Lorin Maazel, "der unbestreitbar Beste" — Referenz auch fürs 21. Jahrhundert?


  • Ja, es gibt bereits einen Maazel-Thread, ich habe es nicht übersehen. Da dieser uralt, überladen und nicht mehr aktuell ist, denke ich, ist es an der Zeit, einen neuen aufzumachen. Angesichts von gefühlt einem Dutzend Karajan-Threads ist dies gewiss eine vertretbare Sache. ;)


    Das nämliche, zur Diskussion geradezu herausfordernde Zitat (im Original "The Undisputed Best") stammt nicht von mir, sondern aus dem "Grammophone" von Oktober 2010 und prangert groß auf der Facebook-Titelseite von Maestro Lorin Maazel, wie er sich selbstbewusst tituliert. Kritiker mögen sich darin bestätigt sehen, die Maazel seit Jahrzehnten einen Hang zur Selbstinszenierung, wenn nicht Arroganz vorwerfen. Bei "Tamino" hat er nicht nur Anhänger, wie in den letzten bald zehn Jahren der Foren-Geschichte deutlich wurde. Häufiges Klischee ist, dass Maazel "früher" genial gewesen sei, dann mit zunehmendem Alter aber "langweilig", "beliebig", "aalglatt" geworden sei. Seitdem mehr und mehr auch Live-Aufnahmen offiziell auf CD und DVD verfügbar gemacht wurden, wankt diese voreingenommene Einstellung seiner Gegner, da die hohe künstlerische Qualität der Aufnahmen nicht geleugnet werden kann. Hat Maazel vielleicht also ein "Studio-Problem", wie man es so großen und berühmten Dirigenten wie Furtwängler oder Knappertsbusch auch zuschreibt und damit so manche nicht ganz so referenzträchtigte Aufnahme gleichsam entschuldigt? Es ist zumindest etwas sonderbar, dass man einem Wilhelm Furtwängler die Studioaufnahmen in aller Regel nachsieht und dann auf die Live-Dokumente verweist. Bei Maazel kommt es mir genau gegenteilig vor. Immer werden die angeblich mäßigen Studioproduktionen angeführt, um ihn vorzuführen. Zumindest kann keiner bestreiten, dass Maazel einer der einzigen lebenden Dirigenten ist, die seit über einem halben Jahrhundert die klassische Musikszene nachhaltig prägen. Kann einer, der 1989 monatelang als Karajans Nachfolger gehandelt wurde, so mittelmäßig sein? Ist es möglich, dass sich zahlreiche Spitzenorchester (darunter das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und das New York Philharmonic) so jemanden zum Chefdirigenten bestellen? An Vielseitigkeit mangelt es Maazel jedenfalls nicht. Wenn auch nicht primär ein Operndirigent, so hat er doch immer wieder Opern dirigiert und aufgenommen, war in den 1960er Jahren mehrmals Gast bei den Bayreuther Festspielen (wieso er seither dort fehlt, ist eine andere interessante Frage). Ist es die Gnade des langen Lebens, die ihn jetzt, im hohen Alter zum postulierten "Besten" macht? Hat er schlichtweg (wie Friedrich III., der Habsburger) viele seine Konkurrenten überlebt und ist gewissermaßen als Sieger übrig geblieben? Die großen lebenden und noch aktiven Dirigenten in seiner Altersklasse lassen sich jedenfalls bald an einer Hand abzählen.


    Maazel ist jetzt 83, aber es gibt keine Anzeichen von Altersmüdigkeit. Noch immer steht er einem großen Symphonieorchester vor und ist Direktor des Castleton Festival. Laut eigener Aussage will er mindestens bis 95 dirigieren. Ungewöhnlich deutlich meldete er sich jüngst in der Debatte um das "moderne Regietheater" zu Wort, das er heftig angriff, was ihm sehr viel Anerkennung (und wohl auch einige Kritik) einbrachte. Er scheint besonders auch einen Draht zu jüngeren Leuten zu haben, seine Fans sind zahlreich und weltweit zu finden (dazu unten mehr). Sein Auftreten ist das einen Mannes von Welt, aristokratisch und elegant. Er ist einer der wenigen Dirigenten, die eine persönliche Note in ihre Kleiderwahl einbringen (Maazel bevorzugt zweireihige Smokings, die völlig aus der Mode gekommen sind). Sein Dirigierstil ist mit nobel und elegant gut beschrieben — er macht auch optisch etwas her, wenn er den Taktstock schwingt, was man beileibe nicht von allen Dirigenten behaupten kann. Noch immer wird ihm die weltbeste Schlagtechnik attestiert.


    Wie kam ich überhaupt auf diesen Thread? Nun, eigentlich durch die neue Serie "Aufnahmen des 21. Jahrhunderts". Bei Schuberts "Großer" fiel der Name Maazel (durch mich selbst), viel Zustimmung kam sogleich. Ich fand es einfach fast schon witzig, dass dieser "große alte Mann" (Zitat William B.A.) vielleicht auch eine Referenz fürs 21. Jahrhundert vorgelegt haben könnte. Würde er, "der Alte", damit nicht seine sämtlichen jüngeren Kollegen fast schon vorführen? Ja, Lorin Maazel ist noch immer aktiv mit dabei, er ist nicht nur ein Dirigent des 20. Jahrhunderts, sondern mischt auch im 21. noch kräftig mit. Schon deswegen verdient er einen zweiten Thread.


    P.S. Besagte Facebook-Seite von Maazel hat derzeit über 32.000 "Gefällt mir"-Angaben. Zum Vergleich: Pierre Boulez kommt auf 30.302, Bernard Haitink auf 4.540, Kurt Masur auf 3.013, Seiji Ozawa auf 2.110, Herbert Blomstedt auf 672, Gennady Rozhdestvensky auf 348, Stanislaw Skrowaczewski auf 160 — um nur ein paar etwa gleichaltrige Dirigenten zu nennen. Das soll kein Beweis dafür sein, dass Maazel "der Beste" ist, lediglich am Rande erwähnt werden.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lorin Maazel war nie "mittelmäßig" - aber es wird ihm Nachgesagt, daß eher die Live-Aufnahme seine Domäne ist als das Studio. Ob das stimmt ist hier nur nebensächlich. In der Tat kann man ihm "Selbstinszenierung" nicht wirklich vorwerfen, wer sich nämlich "selbst inszeniert" - der wird selten mit dem Attribut "arrogant" bedacht. Eher schon der, der selbstsicher und elegant auftritt - das mögen die Leute heute nicht mehr.
    Maazel ist nicht "arrogant" sondern "introvertiert" und intellektuell. Ich erinnere mich an ein Interview das er vor Jahren gab, wo er beschrieb, wie er seine 3. Frau, Dietlinde Turban kennenlernte. Beide waren auf der selben Party eingeladen - beide langweilten sich - beide standen einsam im Eck.......
    Maazel hatte - wie viele andere auch - den Nachteil von drei Pultgrößen (Karajan-Böhm-Bernstein) ein wenig verdrängt zu werden.
    Nicht unbedingt weil die "besser" waren - sondern weil die DGG sie marketingmäßig exzessiv pushten.
    Es ist ja zudem nicht so, daß Maazel verkannt wäre - nein er war schon ganz vorne mit dabei - ich frage mich allerdings auch wie wichtig ihm das war. Heute ist er einer der "großen alten Männer des Pultes" eine Ikone, wie einst Celibidache und neben ihm einst Harnoncourt. Möge er diesen Status noch - wie er es sich wünscht - über 95 hinaus geniessen.


    mit freundlichen Grüßen
    aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich kenne Lorin Maazel nun seit gut 50 Jahren, seit er diese Oper herausbrachte, die mir damals in einer uralten Fono-Forum-Ausgabe von der damaligen Kritiker-Legende Joseph-Müller-Blattau nähergebracht wurde:

    Seit jener Zeit habe ich die Oper in meinem Bestand und ist sie nach wie vor für mich Referenz, und das nicht zuletzt dank Maazels mitreißendem Diirigat.
    Mittlerweile habe ich ihn auch live erlebt, als er im letzten Jahr mit Schuberts 4. Symphonie und Wagners Tristan-Vorspiel und Liebestod sowie Richard Strauss ' "Zarathustra" in der Essener Philharmonie auftrat. Obwohl ich nicht allzu viel von ihm in meiner Sammlung habe, schätze ich ihn sehr. Wer mit 82 Jahren noch einmal Chef-Dirigenten-Verantwortung als Nachfolger von Thielemann!! und Celibidache übernimmt, kann so schlecht nicht sein. Als ich hier in Tamino in dem o. a. Thread auf die GA der Schubert-Sinfonien aufmerksam gemacht wurde, war ich hin und weg. Das mit der (vorläufigen) Referenz für das 21. Jahrhundert könnte schon klappen.
    Lorin Maazel ist ein Dirigent von Welt-Format.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Auf seiner offiziellen Homepage hat Lorin Maazel ein Statement abgegeben, was seine Gesundheit anbelangt:



    Ich wünsche ihm an dieser Stelle nochmal eine vollständige Genesung, auf dass er ab der Spielzeit 2014/15 wieder seinen Verpflichtungen als Dirigent nachkommen kann, auch wenn er sich wohl nach seiner Tätigkeit als Chefdirigent der Münchner Philharmoniker keine solche mehr aufbürden wird.

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    – Luís de Camões

  • Tatsächlich wird Maazel seine Position bei den Münchner Philharmoniker nicht erst zum Ende der Saison 2014/15 abgeben, sondern anscheinend per sofort (Chefdirigent Lorin Maazel tritt zurück; zuletzt aufgerufen am 12.06.2014).

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Tatsächlich wird Maazel seine Position bei den Münchner Philharmoniker nicht erst zum Ende der Saison 2014/15 abgeben, sondern anscheinend per sofort (Chefdirigent Lorin Maazel tritt zurück; zuletzt aufgerufen am 12.06.2014).


    Es bleibt sehr zu hoffen, dass es bei ihm nun nicht annähernd so schnell geht wie bei Herrn Frühbeck de Burgos! Die besten Genesungswünsche!

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"


  • Es lohnt sich immer wieder, die alten Aufnahmen von Lorin Maazel aus den 60er und frühen 70er Jahren hervorzuholen und anzuhören. Habe ich gerade mit Tschaikovskys 6. Symphonie gemacht, die er zusammen mit allen weiteren Symphonien in Wien für die Decca eingespielt hat. Damals wurde diese Aufnahme u.a. mit dem Deutschen Schallplattenpreis ausgezeichnet. Man hört heute noch, warum. Maazel dirigiert Tschaikovsky in einer ähnlichen Art wie Mravinsky. Zügig, spannend, keinerlei Larmoyanz aufkommen lassend. Das hat auch heute noch Geltung.

  • Es lohnt sich immer wieder, die alten Aufnahmen von Lorin Maazel aus den 60er und frühen 70er Jahren hervorzuholen und anzuhören.


    Stimmt, besonders seine Aufnahmen der 60er und 70er haben noch richtig Biss! Ich erinnere an die Tschaikowsky-KK mit Gilels (EMI).
    Bereits sein späterer Tschaikowsky-Zyklus aus Cleveland ist auch noch sehr anhörenswert, aber bereits nicht mehr ganz so toll - ;) als ich Solti hörte, wars sowieso erledigt.
    Diese CBS-CD konnte ich bei EBAY nie verkaufen; aber werde sie jetzt behalten:


    Tschaikowsky Sinfonie Nr.4
    Cleveland Orchstra / Maazel ... - kein Bild mehr verfügbar -
    CBS, 1984


    :angel: Was war das für eine Sternstunde - meine 1.LP-Aufnahme der Sinfonie Nr.4:


    Berliner PH / Maazel
    Heliodor-LP, ~1960

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Ich kenne nicht so viel von Maazel, dass ich schon Grundsätzliches zu ihm sagen könnte.
    Was ich kenne, fand ich bisher immer ziemlich gut bis sehr gut.
    Wenn ich ihn sehe, fällt mir immer wieder seine äusserst effektive Schlagtechnik auf, die wesentlich "schulmässiger" ist, als alles andere, was man von den grossen Dirigenten so sieht.


    Diese Blue-ray-Aufnahme mit den Berliner Philharmonikern gefällt mir mit ihm besonders gut.
    Es ist eine orchestrale "Kurz"version des Rings von Wagner.



    Ich kann die Aufnahme bedingungslos empfehlen, auch optisch und klanglich.


    Maazel hat mit dem BPO schon einmal diese Musik aufgenommen, und zwar bei Telarc:



    Auch diese Aufnahme ist sehr empfehlenswert, allerdings finde ich die neue klanglich noch bestechender, tempomässig noch überzeugender und auch mehr ausgearbeitet.
    Zudem hat die Blue-ray den Vorteil des "Live-Bogens", d.h. es wird vor Publikum alles von A bis Z durchgespielt und der damit gespannte Bogen erscheint mir hier fühlbarer zu sein.
    Auf der CD sieht man natürlich auch die Effektivität der Bewegungen des grossen Dirigenten nicht....

    Gruss
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Ein grosser Wagner-Fan bin ich nie gewesen und werde es auch nie werden.
    Von daher war Maazel´s Ring ohne Worte (siehe Vorbeitrag von Glockenton) natürlich ein gefundenes Fressen für mich. Naja, so oft und gerne höre ich diese TELARC-CD nun auch wieder nicht, da mir diese Orchesterstücke in den Aufnahmen mit Solti (Decca) und Szell (SONY) noch besser gefallen. Mehr brauche ich "von dem Wagner-Kram" aber auch nicht !


    ;) Ich will hier nicht Lobhudeln:
    Nach Maazel´s Ring ohne Worte hatte ich mir die unten abgebildete SONY-CD als Ergänzungs-Gegenstück auch zugelegt:
    Maazel - Tannhäuser ohne Worte.


    :thumbdown::( Ich war selten so enttäuscht über einen CD-Kauf: So was langweiliges, langatmiges, ja "peppfreies", spannungsloses war mir bis dahin noch nie auf CD untergekommen.
    Ich kann es nicht anders sagen -> aber den Käse habe ich ganz schnell wieder abgesetzt! So gelangweilt, wie Maazel da guckt, ist auch der Inhalt.
    ;( Worst CD of my life!


    :!: ---> Keine Empfehlung !!! <---

    SONY, 1991, DDD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Nach Maazel´s Ring ohne Worte hatte ich mir die unten abgebildete SONY-CD als Ergänzungs-Gegenstück auch zugelegt:
    Maazel - Tannhäuser ohne Worte.


    Ich war selten so enttäuscht über einen CD-Kauf: So was langweiliges, langatmiges, ja "peppfreies", spannungsloses war mir bis dahin noch nie auf CD untergekommen.


    Die gleiche Erfahrung habe auch ich gemacht, lieber teleton. Und ich frage mich, liegt es vielleicht an der Vorlage? Der "Ring" hat doch viel stärkere sinfonische Elemente als der "Tannhäuser", der hier tatsächlich auf eine Art Potpourri zusammenschrumpft, was nicht der Sinn solcher Bearbeitungen sein kann. Das macht für mich wenig bis überhaupt keinen Sinn. Schon den "Ring" halte ich für grenzwertig - aber er klingt immerhin noch in einem großen Zusammenhang, zumal Maazel dabei Wagner pur dirigiert. Seinen "Tannhäuser" nennet er "Sinfonische Synthese" - was immer das ist.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ein grosser Wagner-Fan bin ich nie gewesen und werde es auch nie werden.


    Mehr brauche ich "von dem Wagner-Kram" aber auch nicht !


    Nun frage ich mich natürlich, ob diese Aussage hier


    So gelangweilt, wie Maazel da guckt, ist auch der Inhalt.
    Worst CD of my life !


    nicht doch irgendwie mit den ersten beiden Sätzen in Verbindung stehen könnte.
    Habe auch eine CD mit einer Symphonie von Sibelius und Maazel, die ich bisher nicht schaffte, bis zum Ende zu hören. Irgendwie fehlt mir da der Zugang.
    Ich glaube aber, dass es daran liegt, dass ich das Werk selbst nicht oder noch nicht mag (ich liebe durchaus andere Sachen von Sibelius) und nicht, dass der arme Maazel daran Schuld trägt.


    Nun kenne ich die oben gezeigte Wagner-Tannhäuser-instrumental-CD nicht und werde sie mir wohl auch nicht zulegen, weil ich ja die bekannten Orchestersachen aus Tannhäuser in schönen Versionen von Karajan und Thielemann schon habe.


    Den instrumentalen Ring mit Maazel empfinde ich durchaus nicht als grenzwertig, vor allem nicht, wenn es so saftig und toll gespielt wird, wie bei den von mir oben genannten Aufnahmen. Allerdings muss ich auch sagen, dass ich noch mehr davon hatte, als ich dann die Opern kennengelernt hatte. Wenn dann bestimmte Motive erklangen, dachte ich automatisch an die Szenen aus dem entsprechenden Teil der Wagner-Oper. Wer z.B. "Das Rheingold" nicht kennt, der wird nicht ganz verstehen, was denn dieses metallische Gehämmere an der einen Stelle soll. Wer die Oper kennt, sieht gleich die durch die Kraft des Ringes unterdrückten Nibelungen vor seinem geistigen Auge, die für den bösen Alberich schuften müssen.


    Gruss
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Ich persönlich halte den "Ring ohne Worte" ideal für Wagner-Einsteiger, die Berührungsängste mit Stimmen haben. Da hat Lorin Maazel schon eine sehr gute Auswahl getroffen, die mittlerweile ja auch öfter gespielt wird, auch von anderen Dirigenten. Ich glaube auch, dass die Video-Variante, die auf DVD erschienen ist, nochmal deutlich zu bevorzugen ist.


    Den symphonischen "Tannhäuser" fand ich, obwohl Maazel-Fan, auch nicht so berauschend. Es mag hier einiges zusammenkommen. Wie bereits erwähnt, eignet sich diese Oper vielleicht weniger für eine symphonische Synthese, wie es beim "Ring" oder "Parsifal" (Stokowski) glücken mag. Zudem scheint hier ein ähnliches Problem vorzuliegen wie bei der zweiten Studioeinspielung der Sibelius-Symphonien mit dem Pittsburgh Symphony Orchestra. Ich will nichts gegen dasselbe gesagt haben, aber vergleicht man diese Studioaufnahmen mit Maazel live, so ist das hundert zu eins. Dass er's nach wie vor "kann", zeigte sich etwa beim "Also sprach Zarathustra" in London diesen Jahres oder in den neuen Mahler-Aufnahmen von ebenda, die jetzt sukzessive erscheinen.


    Es gibt von Maazel auch einen "richtigen" "Ring" komplett, nämlich Bayreuth 1968 und 1969, zudem einen "Lohengrin" von 1960 und einen "Tristan" aus München von 1996 mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks (wurde auch gefilmt). Die restlichen Opern wären mir jetzt nicht geläufig.


    Übrigens ist die mittlerweile vergriffene Box mit den frühen DG-Aufnahmen bei Spotify kostenlos und vollständig abhörbar. Da befinden sich wirklich zahlreiche Schätze darunter, etwa die Schubert-Symphonien (bis auf die Erste und Neunte), Beethovens Fünfte oder Mozarts Erste (sic!).

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Mit Bestürzung habe ich vorhin in den Nachrichten vom Tod des Maestro erfahren.


    Mit ihm geht ein ganz Großer.

    Es wird immer weitergehn, Musik als Träger von Ideen.

    Kraftwerk

  • Es ist immer wieder erschreckend, wie schnell es vorbei sein kann.


    Respekt und Hochachtung vor der Lebensleistung dieses grossartigen Musikers!



    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Vor gut einem halben Jahr ist er von uns gegangen.


    Heute wäre Lorin Maazel 85 Jahre alt geworden.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • In Erinnerung an den doch etwas überraschenden Abschied, den wir von Lorin Maazel nehmen mussten, habe ich, übrigens zum dritten Mal innerhalb nur weniger Wochen, diese vor siebeneinhalb Jahren in Vendig in San Marco entstandene Aufnahme (zum ersten Mal mit meinem neuen Equipment (Panasonic UHD-Fernseher 55 Zoll, Panasonic Blue-Ray-Player BD 700, im Verein mit meinem nicht mehr ganz neuen Kopfhörer Spirit Classic , gehört und gesehen:


    Die eigentliche Sensation dieser Aufnahme war nicht der Coro del Maggio Fiorentino, auch nicht die Symphonica Toscanini, auch nicht Lorin Maazel, obwohl er alle Beteiligten zu einer singulären Aufführung führte, sondern es waren die Mezzosopranistin Anna Smirnowa und der Bassist Rafal Siwek (komisch, schon wieder zwei aus dem "ehemaligen" Ostblock).
    Rafal Siwek darf ohne Weiteres zu der kleinen Zunft der "überragenden" schwarzen Bässe gerechnet werden, wobei er nicht nur "schwarz" kann und "machtvoll", sondern auch "leise" und "lyrisch".


    Anna Smirnowa erinnerte mich vom ersten Augenblick an, an dem ich sie gehört und gesehen habe, an Jessye Norman (1982 in Edinbrugh unter Abbado) im gleichen Stück. Diese Frau ist ein Erdbeben, ihre Stimme ist eine Waffe, man steht machtlos vis à vis. Aber auch sie kann, wie Siwek, lyrisch, leise und legato.


    Bei Gelegenheit werde ich beide noch näher vorstellen. Maestro Maazel war jedenfalls von ihnen begeistert. Auch Norma Fantini, die Soprranistin, sowie Francesco Meli, der Tenor, füllten ihre Partie mit großem Engagement und wrklich guter Stimme aus, konnten jedoch die Wirkung ihrer Kollegen nicht ganz erreichen. Francesco Meli habe ich übrigens noch in einer zweiten Aufnahme des Requiems, 2011 unter Yuri Temirkanov, und Rafal Siwek in einer Requiem-Aufnahme aus dem Jahre 2005 unter Zubin Mehta.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).