Unglaublich toller Opernabend - "Carmen" in Liberec

  • Es gibt nur noch schwachsinnige Inszenierungen, sinn- und werkentstellend, Verunstaltungen, Verunglimpfungen, Neudeutungen???
    Nein!!! Es gibt noch wirklich gutes Theater /gut gemachte Oper! Unglaublich, aber wahr.
    Vor einer 1/4 Std. bin ich vom Theaterbesuch in Liberec wieder gut zu Hause angekommen. Deshalb vorerst nur ganz kurz, aber ich muß das unbedingt loswerden. Ich bin noch richtig aufgekratzt und total begeistert. Wir haben eine "Carmen" erlebt, wie man sie sich besser nicht vorstellen und wünschen kann. Ich habe viel erwartet, aber alle Erwartungen wurden weit übertroffen. Das war in den letzten 20 Jahren mit Abstand mein schönster Theaterabend, einfach rundrum faszinierend.
    Jetzt muß ich meine Begeisterung erstmal runterfahren, zur Ruhe kommen, etwas essen und ein "Radeberger" muß auch noch dran glauben. Deshalb demnächst mehr...
    Herzliche Grüße und allen eine Gute Nacht
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Herzlichen Glückwunsch, lieber Chrissy zu dem erfüllenden Opernabend. Glück muss man halt in dieser Sparte wirklich haben.


    Liebe Grüße (und guten Durst)


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Wenn Du im (ehemaligen) Stadttheater Reichenberg warst, dann sollte es sich eigentlich um die unten per youtube verlinkte Aufführung gehandelt haben.


    mit freundllichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Wenn Du im (ehemaligen) Stadttheater Reichenberg warst, dann sollte es sich eigentlich um die unten per youtube verlinkte Aufführung gehandelt haben.


    Lieber Alfred
    Danke für Deine Hilfe mit diesem Link und das Hereinstellen. Ja, Liberec ist das ehemalige Reichenberg und es ist ein kurzer Ausschnitt aus dieser Aufführung. Mal sehen, ob ich später in aller Ruhe auch noch irgendwo Bildmaterial finde.
    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Lieber Crissy,


    herzlichen Glückwunsch, dass du so eine schöne und unverfälschte Aufführung meiner Lieblingsoper erleben durftest, wie es sie bei uns wohl kaum noch gibt. Ich habe einige wunderbare Aufführungen dieser Oper sowohl live gesehen als als auch auf DVD. Und der Ausschnitt, den Alfred eingestellt hat, lässt ahnen, welche Freude du an dieser lebendigen Inszenierung hattest. Gerade Carmen benötigt keine besondere "Neudeutung". Hier ist die Handlung so lebendig und der Gehalt ist so deutlich, dass ein Regisseur sich wirklich auf die Führung der Personen konzentrieren kann. Eine sogenannte "Neudeutung", die ich kürzlich gesehen habe, wirkte gegenüber dem Original geradezu einfallslos, öde und langweilig.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Gerade Carmen benötigt keine besondere "Neudeutung".


    Lieber Gerhard,


    keine Oper bedarf einer Neudeutung! Wenn einer etwas mitzuteilen hat, soll er etwas Neues schreiben und nichts Altes verunglimpfen.


    Ich beneide Chrissy ganz sehr. Er hat in diesem Jahr in Liberec schon 3 tolle Inszenierungen gesehen. Ich in Deutschland in den letzten 5 Jahren nur eine (Schweigsame Frau in Chemnitz).


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Es ist auch ein ganz besonderes Theater. In der k.u k. Monarchie durch das berühmte Wiener Architektenbürö Fellner und Helmer erbaut, welches 48 Theater geplant hat ist es noch weitgehend erhalten, wennglich der eiserne Vorhang von Gustv Klimt weigehed irreparabel zerstört ist. Es war in der Donaumonarchie quasi DAS führende Provinztheater. Viele große Karrierren begannen hier,
    ein wikipedia Eintrag erkärt das genauer:


    http://de.wikipedia.org/wiki/F._X._%C5%A0alda-Theater


    Mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Es ist auch ein ganz besonderes Theater.


    Ja, das ist es tatsächlich. Ein wunderschöner Prachtbau von außen und von innen, der einen sofort in eine ehrwürdige, feierliche, dem Haus angemessene Stimmung bringt. So viele Säulen, Stuckornamente, Goldverzierungen, herrliche Deckenmalerei - überwältigend und einfach zum Genießen schön.

    keine Oper bedarf einer Neudeutung!

    Diese richtige und wahrhafte Aussage, habe ich gestern mit größter Freude und Genuß, erleben dürfen.

    Ich beneide Chrissy ganz sehr.


    Das kannst Du in diesem Fall wirklich. Ob ihr´s glaubt oder nicht, ich habe oft an unsere geschätzten Forums- Mitglieder gedacht und mir gewünscht, könntet ihr doch alle jetzt hier sein. Ich bin absolut überzeugt, nicht einer wäre enttäuscht gewesen, sondern wir hätten gemeinsam unsere Begeisterung miteinander teilen können.

    herzlichen Glückwunsch, dass du so eine schöne und unverfälschte Aufführung meiner Lieblingsoper erleben durftest, wie es sie bei uns wohl kaum noch gibt.


    Und besonders an Dich, lieber Gerhard, habe ich gedacht, weil ich ja inzwischen weiß, daß es Deine Lieblingsoper ist und ich kann Dich verstehen. Du wärst ganz sicher glücklich und zufrieden gewesen. Ich habe die "Carmen" ja auch schon immer gekannt und gemocht, sie aber noch nie live auf der Bühne erlebt. Seit gestern ist sie in meiner persönlichen Bewertungsskala um etliche Plätze nach oben gestiegen.


    Nun aber ein paar Anmerkungen und Eindrücke vom gestrigen Abend:

    Wir haben eine "Carmen" erlebt, wie man sie sich besser nicht vorstellen und wünschen kann. Ich habe viel erwartet, aber alle Erwartungen wurden weit übertroffen. Das war in den letzten 20 Jahren mit Abstand mein schönster Theaterabend, einfach rundrum faszinierend.


    Ich hatte keinerlei Vorinformation betreffs Inszenierung, Bilder oder Kritiken. Und so bin ich gemeinsam mit einem Freund ahnungslos nach Liberec gefahren. Ich war mir allerdings sicher und habe erwartet, einen guten Opernabend zu erleben. Diese Erwartung wurde positiv deutlich übertroffen. Das begann schon zum Anfang. Wir hatten beste Plätze im 1. Rang, 1. Reihe, Mitte (260 Kronen = 10 € !!!) mit hervorragender Sicht auf alles. Der Dirigent des Abends erschien, ein sichtlich schon etwas älterer Herr. Komisch, für einen kurzen Moment dachte ich, der wird es wohl etwas ruhig und gemächlich angehen lassen. Weit gefehlt! Schon beim zündenden und dynamischen Vorspiel brannte musikalisch ein richtiges Feuerwerk ab. Und so blieb es bis zum Schluß, leidenschaftlich und energisch. Das Orchester, ohne Fehl und Tadel!
    Der Vorhang hob sich danach und gab den Blick frei auf passende Kulissen - zwei seitliche Treppen mit einem Podest, umrahmt von großmaschigen Gittern. Davor Stühle und ein langer Tisch, an dem Soldaten saßen und würfelten.

    Hier spielte auch die weitere Handlung des 1. u. 2. Aktes. Nach der großen Pause und dem Beginn zum 3. u. 4. Akt sah man auf der Bühne zwei Planwagen, Felsbrocken, ein echtes Lagerfeuer und im Hintergrund wallte Nebel. Ein stimmungsvolles Bild passend zur Szenerie des Kartenlegens.
    Mir wurde während der Aufführung mehrmals bewußt, "wie wenig" es doch eigentlich bedarf um gutes, stimmungsvolles Theater darzustellen. Voraussetzung ist da natürlich, daß die Kostüme zeit- und handlungsgemäß übereinstimmen. Und da stimmte eben alles. Hinzu kommt eine nachvollziehbare, glaubwürdige Personenführung. Nun bedingt und fordert ja die Musik und die Handlung der Carmen geradezu nach Bewegung, nach "Action", wie es heute ja so heißt. Und da wurde alles geboten, einschließlich Kastagnetten, Tanzen auf dem Tisch, Balletteinlagen der Toreros usw.. Ganz toll und keineswegs ordinär, die erotischen Einlagen der Carmen. Sie hat nicht nur hervorragend gesungen, sie sah auch noch richtig gut aus - schwarzhaarig, schlank und brachte ihre weiblichen Reize und erotischen Bewegungen sehr gut "an den Mann". Ich habe versucht so gut es ging, die agierenden Personen auf der Bühne zu zählen. Das waren stellenweise bis 50 Akteure, die immer in Bewegung waren. Allen (!!!) war die ganze Zeit über, eine unglaubliche Spielfreude anzumerken.
    Ich kann eigentlich keine Höhepunkte nennen, weil alles, von Anfang bis Ende, ein Höhepunkt war. Vielleicht nenne ich nur mal den Auftritt des Escamillo. Der erschien plötzlich oben auf dem Podest, dazu die dynamische Musik und seine prächtige Stimme... Ich sage Euch, da ging die Post aber ab. Oder, Don Jose hat sich in seine Rolle auch darstellerisch so glaubwürdig reingesteigert, daß man im Finale fast Angst haben mußte, daß er die Carmen wirklich umbringt.
    Was soll ich zu den sängerischen Leistungen sagen. Da kann ich mich kurzfassen. Die waren alle, einschließlich des hervorragenden Chores, für dieses Haus überragend. Das gesamte Ensemble kann auf jeden Fall locker mit denen der Dresdner Semperoper mithalten.
    Die Carmen brauchte zum Anfang vielleicht ein klein wenig Anlauf, um die Stimme "warm" zu machen. Aber als sie nach kurzer Zeit auf "Betriebstemperatur" war, lief sie zu Höchstleistungen auf. Den Escamillo hatte ich ja schon in "Der Macht des Schicksals" gehört. Auch hier ein überaus wohlklingender, markiger Bariton. (Ich erwähnte es schon, ihn stelle ich mir als idealen Rigoletto vor). Den mexikanischen Tenor kannte ich ebenfalls schon aus der "Macht..." Und mein damaliger Eindruck bestätigte sich - der Alvaro war nicht so ganz seine Partie, der Don Jose liegt ihm mehr. Sein Stimmtimbre ist vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig. Er singt sehr stark "in die Maske" und klingt dadurch etwas nasal. Das soll aber bitte keine negative Kritik sein, er war richtig gut. Gesungen wurde übrigens von allen in der Originalsprache der Oper.
    Das Haus war nicht ausverkauft, aber sehr gut besucht. Es gab viel Szenenapplaus und am Schluß langanhaltenden, verdienten Beifall für alle Beteiligten und für die Carmen einen großen schönen Rosenstrauß.
    Zum Schluß noch eine ganz persönliche Bemerkung: Durch früher erlebte hervorragende Opernabende bin ich schon etwas verwöhnt und daraus resultierend auch anspruchsvoll. Ich sage immer, die Berliner Staatsoper hat mich seinerzeit für immer positiv verdorben. Der gestrige Abend allerdings, wird mir als ein genußvoller, absoluter Höhepunkt in Erinnerung bleiben. Ich glaube, der gestrige Abend war für dieses Haus "eine Sternstunde" und wir sind froh und glücklich, daß wir dabei waren. Mit meinem Freund waren wir uns nachher einig, wenn es unsererseits terminlich paßt und das Wetter noch erträglich ist, bei der nächsten Carmen sind wir wieder und nochmal mit dabei.
    Jetzt planen wir aber erst mal die Premiere der Rusalka dort zu besuchen und im nächsten Monat Nabucco. Unglaublich, was dieses "kleine Haus" so im Spielplan hat. Die Traviata läuft ja auch noch dort.
    Ihr Lieben, ich hoffe, ich konnte von dem gestrigen Abend ein paar Eindrücke vermitteln und danke für evtl. Interesse und Eure Aufmerksamkeit.
    Herzliche Grüße
    CHRISSY


    Und als Nachtrag, will ich zum Amüsieren noch einen zum Besten geben:
    Als wir unsere Plätze zum Anfang eingenommen haben, saß rechts von mir ein älteres Ehepaar. Und irgendwie muß man es wohl damit auf mich abgesehen haben. Denn schon nach kurzem wehte mir von dem Herrn ein leichter "Knoblauchduft" (!!!) herüber. Glücklicherweise waren aber etwas weiter links von uns zwei Plätze freigeblieben und wir haben uns nach der Pause umgesetzt.

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Zitat

    Zitat von LaRoche: keine Oper bedarf einer Neudeutung! Wenn einer etwas mitzuteilen hat, soll er etwas Neues schreiben und nichts Altes verunglimpfen.

    Lieber La Roche,


    sehr richtig!!!!. Aber leider versuchen es heute viele in ihren Ansichten verirrte Regisseure. Für mich ist und bleibt das ein Missbrauch fremder Werke. Auch ich habe deinen zweiten Satz hier schon mehrfach in anderer Weise ausgedrückt. Jede Operninszenierung, die sich mit dem Wort "Neudeutung" schmückt, werde ich tunlichst meiden, denn dahinter steckt immer eine Verfälschung.


    Liebe Grüße
    Gerhard
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Liebe Freunde der "gut gemachten Oper"
    Vor einer Stunde sind wir aus Liberec zurück und ich habe erneut eine rundum hervorragende "Carmen" erlebt. Ich war wieder total begeistert und mit mir alle, die mit mir waren.
    Ich habe ja schon oben von meinem ersten Besuch ausführlich berichtet. Deshalb kann und will ich mich kurz fassen.
    Das Erlebnis von vor sechs Wochen ist noch frisch gespeichert und so konnte ich mich heute auf Einzelheiten konzentrieren. Mir wurde erneut ganz deutlich klar, wie schön, wie genußreich kann ein Opernabend sein, wenn zu herrlicher Musik, die Inszenierung, einschließlich der Kostüme und die Personenführung dem Werk entsprechend ist. Es bedarf keiner Neudeutung und vor allem keiner Verunstaltung!!! Wie herrlich war wieder der Auftritt des "Escamillo". Bei der zündenden und feurigen Musik reißt es einen förmlich vom Sitz. Toll auch die Balletttänzer als Toreros im letzten Akt. Was da für ein von überschäumendem Jubel begleiteter Betrieb auf der Bühne ist...
    Interessant war diesmal für mich auch, daß außer dem mir inzwischen bekannten Tenor, die Solisten heute alternierend andere wie beim letzten Mal waren. Der heutige Bariton, der den Escamillo gab, war zwar auch richtig gut, aber den schon von mir gewohnten "Anatolij Orel" finde ich besser. Der hatte heute frei, war aber als Zuschauer im Theater. In der Pause stand er im Theaterrestaurant privat neben mir.
    Hier für Interessenten die wichtigsten Solisten des heutigen Abends:
    Carmen - Katerina Javlovcova, Don Jose - Rafael Alvarez, Escamillo - Pavel Vancura, Micaela - Livia Obrucnik Venosova. Regie - Vaclav Veznik, Dirigent des Abends - Frantisek Babicky.
    Sie waren alle großartig und ließen für das Haus keine Wünsche offen. Es gab viel Szenenapplaus und langanhaltenden, verdienten Schlußbeifall und Bravo- Rufe, auch von mir.
    Ich stelle hier mal die Fotogalerie rein, damit ihr einen Einblick auf die Inszenierung habt. Bitte runterrollen und dann auf das erste Bild klicken. Auf Bild 7 ist der Tenor Alvarez deutlich zu sehen.
    Herzliche Grüße und Gute Nacht
    CHRISSY


    http://www.saldovo-divadlo.cz/…eatre/performance_id/225/

    Jegliches hat seine Zeit...

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  • Lieber Crissy,


    vielen Dank für die Bildergalerie der "Carmen". Ich habe die Carmen jetzt mindestens 10mal in verschiedenen, konventionellen Inszenierungen (u. a in Verona, Bregenz) gesehen. Und auch die von dir eingefügte Bildergalerie zeigt wieder ganz neue Bilder. Nun komme mir noch einmal einer der Herren, die behaupten, eine konventionelle, librettogerechte Inszenierung sei immer nur ein Abklatsch einer einmal dagewesenen Inszenierung. Den kann ich nur noch auslachen.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Lieber Chrissy,


    nun hätte ich gerne einmal gewußt, was die Anhänger der "neuen Regieform" (ich vermeide jede Verunglimpfung) zu einer solchen Inszenierung sagen!


    Ich vermute - nichts!!!!


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.


  • nun hätte ich gerne einmal gewußt, was die Anhänger der "neuen Regieform" zu einer solchen Inszenierung sagen!
    Zitat Gerhard Wischniewski:

    Und auch die eingefügte Bildergalerie zeigt wieder ganz neue Bilder. Nun komme mir noch einmal einer der Herren, die behaupten, eine konventionelle, librettogerechte Inszenierung sei immer nur ein Abklatsch einer einmal dagewesenen Inszenierung.

    Lieber La Roche, lieber Gerhard
    Ja, das hätte ich auch gerne mal gewußt. Du meinst und beziehst Dich doch, wenn ich Dich recht verstehe, auf die hier von mir geschilderte "Carmen" und vor allem auf die aussagefähige Fotogalerie. Aber vermutlich werden wir wohl keine Antwort bekommen und da zitiere ich mal aus "Hamlet" -
    "Der Rest ist Schweigen"!
    Und mal ganz ehrlich, wie sollte man auch gegen eine solche stimmige Inszenierung sachliche Argumente finden?!
    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Manchmal ist es geradezu ein Vorteil, Dinge nicht zu wissen und daher wäre manch Einer nicht in Liberec gelandet, wenn er gewusst hätte,
    dass die Carmen gar nicht von Puccini ist.


    Das aber hätte wiederum uns Andere um das Vergnügen gebracht, die Bilder einer wohltuend "unmodernen" Inszenierung zu genießen und dazu noch die 50 Euro für einen Introduktionskurs an angelegenere Dinge verschwenden zu können.


    Dann also, auf nach Liberec!

  • nun hätte ich gerne einmal gewußt, was die Anhänger der "neuen Regieform" (ich vermeide jede Verunglimpfung) zu einer solchen Inszenierung sagen! Ich vermute - nichts!!!!


    Ja, das hätte ich auch gerne mal gewußt. Du meinst und beziehst Dich doch, wenn ich Dich recht verstehe, auf die hier von mir geschilderte "Carmen" und vor allem auf die aussagefähige Fotogalerie. Aber vermutlich werden wir wohl keine Antwort bekommen und da zitiere ich mal aus "Hamlet" - "Der Rest ist Schweigen"! Und mal ganz ehrlich, wie sollte man auch gegen eine solche stimmige Inszenierung sachliche Argumente finden?!


    Entschuldigt, aber die Ausrufezeichen-geschwängerte Süffisanz dieser "Fragen" zeugt m.E. (einmal mehr) von einer weitestgehenden Ignoranz gegenüber dem Kernproblem dieser unheiligen Diskussion: Kaum einer der hier Anwesenden sogenannten Anhänger der "neuen Regieform" hat jemals bestritten, dass solche Inszenierungen, wie in Liberec möglich sind und ebenso widerspricht wohl niemand der Tatsache, dass solche Inszenierungen durchaus schön anzuschauen sind. Aber genau dabei bleibt es eben auch, bei einer letztlich belanglosen Schönheit, gegen welche es mangels jeglicher Reibungspunkte banalerweise keine sachlichen Argumente geben kann.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Aber genau dabei bleibt es eben auch, bei einer letztlich belanglosen Schönheit, gegen welche es mangels jeglicher Reibungspunkte banalerweise keine sachlichen Argumente geben kann.

    Die gibt es schon. Die Langeweile zum Beispiel. Ein durchaus legitimes Argument für neue Sichtweisen.
    Da es aber überaus schwieriger ist, diese in einem vorgegebenen Rahmen zu realisieren, machen es sich viele der sogenannten Regietheater-Regisseure leichter, indem sie Neues erfinden.
    Man trennt ganz einfach die Handlung von der Musik, phantasiert wild darauf los, sucht damit aber nur zu oft lediglich die Provokation. Da wird dann selbst in den harmlosesten Situationen Freud entdeckt und jedes Textwörtchen tiefenpsychologisch durchleuchtet.
    Wird dann Max von einer Jägermeute ermordet und Rusalka von Hastrman vergewaltigt, hat man mit Nachdruck demonstriert, wie jämmerlich alle bisherigen Regisseure an den Intentionen des Komponisten vorbei gearbeitet haben.


    Warten wir ab. Sollten einem Barenboim, Abbado oder Dudamel nichts Neues mehr zur Eroica einfallen, dann könnten sie im Zeichen der künstlerischen Freiheit selbst die Partitur bearbeiten und Eigenes hinzufügen.
    Sie würden damit durchaus im Sinne des Zeitgeistes handeln.


    Doch wir schon einleitend gesagt: das wäre der breite Weg.

  • Kaum einer der hier Anwesenden sogenannten Anhänger der "neuen Regieform" hat jemals bestritten, dass solche Inszenierungen, wie in Liberec möglich sind und ebenso widerspricht wohl niemand der Tatsache, dass solche Inszenierungen durchaus schön anzuschauen sind. Aber genau dabei bleibt es eben auch, bei einer letztlich belanglosen Schönheit, gegen welche es mangels jeglicher Reibungspunkte banalerweise keine sachlichen Argumente geben kann.



    Wollen wir beim höflichen Ton bleiben. Ein schönes Bild, ein schönes Bühnenbild, ein schöner Film soll belanglos sein!? Versteh ich nicht, will es auch nicht verstehen. Ich vertraue meinem Freund Chrissy und nehme ihm ab, daß er eine Aufführung seiner "Nichtlieblingsoper" Carmen gesehen hat, die ihm und offensichtlich auch dem Publikum in Liberec gefallen hat. Und auch etlichen Taminos, die genau wie ich und auch Du diese Inszenierung nicht gesehen haben.


    Einen gemeinsamen Ansatz zur Diskussion könnten wir doch nur haben, wenn wir beide diese Carmen gesehen haben. Ich vertraue Chrissy Geschmack, er ist weitgehend auch der meine. Sogar die Boheme finde ich gut, auch wenn sie im Dr.Pingel-Experiment am Wochenende an ihrer TBC stirbt. Es gab eben noch kein Penicillin.


    Vielleicht finden wir sachliche Diskussionspunkte, wenn wir am 7.12. gemeinsam im Fernsehen die Traviata anschauen. Eine Thread dazu habe ich schon eröffnet. Die Ärmste hat aber auch TBC!


    Die Frau ohne Schatten am 1.12. habe ich nicht zur vergleichenden Diskussion vorgesehen. Zu sehr sind meine Vorurteile ausgeprägt. Und sicher würde ich dafür auch keine Karte geschenkt nehmen. In die Liberecer Carmen würde ich dagegen sofort gehen und sogar dafür bezahlen. Ist nur ein bissel weit.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Zitat hami:
    Die gibt es schon. Die Langeweile zum Beispiel. Ein durchaus legitimes Argument für neue Sichtweisen.

    Lieber hami
    Ich weiß zwar genau, wie Du das meinst und ich verstehe Deinen ironischen Unterton, aber für alle, die das nicht so sehen möchte ich betonen, da gab es keine Langeweile. Da war so viel Leben, so viel Betrieb und "Action" auf der Bühne, da kommt ganz gewiß keine Langeweile auf.


    Lieber Michael
    Ich danke Dir für Deine Antwort. Du bist wenigstens einer, der endlich mal auch zu einer, aus unserer Sicht stimmigen, geschmackvollen Inszenierung etwas sagt. Und das ist genau das, was ich unlängst in einem anderen Thread meinte. Zu so etwas äußert sich die andere Seite komischerweise überhaupt nicht. Warum kann man nicht mal anerkennend, von mir aus auch kritisch, auf so etwas eingehen? Aber meterweise Verteidigungen und Befürwortungen eines "nackten Max" im Freischütz und anderer Verunstaltungen und Neudeutungen... Da ist keine Zeit und Mühe zu schade. Da wird Adorno, Aristoteles, Hermeneutik, philosophische Ästhetik und was weiß ich noch alles, hervorgezaubert und mißbraucht. Und alles dient nur einer Selbstdarstellung und Profilierungssucht, läßt jeglichen Praxisbezug vermissen und verliert dadurch selbstverständlich an Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit.
    Wir dagegen sagen und protestieren gegen Bilder und Berichte und nehmen Bezug darauf. Gehen auch auf Beiträge anderer Mitglieder ein!

    solche Inszenierungen, wie in Liberec möglich sind durchaus schön anzuschauen.
    Aber genau dabei bleibt es eben auch, bei einer letztlich belanglosen Schönheit

    Schönheit = ja, belanglos = nein. Weshalb sollte eine rundum stimmige Inszenierung denn belanglos sein? Wenn die Musik gemeinsam mit den handelnden Personen zu einer stimmigen, glaubhaften und nachvollziehbaren Einheit verschmelzen? Wenn Kulissen und Kostüme dem Werk entsprechen? Wenn man daraus resultierend tatsächlich einen befriedigenden, emotionalen Genuß verspürt? Wenn man glücklich, zufrieden, begeistert und beeindruckt am Schluß das Haus verläßt - was will man mehr?!
    Was erwartest Du und andere denn? Das es eine Vorlesung, eine Lehrstunde gibt? Das man völlig naiv das Haus betritt und nachher mit hochgeistigen Erkenntnissen, mit neuer Lebensphilosophie geschult, dieses wieder verläßt?
    Ich will mal kurz in die Vergangenheit zurückgehen. So oft wie ich früher in Berlin war, habe ich im Laufe der Zeit einige Besucher persönlich kennengelernt. Wir haben uns immer wieder getroffen und uns unterhalten, selbstverständlich auch über die Aufführungen. Das waren studierte, hochgebildete Leute, die selbstverständlich auch kulturell hohe Ansprüche stellten. Und doch waren es "nur Genußmenschen". Keiner von ihnen hat sich je geäußert, daß er in der Staatsoper eine Vorlesung, eine Lehrstunde, eine Schulung oder philosophische Neudeutung vermißt.
    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...


  • Wollen wir beim höflichen Ton bleiben.

    Mit Verlaub, auch die unkontrollierte Verwendung des "!" halte ich persönlich für unhöflich.


    Ein schönes Bild, ein schönes Bühnenbild, ein schöner Film soll belanglos sein!?

    Ja, ich denke, auf Dauer wird das nur Schöne in seiner Wiederholung belanglos.


    Ich vertraue meinem Freund Chrissy und nehme ihm ab, daß er eine Aufführung seiner "Nichtlieblingsoper" Carmen gesehen hat, die ihm und offensichtlich auch dem Publikum in Liberec gefallen hat.

    Dem habe ich mit keinem Wort widersprochen; ich habe nicht einmal behauptet, dass mir diese Carmen nicht auch gefallen hätte.


    Einen gemeinsamen Ansatz zur Diskussion könnten wir doch nur haben, wenn wir beide diese Carmen gesehen haben. [...] Vielleicht finden wir sachliche Diskussionspunkte, wenn wir am 7.12. gemeinsam im Fernsehen die Traviata anschauen. Eine Thread dazu habe ich schon eröffnet.

    Vollkommen richtig! - Aber was soll dann die Frage, was wohl "die Anhänger der "neuen Regieform" (ich vermeide jede Verunglimpfung) zu einer solchen Inszenierung sagen!"?

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Langweilig??? Belanglos gar??? Ich habe im Leben schon manche Oper gesehen, langweilig ist mir dabei noch nie geworden, weil ich zu der entsprechenden Musik und zum Text das passende Bild geboten bekam. Langweilig ist mir hingegen geworden, wenn ich in Opern, die schon vom Stoff her in einer ganz anderen Zeit spielen, immer wieder die Alltagsklamotten oder Uniformen unserer Zeit gesehen habe. Immer derselbe langweilige und hier kann ich wirklich sagen belanglose Einheitsbrei. Nicht nur belanglos sondern völlig einfallslos!!!
    Es ist nicht so, dass ich jede Modernisierung ablehne. Zeitlose Stücke habe ich auch schon in guten modernen Aufführungen unter Einsatz moderner Mittel gesehen (und ich habe solche gelungenen Inszenierungen hier schon mehrfach genannt). Aber wenn die Handlung und völlig neue, nicht zum Titel, zum Text und zur Musik passende Bilder, allerhand nicht hingehörende Personen und einsame, verrückte Deutungen hinzuerfunden werden, ist es für mich nicht mehr das angekündigte Werk, sondern eine totale Verunstaltung und Beleidigung seines Autors. Leider sind das heute - wie wir anhand von Beispielen, zu denen uns die Befürworter keine Erklärungen geben konnten, bewiesen haben - die überaus meisten, in Deutschland und teilweise in den umgebenden Ländern entstehenden sogenannten "Neudeutungen". Neuinszenierung kann gut sein, bei "Neudeutung" aber sträuben sich inzwischen meine Haare.
    Um noch zum letzten Beitrag von MSchenk etwas nachzutragen: Ich habe schon mehrfach gesagt, dass ich manche Opern mehrfach im Leben gesehen habe.
    Keine Inszenierung war eine Wiederholung einer anderen.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

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  • Ja, ich denke, auf Dauer wird das nur Schöne in seiner Wiederholung belanglos.



    Lieber MSchenk,


    nur gut, daß wir (fast) alle mit dem Alter auch an Schönheit verlieren. Sonst würden wir selbst, unsere Frauen auch belanglos! Ich bin da relativ anspruchslos, aber diesen Satz solltest Du meiner Frau nicht vorlegen. Sie versucht, trotz fortschreitenden Alters, ihr angenehmes Äußere zu bewahren. Das gelingt ihr, und ich würde nie behaupten, daß das belanglos wäre, auch im Alter noch "schön" auszusehen!! Deiner Frau würde der Satz sicher auch nicht gefallen. Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis!


    Und was ist an einem !! unhöflich?


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Und das ist genau das, was ich unlängst in einem anderen Thread meinte. Zu so etwas äußert sich die andere Seite komischerweise überhaupt nicht. Warum kann man nicht mal anerkennend, von mir aus auch kritisch, auf so etwas eingehen? Aber meterweise Verteidigungen und Befürwortungen eines "nackten Max" im Freischütz und anderer Verunstaltungen und Neudeutungen... Da ist keine Zeit und Mühe zu schade. Da wird Adorno, Aristoteles, Hermeneutik, philosophische Ästhetik und was weiß ich noch alles, hervorgezaubert und mißbraucht. Und alles dient nur einer Selbstdarstellung und Profilierungssucht, läßt jeglichen Praxisbezug vermissen und verliert dadurch selbstverständlich an Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit.

    Jeder hat das Recht auf eigenen Geschmack und darf auch seine Vorlieben haben und äußern. Dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden. Nur in dieser Äußerung steckt wieder einmal ein fundamentaler Selbstwiderspruch:


    Wenn man seine Begeisterung über eine Inszenierung verbindet mit einem Seitenhieb auf das "andere Theater" nach dem Motto: jenes ist verunstaltend, nicht die richtige sondern falsche Art, Oper zu machen - dann ist das eine Form von Selbstprofilierung. Man stellt sich so nämlich höchst publikumswirksam als Hüter der "wahren" Ansicht, was Oper eigentlich zu sein hat, dar. Den Vorwurf an meine Adresse empfinde ich deshalb als wenig überzeugend und ziemlich unehrlich. Wer eine bestimmte Art, Oper zu machen, mit ästhetischen Argumenten angreift (und sogar so weit geht, ihre Existenzberechtigung zu bestreiten), der muß es auch aushalten können, daß jemand anderer kommt und diese mit ebenso ästhetischen Argumenten intellektuell fundiert verteidigt. Und von wegen Theaterpraxis: Ich glaube, da sind diejenigen, die wirklich im Theater arbeiten berufener, sich darüber zu äußern. Du betrachtest die Angelegenheit ausschließlich aus der Perspektive des Opernbesuchers und -liebhabers. Nicht mehr und nicht weniger.


    So oft wie ich früher in Berlin war, habe ich im Laufe der Zeit einige Besucher persönlich kennengelernt. Wir haben uns immer wieder getroffen und uns unterhalten, selbstverständlich auch über die Aufführungen. Das waren studierte, hochgebildete Leute, die selbstverständlich auch kulturell hohe Ansprüche stellten. Und doch waren es "nur Genußmenschen". Keiner von ihnen hat sich je geäußert, daß er in der Staatsoper eine Vorlesung, eine Lehrstunde, eine Schulung oder philosophische Neudeutung vermißt.

    Diese Äußerung verrät mehr über Dich selbst als über die Sache. Ich bin nämlich auch ein Genußmensch und fühle mich durch "moderne" Inszenierungen überhaupt nicht "belehrt". Daß Du da immer nur eine Gängelung und Belehrung siehst, zeigt nur, daß Du offenbar nicht bereit und in der Lage bist, diese Art von Theater auch genießen zu können, weil Du sie schlicht innerlich ablehnst. So einfach ist das.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Du betrachtest die Angelegenheit ausschließlich aus der Perspektive des Opernbesuchers und -liebhabers. Nicht mehr und nicht weniger.


    Interessantes Argument. Das berechtigt zu der Frage, ob die Brötchen, die der Bäcker bäckt, seinem eigenem oder dem Geschmack seiner Kunden entsprechen sollten.

  • Zitat

    Zitat von Hami: Interessantes Argument. Das berechtigt zu der Frage, ob die Brötchen, die der Bäcker bäckt, seinem eigenem oder dem Geschmack seiner Kunden entsprechen sollten.

    Sehr recht, lieber Hami, sehr recht. Theater ist doch auch kein Selbstzweck, aber leider wird es von vielen Intendanten und Regisseuren so betrachtet! Hätte der Zuschauer noch eine Wahl, würde sich bald zeigen, welche "Brötchen" verkauft würden und welche in den regalen liegen blieben. Dann würde sich der "Bäcker" vielleicht eines anderen besinnen. Aber - um wieder einmal die (sinngemäße) Aussage des Herrn Bachler, die ich im Fernsehen gesehen habe, zu nennen - "Vogel friss oder stirb."


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Interessantes Argument. Das berechtigt zu der Frage, ob die Brötchen, die der Bäcker bäckt, seinem eigenem oder dem Geschmack seiner Kunden entsprechen sollten.


    Es gibt viele unterschiedliche Arten, Brötchen zu backen. Ein guter Bäcker bringt seine Kunden überhaupt erst auf den richtigen Geschmack, wie Brötchen wirklich gut schmecken. Und es gibt Kunden, die mögen eine Sorte Brötchen lieber als die andere, kaufen lieber Brötchen beim Bäcker X statt Y. Der Kundengeschmack richtet sich immer nach dem Angebot. Jeder Werbemanager heute weiß das. Nur offenbar manche Opernbesucher nicht! :D


    Schöne grüße
    Holger

  • Hallo chrissy,


    Zu so etwas äußert sich die andere Seite komischerweise überhaupt nicht. Warum kann man nicht mal anerkennend, von mir aus auch kritisch, auf so etwas eingehen?

    Aber darum geht es doch: Einerseits wird die Werktreue einer Inszenierung gefordert und wenn eine solche dann abgeliefert wird, wird beklagt, dass hierzu nicht viel mehr zu sagen ist, als dass sie eben Werktreu ist. Natürlich freut es mich, wenn Du in Liberec schöne Opernabend verbringst, aber was soll ich zu einer Inszenierung sagen, die ich erstens nicht gesehen habe und die zweitens im Wesentlichen eben so ist, wie es im Libretto "gefordert" wird. Da gibt es nichts zu interpretieren, nichts zu deuten, nichts zu streiten. Punkt!


    Aber meterweise Verteidigungen und Befürwortungen eines "nackten Max" im Freischütz und anderer Verunstaltungen und Neudeutungen... Da ist keine Zeit und Mühe zu schade. Da wird Adorno, Aristoteles, Hermeneutik, philosophische Ästhetik und was weiß ich noch alles, hervorgezaubert und mißbraucht. Und alles dient nur einer Selbstdarstellung und Profilierungssucht, läßt jeglichen Praxisbezug vermissen und verliert dadurch selbstverständlich an Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit.

    Das ist Deine Sicht, die ich nicht teile. Ich meine, dass in den entsprechenden Diskussion durchaus bedächtig und adäquant mit diesen Begriffen argumentiert wurde.


    Wir dagegen sagen und protestieren gegen Bilder und Berichte und nehmen Bezug darauf. Gehen auch auf Beiträge anderer Mitglieder ein!

    Auch dies sehe ich Angesichts der einzelnen Auseinandersetzungen bzw. Angesichts einzelner "Diskussionsstile" durchaus anders.


    [...] Was erwartest Du und andere denn? Das es eine Vorlesung, eine Lehrstunde gibt? Das man völlig naiv das Haus betritt und nachher mit hochgeistigen Erkenntnissen, mit neuer Lebensphilosophie geschult, dieses wieder verläßt?

    Warum nicht? - Abgesehen davon, dass ich eben nicht "völlig naiv" das Haus betrete, erwarte ich von einer Opern- oder Theaterinszenierung, einem Film, einem Buch oder einem "Kunstwerk" tatsächlich mehr, als nur Schönheit um ihrer Selbst willen.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Da Bäcker nicht vom Steuerzahler subventioniert werden, muss mancher Laden, der Brötchen verkauft, infolge mangelnder Nachfrage schliessen.
    Operntheater bleiben dank Steuergeldern auch bei mangelnder Nachfrage bisher leider geöffnet. Bisher!

  • Da Bäcker nicht vom Steuerzahler subventioniert werden, muss mancher Laden, der Brötchen verkauft, infolge mangelnder Nachfrage schliessen.
    Operntheater bleiben dank Steuergeldern auch bei mangelnder Nachfrage bisher leider geöffnet. Bisher!

    Das setzt voraus, daß sich die staatlich subventionierte Opernwelt in eine blühende und profitable Landschaft verwandelt, wenn nur das Regietheater verboten würde. Das ist erst einmal eine pure Behauptung und ein "Glaube" und nichts weiter. Es könnte nämlich sein, daß genau das Umgekehrte richtig ist: Wenn es nur noch altmodisch-verstaubte Inszenierungen gibt, genau dann machen die Häuser mangels Nachfrage dicht. Außer einer Klientel sehr überschaubarer Größe hat dann nämlich keiner mehr Interesse an der Institution Oper. Grundsätzlich ist es zum Glück wohl immer noch so, daß es genügend Politiker gibt, die wissen, daß Oper und Konzert einen allgemeinen Bildungsauftrag zu erfüllen haben und weit mehr sind als Dienstleister für einen sehr exklusiven Publikumsgeschmack.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Lieber La Roche,


    nur gut, daß wir (fast) alle mit dem Alter auch an Schönheit verlieren. Sonst würden wir selbst, unsere Frauen auch belanglos! Ich bin da relativ anspruchslos, aber diesen Satz solltest Du meiner Frau nicht vorlegen. Sie versucht, trotz fortschreitenden Alters, ihr angenehmes Äußere zu bewahren. Das gelingt ihr, und ich würde nie behaupten, daß das belanglos wäre, auch im Alter noch "schön" auszusehen!! Deiner Frau würde der Satz sicher auch nicht gefallen. Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis!

    ich kann natürlich nur für mich sprechen, aber es sind gerade die "kleinen Fehler", die die wahre Schönheit meiner Frau ausmachen.


    Und was ist an einem !! unhöflich?

    Auch, wenn es vielleicht kleinkariert klingt, aber es waren vier "!". Und der Charakter einer solchen Handhabung dieses Satzzeichens wirkt m.E. bei Weitem oberlehrerhafter, als es hier verschiedentlich einem klärenden Diskurs vorgeworfen wurde ...

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Mir ist nicht bewusst, dass mich jemals ein Bäcker auf den Geschmack von Brötchen gebracht hat. Wenn nun dieser aus Dreck Brötchen backen würde und damit glaubt, dem Käufer zu gefallen, weil er "neu" drauf schreibt, ich glaube, er wäre seine Kunden sehr schnell los. Wenn ich Brötchen kaufe, betrachte ich das ganz gewiss aus der Perspektive des Kunden und der Bäcker wird diese Perspektive berücksichtigen, indem er in erster Linie Brötchen backt, die die meisten Kunden kaufen. Und hier bleibt mir die Wahl, eben nicht die "neugedeuteten" Brötchen zu kaufen.
    Warum soll der Opernbesucher das Werk nicht auch in erster Linie aus der Sicht des Zuschauers und nicht aus der Sicht eines hergelaufenen Regisseurs betrachten, der glaubt, seinen eigenen Unsinn, den er dazu noch unter falschem Namen verkauft, anbringen zu müssen? Leider gibt es hier kaum noch eine Wahl!


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

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