Eine wohl gute Aufführung, aber… (Janacek: Das schlaue Füchslein, Hamburgisches Staatsoper, 19.3.2014)

  • sie hinterließ bei mir schlechte Laune. Die Komposition und der Inhalt gefielen mir nicht. Ich hatte die Oper
    schon einmal gesehen, ohne bleibende Erinnerung. Das war auch jetzt so. Nichts haftet im Ohr, ständig
    ausgeprägte Tonsprünge bis in den schrill wirkenden hohen Frequenzbereich hinein, kaum wirklich
    legatosingbare Phrasen, alles weitgehend ohne dynamische Breite und vor allem ohne Pianokultur.
    Einzig Hellen Kwon (Fuchs) gelang es, mit ihrer goldfarben schimmernden Stimmfärbung auch im
    hohen Frequenzbereich zu fesseln und nicht schrill zu klingen. Diese wunderbare (vom (nahezu fehlenden)
    Vibrato, nicht vom Stimmklang her an Gundula Janowitz erinnernde) Sängerin wird leider in der letzten
    Zeit zu selten eingesetzt. Dabei klingt ihre Stimme unverbraucht und höhensicher. Im (kompositorisch
    angenehmen) Duett mit Hayoung Lee (Füchsin Schlaukopf) übertraf sie die jüngere koreanische
    Kollegin an Meisterschaft. Da Hayoung Lee in anderen Partien wie Violetta oder Lucia mit den Großen
    ihres Fachs durchaus mithalten kann, mag mein Eindruck von der heutigen Leistung dieser Sängerin
    der Komposition geschuldet sein. Der Förster wurde von Lauri Vasar gesungen. Wirklich gefordert
    wird er erst in der Schlussarie, die singt der Bariton auch sehr schön, wird aber sonst nicht wirklich in
    Anspruch genommen. Positiv fielen die Bässe Florian Spiess (Pfarrer) und Levante Pall (Haraschta)
    auf, ebenso Peter Galliard, der wenig zu singen hatte, aber mimisch-schauspielerisch überzeugte.


    Das Bühnenbild ist zu loben. Hintergrund und Seiten füllen durchsichtige Stoffbahnen mit gemalten
    bzw. aufgedruckten Waldszenen, als Trennwand zwischen Vorder- und Hintergrund dient zum Teil
    auch ein Silberlametta-artiger Vorhang. Vorn spielen vorwiegend die menschlichen, im Hintergrund
    die animalischen Szenen. Zum Glück wurden den Tierfiguren keine Masken aufgesetzt, so dass die
    als Fabel gedachte Handlung nicht ganz so kindgemäß wirkte. Im Grunde blieb das Leben und Leiden
    der Tierwelt mir aber fremd. Der personelle Aufwand war mit groß besetztem Orchester (Leitung
    Lawrence Foster), sehr großem Chor sowie Statisterie enorm, zumindest für eine so kurze, ohne
    Pause gespielte Oper. Der Saal war nicht voll besetzt, der Beifall aber durchaus wohlwollend und
    ausgiebig.

    Oper lebt von den Stimmen, Stimmenbeurteilung bleibt subjektiv

  • Die Komposition und der Inhalt gefielen mir nicht. Ich hatte die Oper
    schon einmal gesehen, ohne bleibende Erinnerung. Das war auch jetzt so. Nichts haftet im Ohr, ständig
    ausgeprägte Tonsprünge bis in den schrill wirkenden hohen Frequenzbereich hinein, kaum wirklich
    legatosingbare Phrasen, alles weitgehend ohne dynamische Breite und vor allem ohne Pianokultur.


    Im Grunde blieb das Leben und Leiden
    der Tierwelt mir aber fremd.


    Mich dünkt, lieber Ralf, Du warst im falschen Stück. Was Dir nicht gefiel, das ist im Grunde Janaceks Größe und Besonderheit. Er ist kein Donizetti und wollte es auch nicht sein. ;) Es lohnt sich aber, würdest Du Dich auf ihn einlassen. Anfangs fand ich ihn auch sperrig, inzwischen gehört er zu den mir wichtigsten Komponisten. Und noch eines: Das "Füchslein" ist keine Tierschützer-Oper. Und kein Brehms Tierleben. Es ist eine Art Parabel. Für mich hat Janacek mit die stärksten Geschichten, die ich auf der Opernbühne kenne.


    Es grüßt Dich nach Hamburg Rheingold aus Berlin

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Grundsätzlich muss man zu allen Janacek - Opern sagen, dass sie keine Opern sind, die beim ersten Mal gefallen. Nach häufigem Hören wird man süchtig danach. "Nichts haftet im Ohr": ich kann fast das ganze Füchslein mitsingen, und zwar jede Rolle.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Obwohl mir das Füchslein schon beim ersgten Mal, als ich die Oper in Düsseldorf gesehen habe, gefallen hat. Genauso war es mit Jenufa. Im Gegensatz dazu musste ich in Katja Kabanova mehrmals reingehen um mit der Oper etwas anfanfngen zu können.

  • Jenufa war eine großartige Oper (zuletzt 1998 mit Karita Mattila und Eva Marton), Katja
    Kabanova hat mir schon nicht mehr so gut gefallen (zuletzt 2002 mit Adrianne
    Pieczonka). Als ganz interessant erinnere ich „Aus einem Totenhaus“; die „Ausflüge
    des Herrn Broucek“ würde ich nicht noch einmal ansehen wollen. Das schlaue
    Füchslein sah ich jetzt zum zweiten Mal und sehe wohl ein, dass es bei vielen
    beliebt ist. Man merkte es auch beim gestrigen Schlussbeifall (wenngleich eine
    Dame zwei Reihen vor uns während der Vorstellung aufstand und ging). Was höre
    ich nicht, was den Füchsleinliebhabern gefällt? Was ändert sich nach mehrmaligem
    Hören bzw. Sehen? Eine schwierige Frage, die wohl nicht leicht zu beantworten
    ist.

    Oper lebt von den Stimmen, Stimmenbeurteilung bleibt subjektiv

  • ich kann fast das ganze Füchslein mitsingen, und zwar jede Rolle.

    Ich auch! :)


    Aber nur auf Deutsch! ;)


    Obwohl mir das Füchslein schon beim ersgten Mal, als ich die Oper in Düsseldorf gesehen habe, gefallen hat. Genauso war es mit Jenufa. Im Gegensatz dazu musste ich in Katja Kabanova mehrmals reingehen um mit der Oper etwas anfanfngen zu können.

    Bei mir hat es auch eine Live-"Jenufa" (Staatsoper Berlin 1991) und ein Live-"Füchslein" (Dresden 1994) gegeben, bei denen ich nicht auf Anhieb mit dem Stück warm wurde. Hilfreich war dann das regelmäßige Hören ("Jenufa" in der Gregor-Aufnahme mit Kniplova, "Füchslein" in der Neumann-Aufnahme mit Hajossyova), was dann die vielen musikalischen Schönheiten und Kostbarkeiten offenbart. Letztlich sind es Janceks melodischste und musikalisch reichste Opern. :rolleyes:


    Die Fischer-Inszenierung habe ich dann noch 6x auf deutsch gesehen und insbesondere im 2. Akt liefen mir die Schauer den Rücken rauf und runter. Später gab es dann noch zwei Serien in tschechisch, was dann nicht mehr so packend war, weil die Sänger nicht mehr solche grandiosen Sängerdarsteller waren wie Eva-Maria Bundschuh (Jenufa) und Ute Trekel-Burckhardt (Küsterin), die das seit der Premiere 1986 bis 1995 höchst eindrücklich gesungen und gespielt hatten. Bei "Füchslein" war mein Live-Aha-Erlebnis dann auf tschechisch, in Prag, 1997, unter Bohumil Gregor, das beste "Füchslein", das ich je live erlebt habe. Ganz wichtig für meinen persönlichen "Durchbruch" bei diesem Werk war aber die Felsenstein-Verfilmung mit Irmgard Arnold und Rudolf Asmus, die ich mir ungelogen mindestens 50x angesehen habe, erst auf VHS und dann auf DVD. :love:


    Mit "Katja" habe ich mich hingegen auch beim 4. Live-Erlebnis im letzten Monat (Berlin/Breth, nach Berlin/Krämer 1993, Cottbus/Schüler 2002 und Berlin/Thalheimer 2005 noch immer sehr schwer getan, ich finde keinen wirklichen Zugang zu diesem Stück. :(


    Was höre
    ich nicht, was den Füchsleinliebhabern gefällt? Was ändert sich nach mehrmaligem
    Hören bzw. Sehen?

    Letztlich ist es eine musikalische Fremdsprache, mit der man in Deutschland nicht wirklich aufwächst (im Gegensatz zu Mozart, Beethoven, Wagner usw.) - und dann ist es wie mit allen anderen Fremdsprachen auch - je mehr man sich auf sie einlässt und sich damit beschäftigt, desto heimischer wird man in ihnen, desto vertrauter wird man mit ihnen.


    Allerdings finde ich bei "Jenufa" und "Füchslein" auch einen ganz intuitiven und emotionalen Zugang jenseits der großen Ansprüche, die diese Partitur stellt. Wenn man mal in den Klavierauszug von "Füchslein" oder "Jenufa" schaut, ist man erstaunt, wie vertrackt und kompliziert das gesetzt ist, die vielen Taktwechsel usw. - und dann klingt das Komplizierte plötzlich wie selbstverständlich einfach und eingängig, teilweise regelrecht volkstümlich.


    Im "Füchslein" gefällt mir auch das Freche, die Respektlosigkeit, mit welcher die Scheinmoral der Spießer angeprangert wird (in "Jenufa" war dieses Thema noch hochernst behandelt), wie den Menschen durch die vermenschlichten Tier-"Zeichnungen" der Spiegel vorgehalten wird - aber neben allem Neckischen und Frechen gibt es auch Hochpoetisches und auch Tragisches und Trauriges, wobei das Tragische niemals effekthascherisch ausgewalzt wird: Man denke nur an den Schuss und den Tod der Füchsin - kein großes Requiem wie nach dem Ertinken Wozzecks, sondern es geht einfach irgendwie weiter, wie es in der Natur halt ist. Diese pantheistische Idee ("In jeder Kreatur ein Funke Gottes") gefällt mir sehr. Dann diese Traurigkeit des zweiten Wirtshausbildes (nach dem bösen ersten), dann der Aufbruch in die Natur und dann diese hinreißende Schlusszene des Försters - aber die letzten Worte gehören dem kleinen Frosch, das war Janacek ganz wichtig und er setzte das auch gegen Brod durch.
    Diese Oper ist für mich ein ungeheuer faszinierender Kosmos, ungeheuer reich an verschiedensten Farben und Emotionen. Für mich ist "Das schlaue Füchslein" eine der fünf besten Opern, die je komponiert wurden. :yes:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Für mich ist "Das schlaue Füchslein" eine der fünf besten Opern, die je komponiert wurden.


    Wer sind denn die restlichen vier? ?(


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Was wären denn Eure Aufnahmeempfehlungen für das schlaue Füchslein?

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Wer sind denn die restlichen vier? ?(


    Gruß Rheingold

    Mozarts "Don Giovanni", Wagners "Meistersinger", Verdis "Falstaff" und Bergs "Wozzeck". (Ich erhebe damit keinen Anspruch auf objektive Wahrheit, aber für mich persönlich sind es diese fünf, also mit dem "Füchslein", die ich für ganz besonders genial halte.)


    Was wären denn Eure Aufnahmeempfehlungen für das schlaue Füchslein?

    Ich habe ja meine längst gegeben: Vaclav Neumann mit Magdalena Hajossyova, Gabriela Benackova und Richard Novak.
    Zudem auch die Felsenstein-Verfilmung, die auf DVD erhältlich ist.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Lieber Stimmenliebhaber, danke für deinen Text. Besser hätte ich das auch nicht schreiben können. Ich kann übrigens alle Janacek-Opern mitsingen, sogar den Broucek, aber alle natürlich nur auf deutsch. In meinem thread, bei dem von euren Lieblingsopern nur eine übrig bleiben sollte, war meine das Füchslein. Die anderen vier sind bei mir natürlich Jenufa, Katja, Totenhaus, Makropulos. Hinweisen möchte ich dich, lieber Stimmenliebhaber, auf Osud (gibt es auf tschechisch unter Gerd Albrecht und auf englisch von der Waliser Oper mit Charles Mackerras).
    Trotz der Mackerras - Füchsin liebe ich nach wie vor die alte Gregor-Aufnahme, denn dort singt Helena Tattermuschova die Füchsin - für mich die perfekte Verkörperung.
    Außerdem enthält das Füchslein, darauf hat Stimmenliebhaber auch hingewiesen, eine der schönsten Opernszenen überhaupt, die so subtil traurig ist, dass man sie beim ersten Mal glatt überhört: die Wirtshausszene.
    "Das schlaue Füchslein" ist zwar ein schöner Titel - aber er müsste besser heißen "Die Abenteuer der Füchsin Schlaukopf", denn darin kommt zum Ausdruck, dass es eine Füchsin und kein Fuchs ist (sonst funktioniert die Parallele zu Terynka nicht).

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

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  • So ganz überzeugt bin ich noch nicht "vom schlauen Füchslein". ich sehe aber ein, dass dieses Werk wohl Qualitäten hat, die ich trotz Bemühen (noch) nicht erkennen kann. Ich bedanke mich für die informativen Anmerkungen zu meinem Bericht.

    Oper lebt von den Stimmen, Stimmenbeurteilung bleibt subjektiv