WEBBER, Andrew Lloyd: JOSEPH

  • Andrew Lloyd Webber (*1948)


    JOSEPH AND THE AMAZING TECHNICOLOR DREAMCOAT
    (Joseph und der farbig leuchtende Traummantel)
    Libretto und Gesangstexte von Tim[othy Miles Bindon] Rice, nach 1. Mose 37-50


    Uraufführung als „Biblical Cantata“ am 1. März 1968 in der Londoner „Colet Court School“ als Schulaufführung -
    Uraufführung der ersten Bearbeitung als „Biblical Cantata“ am 12. Mai 1968 in der „Central Hall“ von Westminster, London -
    Uraufführung der zweiten Bearbeitung als „Musicaleinakter“ am 21. August 1972 beim Edinburgh Festival -
    Uraufführung der dritten Bearbeitung als zweiaktiges Musical am 27. Januar 1982 im „Royale Theatre“ New York


    DIE WICHTIGSTEN ROLLEN


    Der Erzähler / Die Erzählerin - Sopran oder Tenor
    Der Pharao (Ebenbild von Elvis Presley) - Bariton
    Potiphar - singender Schauspieler, Bariton
    Potiphars Frau - Tänzerin, Mezzosopran
    Jakob- singender Schauspieler, Bariton
    Diener, Bäcker - Tenöre
    Seine Söhne:
    Joseph - hoher Rock-Bariton
    Ruben - Tänzer, Bariton
    Simeon -
    Levi - Bariton
    Naphtali - Tänzer, Tenor
    Isaschar
    Asser
    Dan
    Sebulon - Tänzer
    Gad
    Benjamin - Tänzer
    Juda
    Dazu die jeweiligen Ehefrauen
    Kinderchor


    Ort und Zeit: Ägypten und Kanaan in alttestamentarischer Zeit.


    INHALTSANGABE


    Prolog


    Zunächst lädt der Erzähler (oder die Erzählerin) zu einer Reise in das biblische Kanaan ein; es wird der Träumer Joseph vorgestellt, der zwar ein ganz normaler Junge ist, aber eine besondere Gabe besitzt: Er kann Träume deuten. Jener Joseph wendet sich an das Publikum und fordert es auf, an die Kraft der Träume zu glauben, denn sie könnten eines Tages - Wirklichkeit werden.


    ERSTER AKT


    Jacob, der israelitische Schafzüchter, lebt mit seinen zwölf Söhnen und deren Ehefrauen in Kanaan. Die Großfamilie wird dem Publikum peu à peu vorgestellt und es wird erkennbar, dass Jacob einen seiner Söhne mehr liebt, als die anderen: Joseph. Der Junge erinnert den Vater nicht nur an seine längst verstorbene Lieblingsfrau, er hat auch eine ganz besondere Gabe, die der alte Jacob zu schätzen weiß: Joseph kann Träume deuten.


    Die offensichtliche Bevorzugung Josephs vor seinen Brüdern, die Vater Jacob auch nicht zu kaschieren versucht, macht ihn bei ihnen von Mal zu Mal unbeliebter. Das Fass zum Überlaufen bringt schließlich ein Geschenk, dass der Vater seinem Lieblingssohn macht, nämlich einen farbenprächtigen Mantel, der alle Farben der Welt in sich vereinigt und Joseph sozusagen in ein wandelndes Kunstwerk verwandelt. Während sich Vater Jacob stolz zeigt, sind die übrigen Brüder verärgert und schmieden erste Rachepläne.


    Erwähnenswert für den Ärger von Josephs Brüdern ist seine Gabe der Traumdeutung, zumal er sich mit seinen Äußerungen bei den anderen in ein selbstherrliches Licht setzt. Hat er doch einmal im Schlaf gesehen, wie sich bei der Weizenernte die Ährenbündel der Brüder vor seinen verneigt hätten. In einem anderen Traum hatte Joseph Sterne mit den Gesichtern seiner Brüder gesehen, die dem Stern mit seinem Gesicht huldigten. Während Joseph darin einen Hinweis auf eine glänzende Zukunft, vielleicht sogar für einen Posten in der Regierung, zu erkennen glaubt, halten die Brüder die Geschichten für Hirngespinste. Dennoch denken sie an die Möglichkeit, dass Joseph Recht haben und Karriere machen könnte.


    Neid, Zorn und Missgunst der Brüder führen dazu, dass sie sich eines Tages entschließen, Joseph umzubringen. Sie entführen ihn, reißen ihm Vaters Mantel von den Schultern und wollen ihn gerade töten, als sie eine Karawane auf sich zukommen sehen. Sofort ändern sie ihren Plan und verkaufen Joseph als Sklaven an die Ismaeliter, die mit dem Entrechteten nach Ägypten weiterziehen. Jetzt müssen sie nur noch eine plausible Geschichte für den Vater erfinden; Ruben hat die rettende Idee, Josephs Mantel in das Blut einer erlegten Ziege zu tauchen, und damit den Vater aufzusuchen.


    Dort angekommen erzählen sie Jacob, dass Joseph im Kampf mit einem wilden Tier ums Leben gekommen sei und zeigen ihm den blutgetränkten Mantel seines Lieblingssohnes. Der Vater ist entsetzt, kann den Verlust kaum ertragen, doch die Brüder versuchen ihn mit dem Hinweis zu trösten, dass der Bruder es als himmlischer Engel bestimmt viel besser habe, als er es als einfacher Hirte je hätte haben können. Jacob zieht sich traurig in sein Zelt zurück; kaum ist er von der Szene verschwunden, lassen die Brüder ihrer Freude, den ungeliebten Joseph ein für allemal losgeworden zu sein, freien Lauf.


    Eine Szenenwechsel zeigt, dass die Ismaeliter Joseph als Sklaven an den reichen Potiphar verkaufen. Der Geschäftsmann erkennt sehr schnell die Talente Josephs, und macht ihn zu seinem Stellvertreter. Doch Potiphars Weib findet - als alttestamentarischer Vamp - auch an dem hübschen jungen Mann Gefallen. Obwohl sich Joseph entschlossen gegen die Übergriffe der Frau wehrt, gelingt es ihr an einem Abend, ihn zu verführen. Dumm nur, dass Herr Potiphar die beiden beobachtet und den falschen Schluss zieht, dass Joseph seine Gattin verführt hat - er scheint seine Angetraute nicht gut zu kennen. Seine Reaktion ist eindeutig und für Joseph ein Desaster: Er muss seine vornehmen Kleider ablegen und wird in den Kerker geworfen, wo er bis ans Ende seiner Tage dahin vegetieren soll.


    In seiner engen Gefängniszelle zweifelt Joseph an seinen traumdeuterischen Fähigkeiten, dennoch lässt in seine seelische Festigkeit auf Dauer nicht die Hoffnung an ein gutes Ende verlieren. Wann das allerdings sein wird, weiß er nicht, der Blick in die Zukunft ist ihm nicht gegeben.


    Im Kerker lernt Joseph noch andere Gefangene kennen, die ebenfalls bei Potiphar in Ungnade gefallen sind, darunter sogar zwei hochrangige Mitarbeiter aus dem Palast: der Bäcker und der Diener des Pharao, letzterer eigentlich der direkte Vorgesetzte Potiphars. Sie klagen Joseph ihr Leid, dass sich in schweren und ihnen unverständlichen Träumen äußert. Als Joseph ihnen von seiner Gabe des Traumdeutens erzählt, kann der Diener sich nicht zurückhalten und berichtet Joseph von seinem Traum. Der deutet ihn als baldige Begnadigung mit der Rückkehr in seine ehemalige Position. Nun möchte auch der Bäcker seinen Traum gedeutet haben, doch was Joseph ihm erklärt, ist eine einzige Katastrophe für den Mann: Er muss sich nämlich auf seine baldige Hinrichtung gefasst machen. Wenn Joseph beiden Männern auch versichert, dass seine Deutung nicht unbedingt stimmen müsse, bewahrheiten sie sich sehr schnell. Die Kerkerwachen, die Josephs Gabe nicht nur bewundern und bestaunen, ermutigen ihn, nicht den Glauben an sich selbst zu verlieren. Sie geben sich überzeugt, dass seine Zeit noch kommen werde!


    ZWEITER AKT


    Der Erzähler bzw. die Erzählerin führt uns zu Beginn des zweiten Aktes an den Hof des Pharao, eines mächtigen und reichen Herrschers, der sowohl vom Volk als auch vom Hofstaat verehrt wird. Gleichzeitig wird daran erinnert, dass Joseph aber noch immer in seiner Kerkerzelle hausen muss, noch dazu ohne einen Hoffnungsschimmer auf Rettung.


    Die kommt schneller als es zunächst den Anschein hatte: Weil auch der Pharao von Träumen verfolgt wird, die ihm unheimlich erscheinen, erzählt der treue Diener, nun wieder in Amt und Würden eingesetzt, seinem Herrn von dem Kerkerinsassen Joseph und seiner Gabe der Traumdeutung. Neugierig und auf eine Lösung seiner Probleme hoffend, lässt der Herrscher Joseph sofort zu sich bringen, und der, zunächst eingeschüchtert, dann jedoch locker werdend, bietet Pharao seine Hilfe an.


    Es sind zwei Träume, die den ägyptischen König in fast jeder Nacht heimsuchen; sie hören sich geheimnisvoll an: In einem Traum erscheinen Pharao sieben fette und sieben magere Kühe, und obwohl die mageren Kühe die fetten auffressen, werden sie nicht dicker. In dem zweiten Traum sieht der König sieben gesunde und sieben vertrocknete Kornnähren. Was mögen diese Träume bedeuten?


    Josephs Erklärung überrascht den Pharao: sie enthält im Grunde eine Anweisung zu einer vorausschauenden Wirtschaftspolitik. Die sieben fetten Kühe und die dicken Kornähren weisen auf eine Reihe von guten Erntejahren hin, demzufolge die sieben mageren Kühe und die verdorrten Ähren Hungerjahre bedeuten. Dem Pharao leuchtet die Notwendigkeit einer guten Politik für sein Volk ein; er fragt sich allerdings, wen er mit dieser Aufgabe betrauen soll. Könnte es vielleicht dieser Fremde sein? Kurz entschlossen macht der König Joseph zu seinem „Berater in Wirtschaftsfragen“ und erhebt ihn zusätzlich in den Stand des Vizekönigs. Seinen Hofstaat weist er an, Joseph standesgemäß einzukleiden und ihm zu dienen wie dem Pharao selbst: So soll man es schreiben, so soll es geschehen! Und Joseph? Ihm wird bewusst, dass die Deutung eines eigenen Traumes richtig war.


    Tatsächlich geht Josephs Prophezeiung in Erfüllung: In den sieben, durch gute Ernten befriedigenden Jahren, wird allgemeiner Wohlstand geschaffen und Joseph lässt überall im Land reichlich Vorräte anlegen, um die Notzeiten überstehen zu können. Diese kluge Wirtschaftspolitik erweist sich in den Dürre-Jahren als ein Segen für Land und Volk. Hier könnte die Geschichte henden - doch der/die Erzähler/in erinnert an Josephs Brüder, die in Kanaan zurückgeblieben sind und noch eine wichtige Rolle im weiteren Geschehen spielen werden.


    In Kanaan hat niemand Vorsorge getroffen, hier herrscht große Not, auch in Josephs Familie. Seine Brüder denken oft an die alte Zeit, als der Bruder noch bei ihnen war und sie durch seine Träume ärgerte, was sie jetzt mit „aufheiterte“ übersetzen. Nun, da alles verloren, die Hoffnung auf ein erträgliches Leben zerstoben ist, erkennen sie ihren schweren Fehler, Joseph zu verjagen. Sie wünschen sich, alles ungeschehen machen zu können. Aber auch in alttestamentarischer Zeit dringen, wenn auch viel langsamer als heute, gute wie schlechte Nachrichten durch die Lande; die Jacob-Familie erfährt von den Reichtümern Ägyptens, und man entschließt sich aus purer Verzweiflung, an den Hof des Pharao zu reisen und um Unterstützung zu bitten.


    Als sie dort eintreffen werden sie natürlich nicht vom Pharao, sondern von dessen Vize empfangen, ihrem Bruder Joseph. Allerdings erkennen sie ihn nicht, denn die Jahre in Ägypten haben ihn verändert - also fallen die Brüder vor dem Stellvertreter des Gottgleichen auf die Knie und bitten um Essen und Geld. Anders Joseph: der erkennt seine Brüder sofort, und er schwankt kurz zwischen Gewährung der erbetenen Hilfe und Ablehnung aus verständlicher Rache. Aber Joseph ist nicht rachsüchtig, er wird helfen, aber zu leicht will er es seinen Brüdern auch nicht machen. Er spielt den Gestrengen, lässt sie wissen, dass sie für ihn Spitzbuben sind. Erst nach langem Bitten und Betteln weist er seine Beamten an, Lebensmittel herbeizuschaffen. Dankbar wollen sich die Brüder auf den Heimweg machen, doch kurz vor der Abreise stellt Joseph ihnen eine Falle: In Benjamins Sack versteckt er eine wertvolle Karaffe, die bei einer Untersuchung prompt gefunden wird. Der Vizekönig spricht gespielt, aber unglaublich echt, von Diebstahl.


    Keiner der Brüder kann sich vorstellen, dass der jüngste, Benjamin, einen Diebstahl begehen würde; sie fallen erneut vor Joseph nieder, bieten ihm an, für Benjamin in den Kerker zu gehen, der dafür die Heimreise nach Kanaan antreten soll, um dort der übrigen Familie die notwendigen Lebensmittel zu bringen. Diese Verhaltensweise ist für Joseph der Beweis, dass seine Brüder eine Wandlung durchgemacht haben und er gibt sich jetzt, zutiefst gerührt, seinen Brüdern zu erkennen.


    Die große Wiedersehensfreude wird noch gesteigert durch das Eintreffen des alten Vaters Jacob. Er ist an den ägyptischen Hof gekommen, um seinen totgeglaubten Sohn wieder zu umarmen. Und er bringt der nun hochgestellten Persönlichkeit einen neuen prächtigen Mantel als Wiedersehensgeschenk mit. Es wird beschlossen, das hungernde Kanaan hinter sich zu lassen und als Familie weiterhin in Ägypten zu leben - ohne Sorgen und Nöte.


    INFORMATIONEN ZUM WERK


    Wie schon zu Beginn dieser Inhaltsbeschreibung erwähnt, entstand Webbers erste Musical als eine „Biblische Kantate“ für den Chor der „Colet Court School“ in London und hatte eine Spieldauer von nur einer halben Stunde. Als Bühnenversion kam die Geschichte am 21. August 1968 beim Edinburgh Festival heraus, und zwar als Teil von „Bibel One: Two Looks at the Book of Genesis“, aufgeführt durch die „Young Vic Company“. Der große Erfolg kam allerdings erst mit der Broadway-Fassung von 1982 (mit dem Popstar Andy Gibb) in der Folge des inzwischen zum Hit gewordenen Musicals „Jesus Christ Superstar“.


    Die Musik ist praktisch durch verschiedene Parodien der unterschiedlichsten Musikstile gekennzeichnet. So erinnert der „Benjamin Calypso“ stark an Harry Belafonte und Pharaos „Song of the King“ ist im Stil von Elvis Presley komponiert, dem der Pharao übrigens physiognomisch sehr ähnlich zu sein hat. Als eindeutige Country-Ballade ist „One More Angel in Heaven“ konzipiert, während „Those Canaan Days“ mit jiddisch-französischem Einschlag als Chanson zu singen ist; als Cha-Cha-Cha kommt „The Brothers Come To Egypt“ daher. Der Erzähler, respektive die Erzählerin (Webber überlässt die Entscheidung den örtlichen Gegebenheiten), erinnert an den Evangelisten aus der Oratorienliteratur. Dialoge waren übrigens nichts vorgesehen, der Handlungsablauf sollte sich ausschließlich durch die Songtexte vermitteln. Diese Texte fallen durch Wortwitz, gepaart mit ironischer Erzählweise, aber auch durch aktuelle Zeitbezüge mit intelligent gemachten Reimen auf.


    © Manfred Rückert für den Tamino Musicalführer 2013
    unter Hinzuziehung folgender Quellen:
    Publikation zur Aufführung im Essener Collosseum
    Musicalführer von Reclam und Schott
    Wikipedia

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    MUSIKWANDERER

  • Auch das früheste Stück aus der Werkstatt des Erfolgskomponisten Webber findet sich bei den Tamino-Werbepartnern im Angebot:



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    MUSIKWANDERER