George Lloyd ist ein englischer Komponist, der erst völlig vergessen, ab den 1980er Jahren zumindest im angelsächsischen Bereich eine kleine Renaissance erlebt hat. Georg Lloyd wurde durch die Katastrophen des 20. Jahrhunderts nachhaltig geprägt. Nach anfänglichen Erfolgen zwischen den Weltkriegen, erlitt er 1941/42 während einer Fahrt auf einem Marineschiff in der Arktis eine schwere Kriegsneurose (shell-shocked), die ihn über Jahrzehnte so schwer beeinträchtigte, dass er nur durch die aufopfernde Pflege seiner schweizerischen Frau und dem Leben in Abgeschiedenheit als Gärtner überhaupt überlebte.
George Lloyd hat 12 Symphonien und vier Klavierkonzerte geschrieben, die inzwischen alle in authentischen Aufführungen unter der Leitung des Komponisten vorliegen (der ein kompetenter Dirigent war und mit dem Albany SO ein zumindest gutes Orchester zur Verfügung hatte) und beim amerikanischen Label Albany verlegt wurden. Die musikalische Entwicklung gliedert sich wie so oft in drei Phasen - frühe Erfolge (1-3), posttraumatische Phase und Meisterschaft (4-8), späte Phase mit beginnender Anerkennung und nachlassender schöpferischer Kraft (9-12). Die wichtigsten Symphonien sind also die mittleren. Was erstaunlich ist bei George Lloyd, ist dass seine Musik die Traumata, die er durchlitten hat, nur selten erahnen lässt. Man könnte sie als eine "Suche nach der verlorenen Romantik" begreifen. Damit steht er in einem diametralen Gegensatz z.B. zu Allan Pettersson, der seine Traumata durch emotional sehr aufrührende Musik verarbeitet hat.
Die erste Symphonie, die ich kennengelernt habe, vor jetzt fast 25 Jahren, ist die 4., die Arktische von 1945, mit 65 min Länge von mahlerischen Ausmaßen. Wenn man so etwas ähnliches wie die 7. von Ralph Vaughan Williams erwartet wird man enttäuscht. Auch die traumatischen Erlebnisse werden hier in keiner Weise vertont, es ist eher eine Lobgesang auf die Schönheit dieser arktischen Welt, im Tonfall des ausgehenden 19. Jahrhunderts gehalten. George Lloyd war ein begnadeter Melodiker, seine Themen sind eingängig und memorable. Wenn man sich mit diesem Komponisten beschäftigen möchte, sollte man hier beginnen. Ich werde in loser Folge über die anderen Symphonien berichten.
“Critics were divided about Mr. Lloyd's music; some found it refreshingly communicative, others considered it old-fashioned. Even his detractors, however, recognized his compositional voice as authentic and original, not merely a 19th-century pastiche. Although his language is unabashedly tonal, there is a freshness in the melodic writing in the 12 symphonies he composed between 1932 and 1990, and there are engaging complexities in his solo piano works.” NEW YORK TIMES, 10th July 1998