(ich gehe bei diesem Beitrag vom Musiktheater aus, allerdings könnte man es genauso auf ein Sinfoniekonzert oder kleinere Konzerte beziehen)
ich finde, dass wir uns in der eigenartigen Situation befinden, dass bei Mozart alles möglich zu sein scheint.
daher sind Musiker in der Lage, erst beim Erstkontakt mit dem jeweiligen Dirigenten zu erfahren, wie diese oder jene Mozart Produktion angelegt wird.
es hat sich ein gewisser Artikulationsstandard durchgesetzt, der mehr oder weniger sorgfältig ausgeführt wird. Das bedeutet aber nicht, dass dynamische Vorstellungen des modernen Orchesters (feine Übergänge anstatt heftige Akzentuierung) immer wieder in die Musik einfliessen.
Schwer zu sagen: man empfindet hier ein Crescendo, ein Diminuendo... es steht aber fast nie da...
wie laut ist ein forte bei Mozart?
aber allein die Frage der verwendeten Instrumente könnte bei Mozart schon mehr Sorgfalt vertragen.
als erstes steht für mich die Frage: Spezialensemble, oder das vorhandene Orchester?
aus Kostengründen... klarerweise, immer das Letztere...
danach - die Frage der Instrumente: es wäre wenigstens denkbar, teilweise auf historische Instrumente zurückzugreifen - sofern vorhanden...
oder wenigstens - Umstieg auf Darmsaiten und alte Blechblasinstrumente.
allerdings müssen Opernorchester oft am nächsten Tag Nabucco spielen, und danach My fair Lady... daher ist bei ein und demselben Instrument der Wechsel der Besaitung undenkbar.
Viele Musiker haben ein Zweitinstrument... das wäre also keine Ausrede...
ein Barockbogen kostet auch nicht die Welt...aber können alle damit umgehen.
dann ist die Frage einer einheitlichen technischen Aufführung sehr kompliziert - die Musikwissenschaft liefert ständig neue Erkenntnisse. Auch ich fühle mich mit dem Anspruch überfordert, wenn ich Seminare besuchen sollte, um den neuesten Stand der Forschung kennenzulernen. Und die Diskrepanz zwischen Wissenschaft und praktischer Anwendung ist noch immer sehr gross.
Nachdem es auf dem Markt schon unzählige Versionen von Mozartinterpretationen gibt, fände ich es fair und auch bescheiden, wenn ein Dirigent freimütig zugibt, in seiner Interpretation einem bestimmten Stil zu folgen. (nachdem eben schon alles da war...)
Letztlich weiss das Publikum im Nachhinein genau, was es gehört hat.. in traditionelle Richtung oder eher HIP....
ich hätte gerne mehr Klarheit und Mut zu Entscheidungen statt der ewigen Kompromisse bei einer Musik, die wir so sehr verehren.
Wie denkt ihr über die Tatsache, dass wir vor einer Aufführung komplett ahnungslos sind, welche Art von Interpretation uns erwartet?
ich finde es bei Mozart besonders krass, da ich jedesmal versuchen muss, Tabula rasa zu machen, um mich auf eine individuelle (oder auch nicht...) Sicht des Dirigenten einzustellen.