Wenn ich mich nicht verzählt habe, gibt es sage und schreibe 21 Threads über Herbert von Karajan, zwölf über Karl Böhm und immerhin noch sechs über Leonard Bernstein. Dagegen sieht Otto Klemperer mit mageren zweien fast schon alt aus. Zeit also, das ein wenig richtigzustellen.
Klemperer und Monumentalität — für viele ein Synonym. Sieht man genauer hin, wird deutlich, dass der Dirigent noch bis in die 50er Jahre hinein oft rasend schnell unterwegs war. Insofern sprechen wir hier eigentlich primär über die Zeit von ca. 1955 bis 1971, als er seine letzten Aufnahmen machte.
Klemperers Beethoven, für den er so berühmt war, dass ihn die Leute ständig hören wollten, wird oft das Attribut "wie in Marmor gemeißelt" verliehen. Meist bezieht man sich auf die berühmten Studioaufnahmen für EMI (1955—1960); in den späteren Aufnahmen wird dies sogar noch deutlicher. Klemperer stellt Beethoven wie einen Titan dar, erschafft regelrecht Monumentalbauten. Gleichwohl war sein Stil nüchtern-sachlich, ohne Sentimentalität. In einem Interview von 1960 meinte Klemperer, sein Kollege Bruno Walter sei ein Romantiker, er dagegen überhaupt nicht. Vielmehr sei er ein Immoralist.
Während sein Beethoven gewissermaßen auf einem heiligen Sockel steht, ist bereits sein Mozart umstrittener. Die einen meinen, er rücke auch diesen mit seinem Monumentalstil in Beethoven-Nähe, die anderen sprechen von "Verfehlungen auf hohem Niveau". Etwas Ähnliches ließe sich über einen Haydn sagen.
Noch kontroverser wird seit seinem Erscheinen Klemperers Schumann-Zyklus diskutiert. Hier muss angemerkt werden, dass dieser über einen Zeitraum von neun Jahren, zwischen 1960 und 1969 entstand, und besonders die "Frühlingssymphonie" (1965), die Zweite (1968) und die "Rheinische" (1969) unbestreitbar vom Spätstil des Dirigenten geprägt sind. Verträgt Schumann keine Monumentalität?
Deutlich unumstrittener sind dann die von Klemperer interpretierten Spätromantiker, besonders Brahms, Bruckner und natürlich Mahler. Begeisterungswürdig aber auch sein Dvořák und Tschaikowskij. Sibelius liegt leider nicht auf Tonträger vor, wurde aber von Klemperer dirigiert (etwa 1935 die Zweite zum 70. Geburtstag des Komponisten).
Ein ganz eigenes Thema wären Klemperers Barock-Aufnahmen (etliches von Bach, Händels "Messiah").
Ist Klemperers Monumentalität nun zeitlos oder mittlerweile doch schon etwas antiquiert? Passt sie nur zu bestimmten Komponisten, und wenn ja: warum? Schließlich: Was sind eurer Meinung nach treffende Aufnahmen-Beispiele für diesen Monumentalstil Klemperers?