Andrzej Panufnik - Polnisch-englischer Komponist (1914-1991)

  • Nachdem sich CPO schon vor geraumer Zeit dieses Komponisten angenommen hat und bereits 6 CDs veröffentlicht hat, drei davon wurden schon im Preis reduziert, wird es vielleicht Zeit, Andrzej Panufnik einen eigenen Thread zu widmen.

    Andrzej Panufnik, der bereits als Kind zu komponieren begann, studierte von 1932 bis 1936 am Warschauer Konservatorium Komposition und Musiktheorie, danach Orchesterleitung bei Felix Weingartner in Wien und 1938–1939 bei Philippe Gaubert in Paris. Während des Warschauer Aufstandes wurden seine sämtlichen Kompositionen vernichtet; einige konnte er später rekonstruieren.


    Nach dem Krieg war Panufnik Dirigent des Orchesters der Krakauer Philharmonie und 1946–1947 Direktor des Warschauer Philharmonie. Als Gastdirigent trat er unter anderem mit den Berliner Philharmonikern, dem Orchestre National in Paris und dem London Symphonic Orchestra auf. Er wurde in Polen vielfach ausgezeichnet und wurde 1950 gemeinsam mit Arthur Honegger zum Vizepräsidenten des Internationalen Musikrates des UNESCO gewählt.


    Trotz dieser offiziellen Anerkennung verließ Panufnik 1954 aus Protest gegen die wachsende Unfreiheit unter dem Einfluss des Stalinismus Polen und emigrierte nach England. Er wurde englischer Staatsbürger und wirkte von 1957 bis 1959 als musikalischer Leiter des City of Birmingham Symphony Orchestra. Danach lebte er als freischaffender Komponist.


    Die erste Aufführung seiner Werke in Polen nach seiner Emigration fand auf Betreiben des Polnischen Komponistenverbandes 1977 statt. 1984 wurde er Ehrenmitglied der Royal Academy of Music, 1987 des Polnischen Komponistenverbandes, aus dem man ihn 1954 ausgeschlossen hatte. 1991 wurde er von Elisabeth II. in den Adelsstand erhoben und erhielt einen Ehrendoktortitel der WarschauerFryderyk-Chopin-Musikakademie. Staatspräsident Lech Wałęsa verlieh im posthum den Orden Polonia Restituta.


    Panufnik komponierte zahlreiche große Orchesterwerke, darunter zehn Sinfonien und Konzerte für Klavier, Violine, Fagott und Cello, außerdem drei Streichquartette und Vokalmusik.


    Dirigenten wie Leopold Stokowski und Seiji Ozawa haben sich früh für seine Musik eingesetzt.



  • Tragische Ouvertüre; Nocturne; Heroische Ouvertüre;
    Katyn Epitaph; A Procession for Peace; Harmonie


    Die erste CD der Reihe enthält keine der zehn Symphonien, sondern eine Reihe kürzerer Orchesterstücke zwischen 5 und 17 min Länge. Die Musik ist schwer zu beschreiben, da die Stücke durchaus sehr unterschiedlich sind. Die Musik ist im Prinzip noch tonal gebunden und gemäßigt modern. Sie ist zu erheblichen Steigerungen fähig und Schlagzeug spielt häufig eine dominierende Rolle.
    Die Tragische Ouvertüre erinnert z.B. entfernt an das brutale Scherzo der 10. Symphonie von Schostakowitsch in dem er Stalin porträtiert. Hier wird auch kein persönliches Schicksal behandelt, sondern der Völkermord an den Polen während des 2. Weltkrieges.
    Nocturne ist das längste Stück und hier geht es dem Titel entsprechend eher mysteriös und etwas unheimlich zu, aber auch mit zwei enormen Steigerungen. Könnte man als Soundtrack für einen SciFi-Film wie Aliens verwenden.
    Die heroische Ouvertüre ist dafür etwas positiver gestimmt, wurde für die Olympiade 1952 komponiert, aber dann in Polen als formalistisch verdammt.
    Andere Anklänge, die ich glaube zu hören, sind Honegger, Messiaen und auch Hovhaness, aber immer nur vorübergehend, irgendwo ist die Musik doch sehr eigenständig. Ein interessanter Start jedenfalls für alle, die diesen Komponist noch gar nicht kennen.

  • "Meine Kompositionen sind extrem unterschiedlich im Charakter. Jedoch war mein Zugang jedesmal mehr oder weniger gleichartig. Ich vergleiche mich gerne mit einem Architekten, indem ich jedes Werk in drei Phasen erstelle, immer in derselben Reihenfolge: zuerst ist da der Zweck - oder der Grund - wofür es geschrieben wird; dann die architektonische Struktur; und dann das Material, mit dem gebaut wird.
    Was den schöpferischen Impuls - oder den ursprünglichen Zweck - betrifft, ist fast keines meiner Werke völlig losgelöst von den Ereignissen um mich, oder den Veränderungen im Laufe meines Lebens, zu sehen, ist doch Musik für mich immer Ausdruck tiefsten menschlichen Fühlens und echter Emotion. Der geistige und poetische Inhalt ist daher ganz wesentlich und beeinflußt entschieden die Konstruktion. Niemals betrachte ich die technische Seite eines Musikstücks als etwas in sich Genügendes, und vielleicht ist dies einer der Gründe dafür, daß ich in meiner Denkweise keiner speziellen "Schule" angehöre. Ich komponiere vielmehr sehr intuitiv, aber zugleich habe ich mir eine sehr strenge Disziplin der Klangorganisation und größtmögliche Ökonomie und Klarheit im Ausdruck auferlegt.
    In einigen Kompositionen ließ ich mich beispielsweise in der Wahl und Anwendung der Mittel von geometrischen Formen und Gesetzen bestimmen, indem ich eine einzige Triade mit ihren fortwährenden Widerspiegelungen als fundamentales strukturelles Element über ein ganzes ausgedehntes Werk hin verwendete. Aber diese eiserne Disziplin konstanter Wiederkehr widergespiegelter Triaden wurde nicht als rein intellektuelle Übung gewählt - etwa als Konstruktion um der Konstruktion willen - sondern ist vielmehr Mittel zum Zweck: als Hilfsmittel zur Formulierung des Auszudrückenden - nicht als Begrenzung des Ausdrucks.
    In all meinen Werken versuche ich, einen wirklichen Ausgleich zwischen Gefühl und Intellekt zu erreichen - Gleichgewicht von Herz und Hirn, von Motivation und Konstruktion."
    Andrzej Panufnik 1974 in "Impulse and Design in my music".

  • Irgendwie scheint Andrzej Panufnik hier im Forum bisher wenig Beachtung gefunden zu haben, selbst der von mir aufgelegte thread wurde bisher selten gelesen. Das ist schade, denn ich finde ein bisschen mehr Anerkennung hat er schon verdient.


    Panufnik war ein Freund von Lutoslawski - beide haben sich im Krieg mit z.T. vierhändigem Klavierspiel durchgeschlagen - immer in der Gefahr von den Nazis geschnappt zu werden. Die Musik von Panufnik ist recht unterschiedlich und auch nicht der Avantgarde der 50-70er Jahre zuzuordnen, vielleicht ist das ein Grund, warum er bisher nicht so eine große Anerkennung gefunden hat. Aber wichtige Dirigenten wie Stokowski, Ozawa und auch Horenstein haben seine Musik dirigiert.


    Panufnik hat 10 Symphonien geschrieben, allerdings keine ausufernden, sondern eher knapp und konzis ist kaum ein länger als 30 min. Die Symphonien hat er auch nicht wie üblich nummeriert, sondern mit Beinamen versehen. Heute soll es um die Sinfonia mistica gehen, ein 24 min-Werk von 1977. Diese seine 6. Symphonie ist auf der dritten Folge der cpo Reihe enthalten.



    Der Titel bezieht sich anscheinend auf eine Zahlenmystik um die Zahl 6, u.a. hat das Werk 6 Sätze: langsam-schnell-langsam usw.
    Die langsamen streicherdominierten Teile klingen tatsächlich mystisch und könnten ohne weiteres als Musik zu unheimlichen Filmen dienen, die schnelleren benutzen vor allem die Blasinstrumente. Die Orchestrierung ist ziemlich durchsichtig und bis auf den letzten Satz wird es kaum lauter als mezzoforte. Die Tonsprache geht über die Errungenschaften der klassischen Moderne nicht hinaus. Ein Werk, dass sich gut zum Kennenlernen der Musik Panufniks eignet.


    Neben der oben gezeigten Aufnahme gibt es noch eine ältere mit dem London SO unter Atherton.



    Hier findet Ihr eine Übersicht über alle Symphonien (englisch)




  • Die 9. Symphonie von Andrzej Panufnik - die Sinfonie der Hoffnung - ist auch mit gut 40 min seine längste. Und vielleicht seine Eindrucksvollste (?). Sie stand schon Jahre bei mir im Regal, aber ich muss zugeben, ich erinnere nicht sie schon einmal gehört zu haben. Nun habe ich. Da wird einem ordentlich was um die Ohren geblasen. Tief tragische Musik in der Nachfolge von Mahler und Schostakowitsch, aber mächtig angereichert mit schweren Dissonanzen vor allem vom Blech. Das klingt teilweise richtig schräg (Ives lässt grüßen) und nur die langjährige Erfahrung des Komponisten als Dirigent und die Klasse des LSO lassen mich glauben, das es genauso komponiert ist. Von der Intensität geht das in Richtung Allan Pettersson. Starkes Stück, muss ich sicher in den kommenden Tagen noch mal hören. Übrigens die letzte Aufnahme des Dirigenten Panufnik, drei Monate später ist er verstorben.

  • Banner Trailer Gelbe Rose

  • Panufnik schrieb seine 1. Symphonie, die Rustica, 1948. Gleich nach der Uraufführung wurde sie von den Stalinisten in Polen als "formalistisch" verdammt und durfte 30 Jahre nicht mehr gespielt werden. Die Repressionen haben letztendlich dazu geführt, dass Panufnik 1954 ein Konzert in der Schweiz zur Flucht nutzte und sich in England niederliess. In Polen war er von nun an bis Ende der 70er persona non grata. Aus heutiger Sicht lässt sich nicht nachvollziehen, was den Betonköpfen an dieser Symphonie nicht gefiel. Sie hat die klassische, viersätzige Form und ähnelt von der Tonsprache her den kurz zuvor entstandenen Symphonien 1-5 von Martinu und 3 + 4 von Roussel. Auch einen optimistischen "amerikanischen" Ton höre ich heraus, obwohl ich nicht glaube, dass Panufnik die Musik z.B. von Copland oder Harris kannte. Es ist ein weiter Weg von dieser eher heiteren Musik zu den Abgründen der Sinfonia della speranza (s.o.). Diese Entwicklung werde ich mir näher anschauen.


    Die Rustica gibt es auch in einer Einspielung des Komponisten selbst, habe ich als Vinylscheibe und es gibt auch eine EMI CD auf dem Marktplatz.

  • Das Violinkonzert von Andrzej Panufnik wurde von Yehudi Menuhin in Auftrag gegeben und von diesem auch unter Leitung des Komponisten auf LP eingespielt. Ich habe keinen Hinweis auf eine CD-Veröffentlichung dieser Aufnahme gefunden.



    Die vorliegende Aufnahme wird vom mir bisher unbekannten Geiger Krzysztof Smietana gespielt. Das 22-minütige Stück ist gemäßigt modern, neo-klassizistisch geprägt. Das begleitende Orchester ist auf Streicher beschränkt. Hier muss ich mal bekennen, dass ich kein großer Freund von Musik für reines Streichorchester bin, da ich die Ausdrucksmöglichkeiten dieser Formation immer etwas limitierend finde (ganz im Gegensatz zum Streichquartett!). Davon mal abgesehen, haben wir es hier mit einem gut hörbaren Violinkonzert zu tun, dass - soweit ich das beurteilen kann - keine allzu virtuosen Anforderungen an den Geiger stellt, dass aber m.E. auch eindeutig nicht zu den großen Werken des 20. Jahrhundert für dieses Instrument gehört.

  • Die Sinfonia sacra (3. Sinfonie) hat Panufnik 1963 zum 1000. Jahrestag der Christianisierung Polens geschrieben. Das 22-minütige Werk gliedert sich in zwei Sätze: 3 Visions und Hymnus.
    Die erste Vision ist eine 2-minütige mehrstimmige Trompetenfanfare, die ein wenig an Mahler erinnert. Sie wird abgelöst von einem Mysterioso der Streicher. Dieses wird dann von einem Schlagwerksolo abgelöst, das in eine lebhaftere leicht Jazz angehauchte Passage übergeht. Da Panufnik zu dieser Zeit schon einige Jahre in England lebte, dürfte er die Musik der Kollegen Arnold und Simpson zur Kenntnis genommen haben. Der Hymnus erst in den Streichern vorgetragen erinnert in seiner melancholisch-optimistischen Art an Kompositionen von der anderen Seite des Atlantiks, zum Ende hin sind auch die Trompeten wieder mit dabei.
    Ein interessantes gut hörbares Stück. Die Einspielung mit dem Concertgebouw Orchestra und dem Komponisten am Dirigentenpult ist sicher erste Wahl.


  • Die Symphonie Nr. 2 von Panufnik entstand ursprünglich als Symphony of Peace und wurde von Leopold Stokowski 1955 in Detroit uraufgeführt. Trotz des Erfolges und der Begeisterung von Stoky war Panufnik nicht zufrieden mit dem Stück und hat es einer drastischen Revision unterzogen, u.a. entfernte er die Chorpassagen. Die destillierte Form wurde 1957 als Sinfonia elegiaca wiederum von Stoky, diesmal in Houston, uraufgeführt.
    Die Symphonie besteht aus einem dreiteiligen Satz langsam - schnell - langsam. Die langsamen Abschnitte tragen dem Namen der Symphonie Rechnung und sind berückend schön, der erste Abschnitt enthält langgezogene Solopassagen der Holzbläser über einer überaus eingängigen Akkordfolge und kann schon beim ersten Hören stark für sich einnehmen. Der schnelle Abschnitt bringt ein brilliant orchestriertes Allegro ebenfalls mit hervorragenden melodischen Einfällen. Das Ganze klingt dann wiederum vor allem in den Streichern wunderbar aus.
    Wenn eine Komposition von Panufnik es verdient hätte, zum Kernrepertoire des 20. Jahrhunderts zu gehören, dann auf alle Fälle diese.



    Da die vierte Folge der überaus verdienstvollen Serie von cpo auch die weiter oben beschriebene sehr hörenswerte Sinfonia sacra sowie die 10. Symphonie (uraufgeführt vom CSO und Solti, Besprechung folgt) enthält, ist diese CD zum Sonderpreis eigentlich Pflichtkauf für jeden halbwegs interessierten. Der exzellente junge polnische Dirigent Lukasz Borowicz hat bei dieser Folge das Orchester gewechselt und dirigiert das KHO Berlin.


    Es wird mir schwer fallen zu warten bis Folge 5 und 6 reduziert werden, Folge 7 erscheint Anfang Dezember. Diese Serie ist eine weitere Großtat des Oldenburger Labels.

  • Drei Jahre vor seinem Tod vollendet, ist die 10. Sinfonie die einzige ohne Namen, vielleicht nennen wir sie Sinfonia enigma. Eine Auftragsarbeit für das Chicago SO, von Solti 1990 uraufgeführt. Leider von ihm nicht eingespielt. Ein durchgehender Satz von 16 Minuten Länge mit 4 Abschnitten: Largo - Allegro moderato - Presto - Adagio, wobei die umschliessenden langsamen Teile 2/3 ausmachen. "Der erste Abschnitt hat den Charakter einer Anrufung (viel Bläser). Die folgenden im Ausdruck meditativen Abschnitte steigern sich allmählich zu einem Höhepunkt, der plötzlich abbricht, um nur das Ausschwingen der Klaviersaiten nachklingen zu lassen, aus welchem der gebetsartige Schlussabschnitt der Symphonie erwächst." (Christoph Schlüren im Booklet). Letzterer - das Adagio - ist ein eindrucksvoller Abschiedsgesang, mit dem ein faszinierendes symphonisches Schaffen - m.E. eines der bedeutendsten des 20. Jahrhunderts - seinen würdigen Abschluss findet.

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose

  • Arbor Cosmica ist ein spätes Werk 1983 komponiert. Es ist ein Stück für 12 Streicher, bestehend aus 12 kurzen Sätzen, sog. Evocationen also Anrufungen. Länge knapp 40 min. Das gesamte Werk entwickelt sich aus einem einzigen Akkord, die unterschiedlichen Entwicklungen erfolgen laut Booklet analog den Verzweigungen eines Baums. Die einzelnen Evocations sind relativ statischer Natur und stehen mehr oder weniger beziehungslos nebeneinander. Interessant wird das Werk durch die sehr abwechslungsreiche Orchestrierung trotz des beschränkten Orchesters. Authentische Interpretationen unter Leitung des Komponisten.




  • Es ist eine undankbare Aufgabe über einen Komponisten zu schreiben, den offensichtlich kaum jemand im Forum kennt und wo keine Resonanz kommt - ich - und einige andere auch - kennen das. Aber es ist oft nur so, dass niemand antwortet, weil er in der Tat keine einzige CD des Komponisten im Schrank hat oder weil er Musik des 20. Jahrhunderts prinzipiell nicht oder nur sehr wenig hört.
    Steter Tropfen höhlt den Stein und ein guter Preis hilft nach - ebendso wie Soundsamples. Ich habe den Kompoisten auf Grund dieses Threads kennen gelernt - und ein wenig in die Klangschnippsel hineingehört. Wenngleich ich mit Sicherheit kein Anhänger der zeitgenössischen Musik bin, so muss ich doch sagen, daß Panufnik ein sehr interessanter Komponist ist und mit äussert raffinierten Klangeffekten aufwarten kann. Wer sich für Schostakowitsch begeistern kann, der wird dies vermutlich für Panufnik auch tun.
    Also habe ich - einmal mehr meine - Dezemberbestellung erweitert und meinen Vorsatz über den Haufen geworfen in Hinkunft fast nur Aufnahmen mit Werken von Komponisten des 18. und 19. Jahrhunderts zu kaufen....
    Ich konnte übrigens nirgends eine Andeutung darauf finden, daß mit der soeben erscheinenden Folge 7 die cpo Panufnik Edition abgeschlossen wäre - aber auch, wenn das der Fall sein sollte: Es gibt eine ganze Menge an Aufnahmen anderer Labels.
    Besonders beeindruckt haben mich die Hörproben auf dieses CD:

    Aber VORSICHT !! Das ist nicht der typische Still von Panufnik, man sollte auch in andere Aufnahmen hineinhören, bevor man sich für eine größere Bestellung entscheidet.....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Die siebte Folge der CPO-Panufnik Reihe ist raus und inzwischen bin ich dazu übergegangen, die neuen CDs sofort zu ordern, wenn sie herauskommen.


    Diese Folge enthält mit der halbstündigen Sinfonia di Sfere ein zentrales Werk des Komponisten. Der Booklet-Autor Christoph Schlüren hält es sogar für sein symphonisches Meisterwerk. Dem kann ich nicht widersprechen, aber für mich handelt es sich um ein ziemlich sprödes, schwer zugängliches Werk, dass man sicher mehrmals hören muss. Wer hier Sphärenmusik a la Holst oder John Williams erwartet, wird sicher enttäuscht. Nein, das Werk ist ziemlich perkussionslastig, auch ein Klavier spielt ein wichtige Rolle, so dass man eher an manches von Messiaen erinnert wird. Das Werk ist immer noch irgendwie tonal, vielleicht so tonal wie die Musik von Allan Pettersson, der mir an einigen Wendungen auch in den Sinn kam, obwohl die Musik von Panufnik viel kurzatmiger ist und die Stimmungen häufiger wechseln. Das Werk wurde 1976 von der London Sinfonietta unter David Atherton uraufgeführt und seinerzeit auch bei Decca eingespielt. Diese Aufnahme ist auch erhältlich, welche (und ob eine) besser ist, vermag ich derzeit noch nicht zu sagen. Außerdem gibt es auch eine weitere Einspielung bei Ondine, die ich nicht kenne, die aber auch gelobt wird.


  • Ich habe mir- angeregt durch diesen Thread - im (vermutlichen) Vollbesitz meiner geistigen Kräfte drei CDs von Panufnik gekauft - Aus einer Art "historischem Interesse" - nicht weil ich erwartete, mir könnte die Musik gefallen.


    Nun - bisher habe ich aus Folge 1 zwei Werke gehört - und ich würde hier sagen, sie werden vermutlich niemandem "gefallen" - vermutlich wurden sie dazu auch gar nicht komponiert.
    Dennoch sind sie interessant. Die "Tragische Ouvertüre" beginnt mit erschreckenden, aggressiven und rhythmischen Tönen, danach laufen zwei leise parallele Ebenen: eine nervös fibrierende, eine ruhige. Eine Art Choral artet schließlich in ein Inferno aus.
    das aber durch eine leise, aber eher beunruhigende Passage abgelöst wird, durch die unangenehm bedrohliche Klangwolken ziehen, teils unterschwellig, teils agressiv. Eine Stelle mit immer lauter und schneller werdendem Trommelwirbel - ähnlich wie bei Ravels Bolero - bereitet dem Spuk eine Ende.


    Vorerst meint man gar nichts zu hören - so leise beginnt das "Nocturne" - dann vermeint man ein ferne Klagen zu vernehmen. Nein- es sicher da, jeder Zweifel ist ausgeschlossen. Ein zartes Thema erscheint - kaum hörbar - aber es ist eher geheimnisvoll als lieblich oder dergleichen.Allmählich - kaum merkbar nimmt der Pegel zu. Ich assoziiere einen unterirdischen Kanal mit schwarzem Wasser, der langsam aber unaufhaltsam fließt und man weiß nicht welche unangenehmen Überraschungen das Gewässer bereithält. Von allen Seiten kommen nun Seitenkanäle und sie heben die Gesamtlautstärke, ein rhythmisches Trommelgeräusch ist vernehmbar. der Rhythmus wird immer wieder wiederholt, der Komponist scheint auch in dem Stück Ravels Bolero im Hinterkopf gehabt zu haben. Im Gegensatz zu diesem beruhigt sich das Thema jedoch wieder anstatt sich im Finale zu entladen. Nach einen Augenblick der Beinahe- Stille erklingt ein leises Flirren in das sich kaum hörbar aus weiter Ferne das Geräusch einer kleinen Trommel mischt......


    Bemerkung am Rande: Die Tontechnik bringt die einzelnen Klangeffekte und die Dynamik vorzüglich zur Geltung, etwas das bei dieser Art von Musik (die ich mehr als Klangexperiment einschätze) ein nicht zu unterschätzender Vorteil ist. Das Polnische Radio lässt hier manche Konkurrenten blass aussehen...


    Die beschriebenen Assoziationen sind vermutlich für anderen Hörer nicht nachvollziehbar - aber das ist oft auch bei professionellen Kritikern der Fall.....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Die beschriebenen Assoziationen sind vermutlich für anderen Hörer nicht nachvollziehbar - aber das ist oft auch bei professionellen Kritikern der Fall....

    Die von Dir beschriebenen Assoziation liegen aber nicht sehr weit von meinen unter Beitrag 2 beschriebenen entfernt. Mich erinnerte das Nocturne an die Filmmusik zu "Aliens". Deine Assoziation

    Ich assoziiere einen unterirdischen Kanal mit schwarzem Wasser, der langsam aber unaufhaltsam fließt und man weiß nicht welche unangenehmen Überraschungen das Gewässer bereithält. Von allen Seiten kommen nun Seitenkanäle und sie heben die Gesamtlautstärke

    kommt dem filmischen Geschehen in diesem Film relativ nahe, der Kanal sind die technischen Versorgungsschächte im Raumschiff, in dem sich das Alien fortbewegt.

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • 1984 wurde in Polen der Priester Jerzy Popieluszko von drei Mitarbeitern des polnischen Geheimdienstes entführt und ermordet. Die Mitarbeiter wurden zwar zu langen Haftstrafen verurteilt, die Hintergründe sind aber bis heute nicht völlig geklärt, vermutlich stand der KGB dahinter. Eine der letzten sinnlosen Aktionen eines sich überlebt habenden politischen Systems, das dann auch bald beiseite gefegt wurde.
    Panufnik schrieb zu dieser Zeit an einem Fagottkonzert und widmete dieses dem ermordeten Geistlichen. Ich habe immer ein bisschen ein Problem mit solchen Widmungen. Was macht man, wenn man eine Stück das den Toten und Ermordeten gewidmet ist, musikalisch schlecht findet?
    Nun, das Problem stellt sich hier für mich nicht, da ich das Stück für eindrucksvoll halte. Das Fagott verkörpert dabei unmissverständlich die menschliche Stimme, die sich gegen alle Widersacher zu behaupten versucht. Das 20-minütige Stück hat 5 Sätze. Die ersten drei sind ziemlich kurz und der dritte Satz ist deutlich hörbar eine graphische Darstellung von der Folterung und Ermordung des Priesters: Die Fagottstimme singt gegen peitschenartige Orchestereinwürfe an und wird schließlich durch drei dumpfe Paukenschläge zum Verstimmen gebracht. Danach erhebt sich eine 13-minütige Aria, ein Trauergesang, der vermutlich auf alte polnische Weisen zurückgreift (ähnlich wie die Symphonie der Klagelieder), das Kernstück des Konzerts. Mit einem kurzen Epilog schließt das Ganze ab.

  • 1984 wurde in Polen der Priester Jerzy Popieluszko von drei Mitarbeitern des polnischen Geheimdienstes entführt und ermordet. Die Mitarbeiter wurden zwar zu langen Haftstrafen verurteilt, die Hintergründe sind aber bis heute nicht völlig geklärt, vermutlich stand der KGB dahinter. Eine der letzten sinnlosen Aktionen eines sich überlebt habenden politischen Systems, das dann auch bald beiseite gefegt wurde.
    Panufnik schrieb zu dieser Zeit an einem Fagottkonzert und widmete dieses dem ermordeten Geistlichen. Ich habe immer ein bisschen ein Problem mit solchen Widmungen. Was macht man, wenn man eine Stück das den Toten und Ermordeten gewidmet ist, musikalisch schlecht findet?



    Nun, das Problem stellt sich hier für mich nicht, da ich das Stück für eindrucksvoll halte. Das Fagott verkörpert dabei unmissverständlich die menschliche Stimme, die sich gegen alle Widersacher zu behaupten versucht. Das 20-minütige Stück hat 5 Sätze. Die ersten drei sind ziemlich kurz und der dritte Satz ist deutlich hörbar eine Darstellung von der Folterung und Ermordung des Priesters: Die Fagottstimme singt gegen peitschenartige Orchestereinwürfe an und wird schließlich durch drei dumpfe Paukenschläge zum Verstimmen gebracht. Danach erhebt sich eine 13-minütige Aria, ein Trauergesang, der vermutlich auf alte polnische Weisen zurückgreift (ähnlich wie die Symphonie der Klagelieder), das Kernstück des Konzerts. Mit einem kurzen Epilog schließt das Ganze ab. Mehrfach-Preisträger Michael von Schönermark spielt das Fagott und ich kann mir keinen besseren Solisten vorstellen.

  • Laut dem führenden deutschen Klassikmagazin ist mit der 8. Folge die GA der Orchesterwerke von Panufnik bei cpo abgeschlossen.
    M.W. sind zwar nicht alle Orchesterstücke berücksichtigt worden, aber sei es drum. Dies ist auf alle Fälle eine weitere verdienstvolle Serie, die das Werk des neben Penderecki, Lutoslawski und Bacewicz wichtigsten polnischen Komponisten der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts angemessen dokumentiert. Ich kann diese Serie nur allen, die sich überhaupt für die Musik der Moderne interessieren wärmstens empfehlen. Die 8. Folge kenne ich übrigens noch nicht, da habe ich allerdings auch Alternativaufnahmen. Sie enthält die Konzerte für Violine, Cello und Klavier, die mit prominenten Solisten (Sitkovetsky, Wallfisch, Kupiec) eingespielt wurden. Alle Aufnahmen wurden vom jungen Lucasz Borowicz dirigiert, der es durchaus auch verdient hätte, unter den kommenden bedeutenden Dirigenten gelistet zu werden.





  • Der Vollständigkeit halber möchte ich darauf hinweisen, dass es von der Sinfonia Votiva noch eine andere brillante Aufnahme gibt:



    Das Boston Symphony Orchestra hat zu seinem hundertjährigen Bestehen zwei Komponisten gebeten, sinfonische Werke zu dem denkwürdigen Jubiläum zu komponieren. Einer davon war Panufnik mit der Sinfonia Votiva (seine achte Symphonie).


    Es spielt das Jubiläumsorchester unter Seiji Ozawa.



    Liebe Grüße


    Portator

  • Im Zusammenhang mit Andrzej Panufnik ist verschiedentlich der Name Jascha Horenstein gefallen. Horesntein, selber als Emigrant in England ansässig, gehöte zu denjenigen Dirigenten, die sich für das Werk Panufniks einsetzten. Da der ihm gewidmete Thread schon ein wenig zurückliegt, zitiere ich mich ausnahmesweise selber:

    Zitat

    Vier Stücke von Panufnik hat Horenstein 1970 mit dem London Symphony-Orchestra eingespielt. Emotional aufgeladen, das beschreibt die vier hier versammelten Stücke sehr gut. Es geht um die Heroische Ouvertüre, die Tragische Ouvertüre, das Nocturne und die Autumn Music.


    Das letztgenannte ist das mitreißendste, aufwühlendste und mehr als anrührende Stück. Panufnik komponierte es 1960 für eine Freundin, die nach langer, schwerer Krankheit den Tod gewärtigte. Es war Herbst und sie wusste, daß dies ihr letzter sein würde. Die Musik gibt ein sanftes Spiegeln der Natur wider, die zur Ruhe kommt. Einzelne ruppige Einschübe
    unterbrechen diese Stimmung. Im Mittelteil drängt sich ein Klavier unerbittlich in die Stille. Eine einzelne Note im untersten Register wird motorisch wiederholt, treibt voran ohne Tempo zuzulegen, wirkt vor allem wie eine Uhr, die abläuft. Der Spuk endet, die Natur kommt wieder zu ihrem Recht, durchweht von Tönen einer Celesta.

    Im Rahmen der Gesanmtausgabe bei cpo ist die 1992 geschrieben und 1965 revidierte Autumn Music auf der CD "Mystica" erschienen. Freundlicherweise hat Horenstein-Neffe Misha die vier Panuifnik-Aufnahmen seines Onkels bei youtube eingestellt. Hier sind sie (Autumn Music ab 8:49):



    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Lieber Thomas
    vielen Dank für den Hinweis und den link.
    Ich habe die Vinylscheibe bei mir in der Sammlung stehen:


  • Bevor der Tag zu Ende geht möchte ich darauf hin weisen, dass der polnische Komponist
    Andrzej Panufnik
    heute seinen
    101. Geburtstag
    feiert.


    Es steht (leider) zu befürchten, dass weiterhin sich hier im Forum kaum einer für diesen Komponisten interessiert. Was schade ist.


  • Ich hatte ja vor einigen Jahren geschrieben, daß ich einige CDs von Panufnik gekauft habe. Die ersten Hörsitzungen hatten gezeigt, dass mir die Musik nicht wirklich gefällt, dass ich sie aber für interessant halte. Laut eigener Aussage des Komponisten ist seine Musik von Werk zu Werk unterschiedlich, sodass sie sich eigentlich jeglicher pauschaler Klassifizierung und Beurteilung entzieht.
    Die von mir heute gehörte 1. Sinfonie bringt unterschiedliche Stimmungen hervor.: Vom fröhlich belanglos plätschernden Teil, bis zur nachdenklichen Stille, die aber immer wieder aufgelockert wird, bis hin zu eindringlich bohrenden Stellen, die dann ihrerseits wieder durch kurze lyrische Einschübe gemildert werden. Ja es gibt sogar "verbindliche" Stellen ohne wirkliche "Aussage"
    Die Sinfonie wirkt im ersten Moment tonal, aber das ist eine Täuschung. Kaum wahrnehmbar gibt es unterschwellige "Disharmonien"
    Lutgra schrieb:

    Zitat

    Aus heutiger Sicht lässt sich nicht nachvollziehen, was den Betonköpfen an dieser Symphonie nicht gefiel.


    Ich glaube schon, dass man das kann. Es wurde von den Mächtigen der damaligen Zeit (also 1948) erwartet, dass Musik eine politische Aussage hat, natürlich in die gewünschte Richtung. Eine Musik, die in gewisser Weise volkstümlich und Heroisch zugleich ist - idealerweise mit einem strahlenden triumphierenden Unterton, der die Nation und vor allem deren Regime und System verherrlicht.
    Und genau das konnte beispielsweise die erste Sinfonie Panufniks nicht bieten - und wollte sie sicher auch nicht.


    Während ihr hier schreibe, läuft sie soeben ein zweites Mal bei mir - diesmal über Kopfhörer.
    Und ich stelle fest, was ich schon oft bei "sperrigen" Werken beobachtet habe: Man muss sie öfter hören, damit man sie mag.


    Panufnik hat übrigens den 3. Satz 1955 umgeschrieben.
    Die cpo Einspielung folgt dieser revidierten Fassung, bietet aber auf Track 5 - quasi als Bonus auch die Urfassung dieses Satzes....


    NACHBEMERKUNG
    Seit 4. 12. 2017 gibt es nun auch alle 8 Veröffentlichungen der Sinfonischen Werke Panufniks als günstige Box um 39.99 Euro
    Verlinkung oben RECHTS


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !