Historisch getreu verfälscht? Historienmalerei quer durch die Jahrhunderte

  • Seit Menschengedenken haben Künstler unterschiedlicher Qualität angebliche und wirklich historische Ereignisse auf der Leinwand oder Holztafel festgehalten. Dabei kann man davon ausgehen, dass die oft photorealistisch ausgeführten Gemälde nicht immer das wiedergaben was wirklich passierte, sondern dass hier Wunschdenken und strategisches Kalkül mit im Spiel war, sozusagen Geschichtsverfälschung oder auch nur Behübschung, Verharmlosung oder Heroisierung geschichtlicher Ereignisse ......


    Dennoch - oder vielleicht gerade deshalb - haben sich einige dieser Bilder ins kollektive Bewusstsein der geschichtsinteressierten Meinschheit eingegraben. Man konnte das sehen, was man sehen wollte - oder zumindest das, was die Mächtigen der Welt als Realität zeigen wollten.


    Auf die Idee zu diesem Thread kam ich durch die Winterbilder, wo Napoleon durch den Schnee reitend gezeigt wurde - einmal heroisch unbeugsam - einmal nach einer Niederlage strategischer Art.


    Bevor ich diesen Thread eröffne noch einige Vorbemerkungen: An sich könnte man auch die Auffassung vertreten legedäre Ereignisse oder solche religiöser Natur wären für diesen Thread geeignet - aber ich bin der Meinung, wir sollten auf derlei in diesem Zusammenhang verzichten, weil nämlich einerseits genug Material aus der belegbaren Geschichte zur Verfügung steht und wir uns andrerseits den Platz für religiöse und mythologische Themen für Spezial-Ausstellungen (Threads) der Zukunft freihalten wollen.
    Idealerweise sollte solch ein Thread, wie wir ihn hier starten, entweder chronologisch oder nach Malern, Malschulen etc geordent sein.Ich habe aber diesen Gedanken wieder verworfen, weil er einfach nicht durchführbar ist - und ein allzu strenge Reglement die Lust an der Teilnahme dämpft.
    So schlage ich vor, jeweils zum historischen Hintergrund hier geposteter Bilder ein paar Zeilen zu verfassen und auch dem Maler eine kurze Notiz zu gönnen. Hinweise auf ähnliche Darstellungen ein und desselben historischen Ereignisses oder andere Zusammenhänge können mit Hinweis auf einen zum Thema ähnlichen Beitrag den Umgang mit diesem Thread erleichtern.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred


    PS: Ob dieser Thread ein Erfolg wird, das steht in den Sternen - schliesslich hat sein unmittelbarer Vorgänger "Wintermärchen" auch 2 Jahre gebraucht bis er allgemein beachtet wurde......

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Anton von Werner - Die Proklamation des Deutschen Kaiserreiches


    Eines der bekanntesten Historienbilder der deutschen Geschichte zeigt die am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal von Versailles stattgefundene Kaiserproklamation.




    Das Bild stammt von dem Maler Anton von Werner (1843 - 1915), der Augenzeuge der Proklamation war, und entstand im Jahre 1885. Es ist die dritte und letzte Fassung dieses Bildes sowie die einzig erhalten gebliebene. Die preußische Königsfamilie gab es als Geschenk für Otto von Bismarck in Auftrag. Dies spiegelt sich in der Darstellung Bismarcks wider: In weißer Galauniform steht er, auf dessen Bestreben die Reichsgründung maßgeblich zurückgeht, im Zentrum des Bildes. An seiner Brust befindet sich der Pour le Mérite Orden. Die dritte Person links von ihm, der Herr hinter der mittleren Stufe, ist der Kriegsminister Albrecht von Roon. Doch Bismarck trug tatsächlich einen blauen Waffenrock und bekam den Orden erst 1884 verliehen, während Kriegsminister Albrecht von Roon in Versailles überhaupt nicht zugegen war.

    "Geduld und Gelassenheit des Gemüts tragen mehr zur Heilung unserer Krankheiten bei, als alle Kunst der Medizin." (W.A. Mozart)

  • Es gibt von diesem historischen Ereignis, der „Kaiserproklamation“ im Spiegelsaal von Versailles (18.1.1871) also, zwei bildliche Wiedergaben. Die erste wurde von Anton von Werner im Auftrag der deutschen Fürsten, der Kaiserin und der freien Städte 1877 erstellt und Wilhelm I. zum achtzigsten Geburtstag geschenkt. Die zweite Fassung, die hier abgebildet ist, entstand einige Jahre später, nämlich 1885, als Geschenk von Wilhelm I. an Bismarck zu dessen siebzigstem Geburtstag. Sie unterscheiden sich sehr wesentlich.


    Man könnte sich hier in diesem Thread einmal ausführlich auf einen Vergleich der beiden Versionen einlassen, denn das wäre höchst aufschlussreich, was die Intentionen der Historienmalerei grundsätzlich anbelangt.
    Zusammengefasst würde ich das so formulieren:
    Die zweite Fassung repariert gleichsam das, was man im nachhinein als eine unglückliche Inszenierung der Reichgründung empfand. Die erste Version ist, was die damaligen Machtverhältnisse und den Ablauf des Ereignisses betrifft, die realistischere. Der zweiten liegt eine Ideologie zugrunde: Die von der großen historischen Persönlichkeit als „Macher“ der Geschichte, wobei – im Unterschied zur ersten Fassung – die Rolle der anwesenden Fürsten und Vertreter der freien Städte nahezu völlig ausgeblendet wird.

  • Beim Nachdenken über das, was mit einem vergleichenden Sich-Einlassen auf die beiden bildlichen Darstellungen der Kaiserproklamation Anton von Werners an Arbeit verbunden wäre, wurde mir so recht bewusst, welcher Anspruch dieser Thread an diejenigen stellt, die seiner Fragestellung gerecht zu werden versuchen. Wenn man die Aussage-Intention eines Beispiels für "Historienmalerei" wirklich erfassen will, dann muss man zweierlei leisten:
    - Man muss eine detaillierte ikonographische Analyse des Bildes selbst vorlegen und
    - man muss den historischen Hintergrund der jeweiligen Thematik in seinen jeweiligen Beitrag einbeziehen.
    Nur dann lässt sich nämlich eine hinreichend fundierte Aussage machen.


    Im Falle dieser beiden Bilder von Anton von Werner hieße dies ganz konkret:
    - Beschäftigung mit der Vorgeschichte der Kaiserproklamation;
    - Darstellung des Verlaufs dieses historischen Ereignisses auf der Grundlage des vorliegenden Quellenmaterials;
    - Untersuchung der Rolle, die Bismarck dabei spielte.


    Macht man dies, dann kommt man zu der hier hochinteressanten Feststellung:
    Das erste Bild von Anton von Werner gibt die historische Realität, das heißt das Bild, das sich dem Betrachter im Spiegelsaal von Versailles damals bot, ziemlich getreu wieder. Es ist also eine Abbildung von Realität, die Wahrheitsanspruch erheben darf.
    Das zweite Bild, Jahre später gemalt, ist ein malerisches Konstrukt. Was es zeigt, war so in der realen Situation nicht wahrzunehmen. Es ist also, um die Begrifflichkeit dieses Threads aufzunehmen "verfälscht". Gleichwohl beinhaltet es aber eine gleichsam andere, wenn man so will "höhere" Dimension von "Wahrheit": Es wird - anders als die erste Fassung - der historischen Rolle Bismarcks bei diesem historischen Ereignis weitaus besser gerecht. Gleichzeitig spiegelt sich in ihm das Selbstverständnis des neu gegründeten Kaiserreiches aus der Sicht seiner führenden Repräsentanten.


    Womit man bei dem für diesen Thread zentralen Aspekt wäre: Das Historiengemälde als historische Quelle, - mitsamt den Fragestellungen, unter denen man an eine solche heranzugehen hat.

  • Es gibt von diesem historischen Ereignis, der „Kaiserproklamation“ im Spiegelsaal von Versailles (18.1.1871) also, zwei bildliche Wiedergaben. Die erste wurde von Anton von Werner im Auftrag der deutschen Fürsten, der Kaiserin und der freien Städte 1877 erstellt und Wilhelm I. zum achtzigsten Geburtstag geschenkt. Die zweite Fassung, die hier abgebildet ist, entstand einige Jahre später, nämlich 1885, als Geschenk von Wilhelm I. an Bismarck zu dessen siebzigstem Geburtstag. Sie unterscheiden sich sehr wesentlich.


    Lieber Helmut,


    im Wikipedia-Artikel, hier zu lesen:


    http://de.wikipedia.org/wiki/D…roklamation_in_Versailles


    steht, daß es drei Fassungen gibt. Die ersten beiden wurden 1945 zerstört, die dritte befindet sich im Bismarck-Museum in Friedrichsruh.



    Von der zweiten Fassung finde ich kein Bild im Internet.


    Die Problematik, die Du angeschnitten hast, ist natürlich die wesentliche für die Betrachtung von Historienbildern. Zur Geschichtsschreibung gehört ja immer auch ein Begriff von den Ereignissen, und der enthält eine Wertung. Es wird nicht nur eine Ereignisfolge in allen Einzelheiten nacherzählt (was ein unmögliches und sinnloses Unterfangen wäre), sondern gewertet: Welche Ereignisse sind die wesentlichen, die in den Mittelpunkt der Darstellung gehören und welche sind eher nebensächlich? (Der Neukantianismus (Heinrich Rickert) nannte dies das "Prinzip der Auswahl des Wesentlichen aus der Wirklichkeit" bei der historischen Begriffsbildung.) Die zweite und dritte Fassung stellen in der Tat Bismarck ins Zentrum als "Lichtgestalt" durch die weiße Uniform - enthalten also einen Begriff vom historischen Ereignis. Bei der Erstfassung dagegen steht der Kaiser im Mittelpunkt - was natürlich auch eine selektive Wertung darstellt. Insofern kann man durchaus sagen ist auch sie durch einen Begriff von diesem Ereignis vermittelt. :)


    Schöne Grüße
    Holger

  • Hier ist die zweite Fassung, die - auf den ersten Blick - der dritten zu gleichen scheint:



    Aussagen über die erste Fassung zu treffen ist aufgrund des nur vorhandenen schwarz-weißes Bildes schwierig. Persönlich aber scheint mir die Aussage, dass die erste Fassung den Kaiser in den Mittelpunkt stelle, nur bedingt zutreffend. Der Maler ermöglicht uns durch eine Lücke der Anwesenden den Blick auf Wilhelm I., aber durch die schiere Menge der Anwesenden springt er dem Betrachter nicht unmittelbar ins Auge, sondern seine Rolle wird erst bei eingehender Betrachtung deutlich. Ob auch dies Absicht war? Bekanntlich war Wilhelm I. nicht sonderlich erpicht auf den Kaisertitel.

    "Geduld und Gelassenheit des Gemüts tragen mehr zur Heilung unserer Krankheiten bei, als alle Kunst der Medizin." (W.A. Mozart)

  • Die erste Fassung, von der ich in meinen Ausführungen sprach, ist die von Dr. Holger Kaletha in Beitrag 5 abgebildete. Ich bin zu einer solchen Operation leider nicht in der Lage. Deshalb vielen Dank. Dass es von der zweiten Version zwei Fassungen gibt, war mir bekannt. Diese Tatsache war aber für das, worum es mir hier ging, nicht weiter relevant.


    Es gibt übrigens einen Bericht Anton von Werners von diesem Ereignis: Anton von Werner, Erlebnisse und Eindrücke 1870-1890, Berlin 1913, S.31ff. Daraus geht hervor, dass seine erste Version den Vorgang selbst in etwa wahrheitsgetreu wiedergibt, - worauf ich ja hingewiesen hatte.

  • Wenn man die beiden Bilder genauer analysiert, dann stellt man fest:


    Die Erstfassung vermittelt erstens den Eindruck einer "Vollversammlung": ganz Deutschland ist anwesend, was die Wahl der Blickperspektive unterstützt: die Wahrnehmung des Ganzen und einer großen Menge überwiegt. Zudem wird stark der Gegensatz der Stände betont, die sich vis a vis gegenüberstehen. Dagegen gibt die Drittfassung einen repräsentativen Ausschnitt statt der Totalperspektive und ist in der Darstellung und Auswahl der Figuren individualisierend.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Zunächst einmal vielen Dank für diesen schönen Beginn des threads. Daß man sich bestimmter Parameter bewußt sein muß, wenn man sich mit diesen Bildern auseinandersetzt, ist ein wichtiger Hinweis, den ich noch einmal verkürzt zitiere.


    Zitat Helmut Hofmann

    Zitat

    Wenn man die Aussage-Intention eines Beispiels für "Historienmalerei" wirklich erfassen will, dann muss man zweierlei leisten:
    - Man muss eine detaillierte ikonographische Analyse des Bildes selbst vorlegen und
    - man muss den historischen Hintergrund der jeweiligen Thematik in seinen jeweiligen Beitrag einbeziehen.
    Nur dann lässt sich nämlich eine hinreichend fundierte Aussage machen.


    Man müßte diesen Gedanken, lieber Helmut Hofmann, allerdings noch ein wenig weiter zu fassen versuchen. Denn hier spielt – ohne allzu viel theoretisieren zu sollen – natürlich der Konstruktionscharakter eines Bildes als Bild eine wesentliche Rolle.


    Zitat Helmut Hofmann

    Zitat

    Das erste Bild von Anton von Werner gibt die historische Realität, das heißt das Bild, das sich dem Betrachter im Spiegelsaal von Versailles damals bot, ziemlich getreu wieder. Es ist also eine Abbildung von Realität, die Wahrheitsanspruch erheben darf.
    Das zweite Bild, Jahre später gemalt, ist ein malerisches Konstrukt.


    Das ist eine Aussage, der ich mich ungern anschließend würde. Meine Argumentation ginge ich die Richtung, daß auf zwei ganz unterschiedliche Arten konstruiert wird. In dem einen Bild wird eine getreue Wiedergabe konstruiert, in dem anderen nicht. Und an diesem Punkt kommen die zu recht aufgeworfenen Fragen ins Spiel. Aber: einen Wahrheitsanspruch kann ein Bild zwar für sich beanspruchen, aber nie einlösen. Bilder erschaffen stets Situationen in einem eigens für sie gebildeten Raum. Bei allem Zuspruch zu den Schlussfolgerungen hinsichtlich des Verständnisses der Bilder, wäre dies ein Punkt, der ebenfalls berücksichtigt werden sollte. Das Phänomen dieser "historischen" Wiedergaben ist interessanterweise ein Antikes, auf den Bogen- oder Säulenmonumenten in Rom funktioniert das – bei allerdings anderer Thematik – strukturell ganz ähnlich.


    Mit besten Grüßen
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

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  • Persönlich aber scheint mir die Aussage, dass die erste Fassung den Kaiser in den Mittelpunkt stelle, nur bedingt zutreffend.

    Da hast Du völlig recht, lieber Lynkeus. Das war so einfach ungenau von mir - siehe meinen Beitrag 9


    Ich bin zu einer solchen Operation leider nicht in der Lage. Deshalb vielen Dank.

    Mir als technischem "Genie" ist es lange auch so gegangen, lieber Helmut! :) Es ist aber ganz einfach: Du googelst ein Bild, dann drückst Du mitten auf das Bild mit der rechten Maustaste. Dann öffnet sich ein Fenster mit mehreren Befehlen zum Auswählen. Du wählst dann "als Email zusenden". Dann bekommst Du eine Email mit dem Link der Graphik. Die markierst Du mit der Maus und wählst wiederum mit der Maustaste "kopieren" aus. Dann gehst Du in Tamino, wo Du Deine Antwort schreibst. Oben auf der Leiste siehst Du (drittes Symbol von links) ein viereckiges Bildzeichen (mit Sonne in der Mitte). Da klickst Du mit der linken Maustaste drauf, kopierst den kopierten Link rein und drückst auf o.k.! Dann erscheint das Bild hier im Fenster! Dazu kannst Du dann den Text schreiben. Wenn Du auf "Absenden" drückst, wird es auf die richtige Größe verkleinert. :hello:


    Meine Argumentation ginge ich die Richtung, daß auf zwei ganz unterschiedliche Arten konstruiert wird. In dem einen Bild wird eine getreue Wiedergabe konstruiert, in dem anderen nicht.

    So sehe ich das auch, lieber JLang. Es ist sicher der Anspruch da, ein historisches Ereignis wiederzugeben. Aber die Konstruktion verrät sich allein schon in der Wahl des Bildausschnitts. Der Kaiser selbst steht sehr weit hinten - offenbar ist der Eindruck der Versammlung als konstituierendem Akt wichtiger als die Person des Kaisers selbst. Der besondere Blickwinkel verrät also die Sicht des Betrachters auf die Dinge... :)


    Herzliche Grüße
    Holger

  • Von Anton v. Werner gibt es noch diese Tuschzeichung (Bismarck ist hier gar nicht dominant!):



    Von wem diese Darstellung stammt, konnte ich nicht herausfinden:



    Schöne Grüße
    Holger

  • Der Spiegelsaal in Versailles diente während des Krieges 1871 als glanzloses Feldlager und Lazareth, wie auf diesem zeitgenössischen Gemälde zu sehen ist:



    Schöne Grüße
    Holger

  • Eigentlich wollte ich Den Thread mit der Entdeckung der Neuen Welt beginnen – aber es war recht schwierig einigermaßen scharfe und genügend große Bilder aufzutreiben. Inzwischen hat sich die Diskussion über das Bild „Die Proklamation des Deutschen Kaiserreichs“ von Anton Werner sehr gut entwickelt, sodaß ich nicht unterbrechen wollte. Vielleicht ist es überhaupt eine gute Idee ein Geschichtliches Ereignis für 2-4 Tage zu behandeln – unter Einbindung der entsprechenden Bilder – so in passabler Qualität vorhanden


    Wir begeben uns also ins Jahr 1492, wo Christoph Columbus (Cristobal Colon) das erste Mal amerikanischen Boden betrat, im Glauben er wäre in Westindien gelandet. Laut Vertrag mit Königin Isabella und König Ferdinand von Spanien stand im Falle der Erreichung des Zieles Columbus der Titel „Vizekönig von Indien „ zu.



    Das gezeigte Bild stammt vom amerikanischen Maler John Vanderlyn (1775-1852), welcher es 1847 malte (andere Quellen datieren es zehn Jahre früher). Es zeigt die Landung von Columbus am Freitag den 12. Oktober 1492. Man sieht das spanische Königlische Banner, Ferne die Kapitäne der Begleitschiffe Nina und Pinta mit den Fahnen von Ferdinand von Aragon und isabella von Kastillien. In Hintergrund sieht man die Schiffe. Die Szene ist wie auf einer Theaterbühne (der Vergangenheit !!) eingerichtet., sehr publikumswirksam und ein wenig künstlich. Die Anzahle der sich am Bild befindlichen Spanier ist übertrieben, Im landenden Borrt von Columbus befanden sich er, die Kapitän der anderen Schiffe, zwei Hofbeamte der spanischen Krone, sowie 10 Bewaffnete Matrosen.
    Die Eingeborenen sind eher neugierig als scheu und in keiner Weise feindselig – was das Bild auch gut wiedergibt….
    Columbus nannte die von den Einheimischen "Guanahaní" genannte Insel "San Salvador" .


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat Alfred Schmidt

    Zitat

    Die Eingeborenen sind eher neugierig als scheu und in keiner Weise feindselig – was das Bild auch gut wiedergibt….


    Wenn man sich die Gruppe von Eingeborenen rechts im Bild ansieht, dann würde ich dies als "vorsichtige Neugier" zu umschrieben versuchen, eine Person übt einen Gestus aus, den ich- allerdings ohne exakte Kenntnis der ikonographischen Tradition - sogar als ehrfürchtig bezeichnen würde (auf den Knien, Kopf und beide Hände auf den Boden gelegt).


    Wichtig wäre vielleicht noch zu bemerken, wofür Vanderlyn, der ansonsten ein Spezialist für Porträtmalerei war, dieses Gemälde anfertigte: es hängt nämlich in der Rotunde des United States Capitols. Es wurde also für einen der wichtigsten politischen Orte der United States entworfen. Zugleich wurde es - m. E. zu recht - als wenig unverhohlener Hinweis auf die amerikanische Doktrin des manifest destiny verstanden. Dieses hat zum Inhalt, dass die Nation der USA dazu bestimmt sei, sich auszubreiten und den Kontinent in Besitz zu nehmen und wurde kurz vor der Mitte des 19. Jhs. geprägt, also etwa zeitgleich zum Bild. Im Rückgriff auf das Bild der "Entdeckung Amerikas" ist das Gemälde also auch ein Beispiel dafür, wie Diskurse über Begrifflichkeit sinnfällig umgesetzt wurden.


    Mit bestem Gruß
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Lieber JLang. Besser hätte man den Ausdruck dieses Bildes nicht beschreiben können. Die besitzergreigfende weisse Rasse, die eine entdeckte Insel als ihr Eigentum beansprucht - mitsamt seinen Bewohnern. Schon die Pose des Columbus betont diesen Besitzanspruch. Sowas kenne ich ansonst nur von multinationalen Großkonzernen, die ungebeten in ein fremdes Land kommen und dort die intakte Wirtschaft zerstören. Ich habe das natürlich auch gesehen, wollte aber den Thread nicht alleine schreiben. Es ist interessant , wie ähnlich und doch verschieden einzelne Bilder zum gleichen Thema sind und wie Weltanschaungen unterschwellig damit verbreitet werden.
    Ich habe noch ein oder 2 Bilder zu diesem Thema in petto...
    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Es könnte aber noch mehr dahinterstecken, denn das Bild wurde zeitgleich mit der Annexion Kaliforniens durch die USA gemalt. Ein sarkastischer Unterton durch die zentrale Positionierung der kastilischen Flagge? Allerdings war zu diesem Zeitpunkt Kalifornien nicht mehr spanisch sondern mexikanisch.


    Die Annexion ging übrigens mit einem sofort einsetzenden Goldrausch einher. Was machen denn die beiden Figuren links? Sie sehen aus, als würden sie gierig um etwas streiten.

  • Du meinst die beiden am Boden liegenden Spanier links im Bild ? Laut der englischen Kurzbeschreibung des Bildes, die ich nicht übernommen habe, suchen sie am Boden nach Gold. Wenn der Maler das wirklich ausdrücken wollte, dann war dies eher symbolisch gemeint -oder eine sehr naive Sicht der Dinge......


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Du meinst die beiden am Boden liegenden Spanier links im Bild ?


    Ist der eine nicht ein Indianer? Auf jeden Fall ist es aber nicht zu leugnen, dass die Spanier sofort begannen nach Gold zu suchen. Genau das hatte ja die spanische Krone motiviert, die Expedition nach "Indien" zu finanzieren. Gefunden hat man dann bekanntlich hauptsächlich Silber. In Kalifornien lebten zu diesem Zeitpnkt noch mehrheitlich "Native Americans". Ich halte es also nicht für ausgeschlossen, dass das Bild eine Allegorie auf die US-Politik in Kalifornien darstellt.

  • Hallo,


    man darf nicht außer Acht lassen,daß viele Werke der Historienmalerei -neben der Befriedigung des Represäntationsbedürfnisses einer höfischen und/oder großbürgerlichen Elite- auch einen recht banalen Zweck verfolgen:politische Propaganda!
    Es ist ein uraltes Herrschaftsinstrument,sich die Vergangenheit durch Beeinflussung der offiziellen Geschichtsschreibung und Erzeugung von Bildwerken jedweder Art anzueignen und im eigenen Sinne zu deuten.Aus dem gleichen Grunde verschwinden in Diktaturen Personen der Führungsriege,die in Ungnade gefallen sind,von Fotografien und Filmen (s. jüngst Kims Onkel in Nordkorea).
    Die Tatsache,daß von einem historischen Ereignis mehrere Abbildungen existieren,die sich nicht unerheblich unterscheiden,ist also gar nicht so harmlos,wie es auf den ersten Blick scheint.


    Viele Grüße


    Joachim Schneider

    "Die Musik steht hinter den Noten" (Gustav Mahler)

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  • Ja - politische Propaganda war stets ein Hauptziel der Historienmalerei UND der Portraitkunst. Das habe ich auch schon durch meinen ironischen Titel angedeutet..... ;)


    Hier ein weiteres Gemälde, welches diese Szene illustriert. Der spanische Maler Teófilo Puebla Tolín (1831-1901) hat es 1862 gemalt.

    Der Maler hat sich um etwas mehr Authenzität bemüht. Zum einen hat er die Gesichtszüge des Columbus jenen, der bekannten - wenn auch nicht zu Lebzeiten entstanden Gemälde - dazu mehr im Verlaufe des Threads.
    Zum anderen verzichtet er auf die theatralisch besitzergreifende Pose des Entdeckers, sondern lässt ihn niederknien - dies entspricht auch den Beschreibungen des Columbus im Bordbuch der Santa Maria. Columbus hält fest, daß er die Spanische Fahne gehisst habe und - ohne auf Widerspruch zu stoßen - die jeweiligen Inseln zum Eigentum der spanischen Krone erklärt habe. Die Eingeborenen seien friedfertig, nackt aber mit grellen Farben bemalt (was hier in diesem Gemälde nicht berücksichtigt wurde) Columbus war ein guter Beobachter, sein Bordbuch liest sich in der deutschen Übersetzung fast wie ein heutiger Reisebericht eines Forschers.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred


    clck 289

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo,


    amüsant finde ich,daß auf beiden Gemälden irgendwelche Mannschaftsmitglieder abgebildet sind,die offenbar etwas vom Boden aufheben oder zuammensuchen.Hier haben die Künstler -unfreiwillig?-die Hauptintention der spanischen Krone dargestellt:aus den eroberten Kolonien möglichst viel an Silber,Gold etc. herauszuschaffen.


    Viele Grüße


    Joachim Schneider

    "Die Musik steht hinter den Noten" (Gustav Mahler)

  • Es ist in der Tat so, daß sie nach dem Golde her waren. Aber es gab nur wenig davon, das die Eingeborenen - Columbus nannte sie "Indianer" als Nasen- und Ohrschmuck trugen. Es erschien ihnen wertlos und sie tauschten es gerne gegen Glasperlen. Genau genommen ist es kein Betrug - denn beides ist hübsch aber wertlos. Columbus verbot seiner Mannschaft den "privaten" Tausch. Alles Gold sei Eigentum der spanischen Krone in deren Namen er ja das Land beanspruchte. Aus spanischer Sicht war dieses Gold ja von nun an spanisches Eigentum. Columbus fragt zwar immer wieder nach Gold, bekommt aber verneinende Antworten. Man hat viel darüber geschrieben. ob Columbuis ein vortrefflicher Seemann und Visionär oder ein Abenteurer gewesen sei, dem das Glück hold war.
    Fast jeder Eintrag im Bordbuch gibt eine Antwort darauf. Hier ein Beispiel "Es quält mich sehr, daß ich die vielen Kräuter, Sträucher und Pflanzen nicht kenne, die vielleicht für die Erzeugung von Farben und Arzneien von Nutzen sein können. Ich werde Proben davon nach Spanien nehmen....."


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo,


    ich denke,man kann Columbus sicher auch als Visionär bezeichnen,denn die Entdeckung der "Neuen Welt" ist ja u.a. auch eine nautische Meisterleistung gewesen.
    Interessant finde ich den Umstand,daß Spanien von dem Zufluß der Edelmetalle aus den amerikanischen Besitzungen letztendlich nicht wesentlich profitiert hat,denn es kam sowohl unter Karl V als auch unter Phillipp II mehrfach zum Staatsbankrott .Es gab eben keine ökonomischen Theorien,die hätten erklären können,daß der unkontrollierte Zufluß von Edelmetallen die einheimische Währung ruiniert und zu einer Hyperinflation führen kann.Insofern ist sicher richtig,daß Gold im Grunde wertlos ist.


    Viele Grüße


    Joachim Schneider

    "Die Musik steht hinter den Noten" (Gustav Mahler)

  • Insofern ist sicher richtig,daß Gold im Grunde wertlos ist.


    Heutzutage sicher nicht mehr, denn Gold ist ein industriell bedeutendes Edelmetall. Bezüglich Kolumbus meine ich gelesen zu haben, dass ihn die Portugiesen nicht unterstüzen wollten, weil sie seinen - tatsächlich falschen - Berechnungen nicht trauten. An Kolumbus ist mMn eher die psychologische Stärke und Entschiedenheit bedeutsam.

  • Hallo,


    hier noch eine Buchempfehlung:
    Francis Haskell: "Geschichte und ihre Bilder",Beck-Verlag,ISBN 3 406 39187 7.
    Der Autor befasst sich mit der "Geschichte der Entdeckung und des Gebrauchs von Bilderzeugnissen durch die Geschichtswissenschaften".Besprochen werden neben Bildern auch Skuplturen und Bauwerke.


    Viele Grüße


    Joachim Schneider

    "Die Musik steht hinter den Noten" (Gustav Mahler)

  • ...und noch eine Buchempfehlung:


    Dominik Bartmann:Anton von Werner,Geschichte in Bildern (Hirmer-Verlag,München,ISBN 3-7774-6140-7.
    Ein opulents Buch und guter Wegweiser mit vielen Abbildungen durch das ausgedehnte Ouevre Anton von Werners.


    Viele Grüße


    J.Schneider

    "Die Musik steht hinter den Noten" (Gustav Mahler)

  • Zurück zu den Anfängen könnte das Motto meines ersten Beitrags lauten. Nach den schönen ersten Beispielen nebst Diskussion wollte ich zu den Anfängen der Historienmalerei zurückkehren. Will man die Historienmalerei nicht bis in die Antike zurückführen (aus dieser sind vergleichbare Wandgemälde nurmehr literarisch überliefert) liegen diese in der Renaissance, der Epoche, aus der Werk stammt, das ich kurz vorstellen möchte. Daß es ein antikes Thema ist, bot sich an.
    Albrecht Altdorfer (* um 1480; † 12. Februar 1538 in Regensburg) der deutsche Maler, Kupferstecher und Baumeister hat es 1528-29 gemalt. Heute befindet es sich in München, Alte Pinakothek. Anfertigen ließ es Herzog Wilhelm IV. von Bayern und seine Gattin Jacobaea von Baden als Teil eines Historienzyklus vermutlich für die Münchner Residenz.


    Dargestellt ist der entscheidende Moment der Schlacht von Issos 333 v. Chr. Alexander d. Gr. beendete das Vordrängen der Perser, Dareios wendet sich zur Flucht. Oben auf der Tafel ist das Geschehen beschrieben, bereits und er ersten Zeile steht, daß Alexander d. Gr. Dareios besiegt hat. Trotz des Gewirrs auf dem Schlachtfeld ist gut zu erkennen, wie sich der persische Großkönig im linken Bildabschnitt zur Flucht gewandt hat und Alexander ihn in golden-bronzener Rüstung verfolgt. Dafür wird in den Schlachtereien eine Gasse gebildet.
    Anlass, dieses Thema zu wählen, waren aktuelle politische Ereignisse. Die Türken hatten bereits mit der Belagerung von Wien begonnen. Das Bild könnte man also als Transponierung von Geschichte auf aktuelle Ereignisse lesen. Ebenso wie Dareios aus dem Osten zurückgeschlagen wurde, können auch die ebenfalls aus dem Osten nach Europa einfallenden Türken zurückgeschlagen und das Abendland gerettet werden.


    Mit bestem Gruß
    JLang


    PS Lieber Joachim Schneider, mit der Empfehlung: Francis Haskell: "Geschichte und ihre Bilder",Beck-Verlag hast Du eines der wichtigsten einführenden Bücher zu solchen Gemälden genannt. Zudem ist es ein reiner Lesegenuß, vielen Dank für die Nennung.

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Albrecht Altdorfer (* um 1480; † 12. Februar 1538 in Regensburg) der deutsche Maler, Kupferstecher und Baumeister hat es 1528-29 gemalt. Heute befindet es sich in München, Alte Pinakothek.


    Dort habe ich es vor langen Jahren im Original gesehen. Ungemein beeindruckend! :)


    Herzliche Grüße
    Holger

  • Zitat Holger Kaletha

    Zitat

    Dort habe ich es vor langen Jahren im Original gesehen. Ungemein beeindruckend! :)


    Ich auch, lieber Holger, bei meinen Besuchen der Pinakotheken in München ist es mein "Standartprogramm".
    Es ist in der Tat sehr beeindruckend, nicht zuletzt die Größe von 158,4 x 120,3 cm führt dazu: erst dann fallen die vielen Details so richtig ins Auge.


    Herzliche Grüße
    JLang

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    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

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