SAINT-SAENS, Camille: HENRI VIII

  • Camille Saint-Saëns ( 1835 – 1921)
    Henri VIII.


    Oper in vier Akten
    Libretto: Leonce Detroyat und Armand Silvestre
    Originalsprache: Französisch


    Uraufführung: Paris 1883


    PERSONEN DER HANDLUNG
    Heinrich VIII., König von England, Bariton
    Katharina von Aragon, seine Gemahlin, Sopran
    Don Gomez de Feria, Gesandter Spaniens, Tenor
    Kardinal Campeggio, Legat des Papstes, Bass
    Herzog von Surrey, Tenor
    Graf von Norfolk, Bass
    Anne Boleyn, Mezzosopran
    Erzbischof von Canterbury, Bass
    Lady Clarence, Ehrendame der Königin, Sopran
    Carter, Waffenmeister, Tenor
    Ein Offizier, Tenor
    Ein Diener, Bass
    Vier Herren, Tenor, Bass
    Hofstaat, Damen der Königin, Richter, Offiziere, Soldaten, Pagen, Volk


    Ort und Zeit der Handlung: England, ca. 1534


    INHALTSANGABE


    ERSTER AKT
    Ein Saal im königlichen Palast
    Der Gesandte Spaniens, Don Gomez, ist in England eingetroffen und begegnet seinem Freund Norfolk. Sie schwärmen von den gemeinsamen Tagen am königlichen Hof in Frankreich. Don Gomez gesteht seinem Freund, dass er dort eine wunderschöne Dame, Anne Boleyn, kennen gelernt habe und sie sich ineinander verliebt hätten. Norfolk bedeutet ihm jedoch, dass man am Hof bereits davon rede, der König wolle Anne für sich erobern. Don Gomez hält das für absurd, denn die Königin bewahre als Beweis einen Brief Annes auf, in dem sie ihr die Liebe zu Don Gomez gesteht. Norfolk erklärt jedoch, dass der König sich nicht um Recht und Gesetz kümmere. Erst neuerdings habe er seinen Favoriten, den Grafen von Buckingham dem Gericht übergeben.
    Höflinge kommen herein. Auf Norfolks Fragen berichten sie, dass Buckingham zum Tode verurteilt und schon auf dem Weg zum Schafott sei. Sie bedauern den Grafen und beklagen die Unmenschlichkeit des Königs. Dieser tritt mit dem Herzog von Surrey ein, nimmt aber von ihnen keine Notiz. Untertänig begrüßen sie ihn und ziehen sich zurück.
    Norfolk stellt Don Gomez als den neuen Gesandten Spaniens vor. Der König begrüßt ihn freundlich und gibt an, dass er von seiner Gemahlin bereits von ihm gehört habe. Er wisse auch, dass er verlobt sei und von einem Brief, den die Königin bewahre. Dann entlässt er Don Gomez und Norfolk.
    Mit Surrey allein fragt Heinrich, ob der Papst immer noch seinem Scheidungsbegehren feindlich gegenüber stehe. Als dieser bejaht, erklärt Heinrich, dann werde er sich ihn unterwerfen, worin Surrey ihn bestärkt. In einer Arie besingt der König seine Hoffnung und seine Furcht, weil Anne ihn einmal sucht und dann wieder meidet.
    Die Königin kommt und Surrey geht ab. Heinrich gibt ihr bekannt, dass er Anne Boleyn zu ihrer Ehrendame machen wolle, die sie zwar noch nicht kennt, aber von deren Schönheit sie schon gehört hat. Dann spricht sie den König auf eine Begnadigung Buckinghams an, die dieser jedoch verweigert. Das Urteil für diesen Verräter sei unwiderruflich. Als sie ihm vorwirft, dass er sie nicht mehr liebe, erklärt er ihr freiweg, dass seine Ehe mit ihr als der Witwe seines Bruders wohl illegitim sei, daher unter einem schlechten Stern stünde und sie ihm keinen Sohn geboren habe. Auf den Segen des Papstes zu dieser Ehe gebe er nichts, auch wenn man dessen Unfehlbarkeit vorschiebe.
    Nun erscheinen Surrey mit Anne, gleichzeitig auch Don Gomez, Norfolk, Höflinge und Hofdamen. Anne erschrickt beim Anblick von Don Gomez und der König bemerkt, dass sie sich kennen. Dann stellt er Katharina ihre neue Ehrendame vor. Die Hofdamen begrüßen sie. Auch die Königin heißt sie willkommen, und da sie von ihrer Liebe zu Don Gomez weiß, hegt sie vor ihr keinerlei Befürchtungen für sich. Dann ernennt der König Anne zur Marquise de Pembroke.
    Draußen hört man den Trauermarsch für Buckingham. Während alle sich zum Fenster begeben, bleibt der König mit Anne zurück, macht ihr weitere Komplimente, gesteht ihr seine Liebe und erklärt, dass er als König die Macht über alles besitze. Als sich der Trauermarsch nähert, wird Anne ängstlich, hat eine düstere Vision und betet, Gott möge sie behüten. Doch der König tröstet sie, das gehe vorüber. Da sei doch nur einer gestorben, der es verdient habe.
    Nachdem der Trauermarsch sich entfernt hat, sieht Don Gomez, Anne beobachtend, seine Liebe schwinden, während die übrigen den Tod Buckinghams betrauern und die Schreckensherrschaft des Königs beklagen.


    ZWEITER AKT
    Drei Jahre später. In den Gärten des Palastes von Richmond.
    Der Chor der Hofdamen besingt die Unschuld der dort spielenden Kinder, die von all den Intrigen am Hof noch nichts wissen. Gomez beklagt, dass Anne sich seit ihrer Ernennung zur Ehrendame von ihm zurückgezogen habe, obwohl er sie immer noch liebt.
    Anne erscheint und erhält von den Damen Komplimente, die sie erwidert. Als sie Don Gomez erblickt, bedeutet sie den Damen, sich zu entfernen. Sie ist erfreut, ihn wiederzusehen. Aber als er sie an ihre Liebesschwüre erinnert, sagt sie, dass sie diese nicht vergessen habe, aber jetzt andere Aufgaben habe.
    Plötzlich kommt der König hinzu und ist erstaunt, Don Gomez bei Anne zu sehen. Als dieser erklärt, sie aus Frankreich zu kennen, meint Heinrich, das genüge und komplimentiert ihn fort, lädt ihn jedoch zu einer Feier am Abend ein.
    Dann erklärt Heinrich Anne noch einmal seine Liebe. Sie weigert sich zunächst, weil sie nicht seine Maitresse sein will. Sie erinnert ihn an seine Affaire mit ihrer Schwester. Das macht ihn zornig und er wirft ihr Undankbarkeit vor. Auch den Einwand, dass ihn doch ein heiliges Band mit seiner Gattin verbinde, lässt er nicht gelten. Schließlich erklärt er ihr, er wolle sie zu seiner Gemahlin und Königin machen. Bei diesen reizvollen Aussichten schmilzt ihr Widerstand dahin.
    Surrey erscheint und nimmt den König mit sich. Allein schwärmt Anne von ihrer zukünftigen Rolle als Königin.
    Katherina tritt auf und warnt Anne. Sie sei immer noch die Königin. Anne beteuert, dass sie alles getan habe, um dem König aus dem Weg zu gehen, doch Katherina bezeichnet das als Heuchelei.
    Inzwischen sind Heinrich, Surrey, Don Gomez und Norfolk sowie Lady Clarence erschienen. Der König ist zornig, die Königin hier zu sehen, aber sie tritt entschlossen auf ihn zu. Sie sei gekommen um ihn daran zu erinnern, dass sie seine Gattin sei. Er bemerkt, dass er auch noch nichts anderes behauptet habe, aber morgen werde sie ihr Schicksal erfahren.
    Norfolk kündigt den päpstlichen Legaten an. Weil Katharina ihre Hoffnung, die sie in diesen setzt, äußert, herrscht der König sie an, das Parlament werde ihr Richter sein. Als der Legat die Botschaft vom Papst überbringen will, erklärt Heinrich ihm, er werde ihn morgen anhören. Ein Diener macht den König darauf aufmerksam, dass alles für das Fest vorbereitet sei. Heinrich nimmt Anne bei der Hand und geht mit ihr zum Fest.
    Es folgt das in der französischen Oper übliche Divertissement mit den Sätzen:

    1.Introduction. Entrée des Clans
    2.Idylle écossaise
    3.La fête du houblon
    4.Danse de la gitane
    5.Scherzetto
    6.Gigue et Finale


    DRITTER AKT
    Parlamentssaal
    Heinrich, Katherina und Lady Clarence, Don Gomez, der Erzbischof, der Waffenmeister Carter, Richter und Gerichtsdiener kommen herein. Carter eröffnet die Synode. Der Erzbischof spricht ein Gebet. Dann ruft Carter – wiederholt von den Gerichtsdienern - den König und die Königin auf, vorzutreten.
    Heinrich fordert die Richter auf, die Legitimität der Ehe mit der Witwe seine Bruders zu für nichtig zu erklären.
    In ihrer Gegenrede beteuert Katherina, dass ihr nichts daran läge, Königin zu sein, aber alles daran, dass sie ihren Gatten, den sie sehr liebe und dem sie nie einen Grund zur Eifersucht gegeben habe, nicht zu verlieren. Damit erregt sie die Sympathie der Synode. Doch Heinrich unterbricht wütend ihre Rede. Nun tritt auch Don Gomez als Verteidiger Katherinas vor. Sollte die Synode die Ehe annullieren, könne es möglicherweise zum Krieg zwischen England und Spanien kommen.
    Einige Höflinge verteidigen den König und finden, dass der spanische Botschafter für seine Worte bestraft werden müsse. Der König erklärt nun, dass sein Volk hinter ihm stehe. Die Anwesenden lieben zwar ihre Königin, aber sie wollen nicht, dass ihr König von einem Fremden beleidigt werde. Die Synode erklärt daher die Ehe für nichtig. Katherina protestiert.
    Da kündigt ein Offizier den päpstliche Legaten an. Dieser bestätigt im Namen des Papstes Heinrichs erste Ehe und annulliert alle hier gefallenen Beschlüsse. Doch Heinrich lässt das Volk hereinrufen und fragt es, ob die Kinder Englands sich dem Gesetz eines Fremden unterwerfen wollen, was dieses empört verneint. Schließlich erklärt er sich zum Herrn der englischen Kirche und Anne zu seiner Gattin. Der päpstliche Legat exkommuniziert ihn, aber das Volk begrüßt ihn als ihren König und Kirchenführer.


    VIERTER AKT
    1. Bild: Ein Salon bei Anne Boleyn
    Der Geburtstag Heinrichs wird gefeiert. Anne sowie Höflinge und Hofdamen sind anwesend. Abseits unterhalten sich Norfolk und Surrey über die neuerlich düstere Haltung des Königs. Auch Anne scheint verändert. Hier lächelt sie zwar, aber heimlich weint sie. Und Katharina sei nach Schloss Kimbold verbannt, wo sie vor Kummer und Langeweile dem Tode nahe sei.
    Ein Diener kündigt die Ankunft des spanischen Gesandten an. Don Gomez erklärt, dass er eine Botschaft von Katherina für den König habe, was Anne in Schrecken versetzt. Sie bedeutet den Höflingen und Damen, sich zu entfernen.
    Von Don Gomez versucht sie zu erfahren, welche Botschaften er bringt. Sie hat Befürchtungen, dass ihre Briefe an ihn ihr zum Verhängnis werden könnten. Doch er gibt an, dass alle verbrannt worden seien bis auf einen, den Katharina besäße, was ihre Befürchtungen daher nicht mildern kann.
    Der König kommt hinzu und wundert sich über die Anwesenheit von Don Gomez, den er nicht mehr unter seinen Augen erwartet hätte. Er befiehlt Anne, sie allein zu lassen.
    Don Gomez berichtet, dass er als einziger in England noch verbliebener Freund von Katherina eine Botschaft von ihr an den Mann habe, den sie liebe. Sie, die nun bald die Augen schließen werde, werde ihn bis ans Ende ihrer Tage segnen. Als Don Gomez sich verabschieden will, fordert ihn Heinrich auf, ihn nach Kimbold zu begleiten. Vielleicht könne er von Katherina das Geheimnis erfahren, nach dem er sucht.


    2.Bild: In den Gemächern Katherinas auf Schloss Kimbold
    Draußen hört man das Volk den Geburtstag des Königs feiern. Katherina sitzt einsam an einem Kamin, erinnert sich an die vergangen schönen Zeiten und beklagt ihren jetzigen Zustand. Dann ruft sie ihre Dienerinnen herbei und schenkt ihnen ihre Schmuckstücke. Schließlich nimmt sie noch einen Brief aus der Schatulle, Annes Liebesbrief an Don Gomez.
    In diesem Augenblick kündigt eine der Dienerinnen eine Frau an. Es ist Anne. Sie tut reuig und bittet um Verzeihung. Doch Katherina erkennt bald, dass es ihr um den Brief geht und gibt ihn nicht heraus.
    Dann kommen auch der König und Don Gomez an. Heinrich will von Katherina wissen, welches Geheimnis zwischen ihr und Anne bestehe. Doch Katherina will sich nicht von ihm versuchen lassen. Der König tritt an Anne heran und fordert sie auf, ihm zu schwören, dass sie nur ihn jemals geliebt habe, was sie auch beteuert. In diesem Augenblick ist Katherina versucht, den Brief herauszugeben, wirft ihn dann aber doch ins Feuer. Nach einem Stoßgebet stirbt sie.
    Der König gelobt mit einem düsteren Blick auf die entsetzte Anne, er werde jeden töten lassen, von dem er jemals erfahre, dass er ihn hintergeht.


    © Copyright by Gerhard Wischniewski

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

    5 Mal editiert, zuletzt von Gerhard Wischniewski ()

  • Hallo,
    die Handlung dieser Oper ist ein Paradebeispiel für historisch verfälschende und unsinnige Libretti. Aber trotzdem: Musikalisch hat das Werk große Schönheiten, ich besitze eine DVD mit Montserrat Caballé als Katharina, die ist durchaus hörens (!!) wert.
    Schöne Grüße
    wega

  • Unser Werbepartner jpc hat die Aufnahme aus Compiegne auf DVD im Programm:



    Camille Saint-Saens (1835-1921)
    Henry VIII

    DVD - (Mitschnitt aus dem Theatre Imerial de
    Compiegne,
    Regie: Pierre Jourdan)
    Tonformat: DSS 5.1
    Bild: 4:3
    Untertitel: E / Region 1 (NTSC)
    Künstler:
    Rouillon, Command, Vignon, Gabriel, Bohee,
    Orchestre Lyrique Francais,
    Dir.: Guignal


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Lieber Harald,


    genau diese Aufzeichnung habe ich gesehen und sie hat es mir erleichtert, das französische Libretto zu studieren. Was Wega zum Libretto sagt, stimmt natürlich, aber welches Opernlibretto hält sich schon genau an die historischen Tatsachen. Bei Heinrich VIII. ist manches sicherlich dick aufgetragen, vielleicht bewusst, um die Gestalt noch scheußlicher darzustellen als sie in Wirklichkeit war. Und eine Liebesgeschichte wie hier zwischen Don Gomez und Anne wird ja in vielen Libretti hinzu erdacht. Aber das berechtigt einen Regisseur wohl kaum, solch ein Libretto noch weiter zu entstellen und aus Heinrich VIII. vielleicht einen Hitler oder einen modernen Banker zu machen.
    Wir sollten das aber an dieser Stelle nicht weiter ausbreiten, denn hier handelt es sich um einen Opernführer und kein Diskussionsthema. Wer dazu noch etwas sagen will, sollte ein eigenes Thema aufmachen.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

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  • Da die noch von Harald Kral vorgestellte DVD in Deutschland kaum zu haben ist (oder nur zu horrenden Preisen und wohl auch nur mit Regionalcode 1), habe ich sie mir bei amazon.com zu knapp 20 $ in den USA bestellt. Den Regionalcode 1 konnte ich durch Umstellungen überwinden. Nun habe ich mir heute noch einmal die DVD angesehen, die ich in schlechterer Qualität auf youtube gesehen hatte (inzwischen dort aus dem Programm genommen). Mir persönlich gefällt die Oper noch besser als die weit bekanntere "Samson und Dalila". Die Aufzeichnung aus Compiegne ist konventionell und farbenprächtig in Szenerie und Kostümen. Der Darsteller Heinrichs sieht in seinem Kostüm dem König, wie man ihn von Porträts kennt, sehr ähnlich. Die Stimmen sind nach meinem Dafürhalten bis in die kleineren Rollen ausgezeichnet und auch das Orchester ist hervorragend. Besonders hervorzuheben sind Philippe Rouillon als Heinrich und Michèle Command als Catharina von Aragon. Eine sehr empfehlenswerte Inszenierung, leider aber wohl nicht mit Code 0 oder 2 und - soweit ich recherchiert habe - bei uns verhältnismäßig teuer.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)