Vinci: Artaserse - Opéra national de Lorraine, Nancy, 2012


  • Ich war lange nicht mehr so begeistert von einer Opern-DVD wie von dieser im März erschienenen Aufnahme von Leonardo Vincis „Artaserse“ aus der Opéra national de Lorraine in Nancy. Vor einigen Jahren erst habe ich durch diverse Arien-CDs die neapolitanische Barock-Oper für mich entdeckt, die leider – mit Ausnahme vielleicht von Pergolesi – auf DVD bzw. Blu-ray noch sehr spärlich vertreten ist. Wenn man sich diese DVD angeschaut hat, kann man nur hoffen, dass Komponisten wie Vinci, Hasse oder Porpora eine ähnliche Renaissance erleben werden wie Händel. Eine Arie ist schöner als die andere, und selbst die in der Opera seria oft als langweilig empfundenen Rezitative werden mit soviel Ausdruck vorgetragen, dass man Auge und Ohr nicht abwenden mag. Der „Artaserse“ nach einem Libretto von Pietro Metastasio war die letzte Oper von Vinci und wurde 1730 in Rom uraufgeführt. Da im päpstlichen Rom weibliche Sänger auf der Bühne verboten waren, wurden alle hohen Stimmen mit Kastraten besetzt. Diese Aufführung folgt dem historischen Vorbild und bringt gleich fünf Countertenöre zum Einsatz. Musikalisch mag man darüber geteilter Meinung sein; inwieweit Countertenöre als Ersatz für Kastraten geeignet sind, wurde auch hier im Forum ja schon diskutiert. Auf jeden Fall trägt der „all male cast“ ungemein zum Witz der Aufführung bei. Aus dem Ensemble ragt für mich neben Philippe Jaroussky vor allem Franco Fagioli in der Rolle des Arbace heraus, der seine Arien wie das herzzerreißende "Vo solcando un mar crudele" mit Bravour vorträgt. Der folgende YouTube-Clip gibt auch einen guten Eindruck von der Inszenierung, die ich überaus gelungen finde:



    Farbenprächtige, opulente Kostüme, die sich primär an der Entstehungszeit der Oper orientieren, eine hervorragende Personenregie und Sänger, die schauspielerisches Talent haben und denen man den Spaß an diesem Spektakel anmerkt. Die Kamera blendet des öfteren hinter die Kulissen, man sieht Bühnenarbeiter beim Verschieben von Wänden etc., was den Charakter einer Aufführung betont - Illusionstheater ist hier nicht beabsichtigt. Der Barock-Spezialist Diego Fasolis leitet das Concerto Köln vom Cembalo mit Verve und entfacht ein wahres Klangfeuerwerk. Man wünscht sich, das Stück würde nie zu Ende gehen.


    Für mich die beste Opern-DVD seit langem und ein klares Plädoyer für die neapolitanische Opera seria. Bitte mehr davon!

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Die CD-Version von Artaserse gibt es gerade konkurrenzlos günstig beim Werbepartner. Wer fünf Countertenöre auf einmal goutiert, kann hier wohl nichts falsch machen.