Victor Bendix - ein weiterer dänischer Romantiker

  • Unter den vielen unbekannten Komponisten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts ist er vermutlich einer der unbekanntesten. Ein einziges Mal wurde er im Forum erwähnt - 2005. Seine musikalisches Oeuvre ist schmal, enthält aber immerhin 4 halbstündige Symphonien, um die soll es hier gehen.


    Seine Lebensgeschichte ist wahrlich die eines romantischen Künstlers: Geboren in eine jüdische Mittelschichtfamilie in Kopenhagen am 17.5.1851. Die ganze Familie musikalisch, Vater Flötist, Bruder Otto Oboist, später als Klavierlehrer erfolgreich in Boston, Bruder Fritz Cellist im Royal Danish Orchestra. Schon mit 10 komponiert und mit 15 am neu eröffneten Konservatorium unter der Aufsicht Niels Gades ausgebildet. Zwei Jahre als Repetiteur am Theater, dann nach Deutschland, u.a. bei der Grundsteinlegung von Bayreuth dabei. Später einige Zeit Mitglied der Liszt'schen Entourage. Liszt spielt eine seiner (Bendix) Symphonien mit ihm vierhändig und ist angetan. Er wird populär, seine Musik wird gespielt, er dirigiert. Zurückgekehrt nach Dänemark lebt er als Dirigent (Dänische UA Verdis Don Carlos) und Lebemann. Dabei ist er zweimal in Skandale verwickelt, die ihn beinahe seine Karriere kosten. In einem Fall hat er - obwohl mit einer Baronesse verlobt - eine Affäre mit der Frau eines Verwandten, dessen Kinder Klavierunterricht bei ihm haben. Die Dame kündigt an, Ihren Mann und die Kinder zu verlassen; als sie realisiert, dass Bendix eher zu seiner Verlobten hält, trinkt sie in Gegenwart ihres Gatten Blausäure und stirbt elendig.
    Im zweiten Fall - inzwischen zum zweiten Mal verheiratet - lässt er sich mit einer jungen Verehrerin ein, die ein Kind von ihm will. Er willigt unter der Bedingung ein, dass er als Vater anonym bleibt. Die Dame hält sich natürlich nicht an die Abmachung als das Kind da ist und verlangt die Anerkennung als Vater. Als er nicht einwilligt, bedroht sie ihn mit einer Waffe, die er ihr aber aus der Hand schlagen kann. Der Sohn wurde nach dem Vater benannt und ein berühmter dänischer Pianist, Victor Schioler.


    Die 4 Symphonien entstanden zwischen 1882 und 1906 und sind typische Zeugnisse ihrer Zeit. Stark geprägt von der deutschen Romantik schöpfen sie aus ähnlichen Quellen wie die Symphonien von Joachim Raff. Die ersten beiden habe ich bereits gehört und sie haben gefallen. Ein eigener Tonfall ist identifizierbar und Bendix hat zahlreiche melodische Einfälle.
    Die Umsetzung durch das Omsk PO ist o.k. Weder Orchester noch Klangqualität sind so schlecht wie im Classicstoday Review behauptet. So sehen das auch P. Köster in Klassik heute und diverse Hobby-Reviewer bei amazon.com etc. Natürlich ist das kein Spitzenorchester (vermutlich nicht einmal in Russland), auch der Dirigent zählt offensichtlich nicht zur ersten Garde und ich vermute, dass es auch an Geld für gute Instrumente fehlt. Über Kopfhörer ist der Klang einwandfrei, fast ein wenig analog. Zum Kennenlernen ist die Qualität also völlig ausreichend und vielleicht können cpo, Ondine, BIS oder Danacard ja irgendwann einmal eine bessere Aufnahme nachschieben.

  • Der positive Eindruck bestätigt sich auch bei der 3. Sinfonie. Das sind alles KEINE MEISTERWERKE, aber wenn man als Messlatte mal die unbekannteren Symphonien von Dvorak oder Tschaikowsky, oder die von Raff oder Glasunow nimmt, kann sich das hier alles hören lassen.


    So gut wie diese Musik ist, ist es dann doch etwas schade, dass man nicht in ein besseres Orchester investiert hat. Also, dies wäre mal ein Fall für cpo.

  • Natürlich ist das kein Spitzenorchester (vermutlich nicht einmal in Russland), auch der Dirigent zählt offensichtlich nicht zur ersten Garde und ich vermute, dass es auch an Geld für gute Instrumente fehlt.


    Genau dieser Eindruck drängte sich mir beim Hören auf. :pfeif:


    Das sind alles KEINE MEISTERWERKE, aber wenn man als Messlatte mal die unbekannteren Symphonien von Dvorak oder Tschaikowsky, oder die von Raff oder Glasunow nimmt, kann sich das hier alles hören lassen. … So gut wie diese Musik ist, ist es dann doch etwas schade, dass man nicht in ein besseres Orchester investiert hat …


    Nun – Dvorak oder Raff würde ich hier nicht unbedingt anführen – das sind doch m.M. bereits eher in der Kategorie Meisterwerke anzusiedeln … :stumm:
    Wo bleibt nur die überzeugendere Interpretation? … ;)

    Einer der erhabensten Zwecke der Tonkunst ist die Ausbreitung der Religion und die Beförderung und Erbauung unsterblicher Seelen. (Carl Philipp Emanuel Bach)

  • Auch sein ausladendes hochromantisches Klavierkonzert muss sich nicht verstecken, selbst wenn es, wie vieles in dieser Zeit, keinen wirklich eigenständigen Charakter hat:



    Gegen die Interpreten, die bereits in einer anderen Liga spielen als oben, und gegen das Klangbild habe ich keine Einwände


    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Zitat

    Zitat von »lutgra«


    Natürlich ist das kein Spitzenorchester (vermutlich nicht einmal in Russland), auch der Dirigent zählt offensichtlich nicht zur ersten Garde und ich vermute, dass es auch an Geld für gute Instrumente fehlt.

    Zitat

    Zitat Maurice: Genau dieser Eindruck drängte sich mir beim Hören auf. :pfeif:

    Lieber Lutgra, lieber Maurice,


    obwohl ich die Aufnahme nicht kenne über die diskutiert wird, so kenne ich mich doch mit den Dänischen Labels ganz gut aus. Zu Danacord: mich wundert es nicht, dass die Qualität der Aufnahme nun - suboptimal - ist. Die meisten CD's, die keine historischen Aufnahmen sind wurden sehr spontan aufgenommen. Sprich der Inhaber des Labels reist zu einer Probe, gibt Dirigenten und Orchester die völlig unbekannten Noten ( wenn noch Zeit nach der Probe ist ) und lässt sofort aufnehmen. Das dabei keine Meisterinterpretationen rauskommen dürfte allen klar sein ;)


    LG
    Chrissi