Amerikanische Symphonie im 20. Jahrhundert

  • Es gibt zwar schon einen Thread über amerikanische Musik allgemein, aber ich denke ein auf die amerikanische Symphonie spezialisierter zusätzlich kann nicht schaden. Die Symphonie war eines der Hauptvehikel amerikanischer Komponisten der eher konservativen Art, ich denke dabei an Samuel Barber, Aaron Copland, David Diamond, Roy Harris, William Schumann und Peter Mennin, um nur mal einige zu nennen. Einige davon haben 10 und mehr Symphonien komponiert. Nur wenige davon sind in Deutschland bekannt, Barber 1, Harris 3, Schumann 3 und Diamond 4 vielleicht. Hauptsächlich weil Leonard Bernstein sich für sie eingesetzt und sie eingespielt hat.


    Die amerikanischen Symphonien haben häufig einen eigenen sofort wiedererkennbaren Ton, es schwingt eine optimistisch gestimmte Melancholie mit, die man in vergleichbaren Werken europäischer Komponisten kaum findet.


    Hier sollen Beispiele von interessanten amerikanischen Symphonien vorgestellt werden und ich kenne zumindest einen Tamino ;) , der da sicher bald etwas zu sagen möchte.

  • David Diamond (1905-1995) ist in Deutschland nicht besonders bekannt, allenfalls kennen ihn Bernstein Fans, da er die 4. von Diamond eingespielt hat. Dabei ist die Musik von Diamond mindestens genauso attraktiv wie die von Copland, Harris oder Schumann und vielleicht sogar attraktiver. Diamond ist wie andere Komponisten durch die Hände von Nadja Boulanger gegangen und hat auch Stravinsky in Paris kennengelernt. Bei Kriegsausbruch kehrt er zurück nach USA und hat Jahre in bitterer Armut leben müssen bis sein Musik langsam anerkannt wurde. Diamond hat insgesamt 11 Symphonien geschrieben, die späten harren aber noch ihrer Ersteinspielung. Es existieren auch 10 Streichquartette, die das Potomac String Quartett eingespielt hat, über die ich später an anderer Stelle berichten werde. Die 1. Symphonie entstand während der mageren Jahre und wurde 1941 von niemand Geringerem als Dimitri Mitropoulos in New York aus der Taufe gehoben.


    Die Werk ist knapp 22 min lang und gleich ein kompletter Erfolg, eine der schönsten amerikanischen Symphonien überhaupt. Das Allegro moderato con energica ist voller munterer musikalischer Einfälle und wirklich energica. Das Andante maestoso ist eines dieser hinreissenden melancholischen Stücke und im 3 Satz wird die Energie des ersten wieder aufgegriffen und zum Höhepunkt geführt. Perfekt und gute Laune verbreitend. :)


    Die CD enthält noch das 2. Violinkonzert und die bemerkenswerte 15 min Orchesterfantasie "The enormous room" , auch absolut tolle Musik.


    Die Aufnahme von Gerard Schwarz und dem Seattle SO tut ein übriges, um die CD zum Erfolg werden zu lassen. Sie ist ursprünglich bei Delos erschienen und wurde von Naxos übernommen, die gezeigten CDs sind also inhaltlich identisch:


  • DER Thread kann verdammt lang werden ...
    Das Thema "Amerikanische Sinfonie des 20. Jhd" interessiert mich bereits seit vielen Jahrzehnten, denn ein Grossteil dieser durchweg interessanten Werke gehört zu der tonalen und höchst geniessbaren Sparte des 20. Jhd. und 21. Jhd.


    Im Prinzip hat meine Interesse mit einem Werk begommen, das gar nicht mal dierkt aus den USA kommt. Die Chavez - Sinfonie India (=Sinfonie Nr.2) mit Bernstein / New Yorker PH (CBS-LP). :angel: Ich war "hin und weg" von dieser CD - das die Musik, die meinen Geschmacksnerv 100% traf - ganz meine Musik. Auf der CD mit lateinamerikanischen Werken waren auch Copland-Werke enthalten. Sogleich habe ich mich für alles aus der Richtung interessiert ... und bin bis heute grosser Anhänger der südamerikanischen und amerikanischen Sinfonik !


    In deinen ersten Beiträgen hast Du, lieber Lutgra, bereits einige wichtige Ami-Komponisten angesprochen.
    Von David Diamond (durch den ich auch durch die genannte Bernstein-Aufnahme der 4 gestossen bin), habe ich die Sinfonien Nr. 1,2,4,8 + VC2. Ich müsste mir mal den jetzt auch verfügbaren und noch fehleneden Rest (11 Sinfonien) dieser Naxos-Aufnahmen besorgen. Ich war jetzt nicht ganz so überwältigt - und daher war Diamond etwas in den Hintergrund getreten.


    Mit Roy Harris verhällt es sich ähnlich. Eine ganz tolle Sinfonie ist für mich die einsätzige Sinfonie Nr.3 (natürlich auch mit Bernstein (SONY)); die anderen sind nicht uninteressant, erreichen aber nicht dieses hohe Niveau. Ich habe auch die NAXOS-Aufnahmen mit den Sinfonien Nr.5,6,7,9 - zu mehr reichte es erst mal nicht.


    *** Herausragende Sinfonien sind für folgende (wobei ich mich jetzt erst einmal auf eine Auswahl beschränke (da fehlt noch viel)):
    Barber - Sinfonien Nr.1 und 2


    Copland - Sinfonie Nr.1, Short Sinfonie (=Sinf.Nr.2), Sinfonie Nr.3, Dance Sinfonie und an erster Stelle die Sinfonie für Orgel und Orchester, die praktisch die Version mit Orgel der Sinfonie Nr. 1 ist. Die Bernstein-Aufnahme ist hier nicht mehr zu toppen. Die Dance Sinfonie mit Dorati (Decca) ist allererste Wahl - mehr Sinn für Ryhthmus hat hier noch keiner bewiesen - auch nicht Alsop auf Naxos und noch weniger Copland selbst am Pult. Die Sinfonie Nr.3, eine der Meistgespielten, ist mit Bernstein in seinen beiden Aufnahmen (SONY und DG) der "Burner".


    Nicht zu vergessen die Bernstein - Sinfonien Nr.1 - 3, die mir in seinen New Yorker Aufnahmen (SONY) besser gefallen, als in den Israel PO-Aufnahmen (DG).


    Howard Hanson - Sinfonie Nr.6, die ganz besonders gut mit dem Westchester SO/Siegfried Landau (VOX) gelungen ist.
    Die DELOS-Sinfonien-GA der 7Sinfonien mit Gerhard Schwarz ist insgesamt leider recht lasch ausgefallen. Da würde man sich andere Aufnahmen wünschen. Leider sind dahingehend nur die Naxos-Alternative der Sinfonie Nr.1 vorhanden, die den "Delosen" haushoch überlegen ist.



    In der nächsten Zeit müssen wir bezüglich der amerikanischen Sinfonie noch einiges über Ives, Rorem, Schuman, Mennin, Thomson unterhalten.
    :thumbup: Und auch über den des späten 20. Jhd und 21. Jhd, der meinen Geschmacksnerv wieder voll trifft = Michael Daugherty !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Daniel Asia ist ein amerikanischer Komponist Jahrgang 1953, derzeit ist er Professor an der University of Arizona. Daniel Asia hat bisher fünf Symphonien geschrieben, die zumindest in USA ziemlich erfolgreich aufgeführt wurden. Die CD mit seiner 2. und 3. Symphonie entstand 1993. Asia schreibt uramerikanische Musik: David Diamond meets Philip Glass. Das heisst, über Minimal Music Pattern legt Asia das spätromantische Großorchester. Wobei - ähnlich wie bei John Adams - die Pattern selbst nicht so im Vordergrund stehen, sondern nur das Geschehen strukturieren. Man könnte also sagen, Asia schreibt die Symphonien, die uns John Adams bisher schuldig blieb. Und das tut er sehr effektvoll. Diese CD müsste jedem gefallen, der mit dieser Musikrichtung etwas anfangen kann. Gibt's gebraucht beim Werbepartner derzeit für relativ wenig Geld.


    Die 2. Symphonie hat drei Sätze zwischen 11 und 15 min und zeigt Asia Musik von seiner besten Seite, eingängige Melodik und perfekte Orchestrierung. Von der Phoenix Symphony unter James Sedares bestens umgesetzt.


  • Mir ist oben ein kleiner Fehler unterlaufen, alles was ich oben über die 2. Symphonie geschrieben habe, gilt für die 3. Symphonie. Über die 2. schreibt der Komponist:


    This work is subtitled "Celebration Symphony" and was finished soon after the death of Leonard Bernstein. Like this fine composer, I have sought to make explicit in this work my deeply felt sense of Judaism, and what it means to be a Jew at the end of the 20th Century.

    The work is in five movements, each one gathering in strength, commitment, and dedication. The movement titles are
    1)Ma Tovu (Your love is great; answer me with true deliverance),
    2) Ashrenu (Therefore it is our duty to thank and praise you.),
    3) L'kha Dodi (Yours, O Lord, is the greatness and the power and the splendor),
    4) Hine El Yeshuati (Behold, God is my deliverance; I am Confident and unafraid.) and
    5) Halleluyah (Praise God in the Highest!).


    Much of the spirit of the work is based upon my experience and understanding of music heard and sung in the synagogue. The various movements are rather simple in their formal design, with the orchestration direct and clear. The music itself is rather lean and straightforward. While no scales or modes typical of Jewish music are used in this work, the prevailing quality and sensibility is, I think, similar.

    Aus diesen Zeilen wird schon deutlich, dass es sich um ein ganz anderes Werk handelt als die 3. Die Einflüsse von Minimal Music sind vernachlässigbar und das Werk ist eher pessimistisch und elegisch gestimmt. Lediglich im letzten Satz wird das ganze aufgehellt und positiver.

  • Klassiker schlechthin sind ja die Aufnahmen der dritten Sinfonien von Hanson und Harris durch Sergei Kusewizki, dem damaligen Mentoren der "Instrumentalkomponisten".

  • Der Dirigent Jose Serebrier, der auch durch seine zahlreichen Aufführuungen seines ehemaligen Mentors Leopold Stokowsky bekannt geworden ist, hat sich auch als Kompnist eine Namen gemacht.
    Er hat auch zahlreiche TOP-Aufnahmen von einigen seiner amerikanischen Komponisten-Kollegen des 20.Jhd auf Naxos vorgelegt.


    Zitat

    Als Komponist wie auch als Dirigent entwickelte Serebrier schnell ein Maximum an Farbigkeit im Klang des sinfonischen Orchesters. 1962 kam der Ruf als Assistent beim New Yorker 'American Symphony Orchestra' unter Leopold Stokowski, der zum begeisterten Mentor des jungen Mannes wurde. Stokowski brachte Serebriers 1952 entstandene Elegy for Strings zur Uraufführung in der New Yorker Carnegie Hall, wo der junge Dirigent ebenfalls 1962 sein Debüt mit dem 'American Symphony Orchestra' hatte, das von Publikum und Kritik enthusiastisch aufgenommen wurde. Sein intensiver, dynamischer Zugang zur Musik und seine hervorragende Kontrolle des Orchesters wurden durchgehend gerühmt. Unter Stokowskis Leitung war Serebrier 1965 Subdirigent bei der Uraufführung und Ersteinspielung von Charles Ives' Vierter Symphonie. Stokowski pries seinen Assistenten bald als den 'größten Meister der orchestralen Balance'.
    1968 wechselte Serebrier als Composer-in-residence und Assistent zu George Szells Cleveland Orchestra, wo er weitere zwei Jahre bei dem gestrengen ungarischen Maestro lernte.


    Bisher vollendete Serebrier 3 Sinfonien:
    Sinfonie Nr.1 in einem Satz (1954)
    Sinfonie Nr.2 (Partita) (1957/8)
    Sinfonie Nr.3 für Streichorchester & Sopran "Symphonie mystique" (2003)


    Mit 20 Jahren war Serebrier 1958 assistierender Dirigent des Minneapolis Symphony Orchestra und vollendete seine Symphony Nr. 2 Partita (1957/58). Wie ich finde ein "Hammerwerk" mit einer unsagbaren Ausdruckskraft, die so manchen "Latestromaniksoftie" des 20.Jhd alt aus sehen lässt ! (Um zu verstehen was ich damit meine muss man dass Hammerstück gehört haben !)
    Die Sinfonie Nr.2 hat die vier Sätze
    Prelude - Funeral March (Poema Elegiaco) - Interlude - Fugue
    und eine Spielzeit von 28:32 in der genialen Naxos-Aufnahme mir dem LSO bei Naxos:



    NAXOS, 1999, DDD


    ;) Ich muss ja sagen, dass ich doch manchmal recht enttäuscht bin über so manche Neuvorstellungen von unbekannten Komponisten bei Tamino. Da wundert mich im Nachhinein nichts, dass die unbekannt geblieben sind, weil das Langeweile pur ist. :untertauch:
    :thumbsup: Was Serebrier hier bietet ist einmal mehr im höchsten Maße >>beeindruckend<<.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Ich muss ja sagen, dass ich doch manchmal recht enttäuscht bin über so manche Neuvorstellungen von unbekannten Komponisten bei Tamino. Da wundert mich im Nachhinein nichts, dass die unbekannt geblieben sind, weil das Langeweile pur ist.


    Lieber Wolfgang


    sollte sich das auf diverse Empfehlungen von mir beziehen, wäre es der Diskussion sicher dienlich, wenn Du etwas konkreter würdest.


    Mit besten Grüßen aus dem Schnee
    lutgra



    P.S. Danke für den Hinwies auf den "Komponisten" Serebrier, den kenne ich noch nicht. Wird sich aber ändern. :hello:

  • Der amerikanische Komponist William Schuman ist bei uns nur mit einem einzigen Werk bekannt, der dritten Symphonie. Und das vermutlich auch nur deshalb, weil Lenny Bernstein sie zweimal eingespielt hat, für Sony und die DGG.


    Die vierte Symphonie entstand kurz darauf im gleichen Jahr 1941, das sich am 7. Dezember auch zum Schicksalsjahr wendete mit dem Überfall der japanischen Luftwaffe auf Pearl Harbor. Inwieweit dieses erste große amerikanische Trauma noch Eingang in die Musik erhielt, vermag ich nicht zu sagen. Mit Sicherheit hörten die Zuhörer es im Januar 1942 in Cleveland mit besonderen Ohren. Trotz auch dunkel getönter Abschnitte bricht sich allerdings der uramerikanische Optimismus an vielen Stellen seinen Weg, so dass am Ende des Tages diese positive Stimmung a la "Wir lassen uns nicht unterkriegen, wir schaffen das schon" dominiert.
    Die dreisätzige 25-minütige Symphonie enthält zwei typische Aussensätze, die viel Energie entwickeln und in dem die Blechbläser einiges zu tun haben. Der langsame Mittelsatz ist - auch typisch - elegisch und melancholisch, aber immer auch mit einer positiven Note. Die Tonsprache ist der der dritten Symphonie verwandt also gemässigt modern mit durchaus auch Anklängen an Filmmusik. Mir fielen beim Hören auch einige Parallelen zur Musik von Schostakowitsch auf. Dessen 7. Symphonie wurde aber in USA erst ein halbes Jahr später uraufgeführt. Die 6. hatte allerdings Stokowski 1940 eingespielt und mit ziemlicher Sicherheit kannte Schuman diese Aufnahme.

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  • Der amerikanische Komponist William Schuman ist bei uns nur mit einem einzigen Werk bekannt, der dritten Symphonie. Und das vermutlich auch nur deshalb, weil Lenny Bernstein sie zweimal eingespielt hat, für Sony und die DGG.


    Diese Bernstein-Aufnahmen und die NAXOS-CD mit Nr. 4 und 9 habe ich auch.


    :!: Und Bernstein hatte sicher seinen Grund, warum er gerade auf SONY die Sinfonien Nr. 3 und 8 ausgewählt hatte.
    Jedenfalls will ich (wenn ich einmal Blut gelckt habe) auch immer alle anderen Sinfonien des jeweiligen Komponisten kennen lernnen. Dazu hatte ich mir dann die von Dir abgebildte NAXOS-CD mit den Sinfonien Nr.4 und 9 (weil davon auch gar nichts anderes verfügbar ist) und die RCA-CD mit der Sinfonie Nr.10 und dem schönen New England Trypch, der American Festival Ouvertüre unter Slatkin gekauft. Sowie eine Naxos-CD mit dem VC auf der auch die effektvollen Variations on America enthalten sind.
    :huh: So richtig voll überzeugen kann mich William Schuman mit seinen weiteren Sinfonien nicht, sodass ich mir dann auch bisher nicht die Mühe gemacht habe alle noch fehlenden Schuman-Sinfonien zu erwerben.


    Damit Du nachvollziehn kannst was ich meine:
    Die Sinfonien von Roy Harris (bes.die Dritte), David Diamond, Howard Hanson (ganz bes. die Nr.6) und Virgil Thomson aus gleicher Zeit fand ich ungleich überzeugender und ansprechender, um bei den Unbekannteren zu bleiben. Denn die amerikanischen Mainstreamer (so will ich sie mal nennen) Copland und Barber haben mich ohnehin immer schon voll überzeugt.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Und Bernstein hatte sicher seinen Grund, warum er gerade auf SONY die Sinfonien Nr. 3 und 8 ausgewählt hatte.


    Tatsächlich hat Bernstein 1970 auch die New Yorker Erstaufführung der 9. dirigiert, da Eugene Ormandy als Uraufführungsdirigent aber wohl schon die Zusage von Columbia für die Platten-Einspielung hatte, gibt es sie nur mit Ormandy. Ein neues Stück gleich zweimal herausbringen, war wohl seinerzeit undenkbar. Schade eigentlich. Vielleicht solltest Du die CD noch mal hören. Ich finde die Musik nicht schlechter als die bekannteren. Die 9. finde ich mit jedem Hören sogar immer besser, allerdings kann man das nicht alle Tage hören, da es einen doch sehr runterzieht.

  • 1967 besuchte Schuman mit seiner Frau Rom und besichtigte u.a. die "Fosse ardeatine", in denen die Nazis 1944 als Rache für einen Hinterhalt, bei dem 32 Soldaten ums Leben kamen, 335 unschuldige Männer, Frauen und Kinder ermordet hatten. Die Eindrücke hat Schuman in seiner 9. Symphonie verarbeitet, einer der düstersten und trostlosesten Symphonien überhaupt. Der erste Satz (Anteludium) speziell verbreitet eine außerordentlich deprimierende Stimmung, wie man es bestenfalls von Allan Pettersson noch kennt. Das Offertorium erscheint im ersten Teil als makabres Scherzo, bei dem der Teufel mit den Knochen der Ermordeten spielt. Lediglich im letzten Satz (Postludium) kommt ein wenig Ruhe, Trost und Nachdenklichkeit auf. Diese am äußersten Rande der Tonalität entlang sich entwickelnde Musik ist in ihrer Ausdruckskraft letztlich radikaler als die ganze dodekaphone und serielle Musik. Die nervt im Zweifelsfalle nur, dies hier geht echt an die Nieren.


    Von dieser Symphonie gibt es zwei Aufnahmen, die in Beitrag 10 gezeigte mit dem Seattle SO unter Gerard Schwarz und die unter dem UA-Dirigenten Eugene Ormandy mit seinem Philadelphia Orchester. Ich besitze beide, habe aber jetzt nur die Schwarz gehört.


  • Die 9. finde ich mit jedem Hören sogar immer besser, allerdings kann man das nicht alle Tage hören, da es einen doch sehr runterzieht.


    Das werde ich machen. Interessant, das Bernstein die UA leitete und Ormandy die Leviten einheimst.
    (Ehrlich gesagt halte ich von Schwarz als Dirigent nicht allzu viel ... aber manches aus dem amerikanischen Repertoire gibt es nur mit ihm ...)



    Ich habe auch die Sinfonie Nr.3 bestimmt seit ~10Jahren nicht mehr gehört; aber heute in beiden Bernstein-Aufnahmen (DG und SONY).
    War wieder absolut begeistert von diesem kraftvollen und zugleich Strahlkraft und Optimissmus zeigenden Meisterwerk:
    Part 1: Passacaglia und Fuge
    Part 2: Chorale und Toccata


    Für mich steht heute klar fest, dass ich Bernsteins viel überzeugendere und voller Emotionen erfüllte alte CBS-Aufnahme von 1960 weit höher einschätze. Die Klangqualität ist später bei DG nicht mal soviel besser geworden; er nimmt das kraftvolle des Werkes 1985 bei DG deutlich zurück, lässt dadurch einige Details mehr zu. Das mag vorteilhaft klingen - nimmt dem Werk besonders im 1 Part dadurch aber auch eine Menge an Innenspannung.


    Ich bilde daher auch nur die SONY-CD ab:
    - hier sind zudem die Streichersinfonie in drei Sätzen (=Sinfonie Nr.5) und die Sinfonie Nr.8 enthalten

    SONY, 1960-66, ADD



    Einen ähnlichen Eindruck habe ich aber heute auch bei Roy Harris: Sinfonie Nr.3 (1937)gehabt.
    Da klingt die CBS-Aufnahme auch viel unmittelbarer und hat mehr Klasse; obwohl die auf DG keinesfalls schlecht geraten ist. Aber klanglich tut sich zwischen CBS 1961 und DG 1985 viel weniger als man erwarten sollte.


    Ebenfalls ein grosses echt amerikanisches Meisterstück des 20.Jhd:

    SONY, 1961 (Harris), 1958 (Diamond), 1968 (Thompson), ADD



    Die ganzen DG-CD´s mit amerikanischen Komponisten, die Bernstein auf DG gemacht hat (die es auch als teure Einzel-CD´s gibt) habe ich in der DG-Bernstein-6CD-Box "The Americans" - die scheint heute nicht mehr im Programm zu sein.
    Im Falle Ives - Sinfonie Nr.2 u.a., Tredici - Tattoo, Rorem - Violinkonzert und Copland - Sinfonie Nr.3 und Connotations sind da auch absolute CD-Edelsteine dabei.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • In der amerikanischen audiophilen Zeitschrift The absolute Sound sowie im American Record Guide erschien kürzlich ein Artikel des Kritikers Mark Lehman, in dem er die seiner Meinung nach 9 wichtigsten amerikanischen Symphonien benennt. Die Nummerierung ist kein Ranking, sondern folgt der historischen Abfolge. Dazu nennt er seiner Meinung nach mustergültige Einspielungen.


    1. Charles Ives: Symphony No. 4. American Symphony Orchestra, Leopold Stokowski (Columbia LP, Sony CD)
    2. Howard Hanson: Symphony No. 2, “Romantic.” Cincinnati Pops Orchestra, Erich Kunzel (Telarc SACD)
    3. Samuel Barber: Symphony No. 1. St. Louis Symphony, Leonard Slatkin (RCA CD)
    4. Roy Harris: Symphony No. 3. New York Philharmonic, Leonard Bernstein (Columbia LP, Sony CD)
    5. William Schuman: Symphony No. 3. New York Philharmonic, Leonard Bernstein (Columbia LP, Sony CD)
    6. Walter Piston: Symphony No. 2. Boston Symphony, Michael Tilson Thomas (Deutsche Grammophon LP and CD)
    7. George Rochberg: Symphony No. 2. New York Philharmonic, Werner Torkanowsky (Columbia LP and CRI CD)
    8. Roger Sessions: Symphony No. 3. Royal Philharmonic, Igor Buketoff (RCA LP, CRI CD)
    9. Irving Fine: Symphony. Moscow Radio Symphony, Joel Spiegelman (Delos CD)


    Was natürlich jedem, der sich mit der amerikanischen Komponistenszene auskennt, sofort auffällt, ist das Fehlen einiger Namen (Copland, Bernstein) sowie die Nennung einiger Komponisten, die man selbst vermutlich nicht genannt hätte (Rochberg, Sessions, Fine), vor allem weil man deren Musik gar nicht kennt.


    Wie denkt Ihr über diese Liste, was würdet Ihr ergänzen bzw eventuell sogar weglassen?

  • Von den oben gelisteten 9 Symphonien kannte ich 1-6, die Mehrzahl sogar in den vorgeschlagenen Einspielungen. Jetzt kenne ich auch die 7. George Rochbergs 2. Symphonie von 1955/56.


    Und ja, die gehört sicher in eine kurze Liste der beutenden amerikanischen Symphonien. Es ist angeblich die erste dodekaphone Symphonie aus den USA. Ein düsteres und wütendes Werk, dass die Kriegserfahrungen des jungen Komponisten, der 3 Jahre in der Armee diente und in der Normandie schwer verwundet wurde, reflektiert. Das Werk in fünf Sätzen, die aber durchgängig gespielt werden, dauert etwas über eine halbe Stunde. Die Uraufführung fand unter niemand Geringerem als George Szell in Cleveland statt, schade, dass es offensichtlich davon keine Aufnahme gibt, sie wäre allerdings auch in mono. Nicht ganz einfach zu hören, aber doch weit entfernt von jedem Akademismus und "Note spinning". Eher so etwas wie atonaler Mahler. Wen die Musik von Alban Berg, Karl-Amadeus Hartmann und Allan Pettersson anspricht, dürfte auch diese Symphonie mit Gewinn hören. Das RSO Saarbrücken unter Christopher Lyndon-Gee leistet hier Außergewöhnliches. Besser kann man diese hochkomplexe Partitur sicher kaum darbieten.

  • Der einzige von den oben gelisteten Komponisten, von dem ich noch nie gehört hatte, war Irving Fine. Irving Gifford Fine (* 3. Dezember 1914 in Boston, Massachusetts; † 23. August 1962 ebenda) war ein US-amerikanischer Komponist. Fine studierte an der Harvard University bei Edward Burlingame Hill, Walter Piston und Sergei Alexandrowitsch Kussewizki und von 1938 bis 1939 in Paris bei Nadia Boulanger. Von 1945 bis 1950 wirkte er als Assistent Professor an der Harvard University, danach unterrichtete er an der Brandeis University, wo er 1954 Professor wurde. Er komponierte eine Sinfonie, eine Orchestersuite, ein Lamento für Streichorchester, kammermusikalische Werke, Chöre und Lieder. Er starb völlig unerwartet 47-jährig kurz nach der UA seiner einzigen Symphonie durch das BSO unter Charles Munch. Irving zählte zu den "Boston Six" zu denen auch Copland, Bernstein, Shapiro, Lucas Foss und Arthur Berger gehörten. Copland soll über Irving gesagt haben: "He was the best of us".

    Nach dem Hören seiner einzigen Symphonie will man nicht unbedingt widersprechen. Das Ding hat es in sich. Ein Panoptikum aller Trends des 20. Jahrhunderts ist dies eine Partitur, wie sie erregender und spannender kaum denkbar ist. Eine echte Symphonie ist das Werk m.E. nicht, eher eine dreisätzige Ballettmusik, die da weitermacht, wo Bartok und Stravinsky ca. 1920 aufgehört haben. Wie deren Musik bewegt sich das Werk am äußersten Rande dessen, was man noch als tonale Musik bezeichnen würde, allerdings türmen sich Dissonanzen und wilde Klänge. Interessanterweise erinnert die Musik mich an einen sowjetischen Komponisten, der ähnlich das 20. Jahrhundert geplündert hat, an Andrej Eshpai und auch die Filmmusik von Bernard Herrmann (Psycho) schaut am Ende kurz vorbei.
    Joel Spiegelmann - selbst US-amerikanischer Komponist - fand offensichtlich im Heimatland keine Möglichkeit, die Musik von Fine einzuspielen und musste nach Moskau ziehen. Das dortige RSO hat aber alles getan, um diese Musik angemessen umzusetzen. Kurze Hörproben der anderen Stücke auf der CD weisen daraufhin, dass die Symphony auch im Schaffen von Fine einen absoluten Höhepunkt markiert.

  • Roger Sessions (1896-1985) ist einer der bekanntesten amerikanischen Komponisten. Wie die meisten seiner Kollegen tummelte er sich in den 20er und 30er Jahren in Europa, in Rom, Paris und Berlin, wo er u.a. Pierre Monteux, Otto Klemperer und Alban Berg kennenlernte. 1933 kehrte er in die USA zurück und begann kurz darauf an diversen Universitäten zu unterrichten, was ihn die nächsten 50 Jahre beschäftigen sollte. Daneben komponierte er natürlich eifrig. Er schrieb u.a. 9 Symphonien, die wohl alle mal eingespielt wurden, wenn auch die LPs und CDs teils vergriffen sind. So konnte ich kurzfristig nicht der 3. Symphonie habhaft werden und musste mit einer allerdings guten youtube Einstellung Vorlieb nehmen. Es handelt sich dabei um die in Beitrag 15 genannte Einspielung.
    Während die 1. und 2. Symphonie von 1927 bzw 1946 zwar modern, aber noch weitgehend tonal sind, betrat Sessions mit der 3. Symphonie von 1957 das Zwölftonland, um es m.W. bis zum Ende seines Schaffens nicht mehr zu verlassen, die Symphonien 4-6 jedenfalls sind ebenfalls atonal. Wobei Sessions mit der Dodekaphonie wohl sehr frei umging und sich nicht an Dogmen und Schemata festhielt. Die dritte Symphonie ist viersätzig und dauert 30 min, damit ist es auch seine längste. Wenn man sich ein wenig eingehört hat, kann man durchaus Hörenswertes in dieser abstrakten Musik entdecken, jedenfalls ist Sessions sicher ein meisterhafter Orchestrator und seine Orchestertextur bleibt stets transparent und die Entwicklungslinien nachvollziehbar. Geräuschhafte Elemente findet man in seiner Musik eher nicht. Für gelegentliche Ausflüge.

  • Nach dem grossen Eindruck den Symphonie Nr. 2 auf mich gemacht habe, war ich natürlich gespannt auf seinen Erstling. In den Jahren 1948/49 komponiert (UA 1957 durch Eugene Ormandy) und zweimal überarbeitet (1977 und 2003) strebt schon dieser Erstling gleich nach dem großen Wurf. Ganze 64 Minuten lang ist das wuchtige Werk mit 5 Sätzen, alleine der Adagiosatz von 17:32 hat Bruckner'sche Ausmaße. Vielleicht ein bisschen maßlos das Ganze, aber lieber grandios und etwas übers Ziel hinausgeschossen, als sich nicht trauen und nur Mittelmaß produzieren. Das tut er nicht. Obwohl noch weitestgehend tonal, ist dieses Stück nicht nur in seiner Länge sondern auch in seiner Modernität den meisten Kollegen voraus. Als Einflussquellen nennt Rochberg selber Stravinsky und Schönberg, es ist erkennbar eine amerikanische Musik und auch der Jazz kommt nicht zu kurz, vor allem in dritten Satz Capriccio. Und während ich beim Kollegen Bernstein die jazzigen Passagen in den Symphonien immer etwas aufgesetzt fand, gelingt es Rochberg, diese sehr viel besser als genuinen Teil zu integrieren. Der Komponist tingelte als Student und Pianist auch regelmäßig durch die New Yorker Jazzclubs. Zu dem 3. Satz sagte übrigens sein Kompositionslehrer Leopold Mannes "This is the most craziest music I have ever seen".
    Ein weiteres Mal große Anerkennung für das RSO Saarbrücken und Christopher Lyndon-Gee, dass sie sich dieser bisher weitgehend ungehörten Musik auf so hohem Niveau angenommen haben und die Bitte an Naxos, die Symphonien 3 und 4 noch nachzuschieben. Die 5. ist bereits erschienen, darüber demnächst.


    "If any neglected American symphony deserves to enter the repertoire, this one does–aside from Rochberg’s other works in the form, of course." David Hurwitz

  • Hallo Lutgra,


    gestern hatte ich in die Sinfonien Nr.1 und 2 mal reingehört: Unglaublich was das Saarbrücken RSO leistet. :!: Da müssen erst die Saarländer kommen um eine anständige Aufnahme zu liefern.
    Gefällt mir gut und wird angeschafft - kenne noch nichts von "Rochi " !



    Naxos, 2002, DDD

    Ich habe mir aber erst einmal für "Hungerlohnpreis" unter 1€ diese Naxos-CD mit der Rochberg-Sinfonie Nr.5 und den Black Sounds (1965), die mich auch brennend interessieren bestellt:



    Es gibt übrigens eine Parallele bezüglich der Aufnahmen amerikanischer Sinfonien aus Deutschland:
    Die Hammersinfonie Howard Hanson: Sinfonie Nr.6 mit dem unbekannten Westchester SO / Siegfried Landau (VOX, 1994, ADD).
    :!: Das Westchester SO, wie auf der CD abgedruckt ist tatsächlich das Westfälischen Sinfonieorchester Recklinghausen, wie mir seinerzeit Michael Schlechtriem berichtigend mittteilte.
    Auch hier sind die amerikanischen Aufnahmen vernachlässigbar schwach - es die leider sehr lasche und weitgehend viel zu emotionslose GA mit Gerhard Schwarz / Seattle SO (DELOS, 1988-90, DDD) als amerikanisches Gegenstück.
    Die Sinfonie Nr.6 kann man in dieser Schwarz - GA vergessen = Langeweile pur gegen Landau ! Die anderen Schwarz-Aufnahmen der Sinfonien in der DELOS-GA und sinf.Werke sind zum kennenlernen OK, da teils gar nicht anders verfügbar. Aber auch hier haben sich die Aufnahmen der "zweitwichtigsten" Sinfonien Nr.1 "Nordische" und 2 "Romantic" auf NAXOS mit Schermerhorn / Nashville SO und Hansons Eigene (Mercury) als deutlich ansprechender erwiesen.


    *** Hier die Abb der VOX - CD mit der ausgezeicheneten Landau-Aufnahme der Sinfonie Nr.6.
    Meine VOX-Doppel-CD mit Sinfonien und Werken von Hanson, Thomson, Rorem, MacDowell und W.Schuman ist leider nicht mehr verfügbar, aber ich habe diese VOX-Einzel-CD gefunden:


    :D Man beachte die CD-Preise !

    VOX, ADD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

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  • Hallo Wolfgang


    die 5. habe ich heute gehört, aber noch nicht berichtet. Sie gefällt mir nicht ganz so gut wie 1 und 2, aber sie ist ebenfalls hörenswert. Interessant die Entstehungsgeschichte. 1983 hat der Manager des CSO diverse Komponisten um ein Stück für eine Jubiläumsfeier der Stadt gebeten. Ein anfangs anonymer Patron bestellte bei Rochberg eine Symphonie "with a lot of brass". Später stellte sich heraus, dass es sich um niemand anderes als den Chefdirigenten Georg Solti handelte. Er sollte seine Brass-lastige Symphonie bekommen.



    Gerade eingetroffen auch eine Aufnahme von Hansons 2. Symphonie mit Erich Kunzel und dem Cincinatti Pops Orchester (manche Vorurteile bestätigen sich nicht). Die solltest Du hören. Neben einer klang- und orchestertechnisch erstklassigen Interpretation gibt es mit der Bolt Island Suite noch 25 min Ersteinspielungsmaterial vom Feinsten.

  • Danke für den Hinweis Lutgra, auf diese TELARC-CD mit der Sinfonie Nr.2, die ich im Auge behalten werde ( ;) wenn der Preis noch stimmiger ist), denn mit meiner Schermerhorn-Aufnahme (NAXOS) kann ich noch gut leben; als Ersatz für die Schwarz-Aufnahme in meiner Hanson-Sinfonien-GA (DELOS).


    :| Man muss sich tatsächlich die Hanson-Sinfonien einzeln zusammensuchen um anständige Int davon zu haben ... Schwarz (DELOS) ist nur zum Kennenlernen und :D "teils abtörnen" gut.
    Da ich von den Sinfonien Nr.1, 2 und 6 anständige Aufnahme habe, bin ich erst mal zufrieden, denn für Hanson möchte ich keine Beträge in der Höhe ausgeben, die ich für andere Favoriten übrig hätte.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • John Duffy ist ein amerikanischer Komponist irischer Herkunft, der u.a. bei Aaron Copland, Henri Cowell und Luigi Dallapiccola ausgebildet wurde. Von den Dreien hat ihn sicher Copland am meisten geprägt. John Duffy hat 300 Kompositionen geschrieben, vor allem für Film, Fernsehen und das Theater. Die Utah-Symphonie entstand 1989 auf Auftrag des Utah Sierra Clubs und seines Vorsitzenden. Wer jetzt hier etwas in der Art der Grand Canyon Suite von Ferde Grofe erwartet, liegt völlig richtig. Die 3-sätzige 23-minütige Symphonie hat ein Ziel, den Zuhörer zu unterhalten, und das gelingt ihr m.E. bestens. Der erste Satz "God's Wilderness" erinnert in einigen rhythmischen Passagen stark an John Adams "The chairman dances" und das ist ein tolles Stück. Das "Requiem for Glen Canyon" ist ein typisch amerikanischen symphonisches Adagio und das abschliessende "Puwa" kommt wieder äußerst munter daher, Coplands Rodeo lässt grüssen. Nichts tiefschürfendes, aber sehr gut gemachte farbige symphonische Musik. In meiner Einspielung spielt das Milwaukee SO unter Zdenek Macal, es gibt aber auch eine zweite Einspielung auf Albany.


  • Beim derzeitigen Poststreik dauert es länger, bis die CD´s eintrudeln (Rochberg 1, Boyer 1 fehlt noch!).


    Die Rochberg - NAXOS- CD (Abb in Beitrag 20) mit den o.g. Werken ist eingetroffen.
    Unter den Black Sounds (1965) hatte ich mir eigendlich etwas ganz anderes vorgestellt. Es ist ein typisches Werk für die 60er-Jahre, wo eben alles avantgardistisch klingen musste ! Dise Auftragskomposition dees Lincoln Centers wurde im September 1965 als "supermodernes" Ballett nach thematischen Inhalten von Shakespeares King Lear (mit der Darstellung eines Mordes) aufgeführt. Ein trostloses zorniges Stück ... interessant, aber nicht unbedingt wegen seinem atonalen Typus voll begeistert.


    Aber bereits in den 70er Jahren (ging es auch bei Rochberg) bergauf. Die Transcendent Variations (1965) sind die Streichorchesterfassung nah angelegt an Rockbergs 3.Streichquartett.Die Tonalität ist hier in einem exstatischen Werk in 7Sätzen wieder gewahrt.


    :thumbup: Noch besser das erste Stück, die Sinfonie Nr.5 (1984 - 1985), auf der CD. Rochberg hatte das Werk mit G. Solti, dem zunächst ein Konzert für Blechbläser und Orchester vorschwebte, vorgestellt. Am Ende wurde es diese Sinfonie mit 4. Trompete, zusätzlichem Schlagwerk und grossem Orchester.
    Die 28minütige Sinfonie ist in 7 Abschnitte
    I. Introduktion
    II. Episode 1
    III. Durchführung 1
    IV. Episode 2
    V. Durchführung 2
    VI. Episode 3
    VII. Finale
    eingeteilt.
    Kurze Motive sind von Verzweiflungsschreien am Rande von Chaos und Zusammenbruch getragen, die sich gegen ruhige Passagen durchsetzen. Dazwischen in Episode 2 kommen die zahlreichen Blechbläser mit farbenreichen Überlagerungen in einer Art "Waldmusik" zur Geltung.
    Nach Solti ist nach der Premiere diese Sinfonie NR.5 von keinem weiteren Dirigenten aufgeführt worden - bis zu dieser Aufnahme von 2002, dessen wichtiges Anliegen es dem Dirigenten Christopher Lyndon-Gee war!
    :thumbsup: Das Saarbrücken RSO zaubert die Partituren jedenfalls in einer Farbenpracht hin, dass man qualitativ keinen Unterschied zu den sogenannten Weltspitzenorchestern verspürt. Perfekt in allen Instrumentalgruppen und gepaart mit einer ausgezeichneten Klangqualität. So macht Musik entdecken Spass!
    Einzig über KH leise hörbar: Ein "digitales Grundrauschen", dass auch ein leichtes Mikrophonbrummen der angeschlossenen Microphone sein kann.



    8o Nun bin ich voller Erwartung auf die Sinfonie Nr.1 (Bestellung steht noch aus) und anschliessend noch die Sinfonie Nr.2 mit Imago Mundi.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Bei meiner letzten "No risk, no fun" Aktion (das sind meine Einkäufe von mir völlig unbekannter Musik bei meinem Second Hand Händler, i.d.R. für € 7/CD) kam mir nicht nur die bereits beschriebene Thomas Ades CD unter die Finger, sondern auch eine mit der ersten Symphonie von Stephen Albert, ein Name, der neu für mich war. Hier im Forum hat sichvor Urzeiten schon Holger Sambale sehr positiv über diesen Komponisten geäußert.
    Stephen Albert wurde 1941 in New York geboren. Ersten Kompositionsunterricht erhielt er von Ellie Siegmeister. Dann ging er an die Eastman School of Music. Zu seinen Kompositionslehrern zählte u.a. Karl-Birger Blomdahl, später auch George Rochberg. 1992 kam er bei einem Autounfall ums Leben.
    Die Entstehung der ersten Symphonie verdanken wir Mstislav Rostropovich, der von einem Stück des Komponisten so angetan war, dass er ihm als ersten beauftragte im Rahmen eines größeren Stiftungsbetrags eine neue Symphonie für das NSO Washington zu komponieren. Für RiverRun erhielt Albert 1985 den Pulitzer Preis.
    Ähnlich wie Ades beinhaltet auch der Werkzeugkasten von Albert fast das gesamte Arsenal des 20. Jahrhunderts, er selbst nennt Mahler, Sibelius, Stravinsky und Bartok als Einflüsse, ich würde noch Debussy, Messiaen und Ives hinzufügen. Aber wieviel mehr macht er daraus als der Brite. Das ist eine der originellsten Symphonien, die mir in der letzten Zeit untergekommen ist. Schwer zu beschreiben, muß man einfach hören. Modern, aber trotzdem zugänglich, philosophisch, völlig ohne jedes Schielen auf das Publikum. Titel und Anregung stammen von Joyce und seinem Finnegans Wake, einem Autor, den offensichtlich mehrere Stücke des Komponisten ihre Anregung verdanken.
    Ich würde sagen, Platz 10 für die in Beitrag 15 erwähnte Liste.


    Die mir vorliegende fast audiophil zu nennende Aufnahme, stammt vom Auftragsgeber. Naxos hat - wie ich gerade sehe - diese gekoppelt mit der zweiten im Programm. Her damit.

  • Nach dem grossen Eindruck den Symphonie Nr. 2 auf mich gemacht habe, war ich natürlich gespannt auf seinen Erstling. In den Jahren 1948/49 komponiert (UA 1957 durch Eugene Ormandy) und zweimal überarbeitet (1977 und 2003) strebt schon dieser Erstling gleich nach dem großen Wurf. Ganze 64 Minuten lang ist das wuchtige Werk mit 5 Sätzen, alleine der Adagiosatz von 17:32 hat Bruckner'sche Ausmaße. Vielleicht ein bisschen maßlos das Ganze, aber lieber grandios und etwas übers Ziel hinausgeschossen, als sich nicht trauen und nur Mittelmaß produzieren. Das tut er nicht. Obwohl noch weitestgehend tonal, ist dieses Stück nicht nur in seiner Länge sondern auch in seiner Modernität den meisten Kollegen voraus. Als Einflussquellen nennt Rochberg selber Stravinsky und Schönberg, es ist erkennbar eine amerikanische Musik und auch der Jazz kommt nicht zu kurz, vor allem in dritten Satz Capriccio. Und während ich beim Kollegen Bernstein die jazzigen Passagen in den Symphonien immer etwas aufgesetzt fand, gelingt es Rochberg, diese sehr viel besser als genuinen Teil zu integrieren. Der Komponist tingelte als Student und Pianist auch regelmäßig durch die New Yorker Jazzclubs. Zu dem 3. Satz sagte übrigens sein Kompositionslehrer Leopold Mannes "This is the most craziest music I have ever seen".


    Die Rochberg 1 ist nun auch angekommen und gehört. Keine leichte Kost!
    Die Boyer 1 (und die weiteren Werke) hat mir zunächst mehr Hörspass gebracht, wenn Boyer 1 auch nicht die Ersthaftigkeit der Komposition wie bei Rochberg´s Riesenwerk 52 Jahre zuvor besitzt. Rochberg klingt absolut modern für die Nachkriegszeit und ist seinen Komponistenkollegen weit voraus. Es wird von "harter Romatik" gesprochen, die mir eigendlich liegen sollte. Lutgra schreibt zwar: "weitestgehend tonal", aber es ist ein Wechselspiel zwischen tonalen und atonalen Passagen, die den Hörspass manchmal unterbrechen; dann wieder mit "Aha-Passagen" aufwarten. Eine Art von Emotionalität, die unbedingt mehrfaches Hören erfordert.
    Letztendlich ein grosses Werk des 20.Jhd, das vielleicht wegen des "crasiest music-Inhalt" erst jetzt nach der UA 1957 durch Ormandy in Saarbrücken zu einer herausragenden CD-Aufnahme führte.


    Ich finde die jazzigen Passagen bei Bernstein absolut ehrlich und deutlich dargestellt, keinesfalls aufgesetzt. Diese Passagen in Rochberg 1 als Jazz zu bezeichen, mag als "genuinen Teil integriert" in Ordnung sein, aber als Jazz nicht wirklich deutlich.



    NAXOS; 2004, DDD



    Um Boyer kompletter zu machen habe ich mir auch die SONY-Aufnahme des Violinkonzertes (1975) mit Stern / Previn zugelegt.
    Hier ist ein sehr informatives Textheft (in Deutsch !) vorhanden, die Rochbergs Wandlung von avantgardistischer Tonsprache in den früheren Zeiten bis Anfang der 70er Jahre verdeutlicht. Der Tod seines Vaters 1964 und seines Sohnes (Gehirntumor) führte zu einer kompositoreischen Kriese, die dazu führte, das sich Rochberg von der Avantgarde und dem Serialissmus frei machen wollte: "Ich realisierte, dass die Musik der alten Meister lebenidige Gegenwart war, dass ihre spirituellen Werte von der neuen Musik nicht vertrieben oder zerstört werden konnten." (Rochberg, 1973).


    Das Violinkonzert beschrieb Rochberg als "elegisch, fast schon im romantischen Geist". Es ist ähnlich wie die Sinfonie Nr.5 in (hier 5) Abschnitte eingeteilt:
    1. Introduktion
    2. Intermezzo (A)
    3. Fantasia
    4. Intermezzo (B)
    5. Epilogue


    Dauer: ~ 44 Minuten


    Die Aufnahme mit Stern/Previn von 1977 vermittelt einen sehr autentischen Charakter. Ebenfalls ist das, wie die Sinfonie Nr.1 und der hier gegebenen Tonalität kein leichter Stoff, aber letztendlich ein zumindest interessanter. Eine Ähnlichkeit und Vorbildfunktuion des Strawinsky-VC, das sich auch auch der CD befindet, kann man deutlich erkennen.



    SONY, 1977 (Rochberg), 1951 (Straw.), ADD


    Fazit: Nach der Sinfonie Nr.5, VC, Sinfonie Nr.1 und weiteren Kurzwerken auf NAXOS muss ich nun für Rochberg resümieren, dass mir die Sinfonie Nr.5 in ihrer athmosphärischen Aussagekraft und inzwischen "gesäuberten" Tonsprache mir noch am meisten entgegengekommen ist !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • An seiner zweiten Symphonie arbeitete Stephen Albert als ihn 1992 ein Autounfall tragisch aus dem Leben riss. Die Arbeit an der Symphonie war weit genug fortgeschritten um vom Komponisten Sebastian Currier vollendet werden zu können. Seine Arbeit bestand im Wesentlichen aus der Vervollständigung der Instrumentierung.
    Drei Sätze - 30 min - und als überragender Einfluss - Jean Sibelius. Dazu im ersten Satz ein Thema, das mich an eine Filmmusik erinnert, ich denke aus Howard Shore's Musik zu "Das Schweigen der Lämmer". Wer bedauert, dass Sibelius nie eine achte geschrieben hat, sollte Alberts 2. hören, ich finde sie schlicht grandios. Wie traurig, dass der Komponist nur 51 Jahre alt wurde, er hätte vermutlich noch einiges komponiert. Yo Yo Ma hat sein Cellokonzert eingespielt, darüber demnächst mehr.

  • Offensichtlich hat Naxos noch einige Überraschungen im Programm - vor allem in ihrer American Classics Serie. Obwohl die vorliegende CD schon einige Jahre alt ist, ist sie mir erst jetzt zu Ohren gekommen.


    Michael Hersch wurde 1971 in Washington D.C. geboren. Als 25-Jähriger gewann er den First Prize in the Concordia American Composers Awards. für eine "Elegy" die von Marin Alsop in New York's Alice Tully Hall 1997 uraufgeführt wurde. Alsop hat sich wie auch Mariss Jansons und Alan Gilbert für die Musik Hersch's eingesetzt. Hersch war einer der jüngsten Empfänger eines Guggenheim Fellowship in Composition und gewann auch den Rome Prize (2000), den Berlin Prize (2001) sowie die Charles Ives Scholarship (1996) und Goddard Lieberson Fellowship (2006.) Derzeit ist Hersch Head of the Department of Composition at the Peabody Institute of the Johns Hopkins University.


    Hersch's 1. Symphonie ist von 1998. Als "Doom and Gloom" bezeichnete sie der Reviewer des American Record Guide, also als "drohendes Unheil und Schwermut" und das passt. Ein 27-minütiges Adagio am Rande der Tonalität, das die düstersten Klänge von Gustav Mahler, Dimitri Schostakowitsch und Allan Pettersson aufgreift und virtuos kombiniert. Das Stück beginnt und endet eindringlich mit Totenglocken und alles was dazwischen zu hören ist, ist Musik am Abgrund, Musik der Trauer und Verzweifelung und der Hoffnungslosigkeit. Was einen 27-Jährigen bewogen haben mag, eine derartige Musik zu schreiben, kann ich nicht sagen, aber es ist eine überaus ausdrucksstarke und eindringliche Musik. Und sie zeigt ein weiteres Mal, dass die Musik von Allan Pettersson in den USA nicht nur zur Kenntnis genommen wurde, sondern offensichtlich einen eigenen Post-Pettersson-Stil begründet hat. Dies ist nicht das erste Mal, dass sich amerikanische Symphonik so eindeutig auf das Werk des Schweden bezieht. Die 2. Symphonie von Carson Kievman tut das in ganz ähnlicher Weise.

  • Die zweite Symphonie von Michel Hersch entstand 2001, also drei Jahre nach der ersten. Das Werk ist mit unter 20 Minuten etwas kompakter, die Klangwelt die gleiche, wenn auch vielleicht noch etwas dissonanter und moderner als bei der ersten. Das Stück beginnt mit einer sehr dissonanten und aggressiven Orchesterintroduktion, gegen die der Anfang von RVWs vierter Symphonie geradezu heimelig wirkt, um dann wieder in ein langgezogenes düsteres Adagio überzugehen. Die Nähe zu Allan Pettersson ist hier noch ausgeprägter als beim Erstling und viele würden vermutlich dies als eine ihnen nicht bekannte Symphonie des schwedischen Meisters identifizieren. Zum Schluß kehrt die aggressive Musik noch einmal zurück, das Stück klingt dann ruhig aus...Totenstille sozusagen.
    Ein eindrucksvolles Stücke, aber es stellt sich natürlich die Frage, ob Hersch nur diese Art von Musik kann oder ein noch reichhaltigeres Portfolio zu bieten hat. Die dritte Symphonie wurde bereits uraufgeführt, aber liegt noch nicht als Einspielung vor.

  • Du machst mir jetzt schon den Mund wässrig, lieber Kollege lutgra!


    :) Wolfgang


    PS: Die CD ist auf der Merkliste!

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

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