Musikstücke in der Literatur

  • Ich bin auf der Suche nach ein paar Anregungen zu Romanen oder anderer Literatur, in welchen bestimmte Musikstücke eine besondere Rolle spielen.


    Berühmt ist ja z.B. Beethovens op. 111 in Thomas Manns Doktor Faustus. Oder bei Dumas (Sohn), La Dame aux Camélias, die mehrfache Erwähnung von Webers Aufforderung zum Tanz.


    Diese beiden Beispiele sollen zur Einleitung genügen; ich hoffe auf Tipps, Hinweise, Anregungen!


    Beste Grüße,
    pianovirus

  • Das allerberühmteste Beispiel ist wohl Tolstois Kreutzersonate, welche ja selbst im Titel auf die 9. Violinsonate Beethovens Bezug nimmt. Witzig ist, dass Tolstoi genau dieselbe Meinung zum Werk hat wie ich: der erste Satz atemberaubend und von existenzieller Kraft, der zweite naja, der dritte öde. :pfeif:


  • Die niederländische Autorin bezieht sich auf Janaceks berühmtes erstes Streichquartett, damit auf Tolstoi und so indirekt auch wieder auf Beethoven. Ein seltenes Phänomen - würde ich meinen.


    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Das allerberühmteste Beispiel ist wohl Tolstois Kreutzersonate, welche ja selbst im Titel auf die 9. Violinsonate Beethovens Bezug nimmt. Witzig ist, dass Tolstoi genau dieselbe Meinung zum Werk hat wie ich: der erste Satz atemberaubend und von existenzieller Kraft, der zweite naja, der dritte öde. :pfeif:


    Rosen schreibt irgendwo sinngemäß, dass Beethoven niemals sonst ein solches Mischmasch als Sonate ausgegeben habe... ich finde die Sätze 2 und 3 trotzdem gut. Viele berühmte Komponisten haben keinen einzigen derart packenden Satz geschrieben wie den ersten der Kreutzer und selbst Beethoven konnte zu diesem Zeitpunkt seines Schaffens solch eine Intensität nicht durchhalten (ein paar Jahre später mit der Appassionata ist es gelungen).
    Die wichtigere Meinung Tolstois ist aber doch wohl, dass besonders der erste Satz Musik ist, die eigentlich verboten gehört, weil sie zu verbotener Leidenschaft animiert.


    Bei Thomas Mann wird man natürlich verbreitet fündig: Tristan in der gleichnamigen Erzählung, Walküre in "Wälsungenblut", Lohengrin (u. weitere Wagner-Opern) gegen Ende von Buddenbrooks; besseren Kennern fallen sicher noch mehr Beispiele ein. In Heinrich Manns "Untertan" ist ebenfalls eine Lohengrin-Aufführung wichtig. Klaus Manns Tschaikowsky-Roman "Symphonie Pathetique" ist wohl in einer Fassung sogar analog zu den Sätzen dieser Sinfonie organisiert (ich kenne aber nur eine andere und fand das Buch insgesamt nicht so außergewöhnlich). Bei (biographischen) Romanen über Musiker ist das aber wohl kaum erwähnenswert, dass Musikstücke oft eine große Rolle spielen. Ein m.E. sehr lesenswerter fiktiver Roman über Musiker, in dem u.a. Beethovens Klaviertrio c-moll eine Rolle spielt, ist Vikram Seths "An Equal Music" ("Verwandte Stimmen").


    In Kunderas "Unerträgliche Leichtigkeit des Seins" kommen Beethovens späte Quartette vor, besonders das letzte (Muss es sein? Es muss sein!); an die Details kann ich mich aber nicht mehr erinnern.
    Hesse: "Steppenwolf": Mozart als Inbegriff müheloser künstlerischer Produktion. Im "Glasperlenspiel" gehört polyphone Musik zur Ausbildung der Spielmeister, ich weiß aber nicht mehr, ob auf konkrete klassische Stücke Bezug genommen wird.


    Dann natürlich "A clockwork orange" von Burgess; der hat auch noch ein Buch über die Eroica geschrieben, das ich aber nicht kenne.
    PK Dicks "Martian Timeslip" heißt auf deutsch "Mozart für Marsianer"; besonders die g-moll-Sinfonie kommt vor; die Details weiß ich nicht mehr.


    Es gibt hier unübersehbar viele, gerade wenn man "leichtere" Genres mit hereinnimmt. Und sei es nur, um bildungshuberisch einen gewissen Anspruch zu dokumentieren ;)

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • [am]978-3404160396[/am]


    Dieser französische Thriller um "unschuldige" Chorknaben und absurde Nazizwerge kreist unter anderem um das Miserere von Allegri - so lautet auch der Originaltitel des Romans "Miserere". Um ehrlich zu sein, Grangé hat wesentlich bessere Bücher verfasst (Die purpurnen Flüsse; Der Flug der Störche, Das schwarze Blut), aber da es hier eben auch um ein Musikstück geht, habe ich es eben aufgelistet.
    Übrigens: Falls man sich zur Lektüre von Grangés gelungenen Büchern entschließt, sollte man einigermaßen gute Nerven mitbringen...

  • Bei Mörike geht es um Mozarts Don Giovanni - Musik als etwas in ihrer Sinnlichkeit Bedrohliches und Dämonisches, Selbstzerstörerisches.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Ich möchte meinen großen Dank an Euch aussprechen für die vielen anregenden Vorschläge (vielleicht kommen ja noch weitere dazu!).


    Ihr habt mich an einige Klassiker erinnert, die ich entweder noch nicht oder schon vor langer Zeit gelesen habe und mir nun noch einmal vornehmen möchte, und daneben einige Werke genannt, von denen ich noch nie gehört hatte (z.B. "Kreutzersonate" von Margriet de Moor mit der mehrfachen Referenz an Tolstoi und Beethoven; so etwas fasziniert mich immer).


    Herzlichst,
    pianovirus

  • Nicht vergessen sollte man auch Franz Werfels Roman Verdi:Roman der Oper, in welchem er Verdis Schaffenskrise beschreibt, in die er durch Kennenlernen der Wagnerschen Musikdramen gestürzt worden war. Verdi verbringt einige Wochen in Venedig - zur selben Zeit als Wagner dort seine letzten Tage erlebt. Am Ende erlangt Verdi wieder seine alte Schaffenskraft und skizziert seinen Othello. Um ehrlich zu sein, das Buch ist nur für Werfel- oder Verdifans interessant. Ich bin ersteres ;) .


  • Dieter Kühn: Beethoven und der schwarze Geiger
    Eine imaginäre Afrikareise, die Beethoven mit dem Mulatten Bridgetower (für den die Kreutzer-Sonate komponiert wurde) unternimmt. Etwas bizarr, aber ganz witzig, wenn ich recht erinnere.


    Alejo Carpentier: Barockkonzert
    In dieser farbigen und surrealen Erzählung trifft ein südamerikanischer Reisender Händel, Scarlatti und Vivaldi in Venedig.


    ETA Hoffmann: Alles Mögliche

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  • Nicht vergessen sollte man auch Franz Werfels Roman Verdi:Roman der Oper, in welchem er Verdis Schaffenskrise beschreibt, in die er durch Kennenlernen der Wagnerschen Musikdramen gestürzt worden war. Verdi verbringt einige Wochen in Venedig - zur selben Zeit als Wagner dort seine letzten Tage erlebt. Am Ende erlangt Verdi wieder seine alte Schaffenskraft und skizziert seinen Othello. Um ehrlich zu sein, das Buch ist nur für Werfel- oder Verdifans interessant. Ich bin ersteres ;) .


    Ich bin beides! ;-)


    Naja, um ehrlich zu sein habe ich bisher nur den "Abituriententag" gelesen. Aber sowohl Sprache als auch Geschichte haben mir sehr gefallen, so dass der Verdi-Roman ein guter Anlass ist, noch einen zweiten Werfel zu lesen. Ich habe mir das Buch gleich bestellt (und noch einige andere hier genannte, die ich noch nicht hatte), danke für den Tipp!


    Dieter Kühn: Beethoven und der schwarze Geiger
    Eine imaginäre Afrikareise, die Beethoven mit dem Mulatten Bridgetower (für den die Kreutzer-Sonate komponiert wurde) unternimmt. Etwas bizarr, aber ganz witzig, wenn ich recht erinnere.


    Spannend! Von Dieter Kühn habe ich bisher nur "Clara Schumann: Klavier" gelesen; im Gegensatz zu Deiner Empfehlung eine Biographie ohne imaginäre Elemente.


    Ich bin gerade bei amazon über "Sonata Mulattica" von Rita Dove gestolpert; ein weiteres Werk zu Beethoven und Bridgetower, das zumindest der Form nach - ein Roman, bestehend aus 85 Gedichten - sehr außergewöhnlich wirkt:

  • Lieber Felix, danke, dass Du den Verdi-Roman von Werfel genannt hast. Den habe ich vor vielen Jahren mit Begeisterung und Nachhaltigkeit gelesen. Ich war besessen von dem Gedanken, dass es sich so zugetragen hat. Dabei ist alles Erfindung, großartige Erfindung. Fortan habe ich alles gelesen von Werfel was sich fand. Den Musa Dagh sogar mehrmals, auch weil mich der geschichtliche Hintergrund interessiert . Ob ich den Verdi je nochmal vornehme, weiß ich nicht. In einem der Regale steht er für alle Fälle. Die starken Beschreibungen Venedigs haben mich noch mehr fasziniert als das Original, das ich erst später sah, und der steinalte Gritti ist mir als eine sehr seltsamsten Gestalten besonders gut in Erinnerung. Werfel verstand schon sehr viel von Verdi. Seine Übersetzungen von Libretti entfernen sich allerdings vom Original. Dennoch! Er hat großen Anteil an der Verdi-Renaissance in Deutschland.


    Dir mein Gruß! Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Lieber Rheingold,


    es freut mich, dass Du auch von Werfel so begeistert bist wie ich! Ich liebe nicht nur seine Sprache, sondern auch seine tiefe Menschenliebe, die aber nicht naiv sondern um die Schwächen des Menschen wissend ist. Deshalb berührt mich Werfel eigentlich mehr als irgendeiner der anderen großen Romanciers, die ich bewundere. Seine Liebe zu Verdi, und zu Italien überhaupt, ist für mich eine Facette seines lebensbejahneden Wesens.

  • Ach, wie schön Du das sagst. Es ist das, was ich auch aus Werfel herausgelesen habe.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • In Tomasi di Lampedusas meisterhaftem Zeitengemälde "Il Gattopardo" (früher in der deutschen Version nicht ganz richtig übersetzt als "Der Leopard") finden "Amami Alfredo" (aus Verdis Traviata) sowie die Arie des Edgardo "Tu a Dio spiegasti l'ali" (Lucia di Lammermoor) erwähnt. Sehr treffend werden Verdi und Bellini außerdem als "die immerwährenden Heilsalben der nationalen Wunden" bezeichnet, und zwar in einem Gespräch, in dem es um die nahezu unüberbrückbaren Gegensätze zwischen Nord-und Süditalien und die damit verbundenen Schwierigkeiten für eine innere Reichseinigung geht.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Zu italienischer Oper und Risorgimento fällt mir noch ein (wobei ich das Buch als spannend und lesenswert in Erinnerung habe, aber nicht mehr weiß, inwieweit Musik eine Rolle spielt): Gesualdo Bufalino: Die Lügen der Nacht


    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Dies sollte hier auch nicht fehlen:


    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

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  • Ich glaube, dass ich hinlänglich als Grass-Verächter ausgewiesen bin (was für Böll und Walser auch zutrifft) - aber Grass hat ein Buch geschrieben, das ich schon 5x gelesen habe - "Das Treffen in Telgte" - ,vor allem die Ausgabe mit den Barockgedichten. Ein großes Manko unserer Literaten und Literaturkritiker ist , dass sie nichts von Musik verstehen. Marcel Reich - Ranicki und Grass sind hier die großen Ausnahmen. Nach dem Erscheinen vom "Treffen in Telgte" hat Grass seinen Kritikern vorgehalten, dass sie den zentralen Punkt nicht verstanden hatten - das Auftreten von Heinrich Schütz, der von den Dichtern Texte sucht, keine findet und zu den biblischen zurückkehrt. Leider kann ich diesen Aufsatz nirgendwo mehr finden.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Maarten ´t Hart - Das Wüten der ganzen Welt


    Es ist erst einige Jahre her, dass dieser Roman auf den Charts der am besten verkauften Bücher ganz oben stand:



    Es ist in weiten Teilen ein Kriminalroman, aber Musik spielt in ihm eine große Rolle. Der Titel ist indirekt abgeleitet aus der Kantate BWV 80 "Ein feste Burg ist unser Gott" von Johann Sebastian Bach. Über diese Kantate heißt es in dem Buch, dass sie "das Wüten der ganzen Welt heraufbeschwört und dann wieder besänftigt".


    LG


    Portator

  • An Euch alle: Auch wenn ich nicht auf alle Beiträge einzeln eingehe, möchte ich mich noch einmal kurz für die zahlreichen Anregungen bedanken. Ich bin gerade fleißig am Bestellen und Bücherkistenwühlen...


    In Tomasi di Lampedusas meisterhaftem Zeitengemälde "Il Gattopardo" (früher in der deutschen Version nicht ganz richtig übersetzt als "Der Leopard") finden "Amami Alfredo" (aus Verdis Traviata) sowie die Arie des Edgardo "Tu a Dio spiegasti l'ali" (Lucia di Lammermoor) erwähnt. Sehr treffend werden Verdi und Bellini außerdem als "die immerwährenden Heilsalben der nationalen Wunden" bezeichnet, und zwar in einem Gespräch, in dem es um die nahezu unüberbrückbaren Gegensätze zwischen Nord-und Süditalien und die damit verbundenen Schwierigkeiten für eine innere Reichseinigung geht.


    Dieses Buch, von dem ich noch nie zuvor gehört hatte ( :S ), hat mich ganz unabhängig von der Verbindung zur Musik gleich neugierig gemacht. Ich habe gesehen, dass es auch in der Reclam-Fremdsprachentext-Reihe erscheint, aber trotz der in diesen Bänden enthaltenen Hilfestellungen ist das für mich als Italienisch-(Noch-)Anfänger sicher noch ein paar Nummern zu groß, so dass ich mich vorerst wohl doch mit einer Übersetzung begnügen muss.


  • Maarten t'Hart ist natürlich eine nie versiegende Quelle an Bezügen zwischen Literatur und Musik. Mein Leiblingsbuch von ihm ist "Die Netzflickerin", in dem ein mendelssohnverehrender ( ;) ) Apotheker unter dem Verdacht steht mit der deutschen Beatzungsmacht kollaboriert zu haben. Der Roman ist strukturell der Sonatenhauptsatzform nachgebildet: Exposition - Durchführung - Reprise.



  • In den 3 Bänden von "Shades of Grey" gibt es nicht nur erotische Höhepunkte sondern auch musikalische, die als Appetithäppchen auf einer CD zusammengefasst wurden. Sowohl Buch wie auch CD machen Lust auf mehr. Was auf dieser Klassik-CD nur in Ausschnitten zu hören ist, kann ausführlich auf entsprechenden CDs mit den kompletten Werken gehört werden.

    mfG
    Michael


  • Habe ich nicht gelesen, aber der titelgebende Dirigent ist Karl Eliasberg und es geht u.a. um die Uraufführung Schostakowitschs 7ter.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Ich würde an dieser Stelle auf Gert Jonke, Sanftwut oder der Ohrenmaschinist. Eine Theatersonate hinweisen.
    Es ist ein Theatertext über die Arbeit Beethovens an der "Großen Sonate für das Hammerklavier" (op. 106)
    Ich habe das Stück einmal auf der Bühne gesehen und war sehr angetan.
    Zu erhalten im "Verlag der Autoren".


    Mit bestem Gruß
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • In Murakamis 1Q84 wird immer wieder die Sinfonietta von Janacek gespielt.
    Erstmalig im ersten Kapitel, anschließend wird sie mehrfach im Buch wiederholt.

    Viele Grüße,


    Marnie

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