Fidelio/Leonore : Katja Pieweck
Florestan : Stephen Gould
Marzelline : Katerina Tretyakova
Jaquino : Chris Lysack
Rocco : Wilhelm Schwinghammer
Pizarro : Robert Bork
Don Fernando : Jan Buchwald
Philharmoniker Hamburg und Chor der Staatsoper Hamburg unter der musikalischen Leitung von Jun Märkl;
Inszenierung und Dialogfassung Hans Neuenfels, Bühnenbild und Kostüme Reinhard von der Thannen.
(24.Vorstellung seit der Premiere am 04.04.2004)
Nachdem uns mit Sven Godenrath ein fleissiger Beobachter der Hamburger Opernszene verlustig gegangen ist, will ich mich selber wieder mehr in die Pflicht nehmen und - sofern es die knapp bemessene Zeit erlaubt - etwas häufiger aus der Hansestadt berichten:
"Das Böse hat wie immer verloren. Das Gute hat wie immer gesiegt.", so ist am Ende in einer Projektion auf den Bühnenvorhang und auch auf der Titelseite des Programmheftes zu lesen. - Aber worin besteht eigentlich der Sieg des Guten in Beethovens einziger und im Standardrepertoire großer Häuser vielleicht politischten Oper? Dem leichten Unbehagen, welches einen am Schluß bisweilen umfängt, ist schon in diversen Inszenierungen Rechnung getragen worden; für einen Überblick vergleiche man hierzu etwa den entsprechenden Abschnitt bei Wikipedia(zuletzt aufgerufen am 16.02.2014). Der Schwerpunkt der Inszenierung von Hans Neuenfels hingegen verortet sich weniger in der politischen Aussage des Werkes als sogenannte Freiheitsoper. Vielmehr stellt er das komplizierte Beziehungsgeflecht der verschiedenen, handelnden Personen in den Vordergrund. Allen voran natürlich das Paar Leonore / Florestan, welches nicht nur singend, sondern auch (in pantomimischer Form) als junges, liebendes, gemeinsam füreinander einstehendes und auch kämpfendes Paar auftritt. Die "Schlusspointe" besteht dann darin, dass sich Florestan (umgeben von Marzelline, Jaquino und Rocco) geschwächt und an den Rollstuhl gefesselt auf der einen Bühnenseite findet, während Leonore auf der anderen Seite steht: Was soll sie, die starke, emanzipierte und freiheitsliebende Frau noch mit einem Mann, der durch die lange und schwere Kerkerhaft gezeichnet, nur noch eine leere Hülle zu sein scheint? Diese Entwicklung war absehbar, spätestens, als sich beide in Abendgardrobe mit Notenpult zum Duett der "namenlosen Freude" nebeneinander auf die Bühne stellten. Und auch das Verhältnis des anderen Paares Marzelline und Jaquino bleibt ungeklärt: Da ist am Ende kein Moment des sich hingebens, weil der andere Mann, der sich als Frau entpuppt, nicht erreichbar ist.
All dies ist natürlich nicht vergleichbar mit der durchaus reduzierten, aber im Wesentlichen klassischen Fernsehproduktion aus 1968 von Günter Rennert, die ich noch am Abend zuvor angeschaut hatte:
Und trotzdem bleibt auch Neuenfels am Text. Die Dialoge kommen zwar aus dem off, werden aber neben einem Erzähler von verschiedenen Personen gesprochen und entsprechen weitestgehend dem Original. Und auch am Bühnengeschehen werden keine Veränderungen, Uminterpretationen o.ä. vorgenommen. Einzig im Grabduett nimmt sich Neuenfels eine Freiheit und läßt Rocco seine Angst und seinen Zwiespalt im Alkohol ertränken, so dass Fidelio nicht helfen muss, den schweren Stein zu heben, sondern dem betrunkenen Rocco, wieder auf die Beine zu kommen. Vermutlich dürfte diese Änderung des Textes kaum einem aufgefallen sein, zudem sie absolut schlüssig wirkt.
Was also als gelungene Regietheater-Inszenierung (mit im Übrigen ausreichend spanischem Ambiente in Bühnenbild und Kostümen) bezeichnet werden kann, wurde durch meistenteils ausgezeichnete musikalische Leistungen unterstrichen:
Nochmals allen voran wieder Katja Piewecks Fidelio / Leonore und Stepehn Goulds Florestan. Frau Pieweck reüssiert in Hamburg immer mehr als hochdramatischer (Mezzo-)Sopran, wobei sie sich ihre Kräfte an diesem Abend sehr gut einteilte. Von einem störenden Vibrato, welches ich ihr vor einiger Zeit noch "ankreidete" (siehe hier), ist inzwischen nichts mehr zu hören. Als Gast des Abends (alle anderen Rollen wurden aus dem inzwischen durchaus beachtenswerten Hausensemble bestritten) trat der amerikanische Tenor Stephen Gould auf, der für eine Lohengrin- und eben diese Fidelio-Serie an die Alster gereist war. Schon sein Lohengrin hatte für einiges Aufsehen gesorgt, so dass ich an diesem Abend sehr gespannt war. Und tatsächlich: Gleich sein "Gott! welch' Dunkel hier!" hat mich quasi in den Sitz gedrückt. Leider konnte er die Form nicht ganz wahren, und viel dann insbesondere gegen Katja Pieweck etwas ab. Genau andersherum Robert Bork als sehr böse, aber auch ein wenig tuntig aussehender Pizarro: Hier hätte man sich zu Beginn ("Ha! Welch ein Augenblick!") die Bosheit und Durchschlagskraft in der Stimme gewünscht, zu der er im zweiten Akt gelangt ist. Eine "Bank" dafür sein Vorgesetzter Don Fernando gesungen von Jan Buchwald. Vielleicht einzige wirkliche Schwäche des Abends war Chris Lysack, dessen Jaquino neben einer dominant auftretenden und in schönsten Spitzentönen singenden Katerina Tretyakova als Marzelline, sowie ihrem Vater Rocco (Wilhelm Schwinghammer) etwas unterging.
Die musikalische Leitung oblag an diesem Abend Jun Märkl, der es verstand, mit den Philharmonikern Hamburg ausgesprochen differenziert zu musizieren. Da waren kein "kiecksen" in den Bläsern oder etwaig andere falsche Intonationen auszumachen.