben. Andererseits kann es natürlich sein, dass es ihm gar nicht so schlecht gegangen ist.



    Zitat

    Mit Schmunzeln liest man folgendes im Beiheft:
    "Das Streichquartett C-Dur erregte Aufsehen, als es von einem Ensemble der Wiener Philharmoniker 1985 in Wien gespielt wurde... "
    Ich bin mir sicher, unsere Wiener Freunde hier erinnern sich noch dran.

    Jaja, aufsehenerregend ...
    ;)



    Zitat

    Noch besser finde ich:
    "Musikalisch stehen beide Quartette in der Tradition Franz Schuberts und Gustav Mahlers".


    Hat der Autor dieser Zeilen möglicherweise noch Partituren im Safe, die die Musikwelt nicht kennt?

    Es steht ja nur was von der musikalischen Tradition, was ist das Problem mit Mahler?

  • Es steht ja nur was von der musikalischen Tradition, was ist das Problem mit Mahler?

    Na ja, wie kann ein Streichquartett in der Tradition eines Komponisten stehen, der nie eins geschrieben hat. Was ich übrigens schade finde, ich wüsste z.B. gerne Mal, wie der letzte Satz der 9. Symphonie transkribiert für Streichquartett klingen würde.


    Und eine Beziehung der Musik von Herrn Leberl zu der von Gustav Mahler herzustellen, ist nach meinen Ausführungen ja auch etwas absurd.

  • Geza Frid (1904-1989) war ein Schüler von Bartok und Kodaly, hat aber die meiste Zeit in Holland gelebt und hier nach dem Kriege das Musikleben entscheidend mit gestaltet. Als Pianist hat er u.a. Spoorenberg und Szeryng begleitet.
    Frid hat 5 Streichquartette geschrieben, von denen die ersten vier eingespielt wurden. Das erste ist sein op. 2 von 1926, zum Abschluss des Studiums vorgelegt. Kodalys lapidarer Kommentar: Veröffentlichen! In der Tat ist dies gleich ein echter Wurf, dies Quartett kann man irgendwo zwischen Bartok, Kodaly, Debussy und Ravel einordnen, aber es enthält so viele originelle und so noch nicht gehörte Effekte, dass es schon erstaunlich ist, dass es fast 90 Jahre auf seine erste Einspielung warten musste.
    Das junge aufstrebende Amaryllis Quartett tut alles, um dieses Quartett und sich selbst wirkungsvoll in Szene zu setzen und das mit Erfolg. Besser kann man seine Diskographie kaum starten.


  • Der englische Komponist William Alwyn (1905-1985) war fasziniert vom Genre des Streichquartetts, er begann schon in frühester Jugend welche zu schreiben, etwa ein Dutzend an der Zahl. Ich konnte sie jedoch nirgends finden – die Quellen sind hier sehr vage. Der Komponist erklärte sie als ungültig .
    Das Streichquartett Nr. 1 in d.moll jedoch, wurde von ihm mit etwa 15 Jahren begonnen aber erst 1953 in die gültige Form gebracht, als Alwyn bereits 48 war. Es ist - von wenigen Stellen abgesehen - eigentlich kaum als Werk des 20. Jahrhunderts zu erkennen, sondern atmet unverhohlen den Geist Dvoraks und Smetanas. Ich kann dieses Quartett jedermann wärmstens empfehlen, auch, die Eispielung mit dem Maggini Quartett, mit dem das Label Naxos einen Glücksgriff getan hat. Auch die Aufnahmequalität ist tadellos.


    Die beiden anderen Streichquartette Nr 2 und 3 sind ab 1975 entstanden und gehören in einen andern Thread……


    Mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !




  • Ich bin in den letzten Jahren zwar etwas davon abgekommen, besonders vergessene Komponisten besonders gerne hochzuhalten, und begegne meinen früheren "Ausgrabungen" gerne mit Skepsis und Abwertung. Aber das erste Streichquartett (1906) von Karl Weigl (1881-1949) berührt mich immer noch sehr in seinem langsamen Satz und der Stil ist völlig auf der Höhe der Zeit (früher Schönberg/Zemlinsky) und meisterhaft polyphon gearbeitet, sodass es mir hier wirklich schwerfällt, den "Kleinmeister" herauszuhören.


    Die anderen Werke von Weigl, die ich kenne, fallen für mich deutlich ab.

  • Ein Quartett vom Beginn des 20. Jhds., das ebenfalls weitgehend ignoriert wird, ist das einzige Werk dieser Gattung von Alberic Magnard e-moll op.16 (1903 vollendet). Ich habe vor kurzem auf Ebay die vergriffene Einspielung des Artis-Quartetts aus der Mitte der 1980er geschnappt (unten links). Zwar erst einmal gehört, aber jedenfalls ein interessantes, ziemlich umfangreiches (knapp 40 min) Stück. Wie Magnards Sinfonien denkt man nur bedingt an einen französischen Komponisten; es ist kein "leichtes", elegantes Werk. Ungeachtet seiner Farbigkeit vielleicht eher in der Nähe Francks als Debussys oder gar Ravels.


    Die anscheinend einzige z. Zt. erhältliche Einspielung ist auf der Doppel-CD rechts, die ich nicht kenne. Das knappe und konzentrierte Quartett Roussels (1932) habe ich von einer anderen Aufnahmen ebenfalls vage als hörenswert in Erinnerung, ohne jedoch Konkretes darüber sagen zu können.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)


  • Ludolf Nielsen - nicht zu verwechseln mit dem ungleich bekannteren Carl Nielsen - war ein dänischer Komponist der von 1876 bis 1939 gelebt hat. Neben 3 Sinfonien und einem Ballett hat er auch drei Streichquartette geschrieben, von denen das 2. (1904) und 3. (1920) vom Aros Quartett für cpo eingespielt wurden (leider dort vergriffen, aber am Fluss noch erhältlich). Dass was ich an anderer Stelle schon über das 2. geschrieben habe, gilt auch für das 3.: Ein klangschönes Werk in spätromantischer Manier, das sicher bei häufigerem Hören noch gewinnt. Das 3. SQ wurde nach dem 1. Weltkrieg und dem Tode der Eltern durch die Spanische Grippe-Pandämie von 1918 geschrieben. Der 3. Satz ist ein Adagio con dolore und den Eltern gewidmet. Ein wundervoller anrührender Satz, der allein schon den Kauf der CD rechtfertigt.
    Das 3. Quartett wurde u.a. 1920 vom berühmten Budapester Streichquartett in Kopenhagen aufgeführt. Wie es dazu kam, lässt sich leider nicht mehr rekonstruieren.
    Diese CD gehört in die Sammlung eines jeden Musikliebhabers, der sich für Kammermusik auch abseits der wohlbekannten Pfade interessiert. Das wohl inzwischen aufgelöste dänische Aros Quartett (es gibt inzwischen ein neues aus GB) spielt die Musik des Landsmann vorzüglich.

  • Das JSQ war neben dem LaSalle und dem Guarneri über Jahrzehnte eines der unangefochtenen Spitzenquartette aus USA. Ihre umfangreiche Diskographie enthält alle Standardwerke, oft sogar mehrmals eingespielt. Neben dem LaSalle hat sich auch das JSQ nachhaltig für die Moderne eingesetzt. So waren ihre Einspielungen der Bartok-, Schönberg und Elliott Carter Quartette wegweisend. Auch die vorliegende CD (bei der letzten New York Tour für $ 2,99 aus der Sonderangebotskiste gezogen) gibt Auskunft über das Engagement für Zeitgenössisches:


    Roger Sessions (1896-1985) zweites Streichquartett ist von 1951, einer Zeit in der sich Sessions zunehmend der Zwölftonmusik zuwendete. Somit habe wir hier ein Übergangswerk vorliegen, dass den vergleichbaren Werken von Schönberg (SQ 1 + 2) nicht unähnlich ist. Das 35-minütige Werk hat 5 Sätze. Das erste beginnt langsam mit einer Fuge, die auch vom späten Beethoven stammen könnte, um dann aber schnell in die Welt der zweiten Wiener Schule abzutauchen. Insgesamt kein leicht zu hörendes Werk, das aber mit ein wenig Geduld durchaus noch zugänglich ist. Die klangliche Qualität ist leider suboptimal. Die Aufnahme entstand 1987 live und klingt etwas schrill. Ob das am Aufnahmeraum oder der Aussteuerung liegt, vermag ich nicht zu sagen. Ich finde sowieso, solch komplexe Streichquartette sollte man im Studio einspielen. Ich könnte mir auch denken, dass heutige Spitzenquartette (Arditti, Diotima et al.) das Stück besser darbieten würden. Die Chancen, dass sie das auch tun werden, stehen aber sicher schlecht.


    Die beiden anderen Quartette von Wolpe und Babbitt muss ich noch hören, ich vermute, dass sie noch schwierigere Kost sind.

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  • Nachdem das junge dänische-deutsche Nightingale String Quartett - bestehend aus vier bildhübschen Musikerinnen - letztes Jahr mit Vol. 1 ihrer geplanten Gesamteinspielung der Streichquartette von Rued Langgaard nur knapp am Deutschen Schallplattenpreis vorbei geschrammt ist, legt es jetzt das Vol. 2 vor und hat sicher gute Chancen, es wieder in die Auswahl zu schaffen. Die Situation bei Rued Langgaards Quartetten ist etwas unübersichtlich, da er einige Quartette starkk überarbeitet und z.T. neue mit Material aus alten komponiert hat. Das Booklet spricht von insgesamt 10 Werken. Die sind alle in relativ kurzer Zeit entstanden (wenn man die Bearbeitungen mal beiseite lässt) und erstaunlich heterogen im Stil. Während die auf der ersten Folge recht progressiv waren - mit Nähe zu Bartok und Jancek - sind die auf der 2. Folge eher "Retro", um sie mal mit einem neudeutschen Wort zu umreissen. Entstanden während des 1. Weltkrieges stellen sie ein Art Flucht in eine vermeintlich bessere frühere Zeit dar. Das sagen schon die Titel zweier dieser Quartette: Rosengartenspiel und Sommertage. Dementsprechend sind diese Werke auch von einer gewissen Melancholie durchzogen. Diese beiden Quartette sind stilistisch der Epoche Dvorak, Brahms und Tschaikovsky zuzuordnen, während das A-moll Quartett sogar irgendwo zwischen Mozart und Mendelssohn anzusiedeln wäre. Das wirklich erstaunliche ist, dass diese Musik wie aus dem Geist der jeweiligen Zeit geboren klingt und den Werken dieser Epochen qualitätsmässig nicht nachsteht (es sein denn man definiert musikalisch up-to-date sein als eine eigene Qualität). Mit anderen Worten, das ist ganz tolle Musik, die hier erklingt. Und die Nachtigallen tun alles, dass das auch mit der richtigen Leichtigkeit und Sinnlichkeit rüberkommt. Da die Sommertage z.T. Motive aus dem Rosengartenspiel wieder aufgreift, sollte man diese beiden Quartette nicht unbedingt in einer Sitzung hören.
    Ich freue mich schon auf Vol. 3. Und dann folgt hoffentlich Carl Nielsen, da kann ich noch eine gute Einspielung gebrauchen.

  • Der Name Andrew Imbrie ist hier im Forum erst einmal gefallen, 2005 im Zusammenhang mit seinem Violinkonzert. 1921 geboren, 2007 verstorben, handelt es sich um einen amerikanischen Komponisten der Moderne. Ausgebildet bei Nadia Boulanger (davon hört man nichts) und Roger Sessions. Sein 4. Streichquartett ist das einzige seiner Werke, dass ich kenne, vielleicht wird es auch dabei bleiben.


    Imbrie schreibt atonale Musik, legt aber Wert darauf kein Serialist zu sein. Tatsächlich findet man Reste von Tonalität, obwohl ich bezweifele, dass der unvorbereitete Hörer das registriert. Am ehesten lässt sich sein 4. Streichquartett mit dem 4. von Bartok vergleichen, es ist nur noch etwas schwieriger zugänglich. Sehr abstrakte Musik. Ab und zu tue ich mir das mal an :D , aber ich muss die anderen Streichquartette nicht unbedingt kennenlernen.


    Eingespielt wurde das Stück 1978 vom Emerson String Quartett, das war das Jahr als die vier den Naumburg competition gewonnen haben, also möglicherweise ihre erste Platte überhaupt. David Finckel war noch nicht dabei. Ich bezweifele, dass das ESQ das Stück heute noch spielt.

  • Sir Lennox Randal Francis Berkeley (1903-1989 ) schrieb insgesamt 3 Streichquartette, die sämltlich hier auf der abgebildeten Naxis CD enthalten sind. Wie nicht anders zu erwarten war der Komponist und seine Werke nicht im Harenberg Kammermusikführer zu finden, was aber nichts daran ändert, daß die Quartette doch hörenswert erscheinen - zumindest in der Wiedergabe durch das Maggini Quartett, Spezialisten für englische Kammermusik des 20. Jahrhunderts, mit welchem Naxos einen echten Glücksgriff gemacht hat.
    Das erste Quartett stammte aus dem Jahre 1935 und wird vom Verfasser des Naxos Booklets in die Nähe von Bartok und Strawinsky gestellt. Quartett Nr 2 entstand 1941. Weitere 29 Jahre mussten bis zur Veröffentlichung des Quartetts Nr 3 op 76 vergehen.



    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Sir Lennox Randal Francis Berkeley (1903-1989 ) schrieb insgesamt 3 Streichquartette, die sämltlich hier auf der abgebildeten Naxis CD enthalten sind. Wie nicht anders zu erwarten war der Komponist und seine Werke nicht im Harenberg Kammermusikführer zu finden, was aber nichts daran ändert, daß die Quartette doch hörenswert erscheinen - zumindest in der Wiedergabe durch das Maggini Quartett, Spezialisten für englische Kammermusik des 20. Jahrhunderts, mit welchem Naxos einen echten Glücksgriff gemacht hat.

    Ich muss zugeben, dass auch ich diese Werke gar nicht kenne, das wird sich aber bald ändern. Danke für den Hinweis.

  • Gracyna Bacewicz ist die bekannteste polnische Komponistin des 20. Jahrhunderts, sie lebte von 1909-1969. Sie war bis zu einem Autounfall 1954 auch eine hervorragende Violinistin, was erklärt, warum sie so viele Stücke für ihr Instrument komponiert hat, u.a. 6 Violinkonzerte (ein 7. ist verschollen). Darüber wurde an anderer Stelle hier schon berichtet. Bacewicz hat auch 7 Streichquartette komponiert, 2 davon sind Jugendwerke. Das 4. ist wohl das bekannteste und meistgespielte, es wurde 1953 international ausgezeichnet und war im darauffolgenden Jahr Pflichtstück bei einem Streichquartett-Wettbewerb. Das dreisätzige Werk ist gemässigt modern, Bartok, Debussy und Ravel könnten als Ziehväter gelten. Das Werk ist eigenständig und ohne große Probleme gut zu hören (ähnelt also eher dem frühen/späten als dem mittleren Bartok). Das Amar Corde String Quartet besteht aus vier Musikerinnen und ist von der Tontechnik optimal eingefangen.


    Grazyna_bacewicz.jpg 


    amarcorde.jpg



    P.S. Das ebenfalls eingespielte 7. Streichquartett ist von 1965. Zwischen 1951 und 1965 ist viel passiert in der Musikgeschichte speziell auch in Polen, wo mit Lutoslawski und Penderecki zwei wichtige Neuerer der Musikgeschichte auf den Plan traten. An Bacewizc ist diese Entwicklung nicht spurlos vorübergegangen, ihr letztes Streichquartett ist deutlich avancierter, wenn auch nicht so experimentell wie die der Genannten oder das 2. von Ligeti. Und das könnte für das Werk auch ein Problem sein, den konservativeren Hörern ist es vermutlich zu modern, die Avantgardisten hören lieber gleich die noch progressiveren.

  • Bohuslav Martinu hat wie Paul Hindemith insgesamt 7 Streichquartette komponiert, die praktisch über seine ganze Schaffenszeit verteilt sind. Beide Komponisten haben sich mit ihren Quartetten noch nicht wirklich fest im Repertoire etablieren können. Man trifft gelegentlich mal das eine oder das andere und es existieren jeweils zwei, drei Gesamtaufnahmen, aber
    verglichen z.B. mit Schostakowitsch, Bartok und Janacek ist die Rezeption bisher eher beschränkt. Die Quartette von Martinu sind aber alles hervorragende Kompositionen, die eine nähere Beschäftigung lohnen. Der günstige Preis z.B. der sehr guten Naxos Gesamtaufnahme macht dies auch problemlos möglich.


    Das 6. Streichquartett ist von 1946 und wurde in New York geschrieben als Martinu sich von einem schweren Autounfall erholte. Die Stimmung würde ich als durchsetzt optimistisch bezeichnen. Das gut 20-minütige Werk besteht aus drei Sätzen. Im ersten erinnern Rhythmus und Textur an Bartok, im zweiten wird man gelegentlich an Janacek erinnert. Wer die Werke dieser Komponisten schätzt, dem könnte also auch Martinu zusagen.



    Die Aufnahme mit dem vorzüglichen Prazak Quartett aus Tschechien (in diesem Land scheint es eine überproportionale Dichte an exzellenten Quartetten zu geben) ist neueren Datums und interpretatorisch und klanglich sehr ansprechend.

  • Skalkottas hatte bereits am Konservatorium in Athen einen deutschen Lehrer, ging nach Berlin und wurde schließlich Meisterschüler von Arnold Schönberg. Erst nach seiner Rückkehr nach Griechenland verfasste er die Mehrzahl seiner Streichquartette. Die Zwölftontechnik trägt zwar größere Teile der Werke, wird aber nicht dogmatisch angewandt und zudem von atonalen und auch tonalen Elementen begleitet. Die Musik ist wie die mancher mediterraner Avantgardisten, wie etwa Dallapiccola, "lebenszugewandter" und auch zugänglicher als gewohnt. Alle vier Quartette sind von höchster Qualität, die beiden späten stammen von 1935 b.z.w. 1940.


  • Die Opusnummer 22, unter der die beiden Quartette Enescus zusammengefasst sind, ist irreführend. Zwischen diesen Werken liegen über dreißig Jahre. Beiden ist die durchdachte thematische Arbeit gemein. Die Tonsprache ist im Vergleich mit den zeitnahen Werken Bartoks etwas gemäßigter b.z.w. konservativer; qualitativ stehen sie diesen nur wenig nach. Angesichts der farbigen Harmonik ist die geringe Popularität dieser Stücke unverständlich. Doch stellen sie einige fingerverknotende Ansprüche - als ich Nr. 1 mit meinem Hausquartett durchzuspielen versuchte, war das Ergebnis: :untertauch: . Das "Ad Libitum" macht seine Sache wesentlich besser.


  • Manchmal stösst man in seiner Plattensammlung ja auf ziemlich Obskures. So ging es mir jedenfalls heute, als ich eine Platte mit zwei Streichquartetten des Komponisten Kurt Albrecht (1895-1971) aus dem Regal zog. Über den findet man noch nicht einmal etwas in wikipedia. Lediglich der Carus-Verlag listet einige Noten.


    Kurt Albrecht gehört zur gleichen Generation wie Paul Hindemith und Johann Nepomuk David und das umreisst auch ungefähr seinen musikalischen Stil. Geboren in Hannover wurde er in Berlin und Dresden ausgebildet und kam 1934 nach Stuttgart, wo er als freier Mitarbeiter als Pianist beim Rundfunk mitwirkte. Nach dem Krieg arbeitete er als privater Musiklehrer und Organist und starb 1971 in der Nähe von Stuttgart. Über seine Situation während der 12 dunklen Jahre habe ich nichts finden können. Er hat drei Streichquartette komponiert, das 2. 1959. Wie bei Hindemith und David hält Albrecht an der Tonalität im Prinzip fest bewegt sich aber schon sehr am Rande zur atonalen Musik, Hindemith und der Schönberg der ersten beiden Quartette kommen da in den Sinn. Damit war er in den 60ern dem konservativen Publikum sicher zu modern und dem aufgeschlossenen zu konservativ, in einer ähnlichen Situation befand sich ja David. Das 2. Streichquartett besteht aus drei Sätzen. Beide Ecksätze beginnen unisono, um dann eine anspruchsvolle Kontrapunktik zu entwickeln. Das ist alles andere als gefällig, aber wenn man sich drauf einlässt, noch gut hörbar. Das Adagio ist sogar sehr gelungen und verdient wiederholtes Hören. Es spielt das Hans Kalafusz Quartett, das aus Musikern des RSO Stuttgart bestand.


    Eine Rezension an völlig unerwarteter Stelle findet man bei TAS

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