Peter Erasmus Lange-Müller - selbstzweifelnder Nachfolger Gades

  • Um meine geliebten skandinavischen Komponisten hier im Forum weiter zu verbreiten, möchte ich Euch nun einen weiteren Dänischen Komponisten
    vorstellen, der heute jedoch wie viele seiner Landesgenosses vergessen ist.





    (c) Königliche Bibliothek Kopenhagen


    Peter Erasmus Lange-Müller wurde am 1. Dezember 1850 in Frederiksberg, einem Stadtteil von Kopenhagen geboren. Seine Eltern waren wohlhabende Beamten die auch der Musik nicht abgeneigt waren. So erhielt er privaten Klavierunterricht bei Gottfred Matthison-Hansen, einem renomierten Organisten und Komponisten. Trotz großem Interesse an der Musik, entschied er sich gemäß der Familientradition zum Studium der Staatswissenschaft. Dieses gab er jedoch schnell auf und schrieb sich im Konservatorium ein. Doch führte seine lebenslange schwache Gesundheit, die sich in chronischen Kopfschmerzen äußerte dazu, dass er dies kurz aufgab und eine Gärtnerlehre anfing. Er versprach sich Linderung in der Natur, jedoch rief ihn die Musik wieder! Ohne scheinbar richtige Ausbildung hatte Lange-Müller 1874 sein Debut als Komponist. In diesem Jahr gründete er mit Otto Malling, Christian Frederik Emil Hornemann und Jacob Fabricius die Dänische Konzertvereinigung, die in den kommenden Jahren die wichtigsten Werke der neuen romantischen Komponistengeneration aufführen sollte. Dort war er auch 1879 bis 1883 als Dirigent tätig. Es war das einzige öffentliche Amt das er je bekleidete. Als Sohn einer wohlhabenden Familie konnte er sich ganz aufs Komponieren konzentrieren - mit Erfolg!


    Der erste erfolgte 1876 mit seiner vierhändigen Klaviersuite I Alhambra, die auch später für Orchester umgeschrieben und oft in Kopenhagen aufgeführt wurde. Die Höfe des maurischen Schlosses darstellend, entsprach das Werk dem Zeitgeschmack des damaligen Publikums. Als er jedoch selber in Spanien an der Alhambra war, schrieb er enttäuscht, dass er dem Publikum ein viel prächtigeres Bild vermittelt hätte, als es wirklich ist... aber welche Däne konnte dies schon überprüfen.


    1878 schrieb Lange-Müller seine erste Oper Tove. Er hoffte sein Leben lang auf Erfolg als Opernkomponist, der ihm leider verwehrt blieb. Die Gründe werden später angeführt. Richtig erfolgreich war er hingegen mit seiner Schauspielmusik. Sowohl seine Musik zu Der var engang von 1887 als auch zu Renaissance von 1901 wurden große Erfolge und einzelne Stücke und Arien wurden vielfach von Sängern ins Programm aufgenommen. So wurde Musik von Renaissance bereits 1936 und die Musik zu Der var engang 1946 vom Orchester des Königlichen Theaters aufgenommen. Das Mittsommerlied Vi elsker vort land aus dem letztgenannten Werk wurde zu einer Art zweiten Nationalhymne und wird als eines der wenigen seiner Werke noch regelmäßig gespielt.

    Neben Schausspielmusik und Opern schrieb Lange-Müller auch zwei Sinfonien. Diese leiden, wie wohl auch die Opern am Aufbau. Ohne eine richtige musikalische Ausbildung fehlte dem Komponisten die Kunst zur großen Form und hatte auch durchaus kontrapunktisch wenig zu bieten. Dennoch weisen die Sinfonien zahlreiche schöne Einfälle auf. Insbesondere die erste ist mit ihrer herbstlich, melancholischen Stimmung durchaus hörenwert. Seine Meisterwerke sind mehr in den kleinen Formen zu suchen. Lieder und kleine Schauspielzwischenstücke weisen große Qualität auf und werden schell zu Ohrwürmern. Nachdem Lange-Müller nach drei Opernversuchen, die alle durchvielen, seinen Traum als Komponist gescheitert sah, hörte er ab 1910 fast gänzlich mit dem Komponieren auf. Trotzdem blieb er die führende Musikerpersönlichkeit und setzte sich für junge Komponisten wie Ludolf Nielsen und Hakon Børresen ein.


    Lange-Müller wurde und wird als der Nachfolger Niels Wilhelm Gades gesehen. Die Dänische Musik, insbesondere den typischen Tonfall vorgebend, entwickelte er die Musik weiter und prägte den Stil einer ganzen Komponistengeneration, die sich selbst im 20. Jahrhundert noch tief in der Romantik verwurzelt sah. Er selber war jedoch überhaupt nicht von sich überzeugt. Seine Tagebuchaufzeichnungen geben Auskunft darüber. In seinen Zeilen gibt es immer wieder Stellen zu lesen wie "Ich bin der schlechteste Komponist" oder "Aus mir wird nie ein guter Komponist" [ frei wiedergegeben ]. Dabei hatte er bereits wirklich großen Erfolg in Dänemark. Wahrscheinlich war dieser Selbstzweifel, die mit seinen chronischen Kopfschmerzen eine fast dauerdepressive Stimmung erzeugte auch der Grund für die Aufgabe des Komponierens. Lange-Müller starb nachdem er die letzten Jahre viel mit seiner Familie verbracht hatte am 26. Februar 1926 in Kopenhagen. Laut der englischen Wikipedia infolge eines Straßenunfalls. Belege dazu finde ich allerdings nicht!


    Dieser Thread soll auch seine Werke würdigen. Wer möchte, darf diese gerne vorstellen. Ansonsten werde ich dies in nicht absehbarer Zeit selbst tun!


    Lange-Müller im Alter von etwa 10 Jahren Der "Lange"-Müller mit Hakon Børresen
    (c) Königliche Bibliothek Kopenhagen


    Beste Grüße
    Christian

  • Eines der noch heute populärsten Werke Lange-Müllers ist die Schauspielmusik zu Der var engang (= Es war einmal ) von Holger Drachmann.


    Die Handlung:
    Der Prinz von Dänemark und sein treuer Freund Kasper sitzen in der Burg als ein fahrender Händler denbeiden Waren anbietet. Sie kaufen ein Spiel, einen Kessel, der einem alles verrät was über einen gesagt wird wenn er kocht, sowie das Bildnis der Prinzessin von Illyrien. Der Prinz will ihr Herz zu erobern und sucht als Freier ihr Schloss auf. Er wird abgewiesen mit den Worten, dass sie lieber eine Lumpenprinzen heiraten und Tongeschirr auf dem Markt verkaufen möchte. Darauf verkleiden sich Kasper und der Prinz als Zigeuner und warten vor dem Schloss. Als die Prinzessin kommt und die beiden mit ihrem Spielzeug und dem magischenKessel sieht will sie beides kaufen. Doch nur gegen einen Kuss und eine Nacht mit dem verkleideten Prinzen bekomme sie diese Gegenstände, so der verkleidete Prinz. Sie willigt ein. Des Nachts schläft er als Zigeuner verkleidet an ihrem Fußende. Als die bewachenden Hofdamen eingeschlafen sind, gibt der Prinz ein Zeichen und der König sowie Kasper treten ein und beschuldigen die Prinzessin der Hexerrei mit dem Zauberkessel. Sie solle mit ihren Zigeuner aus dem Land gejagt werden, da der werbende Prinz sonst Illyrien einnehmen werde. So flüchteten die Prinzessin und der Zigeuner an den Dänischen Fjord, wo sie eine alte Töpferhütte ihr neues Zuhause nennen. Am Markttag haben sie einen Stand mit Töpferwaren. Als der Prinz sie kurz verlässt, kehrt er erneut verkleidet als Soldat wieder und spottet ihr, bis er bei einer Schlägerei ihren Stand zerstört. Weinend kehrt sie allein nach Hause zurück. Der Prinz taucht wieder als Zigeunerverkleidet auf und kündigt an als Wildschütz in den Wald zu ziehen. Doch sie fällt ihm um den Hals und fleht ihn an zu bleiben, sie liebe ihn doch!
    Die Hochzeit am Königsschloss wird vorbereitet. Die Prinzessin taucht auf um Speisereste für ihren „kranken Gatten“ zu holen, als plötzlich Kasper hereinkommt und berichtet, dass die Hochzeit des Prinzen in Gefahr ist, da die zukünftige Gattin krank geworden. Eine Ersatzprinzessin wird gesucht. Das Brautkleid passt nur der armen Töpferprinzessin und so muss sie als Stellvertreterin einspringen. Sie trifft sich mit dem bald heiratenden Prinzen und gesteht, dass sie als Töpferin glücklich geworden ist. Als er befielt ihr Haus abzubrennen erkennt sie, dass er und der Zigeuner den sie lieben gelernt hat dieselbe Person sind. Freudig erklingt das Mittsommerlied.



    Lange-Müller komponierte zu diesem Märchen eine wahrlich fantastische Partitur, die nicht nur Freunden des skandinavischen Musik gefallen wird. Eingängige Lieder, passend zur jeweiligen Situation ( zum Beispiel mal nur mit Cembalo ), festliche Chöre und das zum Volkslied gewordene Mittsommerlied Vi elsker vort land sind mit der raffinierten Orchestration zum einer Art Hit in Dänemark geworden. Was der Musik jedoch fehlt ist die große Form und die kontrapunktische Arbeit, die vielen Skandinavischen Komponisten aufgrund mangelder Ausbildung fehlte. Wer sich jedoch noch an entzückenden Melodien und einer farbenreich, typisch Dänischen Partitur erfreuen kann, wird diese Aufnahme lieben. Michael Schønwandt holt allerlei Farben aus dem Danish National Radio Symphony Orchestra heraus und lässt die zahlreichen Farben mustergültig erschillern. Sehr zu empfehlen :)

  • Lieber Christian
    ich kenne ja schon viele skandinavische Komponisten, aber den Namen hatte ich noch nie gehört. Habe mir gerade seine beiden Symphonien bestellt, für € 0,01 + Porto beim Werbepartner.




    Bin gespannt
    liebe Grüße
    lutgra

    P.S. Arbeite mich gerade durch ein 3 CD-Box von Stenhammar durch, werde berichten.

  • Dennoch weisen die Sinfonien zahlreiche schöne Einfälle auf. Insbesondere die erste ist mit ihrer herbstlich, melancholischen Stimmung durchaus hörenwert.

    Inzwischen habe ich mir die erste Symphonie von Lange-Müller (was für ein "unsexy" Name für einen Komponisten :D ) angehört und kann das von Christian geschriebene bestätigen. Mich erinnert die Musik am ehesten an die von Joachim Raff. Wobei ich mir ziemlich sicher bin, dass sich aus den Partituren viel mehr herausholen lässt als dies Douglas Bostock mit dem Chamber Philharmonic of Bohemia tut. Das Orchester ist vermutlich für die Aufnahmen zusammengestellt worden, jedenfalls findet sich im Internet kein Hinweis auf seine Identität. Über das Niveau eines Theaterorchester einer mittelgroßen deutschen Stadt kommt es jedenfalls nicht hinaus. Das wäre also z.B. mal ein Fall für Neeme Järvi, Michael Schonwandt oder Thomas Dausgaard mit ihren Orchestern.