Premiere "Fliegender Holländer" am 21.6.2013 in Varna/Bulgarien

  • Es wäre eine hämische, bösartige Formulierung zu schreiben: "Das war mein Höhepunkt des Wagnerjahres 2013". Habe mir auch lange überlegt, hier über die konzertante Premierenaufführung des " Fliegenden Holländers" im Freilicht-Amphitheater in Varna/Bulgarien zu berichten. Als Angehöriger der versnobten, vielleicht arroganten, reisenden Opernschickeria habe ich mal außerhalb des hochsubventionierten, verwöhnten Opernbetriebs in den deutschsprachigen Ländern erleben können, wie so die "Produktionsbedingungen" in der bulgarischen Provinz sind.


    Meine bulgarische Bekannte hatte Karten für 3 EURO besorgt. Dachte schon, das können nur Steh- oder" Partitur"plätze sein. Nein, es waren ganz ordentliche Plätze im etwa 1800 Plätze umfassenden Amphitheater, das nur zu etwa 50 % besetzt war. Für mich ungewohnt: ein junger Mann brachte sein Skateboard mit, eine dicke Frau einen großen Becher Popcorn. Während der Aufführung wurde auch viel geredet, Kinder plärrten, etc.


    Zu den Amsel- und verdammten Lachmöven"stimmen" kam noch das Bassgewummere eines benachbarten Vergnügungsparks.


    Es wurde deutsch gesungen (bulgarischer Text rechts und links der Bühne). Ich flüsterte dies gleich zu Beginn meiner Begleiterin, die ein abgeschlossenes Germanistikstudium hat, zu. Und nach einer halben Stunde meinte sie, ich hätte damit einen Scherz gemacht, denn sie verstand kein Wort.


    Das Orchester war zahlenmäßig relativ schwach besetzt, was sich natürlich in einem Freilicht-Theater ohnehin negativ bemerkbar macht. Und es war doch aufschlussreich, mal den Qualitätsunterschied zu den "gewohnten" Opernorchestern zu erleben. Hatte mir kein Programmheft gekauft, so dass ich nichts über die Sänger berichten kann. Denke, das sängerische Niveau wird wohl bei jeder Repertoireaufführung in Hildesheim, Regensburg und Gera übertroffen.


    Enttäuscht war ich vom Chor. Da hat man ja positive Vorurteile über bulgarische Chöre (wobei ich zuvor noch keinen bulgarischen Opernchor gehört hatte).


    Wegen meiner bulgarischen Bekannten hielt ich durch und umging beim anschließenden Abendessen an der Seepromenade eine Bewertung des soeben erlebten.


    Es ist sicherlich verdienstvoll, dass die Varnaer Sommerspiele (die wurden einige Tage zuvor durch ein Konzert des Rundfunkorchesters Freiburg/Baden-Baden im Kongresszentrum eröffnet) das Wagnerjahr mit einer Holländer-Premiere beehren. Und es ist vielleicht heilsam, dass ein Opernsnob mal diese "Opernwirklichkeit" erlebt.

  • Danke für den echt interessanten Beitrag, find es toll auch mal von Aufführungen lesen zu können die aus der Provinz kommen.


    :)

    mucaxel

  • Danke für den Bericht. Schade, dass es sich nicht um eine szenische Aufführung gehandelt hat. Denn beim Inszenieren hätten die Bulgaren - soweit ich das aus Gastspielen hier bei uns kenne - sicher weit besser abgeschnitten als die derzeit in Deutschland tätige Regietheatermafia.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Ich kann diesem Bericht nichts abgewinnen, denn es steht ja so gut wie nichts drin. Nicht einmal die Sänger und den Dirigenten kann der Verfasser nennen. Das ist ein bisschen wenig.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Schön zu hören über Wagner in Varna! Man darf nicht vergessen, daß die soziale (und das heißt finanzielle!) Situation von Musikern in Bulgarien leider Gottes ziemlich erbärmlich ist. Es ist von daher wirklich eine große Leistung, daß so eine Aufführung überhaupt zustandekommt. Und Varna ist was die Musik angeht in Bulgarien durchaus nicht "Provinz". Es gibt dort z.B. die bedeutendste Pianistenschule in Bulgarien. :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Schön zu hören über Wagner in Varna! Man darf nicht vergessen, daß die soziale (und das heißt finanzielle!) Situation von Musikern in Bulgarien leider Gottes ziemlich erbärmlich ist. Es ist von daher wirklich eine große Leistung, daß so eine Aufführung überhaupt zustandekommt. Und Varna ist was die Musik angeht in Bulgarien durchaus nicht "Provinz". Es gibt dort z.B. die bedeutendste Pianistenschule in Bulgarien. :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

    Mit dem vielleicht doofen Begriff "Produktionsbedingungen" habe ich auch die soziale und finanzielle Lage von Musikern und Sängern gemeint. Wies ja auch auf die "verwöhnten" Orchestermusiker im deutschsprachigen Raum hin. Lag mir überhaupt fern, mich darüber "lustig zu machen". Mit "Provinz" wollte ich einen Gegensatz zur Hauptstadt Sofia herstellen, wo aus nationalem Prestige sicherlich andere Bedingungen herrschen. Vielleicht singen ja dort auch die internationalen bulgarischen Sängerstars (z.B. Kasarova) hin und wieder.

  • Was normalerweise mit bulgarischen Chören - die echte Volksmusik meist ausgezeichnet singen - von Klang her in Verbindung gebracht wird, hat mit einem bulgarischen Opernchor rein gar nichts zu tun.


    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Schade nur, daß der Wiener Sensations-"Tristan" irgendwo am Rande der Welt stattfand. Wäre er nur im nahen Varna gewesen ...

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)