1483 wird Brumel durch das Kathedralkapitel von Chartres als Offiziumssänger angestellt. Später leitet er die Knabenchöre in Laon, Genéve und Paris. Mehrmals scheint er sich deutlich über die Qualität der Sänger beklagt und, anders als etwa Bach, die Konsequenzen gezogen zu haben, denn er wechselte seine Stellung häufig und gab schliesslich auch die hochangesehene Position in der Hauptstadt auf. 1505 ging Brumel vermutlich von Zentralfrankreich an den Hof des Herzogs von Ferrara - als Nachfolger Obrechts. Die letzte sichere Nennung bezieht sich auf das Mantua des Jahres 1512.
Brumels Werk blieb auch nach seinem Tod hochangesehen, Cretin, Gafori und H. Finck stellen ihn an die Seite von Josquin, Obrecht oder Tinctorius. Bei Heinrich Glarean folgt dem Lob allerdings eine Einschränkung: Brumel habe sich mit der Komposition der Messe "Beata Virgine" mit dem gleichnamigen Werk von Josquin messen wollen und sei hinsichtlich der Geistesschärfe gescheitert. Hier zeigt sich also ein deutlicher Wettbewerbsgedanke in puncto handwerklicher Qualität der "Themenverarbeitung". Tatsächlich dürften die Messen Josquins und in Einzelfällen auch Werke von Busnoys und Obrecht elaborierter sein.
Doch beherrschte auch Brumel "seine Polyphonie", wie etliche geradezu demonstative Werke bezeugen. Die vierstimmige Missa "A l'ombre d'un buissonet" ist von intesiver Kanonisierung geprägt, wobei gleichzeitig eine bereits kanonische Vorlage (Josquins Chanson) parodiert wird. Da die offenbar einzige Aufnahme dieses bemerkenswerten Werkes schon seit längerem aus dem Katalog verschwunden ist, hier Kyrie, Gloria und Credo:
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Darüber hinaus existieren Messen mit zweistimmigem Doppelkanon, ein Werk über die Töne des Hexachords sowie ein (nicht sicher zuzuschreibbares) "cuiusvis toni", wobei in dieser Variante jede Stimme einem anderen Kirchenton folgt.
Neben der traditionellen kanonischen und cantus firmus-Technik finden sich in den späteren Werken intensive Durchimitationen. Damit wird bereits die Musik der Zeit der Nach-Josquin-Generation vorweggenommen. Auch die häufig enge Führung der deutlich gleichberechtigten Stimmen und etlich homophone Passagen antizipieren das zweite Viertel des 16. Jahrhunderts. Dabei legt Brumel konstanten Wert auf Klangschönheit.
Besonders zukunftsweisend ist die "Missa Et ecce terraemotus", technisch gesehen nicht einmal Brumels "hochwertigstes" Werk, doch bis heute sein poplärstes. Die Messe ist in zwei jeweils nicht vollständigen Handschriften erhalten, im Exemplar aus München scheint Lassus die 33 Namen der Sänger einer Aufführung von 1570 eingetragen zu haben. Der cantus firmus basiert auf den ersten sieben Tönen des zweiten Vesper-Antiphons zum Ostersonntag. Das Antiphon thematisiert das Erdbeben, welches jenen Engel begleitete, der den Grabwächterinnen die Auferstehung verkündete [Matthäus 28,2]. Fünf der besagten sieben Töne des c.f., der alle fünf Messeteile hörbar prägt, sind identisch, wodurch sich zwangsläufig eine simple Harmonie ergibt. Dem möglichen Gefühl von Redundanz beugt Brumel vor, indem er das Werk zwölfstimmig besetzte und damit seine übliche Besetzungsstärke für Messen verdreifachte. Während der c.f. in der Regel von drei Stimmen gesungen wird, werden den übrigen kleinteilig verschachtelte polyphone Motive zugewiesen, so das sich der Klangsatz in dauender Fluktuation befindet. Auf klangmalerische Weise steht der Zuhörer auf schwankendem Boden. Eine echte Unabhängigkeit aller Stimmen ist bei dieser wohl frühesten Messe mit mehr als neun Stimmen noch nicht gegeben, sie werden meistens in drei oder vier Gruppen geführt (ähnlich wie bei den vielstimmigen Motetten Okeghems und Josquins; eine wohl sehr zeitnahe Parallelerscheinung ist Carvers Festmesse). Bei relativ dichter Stimmenführung auch zwischen diesen Gruppen entsteht ein beinahe permanenter Klangstrom, der an die Generation um Gombert erinnert, der im Agnus Dei seiner "Missa tempore paschali" unmittelbar auf Brumel rekurriert. Brumels Priorisierung von Klangwirkungen bei kleinräumlicher, konstanter Stimmenbewegung ist denn wohl ein Aspekt, der selbst einen Steve-Reich-erfahrenen Progpophörer nicht unbedingt verschrecken dürfte.