McDermot, Galt: HAIR

  • Galt McDermot (*1928)


    HAIR
    The American Tribal Love-Rock Musical - Buch und Gesangstexte von Gerome Ragni und James Rado


    Uraufführung am 29. April 1968 im Biltmore Theatre am Broadway, New York


    DIE WICHTIGSTEN ROLLEN


    Claude Bukowski
    Dionne
    Crissy
    George Berger
    Woof
    Hud
    Sheila Franklin
    Jeanie


    Ort und Zeit: In den sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts.


    Obwohl das Musical weder eine durchgängige Handlung, noch eine Szeneneinteilung oder genau definierte Schauplätze kennt, sei versucht, eine



    INHALTSANGABE


    zu geben. Dabei entspricht das Set mit den überall verstreuten Requisiten der abstrakten Welt der Hippie-Bewegung. So sollten sich die „Blumenkinder“ vom Zuschauerraum aus auf der offenen Bühne zum allmählichen Beginn der Aufführung formieren.


    Das zusammen lebende Dreiergespann Claude, Berger und Sheila trifft sich mit den gemeinsamen Freunden Woof, Hud und Jeanie. Die jungen Männer fallen durch ihre langen Haare auf, die sie bewusst als Auflehnung gegen sämtliche überkommenen Regeln tragen. Alle sind als Hedonisten überzeugt, eine neue Lebensform gefunden zu haben: Gewaltlosigkeit und Freizügige Liebe als Voraussetzungen für die Liebe unter und mit den Menschen. Sie wünschen sich ein neues Zeitalter im Zeichen des Aquarius, wo die Werte „Freiheit“ und „Wahrheit“ endlich ihre wahre Bedeutung erlangen könnten, und nicht nur Lippenbekenntnisse sind.


    Momentan wird ihr Leben aber von ständigen Konflikt mit den Älteren bestimmt, die mit den lockeren Moralvorstellungen und dem nicht vorhandenen Pflichtbewusstsein der jungen Leute hadern. Die Klagen ihrer Eltern über die Passivität ihres Nachwuchses lässt sie kalt. Eine ganz konkrete Bedrohung der eigenen Existenz manifestiert sich in den Einberufungsbefehlen, die die Männer erhalten haben. Also setzt man sich hin und sucht nach einem Ausweg aus dieser Bedrohung, kommt so beispielsweise auf den Gedanken, das lebensbedrohende Papier einfach zu vernichten oder sich vor dem Komitee einfach als schwul zu outen. Das geht bei der Army nicht.


    Die Herkunft aus bürgerlichen Verhältnissen lässt vor allen Dingen Claude immer wieder über seinen Weg zweifeln. Berger dagegen zweifelt nie; seinerzeit flog er wegen seiner langen Haare und seines Drogenkonsums von der High School - offene Rebellion, so empfanden die Lehrer das, könne nicht geduldet werden. In den Krieg aber sollen sie, da wird man zum Mann, da lernt man Ordnung und Disziplin!


    Das Scheitern an den eigenen Vorstellungen kann an merkwürdigen Verhaltensmustern festgemacht werden: Sheila hat Berger aus Verliebtheit ein Satinhemd geschenkt, das der in Stücke reißt. Eine kaltschnäuzige Handlungsweise, die Sheila nicht nachvollziehen kann. Jeanie liebt zwar Claude, der ist aber nicht der Vater ihres ungeborenen Kindes; das entstammt einer zufälligen Begegnung mit einem Fremden, einer typischen „Make-Love-not-War"-Stimmung.


    Die Clique veranstaltet ein „Be-In“, bei dem alle ihre Klamotten ablegen und anschließend verbrennen - auch das Publikum wird aufgefordert, sich zu entkleiden. Claude wirft seinen Einberufungsbescheid ins Feuer. Dann eine Kehrtwende: Einsichtig geworden, dass der Widerstand gegen den Militärdienst zwecklos ist, sollen sich alle noch einmal auf einen gemeinsamen Trip begeben, soll noch ein letztes Mal die Droge helfen, der Realität kurz zu entkommen. Aber selbst in diesem Zustand ist der Krieg für Claude das beherrschende Thema. Seine innere Reise führt über Vietnam zurück zu George Washington, lässt die Indianerkriege und den Bürgerkrieg mit Lincolns Eingreifen erstehen. Der Kampf eines jeden Individuums gegen ein anderes, Weiß gegen Schwarz, Sklave gegen Herrn, die eine Religion gegen die andere - alles wird vor seinem inneren Auge wach.


    Als sie nach dem Trip in die Wirklichkeit zurückkommen, präsentieren Berger und Claude ihre unterschiedlichen Ansichten über das Leben: Während Claude „unsichtbar“ sein will, um „den ganzen Dreck“ nicht mehr sehen zu müssen, möchte Berger nur noch „high“ sein, sich treiben lassen.


    Dann ein scharfer Schnitt - Claude ist in Vietnam gefallen. Nun ist er für seine Freunde wirklich „unsichtbar“ geworden, sie sehen und hören seinen Bericht über die grausamen Erlebnisse im Kriege nicht. Berger erweist den plötzlich auf einem schwarzen Tuch liegenden Toten die letzte Ehre und ein letzter gemeinsamer Auftritt lässt Claude mit „Tribe“ das Hippie-Leben besingen...



    INFORMATIONEN ZUM WERK


    James Rado und Gerome Ragni, zwei arbeitslose Schauspieler, schrieben HAIR 1967; sie schildern darin das Hippie-Leben von East Village in New York. Durch Joseph Papp, dem Gründer des „New York Shakespeare-Festivals“, kamen sie mit dessen musikalischem Mitarbeiter Galt MacDermot in Kontakt, der sich genau über die Hippie-Szene und deren Musik informierte und tatsächlich eine passende Musik komponierte. Papp bot ihnen dann schließlich sein vor der Eröffnung stehendes „Public Theatre“ an, in dem HAIR dann am 17. Oktober 1967 uraufgeführt wurde.


    Vor dem politischen Hintergrund des Vietnamkrieges und der Rebellion der jüngeren Generation hatten sich die Texter mit dem Musiker zusammen getan und ein Stück der amerikanischen Gegenwart der 1960er eingefangen. Und Dank einer mitreißenden Musik, amüsanter Songtexte und einer alle möglichen Regie- und Improvisationseinfälle zulassenden Offenheit, hat sich HAIR als ein unverfälschter Ausdruck jener Jahre, mit allen kulturellen Turbulenzen der Epoche, durchgesetzt. Es ist aber auch ein unverkennbar effektvolles, aktionsreiches Ensemble-Stück.


    Bis heute ist HAIR ein „work in progress“ geblieben, das bereits anlässlich der am 29. April 1968 stattfindenden Wiederaufnahme am Broadway erste Änderungen erfahren hatte. Der damals neue Regisseur Tom O'Horgan setzte James Rado in der Rolle des Claude ein und das Stück lief - unter anderen mit Diane Keaton - in über 1.742 Vorstellungen bis zum Juli 1972. Aber HAIR beschäftigte auch die Gerichte. Noch im Jahre 1970 verlangte der Oberste Gerichtshof von Massachusetts Auflagen und Änderungen, die eine geplante Aufführung in Boston verhinderten: Es ging dabei um die kurzen Nacktszenen.


    Die markantesten Daten:
    29. Oktober 1967: Premiere in New York, Public Theatre; Produzent Joseph Papp; Regie und Choreographie Gerald Freedman.
    29. April 1968: Premiere am Broadway, Biltmore Theatre; Produzent Michael Butler; Regie Tom O'Horgan; Choreographie Julie Arenal.
    27. September 1968: Premiere im Londoner West End, Shaftesbury Theatre.
    24. November 1968: Deutsche Erstaufführung München, Theater an der Brienner Straße; Deutsche Texte von Ulf von Mechow und Karl-Heinz Freynik, Songtexte Walter Brandin.
    1978: Filmversion der Produzenten Lester Persky, Michael Butler; Choreographie Twyla Tharp; Regie Milos Forman.


    HAIR ist im Tamino-Musical-Forum thematisch ausgiebig behandelt worden. Insofern sei anstelle gesonderter Hinweise auf erhältliche Aufnahmen in den Threads von Harald Kral verwiesen, beispielsweise:


    Das erste "Rock-Musical" : HAIR


    © Manfred Rückert für den Tamino-Musicalführer 2013
    unter Hinzuziehung folgender Quellen:
    Musical-Führer von Reclam und Schott
    Wikipedia
    Programmhefte aus Augsburg (1997, mit Beate Granzow), Berlin (Theater des Westens, mit Angelika Milster)

    .


    MUSIKWANDERER

  • Lieber Musikwanderer
    Schön und Danke, daß Du dieses Musical hier so ausführlich erwähnst und beschreibst.
    Die beiden bekanntesten Stücke daraus dürften wohl "Aquarius /Let the Sunshine in" sein.
    1969 gab es eine gelungene Aufnahme der amerikanischen Popgruppe "The Fifth Dimension".
    Die war richtig gut, höre ich heut noch gern. Toll der rhythmische Übergang des ersten in den zweiten Titel (ab 1.32).
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Heute vor 45 Jahren:


    27. September 1968:
    Das Musical Hair hat seine Europa-Premiere im Londoner Shaftesbury-Theater,
    mit Paul Nicholas, Oliver Tobias, Annabel Leventon, Linda Kendrick, Peter Straker, Michael Feast, Sonja Kristina, Marsha Hunt, Vince Edward, Paul Korda, Andy Forray, John Gulliver, Peter Straker, Colette Kelly, Rohan McCullough, Gary Hamilton, Jimmy Winston, Ethel Coley, Linbert Spencer, Leighton Robinson, Joanne White, Kookie Eaton, Lucy Fenwick, Diana Langton, Cindy Ann Lee, Limbert Spencer, Gloria Stewart, Liz White und Sheila Wilkinson
    Orchester unter Leitung von Derek Wadsworth



    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)