Ich möchte euch zu Ostern ein außergewöhnliches Werk vorstellen, das noch dazu weitgehend unbekannt ist. Aber spannend wie ein Horrorfilm !
Das Oratorium "Auferstehung", von Georg Philipp Telemann komponiert 1761 TWV 6:7 (Nicht zu verwechseln mit dem Oratorium "Auferstehung und Himmelfahrt Jesu TWV 6:6 !)
Der Text zu diesem Werk, das nur etwa eine halbe Stunde dauert, stammt von Justus Friedrich Wilhelm Zachariä (1726 - 1777), der einen sehr markige und pointierten Stil pflegte. Dem entsprechend ist dieses Werk, das die Auferstehung Christi genau schildert (wer weiß schon so genau, wie dies vor sich ging? Hier erfährt man es !) voll bewegter, teils grausiger und äußerst plastischer Bilder. Diese sind so unmittelbar, dass sie als Vorlage für ein monumentales Hollywood Spektakel dienen könnte !
Eine sehr schöne Aufnahme findet man hier:
https://www.youtube.com/watch?v=7YUmMompIl8
Telemann setzt hier alle Möglichkeiten der Tonmalerei ein. Besonders die Accompagnato Rezitative sind bewegt und belebt, wie man es nicht einmal bei Bach findet !
Doch zunächst geschieht dieses:
Du tiefe, todte, grauenvolle Stille
Ums heilge Grab; um des Geopferten,
Des Gottversöhners, Grab!
Doch wie? das Grab ist offen? — Leer?
Wie schauderts mich! Auch nicht den Todten mehr —
So beginnt dieses Werk; ein einziger Ton bleibt im Bass liegen, während der Sopran dieses schildert.
Dann fällt der Chor jubelnd ein:
Der Herr ist erstanden ! Der Herr ist erstanden !
Das folgende Tenor Rezitativ wird – sehr ungewöhnlich – von einer Solovioline begleitet, die alles kommentiert.
Der Engel Gottes fuhr herab,
Schnell, wie der wetterleuchtende Blitz;
Sein Kleid war weiß, wie der schimmernde Schnee.
Des Grabes Hüter sahn erschrocken in die Höh; ...
Betäubet, seellos, legte sie sein Blitz,
Ums Grab zerstreuet, vor sich hin.
Er aber trat ans Grab,
Und wälzete die Last des Felsens ab.
Da zitterte der Erde Grund
Dem maächtigen Gange des Kommenden;
Und ietzt trat aus des Grabes Graus
Der Sieger des Tods im Triumphe heraus.
Dies alles hört man bildlich in der Solovioline: den Herabfahrenden Engel, das schimmernde Gewand und auch den Triumph des Erstandenen !
Danach wird es richtig schauerlich:
Als sich der Sieger ietzt aus seinem Grabe riss,
Fuhr er hinab ins Reich der Finsterniß,
Wo sich die Satane, lautjauchzend, im Triumph
Des Todes des Messias freuten.
Was schallt aus allen Tiefen
Für ein Geheul empor?
Mit kaltem Schauder hört mein Ohr
Hinunter in die Tiefen.
Er kömmt, er kömmt in seinem Grimme,
Der Gottmensch, der Gekreuzigte,
Der Todte, welcher lebt!
Zehntausend Donner sandt er vor sich her;
Die Fürsten stürzten von den Thronen,
Und ohn Erbarmen, ohne Schonen,
Ward jeder in dem Feuermeer
An seinen Felsen angespießt,
Um da Jahrtausende in Pein,
Mit Flammen überschwemmt zu seyn.
Da brüllte die Verzweifelung
Das scheußliche Geheul aus allen Höhlen.
Ein scheußliches Geheul drang von verdammten Seelen.
In farbigster Manier werden die Schrecken der Hölle geschildert und das Bangen der Satane, die von ihren Thronen stürzen. Das "scheußliche Gebrüll" drückt Telemann plastisch in breiten dissonanten Akkorden und sogar bitonalen Stellen aus.
Und dann "flötet" der Sopran:
Welch eine herrliche Gestalt
Kömmt unter jenen Schatten her?
Und welche göttliche Gewalt
Spricht lauter in mir? — Er!
Er ists, er ists, den ich beweint
Es ist der Göttliche, der Menschenfreund
Mein Heiland, und mein Gott!
Diese tröstlich triumphierenden Worte münden ich eine wunderbar ruhige und zutiefst barocke Sopranarie.
So schließt im Chor dieses Werk. Strahlend, siegreich, triumphierend:
Und O! des großen Tags!
Wann ietzo der Trompeten Schall
Jn alle Gräber dringt;
Und aller Welten Wiederhall.
Hier zeigt sich einmal mehr, welch musikalische Phantasie und welchen Einfallsreichtum Telemann hat !
Und: Auf solche Art habe ich die Auferstehung noch nie betrachtet ! Hier wäre die Ansicht eines Theologen interessant. Die dargestellten Vorgänge sind nicht biblisch. Doch woher kommt diese (für mich überraschende) Ansicht, Jesus sei nach seinem Tode in die Hölle abgestiegen, habe dort die Satane enttrohnt und sei sodann wieder auf die Erde gefahren ?
Ich wünsche allen Taminos ein frohes, glückliches und segensreiches Osterfest !
Monika