Die "Hungarian Connection" - Wer war der Beste?

  • In der letzten Zeit kamen immer wieder Diskussionen über jene ungarischen Exildirigneten auf, die als Gruppe oft als "Hungarian Connection" bezeichnet werden. Meines Wissens zählen dazu George Szell, Fritz Reiner, Eugene Ormandy, Georg Solti und Antal Doráti. Alle fünf, vielleicht Doráti am wenigsten, haben eifrige Bewunderer. Welchen der vier sieht sieht Ihr als den bedeutendsten an? Was haben Sie gemeinsam und was nicht?

  • Das ist ja mal wirklich ein geniales Thema, lieber Felix!


    Welcher ist der bedeutendste der fünf? Kann man das objektiv sagen? Ich mache doch einige Unterschiede aus. Womit wir bei Frage Nr. 2 wären. Gemein ist ihnen der packende Zugriff, die Genauigkeit, die Strenge. Fritz Reiner war wohl der Extremste, was "Orchesterzucht" angeht, aber Szell war ja auch berüchtigt, soviel ich weiß. Der Dirigierstil Reiners war in den mir bekannten Videos sehr nüchtern (fast an Richard Strauss erinnernd), wogegen Solti hier das krasse Gegenteil darstellt: Da musste das Orchester ja fast schon mitgehen, selbst im hohen Alter ein sehr effektvolles Dirigat.


    Das Repertoire war wohl auch nicht gleich. Alle dirigierten sie Beethoven und Mahler, aber Bruckner wäre mir von Reiner und Doráti nicht bekannt. Sibelius machten nur Ormandy und Szell. Doráti war ja ein großer Haydn-Spezialist, Szell und Reiner nahmen ein paar Symphonien auf, Ormandy m. W. nicht. Das könnte man jetzt für alle Komponisten durchexerzieren.


    Abschließend noch ein paar bemerkenswerte Aufnahmen der vier aus meiner Sicht:


    Szell: Beethovens Fünfte (Salzburg), Sibelius' Zweite (Tokio)
    Reiner: Beethovens "Pastorale", Schumanns Zweite
    Ormandy: Sibelius' Tondichtungen, Tschaikowskijs Ouvertüre "1812"
    Doráti: Smetanas "Má vlast", Haydns Symphonien

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Gemein ist ihnen der packende Zugriff, die Genauigkeit, die Strenge.


    So sehe ich das auch, obwohl Gombert nicht ganz zu Unrecht meint, dass Ormandy schon weniger präzise dirigiert als Reiner oder Szell. Was mir bei allen auffällt, ist eine relativ schwache Affinität zu Beethoven (obwohl es von Solti und Szell jeweils Gesamtaufnahme gibt) und ein tendentiell größeres Interesse an Mozart und, vor allem, Haydn (Doráti, Szell). Leider kenne ich von Reiner und Doráti relativ wenig, aber bei Ormandy fällt mir ein gerütteltes Maß an Musikantentum und Emotionalität auf. Angeblich war Oistrakh ganz begeistert von Ormandys Tschaikowski (4. Symphonie). Ob da Reiner oder Szell auch reüssiert hätten, lasse ich mal dahingestellt. Alle haben Bartók aufgenommen, Reiner und Szell wohl nur aus Patriotismus, da wesentlich konservativer als Ormandy, Solti oder Doráti. Eigentlich müsste man Fricsay auch irgendwie dazuzählen, aber der war kein Exildirigent im eigentlichen Sinne.

  • Vom Dirigierstil her würde Fricsay sich tatsächlich gut einfügen lassen. Bei ihm habe ich immer besonders seinen Mozart geschätzt. Klassiker wie die "Aus der Neuen Welt" und Les Préludes natürlich nicht zu vergessen.


    Ormandy scheint tatsächlich der "Schwelgerischste" der fünf gewesen zu sein. Wird irgendwie auch aus seinem Repertoire ersichtlich. Den anderen war Sibelius wohl zu kitschig (mal ausgenommen Szell, der immerhin die Zweite öfter dirigierte), ein Vorwurf, den ich übrigens gar nicht nachvollziehen kann. Seine Sibelius-Aufnahmen genießen in den USA teilweise Kultstatus, und in einem sehr ausführlichen Vergleichstest wurde die 2. Symphonie von 1957 zur Siegerin gekürt.


    Trotzdem erscheint auch Ormandy im Vergleich mit "Romantikern" wie Knappertsbusch oder Furtwängler geradezu nüchtern, von Solti und Szell ganz zu schweigen, die Sergiu Celibidache wohl als seelenlose Taktschläger bezeichnet hätte (wenn er es nicht eh getan hat :D).

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    – Luís de Camões

  • [Was mir bei allen auffällt, ist eine relativ schwache Affinität zu Beethoven (obwohl es von Solti und Szell jeweils Gesamtaufnahme gibt) und ein tendentiell größeres Interesse an Mozart und, vor allem, Haydn (Doráti, Szell).


    Eine gewagte Aussage, lieber Felix.


    Auch von Ormandy gibt es eine Gesamtaufnahme:



    Von Fritz Reiner sind einige (aber wohl nicht alle) Beethoven-Sinfonien erhältlich, Sir Georg Solti hat zwei Gesamtaufnahmen und von verschiedenen Beethoven Sinfonien mehr als zwei Aufnahmen veröffentlicht.


    Die wichtigste Gemeinsamkeit der Dirigenten dürfte sein, daß sie maßgeblich das musikalische (Orchester-)Leben im 20. Jahrhundert der USA mit prägten.


    Fritz Reiner war von 1953-63 Chefdirigent des Chicago Symphony Orchestra, Sir Georg Solti von 1969-1991, Eugene Ormandy war von 1938-1980 Chefdirigent des Philadelphia Orchestra, und George Szell stand von 1946-1970 dem Cleveland Orchestra vor. Antal Dorati wirkte von 1945-1948 beim Dallas Symphony Orchestra und von 1949-1960 beim Minneapolis Symphony Orchestra. Später dann wirkte er noch beim National Symphony Orchestra in Washington, D.C. (1970–77) und beim Detroit Symphony Orchestra (1977–81).

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Der Ormandy-Beethoven-Zyklus hat durchaus einige Highlights. Es gibt auch von Doráti eine Beethoven-Gesamtaufnahme (Royal Philharmonic Orchestra, Mitte 70er, auf Deutsche Grammophon). Schwer erhältlich und klanglich nicht sehr zufriedenstellend. Theoretisch gibt es auch von Reiner eine solche Gesamtaufnahme, wenn man bei den Symphonien Nr. 4 und 8 auch auf Live-Aufnahmen zurückgreifen muss.


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    – Luís de Camões

  • Fricsay


    Nur hatte der leider mit großem Abstand die kürzeste Karriere von denen... ;(

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    (Bob Dylan)

  • Mit Reiner gibt es meines Wissens alle Beethoven-Sinfonien außer 4 und 8. Die 2. allerdings nur in einer älteren Aufnahme aus Pittsburgh.


    Dorati ist für mich vom Repertoire her beinahe der Interessanteste. Bartok fast vollständig, legendäre Stravinsky, Prokofieff, Tschaikowsky-Ballette u.a. Vergleichsweise Raritäten wie Tschaikowskys Orchestersuiten und natürlich sämtliche Haydn-Sinfonien. Letzteres eine Pionierleistung, die man nicht unterschätzen sollte, weil etwa 40 Jahre danach hier größtenteils überzeugendere Alternativen vorliegen.


    Meinem Eindruck nach ist Ormandy, von dem ich kaum eine Aufnahme kenne, von den genannten derjenige, bei dem die Diskrepanz zwischen seinem Ruf zu Lebzeiten in den USA und der heutigen Präsenz sowohl auf dem Plattenmarkt wie zB auch hier im Forum am stärksten ist. Über Jahrzehnte waren Ormandy und der "Philadelphia Sound" eine Marke wie in Deutschland Karajan/Berlin, mit einem auf orchestralem Gebiet eher noch breiteren Repertoire, wenn auch den Schwerpunkten eher in Spätromantik und klassischer Moderne.
    Nachdem RCA/BMG und Sony/CBS alles ein Topf sind, gibt es zwar vielleicht ein paar billige Ormandy-Boxen, aber dann natürlich oft nur eine von unterschiedlichen Einspielungen eines Werks, insgesamt nicht annähernd vergleichbar mit den drei Bernstein-Kollektionen, die es in den letzten 20 Jahren gegeben hat.

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  • Alle fünf waren große Richard Strauss-Dirigenten, allen voran Fritz Reiner bei den Orchesterstücken und Georg Solti bei den Opern.
    Und allen lag Bartok am Herzen.


    Reiner, Szell und Solti haben sich später für die zeitgenössische Musik nicht mehr eingesetzt, Dorati (z.B. bei Allan Pettersson) und Ormandy (z.B. bei Schuman, Persichetti) schon.


    Wenn ich sie bezüglich ihrer Bedeutung in eine Reihe setzen müsste, würde die lauten: Solti - Szell - Reiner - Dorati - Ormandy. Das ist aber meine völlig subjektive Reihung und (fast) jede andere wäre genauso begründbar.

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Danke, lieber Felix Merites, für diesen thread ^^ !


    Beethoven hat die "H.C." in der Tat reichlich eingespielt, wobei Reiner, Dorati (bes. mit dem LSO) und Szell t.w. wirklich exzellente Leistungen geliefert haben. Wenn Szells Haydn und Mozart seinen Beethoven noch übertrifft, dann doch wegen seiner mMn besonders herausragenden Aufnahmen in diesem Bereich. Soltis zwei Beethoven-GA sind solide, aber es mangelt sehr an "spirit". Ormandys Beethoven kenne ich nicht und würde dies auch nur um dieses threads willen ändern wollen. Mein Vorurteil: Ormandy kann Barber besser als Beethoven.


    Dies wahr ja wohl auch ein Ausgangspunkt unserer Debatte: Ormandy scheint mir nicht ganz in die Reihe Reiner, Szell, Dorati zu passen. Das vielzitierte Motto "Ausdruck durch Präzision" war sicherlich nicht Ormandys. Vermutlich wollte Ormandy den von Stokowski so sorgfältig aufgebauten süffigen Philadelphia-Sound nicht zerstören und hat sich ein dafür geeignetes Repertoire angeeignet. Szell wäre an dieser Position schwer vorstellbar. Der typische CBS-Klang verstärkt noch den ohnehin etwas "plüschigen" des Orchesters, der mir für Haydn, Beethoven und, ja, auch Mendelssohn nicht sehr geeignet scheint. Letzterer leidet m.E. schön zu häufig an verfetteten spätromantisierenden Auffassungen, ist diesbezüglich empfindlich, zumal Mendelssohns Sinfonien ja ohnehin nicht seine stärksten Werke sind. Das ist selbstverständlich eine sehr subjektive Auffassung. Unter den "saftig-musikantischen" Einspielungen der "Italienischen" überzeugen mich Stocki und vielleicht sogar Masur (der v.a. in der zweiten Einspielung den wesentlich besseren Klang für sich hat) mehr.


    Ormandy schwankt etwas lau zwischen diesen Idealen, wobei auch (als potentiell dritte Möglichkeit) kein Eindruck von Unprätentiosität - wie z.B. bei Kempe - entsteht. Ich kenne leider, ganz unabhängig von Repertoireunterschieden, keine einzige Aufnahme Ormandys, die mich rundum überzeugen würde. Szell (Haffner-Sinfonie), Fricsay (2.BrahmsKK) oder Reiner (Konzert für Orchester, falls dies eine patriotische Pflichttat gewesen sein sollte, hätten wir zu wenig davon :pfeif: ) vermögen mich zu begeistern, ebenso Etliches von Solti und Dorati. Ormandy? Sein berühmter Petrouchka scheint mir beinahe eine Stokowski-Kopie zu sein. Die Sibelius 2 verdankt ihren Ruhm wohl der Stellung als erster Stereoaufnahme, ansonsten gibts Berglund, Garaguly, Vänskä, Bernstein, Szell... . Auch für Bartok gilt ähnliches. Ich lasse mich aber gerne bekehren...


    Da mir Ormandys Zugehörigkeit zu einer [US-] "Hungarian Connection" als überkonstruiert erscheint, noch eine weitere Überlegung. Szell, Reiner, Dorati, und eigentlich auch Solti haben ihre ersten Karierreschritte im deutschsprachigen Raum begonnen (Reiner war sogar acht Jahre lang Dirigent des traditionsreichsten deutschen Orchesters, Szell ist zudem quasi als Österreicher aufgewachsen), Ormandy hatte diese Verbindung m.W. nicht. Eine daraus folgende These wäre allerdings auch überkonstruiert ;)

  • Ich hätte nicht gedacht, dass ich mal Ormandy verteidigen müsste; meinte, der hätte das nicht nötig. Aber man merkt halt wieder, dass wir kein amerikanisches Klassikforum sind. ;)


    Die Sibelius Zweite ist nicht nur wegen ihrer Pionierstellung als erste Stereoaufnahme so berühmt, sondern auch, weil sie tatsächlich eine hervorragende Einspielung ist. Die Neuauflage von 1972 ist auch sehr gut, leidet aber an seltsamer Übersteuerungstendenz (nicht nur ein Fehler meiner CD, wie ich bei einer digitalisierten Schallplatte feststellen musste). Ich kann mich nur wiederholen: Ormandy ist ein toller Interpret von Sibelius im Allgemeinen. Das gilt besonders auch für die Vierte und die Siebte sowie etliche andere Orchesterwerke (En Saga, Pohjolas Tochter, Der Schwan von Tuonela, Finlandia, Karelia-Suite, Valse triste). Der Komponist schätzte den Dirigenten außerordentlich und empfing ihn als einen der ganz wenigen bis kurz vor seinem Tod, als er sich längst aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hatte. Ich meine mich zu erinnern, dass auch eine Musiker des Philadelphia Orchestra in den 50er Jahren eine "Audienz" erhielten und Sibelius ihnen dankte, dass sie vor Jahrzehnten eine US-Uraufführung (welches Werk war das gleich?) zustande gebracht hatten.


    Denke ich an den "Philadelphia Sound", so ist dieser zurecht legendär. Die Blechbläser waren zu Ormandys Zeiten eine Marke, wie jene in Chicago. Es mag stimmen, dass sich dieser spezifische Klang eher für (spät-)romantische Werke eignete (Sibelius, Tschaikowskij u.v.a.), doch würde ich nicht soweit gehen und behaupten, Ormandys Beethoven z. B. wäre belanglos.

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    – Luís de Camões

  • Zitat

    Dorati ist für mich vom Repertoire her beinahe der Interessanteste. Bartok fast vollständig, legendäre Stravinsky, Prokofieff, Tschaikowsky-Ballette u.a. Vergleichsweise Raritäten wie Tschaikowskys Orchestersuiten und natürlich sämtliche Haydn-Sinfonien. Letzteres eine Pionierleistung, die man nicht unterschätzen sollte, weil etwa 40 Jahre danach hier größtenteils überzeugendere Alternativen vorliegen.


    ... was noch immer nicht für einige der Opern gilt, ebenfalls ein mir sehr sympathischer "Liebesdienst" an Haydn. Dorati war sicherlich der aufgeschlossenste der "H.C.", auch bei abgelegenem Repertoire, die Aufnahme der 7. Sinfonie ist ja - wie lutgra andeutete - ein Kultobjekt der Petterssohnisten. Allerdings konnten seine genannten Kollegen bessere Orchester übernehmen b.z.w. aufbauen.

  • Gemein ist ihnen der packende Zugriff, die Genauigkeit, die Strenge.


    Das würde ich schon bei Dorati nicht unterschreiben - genau ja, aber niemals(?) streng - und für Ormandy gilt das schon gar nicht. Eher noch für den hier fehlenden Fricsay.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Sibelius von Ormandy. Die Sinfonien überzeugen mich nur begrenzt, die 4. vertrüge m.E. mehr (Trenn-)Schärfe, bei der 7. denke ich beim Stichwort "berühmter historischer Ostküstendirigent " ;) eher an Kusewitzki. Doch werde ich Eurer Empfehlung hinsichtlich der Tondichtungen folgen, geschätzter Imperator!


    Beste Grüße !


    PS: Eine "Szellnahe" Ormandy-Aufnahme existiert doch: Brahms Doppelkonzert mit Heifetz und Feuermann von, falls ich recht entsinne, 1939. Entweder war Ormandy da noch etwas hungarianischer veranlagt, oder die Solisten haben ihn getrieben...

  • Schauen wir uns mal die Wagner-Dirigenten an.


    Reiner hat einiges an Orchesterausschnitten eingespielt; bis heute referenzträchtig, wenn man diesen Zugang bevorzugt. Seine Wiener "Meistersinger" von 1955 sind ebenfalls sehr gelungen. Dann gibt's noch den historischen "Tristan" von 1936.


    Solti hat den Bayreuther Kanon komplett eingespielt. Manches ist hervorragend gelungen ("Tannhäuser", tlw. "Ring"), anderes wird eher kritisch beäugt ("Lohengrin", "Der fliegende Holländer", "Die Meistersinger"). Vorbehaltlos empfehlenswert aus meiner Sicht nur der "Tannhäuser". Schon beim legendären "Ring" einige Kritikpunkte von meiner Seite, gerade auch das Dirigat betreffend (ich kann es halt nicht verleugnen, dass bei Wagner Kna meine Referenz ist).


    Von Doráti gibt es einen "Fliegenden Holländer". Den kenne ich allerdings als eine der wenigen berühmten Wagner-Einspielungen gar nicht.


    Szell ist mir als Wagnerianer nicht wirklich geläufig. Offenbar existiert aber ein Mitschnitt des "Tannhäuser" sowie eine Einspielung einiger Ouvertüren und Vorspiele. Ich habe dunkel einen Mitschnitt des "Meistersinger"-Vorspiels im Kopf, der recht ansprechend klang.


    Bleibt Ormandy (mal wieder). Auch der war offenbar als Wagner-Dirigent tätig, wie ich grad feststelle. Es gibt auch hier Ouvertüren und Vorspiele sowie Auszüge aus dem "Ring". Na sowas.

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    – Luís de Camões

  • Szell ist mir als Wagnerianer nicht wirklich geläufig. Offenbar existiert aber ein Mitschnitt des "Tannhäuser" sowie eine Einspielung einiger Ouvertüren und Vorspiele. Ich habe dunkel einen Mitschnitt des "Meistersinger"-Vorspiels im Kopf, der recht ansprechend klang.


    Szell wirkte etliche Jahre an der Met sehr nachhaltig im Wagner-Fach. Überliefert sind nach meinem vorläufigen Kenntnisstand als im Radio übertragene Mitschnitte aus diesem Haus Gesamtaufnahmen von "Tannhäuser" 1942 und 1954, "Meistersinger" 1945 und "Walküre" 1944.


    Von Reiner hat sich noch mehr erhalten: Neben den Wiener "Meistersingern" noch komplette Mitschnitte aus der Met von 1952 und 1953, "Holländer" aus der Met von 1950, nicht komplett aus London von 1937, "Parsifal" in Szenen aus London von 1937 und ein zweiter Aufzug der "Walküre" aus San Francisco von 1936. Immer waren die Vorstellungen sehr hochkarätig besetzt, was auch ein Indiz dafür ist, dass Reiner als einer der führenden Wagner-Dirigenten seiner Zeit galt. Leider ist die Klangqualität nicht immer geeignet, sich ein vollständiges Bild zu gewinnen. Sein packender Zugriff ist aber immer zu vernehmen.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Reiner, Szell und Solti haben sich später für die zeitgenössische Musik nicht mehr eingesetzt, Dorati (z.B. bei Allan Pettersson) und Ormandy (z.B. bei Schuman, Persichetti) schon.


    Darf ich da einige Ergänzungen anbringen? Szell hat sich durchaus auch in seinen späten Jahren für zeitgenössische Musik eingesetzt. Belegt ist das vor allem durch seine Mitwirkung bei den Salzburger Nachkriegsfestspielen. Er dirigierte dort 1954 "Penelope" von Rolf Liebermann, 1955 "Die irische Legende" von Werner Egk, und 1957 "Die Schule der Frauen" ebenfalls von Liebermann. Alle drei Aufnahmen kann ich sehr empfehlen. Sie klingen für mein Dafürhalten deshalb allesamt sehr "gnädig", weil sie aus dem Geist von Mozart zu kommen scheinen. Szell tut keinen Widerspruch auf zwischen den Klassikern und zeitgenössischen Komponisten. Allerdings war aus lutgras Beitrag nicht ganz ersichtlich, was er unter "später" versteht. Ich würde die genannten Jahreszahlen angesichts der Tatsache, dass Szell 1970 gestorben ist, durchaus als "später" verstehen.



    Ormandy ist zumindest noch 1970 für Penderecki ins Studio gegangen und Solti hat auch in seinen späten Jahren noch Strawinsky und Schoenberg eingespielt.


    Ja, auch ich finde, dass das ein schöner Thread ist. Darauf muss man erst einmal kommen. Mit war die "Hungarian Connection" gar nicht bekannt. Auf jeden Fall hätte ich - wie Theophilus - auch Fricsay dazu gezählt. Der rundet das Bild ab, und es würden sich noch mehr Gemeinsamkeiten ergeben.


    Gruß Rheingold

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  • Ein "ungarischer Exildirigent" war auch Ernst (Ernö) von Dohnányi, nur dass sein Exil erst später begann. Nahezu 30 Jahre lang war er der wichtigste Konzertdirigent der ungarischen Hauptstadt (unabhängig davon, wer gerade an der Macht war), bevor er 1945 aus Angst vor der heranrückenden "Roten Armee" Ungarn Richtung Westen verließ und fortan in Ungarn als Verräter geächtet wurde. Er dirigierte zwar auch noch in Amerika, konnte aber an seine frühere herausragende Bedeutung in seiner Heimat nicht mehr anknüpfen.


    Gibt es irgendwelche Aufnahme von Ernst von Dohnányi als Dirigent? Mir sind leider keine bekannt. Es gibt aber natürlich Aufnahmen seiner Kompositionen, darunter echte Schätze. (Sein Konzertstück für Cello und Orchester liebe ich zum Beispiel sehr.)
    Dadurch, dass er als Dirigent nicht wirklich durch Aufnahmen präsent ist, kann man ihn als Dirigenten schwer einschätzen, sind Szell, Reiner und Solti vielleicht mit Recht berühmter, aber zumindest unter den genannten "ungarischen Exildirigenten" scheint er mir doch der bedeutendste Komponist zu sein. :)

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Es gibt anscheinend eine ganze Reihe von Aufnahmen mit E. v. Dohnanyi als Pianist, aber als Dirigent habe ich auf die Schnelle keine gefunden.
    Dorati hat auch komponiert, aber davon kenne ich nichts...


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  • Szell hat sich durchaus auch in seinen späten Jahren für zeitgenössische Musik eingesetzt.

    Völlig richtig, habe ich übersehen, sorry.



    Solti hat auch in seinen späten Jahren noch Strawinsky und Schoenberg eingespielt

    Die zähle ich jetzt dann aber nicht zu den "Zeitgenössischen", dann eher noch den späten Schostakowitsch, für den sich Solti zum Lebensende hin auch eingesetzt hat.



    Szell ist mir als Wagnerianer nicht wirklich geläufig.

    Es gibt eine hinreissende Aufnahme der Orchesterstücke aus dem Ring.


  • Ehrlich gesagt war ich nie ein Fan von einem der Genannten - Ferenc Fricsay vielleicht ausgenommen, was allerdings aber auch mit der Ton- und Pressqualität ihrer Label zusammenhängt.
    Fricsay wurde ja von der DGG (Prof. Elsa Schiller) als "Universaldirigent" entdeckt - erst auf Grund seiner tödlichen Erkrankung wurde er allmählich durch Karajan ersetzt.
    Fricsays Aufnahme der "Moldau" gilt als legendär, ähnliches würde ich über seine "Jupitersinfonie" sagen und auch Dvoraks "Aus der neuen Welt" ist ziemlich konkurrenzlos.


    George Szell dirigiert einen interessanten, weil sehr strengen Mozart und ebensolchen Haydn. Ich nehmen diesen Thread zm Anlass meine einzige CD mit Haydn Sinfonien unter seinem Dirigat durch die 4 CD Kassette zu ersetzen.....


    Von Fritz Reiner habe ich meines Wissen keine einzige CD.


    Georg Solti habe ich nie besonders gemocht - als besonders mittelmäßig empfand ich seine Aufnahmen von Werken der Wiener Klassik. Wo er stark gewesen sein soll lag indes nicht mein Hauptinteresse. Aber er hatte natürlich auch Pluspunkte zu verbuchen, so zum Beispiel die Aufnahmetechnik seines Labels "Decca". Er war - zumindest empfand ich es so - ein "unruhiger " Dirigent, was allerdings gewissem Repertoire durchaus angemessen war. Interessant war, daß er - zu Lebzeiten oft in einem Atemzug mit Karajan genannt - sofort nach seinem Tod eher in Vergessenheit geriet.


    Antal Doratis Haydn hinterliess bei mir einst keinen nachhaltigen Eindruck - allerdings seine CD mit Werken von Copland schon.

    Eugene Ormandy
    - ich kenne kaum etwas von ihm und kann mich deshalb hier nicht äussern...


    Diese Einseitigkeit ist zum einen dadurch zu erklären, daß in meiner Jugend die Deutsche Grammophon am heimischen Markt viel besser vertreten war als amerikanische Labels. Letztere hatte oft eine knisternde und relativ stark rauschende Klanqualität - solchen Aufnahmen bin ich damals ausgewichen...


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Mit war die "Hungarian Connection" gar nicht bekannt. Auf jeden Fall hätte ich - wie Theophilus - auch Fricsay dazu gezählt. Der rundet das Bild ab, und es würden sich noch mehr Gemeinsamkeiten ergeben.


    Das könnte/kann man sicherlich machen, bloß hätte man dann keine "hungarian connection" mehr, sondern "ungarische Dirigenten nach dem 2. Weltkrieg". Das wäre sicherlich auch ein spannender Thread, bloß war die "hungarian connection" so bekannt wegen des Wirkens und der teilweise jahrzehntelanger Leitung und Prägung bekannter Orchester in den USA.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


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  • Ich denke, dass man bei den emigrierten ungarischen Dirigenten Istvan Kertesz nicht vergessen sollte.


    Er wurde 1929 in Budapest geboren, war Schüler von Kodaly und leitete lange Zeit die Budapester Oper. Nach dem ungarischen Volksaufstand verließ er 1956 Ungarn und ging zunächst in die Bundesrepublik Deutschland, wo er von der Augsburger, dann von der Kölner Oper engagiert wurde. Seine eigentliche Glanzzeit war die als Chef des London Symphony Orchestra.


    Aus seinem Schaffen ist besonders die Gesamtaufnahme der Sinfonien von Dvorak zu erwähnen, wobei die Gestaltung der Neunten ("Aus der Neuen Welt") zu den besten überhaupt gehört:




    Liebe Grüße


    Portator

  • Norbert hat Recht, denn ich habe mich ausschließlich auf die ungarischen Dirigenten, die in die USA emigrierten bezogen. Und da fällt Fricsay, obwohl er natürlich denselben Background hat wie die anderen, nicht darunter. Kertész noch weniger, da er auch noch einer anderen Generation angehört (auch András Schiff und Zoltán Kocsis sind Kodály-Schüler). Der Begriff "Hungarian Connection" existiert übrigens meines Wissens auch für in die USA emigirerte ungarische Naturwissenschaftler (John von Neumann, Edward Teller, etc..).
    Ich habe leider zu wenige Aufnahmen dieser Dirigenten, um eine sinnvolle Reihung aufstellen zu können. Vielleicht kann man Ormandy tatsächlich nicht mit Reiner, Szell (und Fricsay) in eine Reihe stellen, aber ich denke Gombert nimmt ihn schon sehr hart ran. Diverse Einspielungen romantischer Konzerte (Mendelssohn und Saint-Saens) haben für mich zumindest Co-Referenzsstatus, was natürlich auch an den beteiligten Solisten liegt. Isaac Stern und Rudolf Serkin waren fantastische Mendelssohninterpreten und Philippe Entremont hat seinen Saint-Saens unvergleichlich gut in den Fingern. Auf jeden Fall muss man Ormandy zu der "Connection" zählen, denn er leitete die Uraufführung Bartóks 3. Klavierkonzerts. In 1945 war allen ungarischen Musikern klar, das Bartók der größte ungarische Komponist der Geschichte ist.
    Auffällig finde ich, dass zumindest Szell, Reiner und Ormandy relativ wenig Überschneidungen beim eingespielten Repetoire haben. Und vielleicht ist hier der Begriff "Connection" gewissermaßen grechtfertigt, in dem Sinne, dass man sich nicht all zu sehr in die Quere kommen wollte? Sibelius, Tschaikowski, Mendelssohn: hauptsächlich Ormandy; Strauss, Mozart: hauptsächlich Reiner; Schumann, Haydn: hauptsächlich Szell; (Mahler, Wagner: hauptsächlich Solti). Doráti, passt allerdings nicht so gut in das Schema, da er wohl der vielseitigste der fünf war. Leider ist von ihm vieles nicht mehr so einfach erhältlich. Ich selbst besitze nur seine Einspielung von Bartóks "Herzog Blaubarts Burg" und die finde ich ganz hervorragend.

  • Die Diskographie von Ormandy, Solti und Dorati ist riesig. Allerdings ist meinem Eindruck nach im CD-Zeitalter Solti mit Abstand am besten repräsentiert gewesen. Den Opernbereich kann man bei den anderen ja beinahe vernachlässigen, da es nur sehr wenige Studioaufnahmen gibt, soviel ich weiß. (Und Doratis Haydn-Opern sind wieder so ein Bereich, auf dem es zwar keine Konkurrenz gibt, aber auch wenig Ruhm zu erwerben ist).


    Wie gesagt, kenne ich von seinen Aufnahmen auch kaum etwas, aber Ormandy hat zB zweimal die kompletten Tschaikowsky-Sinfonien aufgenommen, die bekannteren noch häufiger. Davon ist vieles, besonders ältere Mono-Alternativen aber kaum auf CD erschienen. Dann Sibelius, alles Mögliche aus dem 20. Jhd. Es gibt sogar Barockkonzerte mit den Solobläsern des Philadelphia Orchestra usw.
    Dorati war halt nie Chef eines der ganz großen Orchester; angesichts dessen ist aber vielleicht noch erstaunlicher, dass er so viel Standardrepertoire eingespielt hat, hauptsächlich bei Mercury, in den 1980ern gibt es noch einige spektakuläre Aufnahmen aus Detroit (Stravinsky, Copland)

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  • Dorati war halt nie Chef eines der ganz großen Orchester; angesichts dessen ist aber vielleicht noch erstaunlicher, dass er so viel Standardrepertoire eingespielt hat, hauptsächlich bei Mercury, in den 1980ern gibt es noch einige spektakuläre Aufnahmen aus Detroit (Stravinsky, Copland)


    Leider scheint es ja noch keine vollständige Diskographie im Netz zu geben. Aber es wird berichtet, dass Dorati ab 1934 in über 50 Jahren über 600 Einspielungen gemacht haben soll. Er ist damit einer der produktivsten Dirigenten der Plattengeschichte...

    Ciao


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  • Dorati war einer der Hausdirigenten von Mercury. Da hat er sowohl klassisch-romantisches Standardrepertoire, wie auch "orchestral spectacular" (1812 mit Kanonen, Respighi, Rimsky etc.) und klassische Moderne (Bartok, Stravinsky, Prokofieff etc.) eingespielt, dazu war er auch oft als Begleiter (Janis, Szeryng, Starker u.a.) tätig.
    Ein Teil davon wurde mehrmals eingespielt (mono/stereo) bzw. dann später noch einmal digital für Decca (dort auch Strauss-Tondichtungen und, was mir ganz neu war, "Die ägyptische Helena")


    Dann Haydns Sinfonien, Opern, Oratorien. Interessanterweise scheint es keine einzige Mozart-Aufnahme zu geben oder sie sind nicht erhältlich.


    Ich weiß bei solchen Angaben wie 600 Aufnahmen nicht, ob Werke oder Platten gezählt werden. Vor 10 Jahren oder so las ich mal, dass Neeme Järvi oder Marriner zu den Dirigenten mit der umfangreichsten Diskographie zählen würden. Vielleicht war da aber auch die Breite gemeint, sonst müssten Karajan und Solti eigentlich auch da angesiedelt sein, nur haben die eben mehr Repertoire mehrfach aufgenommen (obwohl es einige Mozart- oder Händel-Sachen unter Marriner auch dreimal geben könnte).

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  • Doráti hat von Mozart scheinbar nur "Eine kleine Nachtmusik", die Linzer Symphonie und die 40. Symphonie aufgenommen. Alles aber nur mehr gebraucht zu haben.

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