Alexander Glasunow - Die Streichquartette

  • Unsere Wahrnehmung russischer Streichquartette beschränkt sich üblicherweise auf die Beiträge von Tschaikowsky, Borodin und Schostakowitsch. Dass es daneben noch anderes gibt, wird einem meist erst klar, wenn ein Label eine Gesamtaufnahme eines anderen Komponisten aus diesem Kulturkreis vorlegt, wie kürzlich CPO mit den 17 Quartetten von Weinberg. Oder wie hier MDG mit einer fünf CD umfassenden Gesamtaufnahme der 7 Quartette (plus einige weitere Stücke) von A. Glasunow. Der hat zwar die Hälfte seines Lebens im 20. Jahrhundert verbracht, ist aber musikalisch eindeutig dem 19. Jahrhundert zuzuordnen.



    Die Serie von MDG ist inzwischen vollendet und soll hier in Einzeldarstellungen vorgestellt werden. Wir beginnen mit der 5. Folge, die das 1. und 7. Quartett enthält.


    Streichquartett Nr. 1 ist auch gleichzeitig op. 1 und wurde 1881/82 komponiert. Da war der Komponist 17 (!). Und wer hier eine erste Talentprobe eines zukünftigen Meisters erwartet, wird positiv enttäuscht: ein vollgültiges Werk liegt hier vor, mit vier melodisch und technisch völlig ausgereiften Sätzen, die wunderbar anzuhören sind. Ähnlichkeiten mit der Musik von Felix Mendelssohn sind gelegentlich nicht zu überhören. Ähnlich wie dieser war Glasunow offensichtlich ein musikalischer Wunderknabe, der sich dann allerdings nicht mehr groß weiterentwickelt hat, wie man auch an den 8 Symphonien verfolgen kann.
    Das Utrecht String Quartet bringt genau den richtigen Ton für diese Musik mit. Nicht zu pathetisch, nicht zu dick aufgetragen, sondern locker und leicht gespielt. Perfekt.

  • MDG bringt im Januar die 5 CDs mit allen Streichquartettkompositionen von Alexander Glasunow mit dem Utrecht String Quartet als preisreduzierte (wenn auch noch nicht wirkliche günstige) Box heraus.

  • Ich habe bei den jüngsten MDG-Angeboten eine Folge der Reihe gekauft, mit den Quartetten 3 und 5.
    Das dritte Quartett ist ebenfalls noch ein recht frühes Werk des knapp 20jährigen Komponisten. Untertitel (besonders des Finales als "fete slave") verweisen auf einen "slawischen" Einfluss; die Sätze entsprechen jedenfalls nur bedingt dem "klassischen" Format, ohne so eindeutig von slawischen Musikformen beeinflusst zu sein wie etwa Dvoraks "Dumky" für Trio. Nach anderthalb Mal hören bin ich nicht so recht begeistert; von der slawischen Stimmung abgesehen (die aber nicht so packt wie bei einschlägigen Werken Dvoraks oder Borodin #2 u.a.), finde ich das eher dünn (und oft auch wenig "quartettmäßig" mit Tonrepetitionen und tremolo).


    Das 5. Quartett ist konventioneller (zB eine Einleitung zum ersten Satz mit einer Art fugato), für mich aber erheblich überzeugender.


    Es gab anscheinend eine sowjetische Einspielung der Glasunow-Quartette mit dem Schostakowitsch-Quartett, die ich allerdings noch nie gesehen habe. Nach meiner Stichprobe scheint mir die Vernachlässigung zwar nicht völlig, aber doch ein wenig verständlich.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo zusammen,


    ein paar Eindrücke aus "gerade gehört":



    Alexander Glasunow (1865-1936)
    Streichquartette Vol. 1, 3 & 5

    Streichquartette Nr. 3 op. 26 "Quatuor slave" & Nr. 5 op. 70
    Suite op. 35 für Streichquartett; Streichquintett op. 39
    Streichquartette Nr. 1 & 7
    Utrecht String Quartet
    MDG, DDD, 2003, 2006, 2008, 2011


    Der Eindruck, den diese Edition bei mir hinterlässt, ist insgesamt leider etwas zwiespältig. Einerseits ist es natürlich toll, wenn sich Künstler und ein Label wie MD&G einer solchen Repertoire-Lücke annehmen, andererseits drängt sich nach dem Hören - zumindest mir - ein wenig die Frage auf, ob denn wirklich alles je komponierte tatsächlich zu Gehör gebracht werden MUSS.
    Die bisher gehörten Quartette der Volumina 1, 3 und 5 sind melodisch schöne Musik, der allerdings die letzte Finesse der großen Gattungsbeiträge fehlt. Wie schon andere Hörer schrieben, verwundert es vielleicht nicht so sehr, dass diese Musik weitestgehend in Vergessenheit geriet und tatsächlich aktuell nur eine verfügbare Gesamtaufnahme existiert (bei Naxos befindet sich ein zweiter Zyklus seit Längerem im Entstehen).
    Die Instrumentierung erscheint an vielen Stellen nicht unbedingt als Ausbund kompositorischer Genialität; es gibt doch einige Momente, in denen sämtliche Stimmen unisono unterwegs sind, da Glazunov offensichtlich keine tiefergehenden Ideen hatte.
    Auf der Haben-Seite ist aus meiner Sicht allerdings auch festzuhalten, dass Glazunov immer wieder schöne Melodien gelingen, so dass das Hören der Quartette durchaus Freude bereitet.
    Auch scheinen mir Interpretation und das Klangbild absolut gelungen. Wahrscheinlich ist es allein eine Frage der Erwartungshaltung, mit der man an die Werke herangeht. Wirklich innovative Musik sollte der Hörer hier nicht vermuten.


    Viele Grüße
    Frank

  • Da ich den vorhergehenden Beitrag auch in "Was hört Ihr gerade jetzt? (Klassik 2015)" veröffentlicht hatte, hat es dazu ebenda einige Antworten gegeben, die vielleicht besser in diesen Thread passen, nämlich hier, hier und hier.


    Zu den Quartetten habe ich gestern Abend einmal den Harenberg Kammermusikführer konsultiert. Dieser widmet Glazunov ca. 5, 6 Seiten, die wiederum überwiegend den Streichquartetten gehören (was nicht verwundert, dominieren diese doch in Glazunovs kammermusikalischem Schaffen). Der Autor dort bewertet die Werke durchaus nicht geringschätzig. Als diskographische Hinweise werden die Einspielungen des Schostakowitsch-Quartetts für Melodiya (CD-Veröffentlichung vermutlich erstmalig durch das britische Label "Olympia"). Schade, dass diese Interpretationen momentan nur antiquarisch greifbar sind, zu teilweise deutlich überhöhten Preisen (Vol. 5 mit den Quartetten Nr. 3 & 5 ist aus meiner Sicht preislich akzeptabel; wahrscheinlich wegen der gleichfalls verfügbaren Regis-Wiederveröffentlichung; Nr. 2 & 4 sind gebraucht ebenfalls nicht teuer):



    Der Rest klappt leider nur als Link:
    1, 2, 3 & 4


    Viele Grüße
    Frank

  • Hallo,



    Alexander Glasunow (1865-1936)
    Streichquartette Nr. 2 op. 10 & Nr. 4 op. 64
    + Elegie op. 105


    Utrecht String Quartet
    MDG, DDD, 2004


    Wahrscheinlich habe ich Glazunov mit meinem Beitrag oben Unrecht getan, denn bei erneuter Beschäftigung, dieses mal mit dem Volumen 2 der MDG-Edition, haben die enthaltenen Werke einen durchaus stärkeren Eindruck hinterlassen. Zwar bleibe ich dabei, dass Glazunov als Komponist von Streichquartetten nicht in der allerersten Liga aufspielt, er schafft es aber immer wieder, mit wunderbaren Melodien und Empfindungen für sich einzunehmen.


    Viele Grüße
    Frank