SCHUMANN, Robert Alexander: DER ROSE PILGERFAHRT


  • Robert Alexander Schumann (1810-1856):


    DER ROSE PILGERFAHRT
    Oratorium in zwei Teilen op.112 - Libretto von Moritz Horn


    Uraufführung mit Klavierbegleitung im Juni 1851 in Schumanns Wohnhaus
    Uraufführung der orchestrierten Fassung am 5. Februar 1852



    DIE PERSONEN DER HANDLUNG


    Erzähler - Tenor
    Rose - Sopran
    Elfenfürstin - Mezzosopran
    Marthe - Alt
    Müller - Bariton
    Müllerin - Alt
    Totengräber - Bass
    Försterssohn - Tenor
    Chor (z. T. achtstimmig)



    INHALTSANGABE


    Erster Teil


    Schumann ist mit dem Vorspiel ein stimmungsvoller Chorsatz für zwei- und dreistimmigen Frauenchor in Form eines einfachen Frühlingsliedes gelungen, das (ohne inhaltlichen Bezug zur Märchen-Handlung) die idyllisch-romantische Grundstimmung des Werkes instrumental durch Streicher, Holzbläser und Hörner vorgibt:


    Sopran I
    Die Frühlingslüfte bringen/den Liebesgruß der Welt,
    des Eises Bande springen,/es grünt das öde Feld.

    Sopran I und II
    Die ersten Blumen tauchen/aus grünem Wiesenplan,
    und schau'n mit Kindesaugen/uns frühlingsgläubig an.
    Im maiengrünen Kleide,/mit Blüten reich gestickt,
    hat sich zur Osterfreude/ein jeder Baum geschmückt.

    Sopran I, II und Alt
    O sel'ge Frühlingszeit!/du trocknest stille Tränen,
    die unsres Herzens Sehnen/geweint im tiefsten Leid.
    In manche Winterbrust/tönt auch dein Sonntagsläuten.
    Und mancher Keim der Freuden/erwacht zu neuer Lust!


    Der die Handlung erzählende Tenor (eine Erinnerung an den Testo aus dem italienischen Oratorium) weiß vom großen Zauber der Johannisnacht zu berichten, in der das Mondlicht die Landschaft in ein mystisches Licht taucht und durchwandert. Er trägt den Bericht aber nicht in Rezitativform vor, sondern in der romantischen Liedform. Den Zauber der Johannisnacht webt das Orchester weiter, um beim nachfolgenden Einsatz des Elfenchores eine strahlende Helligkeit zu erzeugen.


    Die gelöst wirkende Stimmung schlägt plötzlich durch die klagende Stimme der Rose um: Sie möchte nach Art der Menschenkinder lieben und geliebt werden, als Elfe ist ihr das jedoch versagt:


    Frühling ist nun wieder kommen,/hat gerufen: "Auf, erwach!"
    Was soll mir das Blühen frommen,/der das Herz vor Sehnen brach?
    Wenn die Mädchen mit mir kosen,/wenn von Liebe singt ihr Lied,
    klag' ich, dass uns armen Rosen/nie ein Liebesfrühling blüht.


    Die Warnung ihrer Königin, dass sie unter den Menschen auch Leid und Schmerz erfahren werde, lässt Rose nicht wanken: Sie bittet inständig, dass sie eine Jungfrau werden darf. Und die Elfenkönigin erfüllt Rose schließlich den Wunsch, entlässt sie aus ihrem Reich in die Welt der Menschen.


    Der Tenor berichtet, dass die Welt mit Vogelzwitschern zu einem neuen Tag erwacht, dass aber damit auch der Elfenspuk verschwand und Rose nun als Menschenkind die Augen öffnet. Sie macht sich auf den Weg, ein Heim zu suchen und kommt zu einem Haus, wo sie, vom Komponisten mit einfachem Liedgesang ausgestattet, anklopft und um Obdach bittet. Doch die Bäuerin Marthe weist sie barsch zurück, gibt ihr zu verstehen, dass Mitleid nur Ärger mit sich bringt, und schickt sie zu des „Nachbars Pforten“- Rose muss mit einer ersten Enttäuschung ihre Suche nach einer Bleibe fortsetzen. Sie gelangt endlich an ein einsames Haus, direkt am Gottesacker gelegen. Dort hebt der weißhaarige Totengräber gerade ein Grab aus. Es ist, wie er der fragenden Rose traurig erzählt, für des Müllers Töchterlein bestimmt, die, von ihrem Liebsten verlassen, an gebrochenem Herzen starb. Wieder macht Rose eine menschlich-bittere Erfahrung, die ihr als Elfe unbekannt war.


    Da naht auch schon, von Trompeten und Pauken begleitet, der Trauerzug und unter leisem Chorgesang wird die Müllerstochter beigesetzt. Als letzte kniet Rose am Grabe nieder und ruft der Schwester im Leid ein tief empfundenes „Schlummre sanft“ nach. Der Totengräber zeigt Mitleid mit Rose und nimmt sie für die Nacht bei sich auf. Der erste Teil endet mit dem Nachtgebet Roses, in dem der letzte Satz Roses' Rückblick an ihr Elfendasein aufscheint


    Dank, Herr, dir dort im Sternenland,/da führtest mich an Vaterhand,
    und in der Leiden Becher fiel/ein Himmelstropfen, süß und kühl;
    Nun wolle Ruh' der Müden schenken,/dass ich gestärkt dem jungen Tag,
    was er auch bring', entgegenblicken mag!/Ob sie wohl mein gedenken?


    Von einem Klarinettenlauf begleitet erklingt geheimnisvoll der Chor der Elfen, die Rose zurückrufen in das Reich der Ruhe und des Friedens, die sie auf der Erde, unter den Menschen, niemals finden werde:

    (…)
    Nur bei uns, im Reich der Elfe,/wohnt die Lust,
    aber Schmerz und Leiden/in der Menschenbrust.
    Schwesterlein! Klingt in deinen Traum hinein/nicht unser Gruß?
    Fühlst du nicht im Mondenschein/unsern Kuss?
    Lass' dich nicht berücken,/kehr' zu uns zurück,/hoffe nicht auf Glück!
    Wähnst du, dass auf Erden/wohne dauernd Glück?
    In der Schmerzensträne/stirbt der Freude Blick.
    Röslein, komm' zurück,/hoffe nicht auf Glück,/komm' zurück!


    Zweiter Teil


    Ein neuer Tag hebt an und vom Tenor erfahren wir, dass der Totengräber Rose zu „treuen Eltern“ bringen will. Frauenstimmen singen ein volkstümlich klingendes Lied, das zugleich eine veränderte Situation schildert: Rose kommt mit dem Totengräber zum Haus eines Müllers, das zwischen Bäumen an einem Waldbach liegt. Hier wird der Pilgerin Rose jene freundliche Aufnahme zuteil, die ihr bei der ersten Begegnung - mit der Bäuerin - versagt war. Sie erfährt aber auch, dass sie das Müller-Ehepaar an deren verstorbene Tochter erinnert - und deshalb Rose die Bitte um Aufnahme an Kindesstatt nur zu gern erfüllen wollen. Diesen Bund der Liebe besiegelt ein kurzes Quartett.


    Der Tenor führt mit heiterem Ton seinen Bericht fort: Rose gewinnt mit ihrer freundlichen Art das Herz ihrer Pflegeeltern, wenn auch die Wehmut über die verstorbene Tochter stets bleiben wird. Aber auch die übrigen Dorfbewohner gewinnt Rose durch ihre liebenswerte Art für sich - und die jungen Männer werfen ihr sehnsüchtige Blicke nach.


    Ein vierstimmiger Männerchorsatz, volksliedhaft in der musikalischen Struktur, durch den Klang von Hörnern als Jagdlied gekennzeichnet, fällt durch eine auffällige und raffinierte Harmonisierung auf; dieser Satz stimmt jetzt auf neue Ereignisse ein: Der Alt berichtet in einem weiteren Lied, das in seiner trüben Stimmung an alte Liebeslieder erinnert, von dem jungen Sohn des Försters, der sich in Rose verliebt hat. Ein Frauenchor bereitet ein Duett des Liebespaares vor, das aufzeigt, dass auch Rose ihr Herz an den Försterssohn verloren hat. Ein feierlicher Chorsatz schließt sich an, der die traute Zeit der ersten Liebe beschwört



    O sel'ge Zeit, da in der Brust/die Liebe auferblüht,
    und morgenhell das Angesicht/in ihrer Wonne glüht.



    Nun wird die Hochzeit der Verliebten geschildert, eingeleitet durch einen Frauenchor mit einem neuerlichen Lied im Volkston, das dann von einem Chorsatz, der mit Hörnerklang die Ankunft des Bräutigams verkündet, abgelöst wird. Machtvoller Klang der Glocken ruft alle zur Trauung, und ein bäuerlicher Chorwalzer, der die frohe Dorfgemeinschaft abbildet, macht die Szene komplett.


    Der kurze, aber schmerzensreiche Epilog beginnt mit einem innig-ruhigem Gesang von ergreifender Empathie und der Erzähler führt den Bericht über Roses Pilgerfahrt ihrem Ende zu: Rose hat ein Kind bekommen und damit gleichzeitig ihre irdische Laufbahn vollendet. Sie nimmt Abschied von Kind und Ehemann, kehrt aber nicht in das Elfenreich zurück, sondern darf den Erlösungsweg der menschlichen Seele gehen und wird von den Engeln in den Himmel emporgetragen:



    Röslein!
    Zu deinen Blumen nicht,/zu uns, zu höh'rem Licht/schwing' dich empor,
    Damit du schaust/von Himmelshöh'n,/wie dein Knösplein zartblüht und gedeiht,
    Da einstens empfangst du's,/wenn es die Roseun/befleckt dir zurücke bringt!
    Sei uns gegrüßt,liebliche Rose!



    INFORMATIONEN ZUM WERK


    Der Dichter Moritz Horn aus Chemnitz (1814 bis 1874) wandte sich im Frühjahr 1851 an Schumann mit dem Vorschlag, ein von ihm 1850 in Reimversen verfasstes Märchen zu vertonen. Schumann nahm den Vorschlag sofort auf, hielt jedoch Kürzungen für unumgänglich, um „die Sache knapper und dramatischer“ gestalten zu können. In seinem Projektbuch notierte der Komponist, dass er ab April bis zum 11. Mai „Der Rose Pilgerfahrt f. Soli, Chor mit Begl. des Pianoforte“ vertont habe.


    Diese Erstfassung mit Klavierbegleitung wurde (als letzter oratorischer Beitrag seines Gesamtschaffens) im Juli 1851 zur Einweihung des neuen Musiksalons in seinem Düsseldorfer Haus durch das von ihm geleitete „Singekränzchen“ erstmals aufgeführt. Zunächst war Schumann der Auffassung (so in einem Brief vom 29. September 1851), dass ihm die Klavierbegleitung „des zarten Stoffes […] vollkommen hinreichend erschien und noch erscheint“. Dennoch machte er sich später, wie ebenfalls aus dem Projektbuch zu ersehen ist, nämlich vom 7. bis 27. November 1851 an die Orchestrierung. Diese Fassung wurde dann am 5. Februar 1852 unter seiner Stabführung in Düsseldorf uraufgeführt.


    Über die Handlung schrieb Walter Dahms 1916 in seiner Schumann-Biographie:
    Hier handelt es sich um eine Rose, die sich nach menschlicher Verkörperung und Liebe sehnt, von der Elfenkönigin auch ihren Wunsch erfüllt bekommt, von milden Müllersleuten an Tochter Statt angenommen wird, den Försterssohn liebt und heiratet, nach der Geburt ihres Kindchens aber freiwillig von der Erde scheidet, da sie das Glück der Liebe voll ausgekostet hat und keine Steigerung der irdischen Seligkeit mehr erwarten kann. Die Dichtung von Moritz Horn quillt vor Tränenseligkeit und Gefühlsschwärmerei über.


    Dass die Musikfreunde der Schumann-Zeit das Oratorium völlig anders beurteilten, zeigt die stetig wachsende Zustimmung, die das Werk nach den öffentlichen Aufführungen erfuhr. Der Komponist wurde selbst im Dezember 1853 in Den Haag Zeuge dieses großen Erfolgs, der noch lange anhielt, ehe das „Ende der Zeiten der Goldschnittpoesie" (Dahms) DER ROSE PILGERFAHRT in der Versenkung verschwinden ließ. Dass heute an dem Oratorium wieder Interesse besteht, zeigen etliche Aufführungen im deutschsprachigen Raum.


    © Manfred Rückert für Tamino-Oratorienführer 2013
    unter Hinzuziehung des Librettos
    Oratorienführer von Oehlmann (Reclam) und Pahlen (Heyne)

    .


    MUSIKWANDERER

    2 Mal editiert, zuletzt von musikwanderer ()

  • Das wieder erwachte Interesse an Schumanns DER ROSE PILGERFAHRT zeigt sich auch an etlichen Aufnahmen, die bei den Tamino-Werbepartnern im Angebot zu finden sind:


    In dieser Aufnahme des Carus-Verlages wird die Urfassung mit Klavierbegleitung geboten. Es singen Christoph Pregardien, Anna Lucia Richter und Michael Dahmen;Michael Gees spielt das Klavier; den Chorpart übernahm der Süddeutsche Kammerchor, Gesamtleitung Gerhard Jenemann. FonoForum schrieb: „Das rund einstündige Stück ist hier unter Leitung von Gerhard Jenemann in der wenig bekannten Originalfassung mit Klavier zu hören - mit dem großartigen Michael Gees am Flügel, dessen differenziertes Spiel den Sängern viel Freiraum für eine liedhaft feine Gestaltung lässt. Davon macht der wie immer sehr sorgfältige und warm timbrierte Tenor Christoph Pregardien ebenso Gebrauch wie seine vorzüglichen jungen Kollegen Michael Dahmen und Anna Lucia Richter: Für ihre gerade mal 20 Jahre ist die Sopranistin fast schon erschreckend gut."



    Die nebenstehende Einspielung brachte das Label Oehms heraus; mit Britta Stallmeister, Antonia Bourve, Olivia Vermeulen, Daniel Behle und Sebastian Kitzinger; der Chorus musicus Köln und Das Neue Orchester, Gesamtleitung Christoph Spering. Das Des-Dur-Requiem op.148 füllt die zweite CD. Aus dem Produktinfo: „Mit den heute fast vergessenen oratorischen Werken aus Schumanns Düsseldorfer Jahren um 1850 (…) stellt sich Christoph Spering bei Oehms Classics vor. Mit ihm steht ein Avantgardist der historischen Aufführungspraxis romantischer Musik am Dirigentenpult.



    In dieser Chandos-Produktion singen Inga Nielsen, Denon van der Walt, Annemarie Moller, Helle Hinz und Elisabeth Halling; der Danish National Radio Choir und das Danish National Radio Symphony Orchestra, Leitung Gustav Kuhn.



    Das Oratorium wird in dieser EMI-Produktion von Rafel Frühbeck de Burgos dirigiert; seine Solisten sind Helen Donath, Julia Hamari, Theo Altmeyer und Hans Sotin. Es singt der Chor des Düsseldorfer Musikvereins, es spielen die Düsseldorfer Symphoniker. Auf der zweiten CD sind das „Requiem für Mignon“ und das Requiem op.148 von Bernhard Klee dirigiert sowie die Missa sacra op. 147 (unter Wolfgang Sawallisch) zu hören.



    Marcus Creed ist der Dirigent der nebenstehenden Aufnahme der Klavierfassung; seine Solisten sind Christiane Oelze, Birgit Remmert, Werner Güra und Hanno Müller-Brachmann. Es singt der RIAS Kammerchor, am Klavier Philip Mayers.



    Die nebenstehende Aufnahme von Ebs Recording (Note 1 Musikvertrieb), in Zusammenarbeit mit dem SDR entstanden, wird in der Werbung als Ersteinspielung der Klavierfassung genannt. Als Solisten werden Rosina Bacher (Sopran), Scot Weir (Tenor) und Robert Szidon am Klavier, sowie der Südfunk-Chor Stuttgart unter der Leitung von Rupert Huber aufgeführt (die Altistin und der Bass sind nicht angegeben).

    .


    MUSIKWANDERER

  • Die schönste Aufnahme ist gerade beim WDR erschienen, mit Britta Stallmeister in der Rolle der Rose und Christoph Spering Chor und Orchester. Eine fabelhafte Aufnahme mit einem Orchester, wie es dem zur Zeit Schumanns entsprach.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)