Diese Oper von Wagnerausmaß (Nettospielzeit mehr als 3 Std.) bot mehreren Sängerinnen und Sängern Gelegenheit,
ihr Können zu zeigen, 6 Personen mit tragenden Rollen und drei Nebenfiguren mussten gut besetzt sein. Und das waren
sie. Der Bariton Andrzej Dobber sang den Igor mit bewährt großer Stimme, als seine Partnerin war die junge, in Russland
ausgebildete Sopranistin Veronika Dzhioeva engagiert. Sie sang mit schöner, dunkel gefärbter Mittellage und großer
(allenfalls in der Höhe ganz leicht schwächelnder) dramatischer Stimme die anspruchsvolle Partie der Fürstin Jaroslawna.
Von Typ und Stimme her erinnerte sie mich an Maria Guleghina. Der Gegenpart des Fürsten Igor war eigentlich weniger
der ihn im Feldzug gegen den Khan vertretende Fürst Galitzky, der von dem zuverlässigen, aber nicht so sehr
charismatischen Bass Tigran Martirossian gesungen wurde, sondern der mit immer noch mächtiger und glanzvoller
Stimme auftrumpfende Bass Paata Burchuladze (Khan Kontschak), über ein mittlerweile stärker ausgeprägtes Vibrato
ließ sich hinweghören. Dessen Tochter Kontschakowna wurde aufhorchend schön und mit flexibler Stimmführung von der
Mezzosopranistin Cristina Damian gesungen. Ihr zur Seite stand als Liebhaber der junge Tenor Dovlet Nurgeldiyev;
er verfügt über eine offene, leicht metallisch silbern klingende, glänzende Stimme mit schöner Höhe, wurde aber leider
noch manchmal vom Orchester zugedeckt. Die Nebenpartien waren sämtlichst gut besetzt, herausheben möchte ich
den durchschlagskräftigen Bassbariton von Levente Pall (Skula). Die tadellos spielenden Philharmoniker Hamburg
wurden von Christian Arming geleitet.
In dem Stück geht es um einen russischen Fürsten, der gegen einen Khan in den Krieg zieht, in dessen Gefangenschaft
gerät und am Ende (dramaturgisch holpert das) flieht und zu Frau und Volk zurückkehrt. Währenddessen hatte sein
Nachfolger versucht, die Macht an sich zu reißen. Eingebettet ist eine Liebesgeschichte zwischen dem gefangenen
Sohn des Fürsten Igor und der Tochter des Khans. Das ganze wird immer wieder von Ballettmusiken unterbrochen.
Am bekanntesten sind die Polowetzer Tänze geworden, mit denen der Khan seinen Gefangenen aufheitern will. Für
diesen Part standen ca. 30 Schülerinnen und Schüler der Ballettschule Hamburg auf der Bühne. Die Ausstattung der
Oper ist aufwendig, es gibt viel zu sehen, von einer vergoldeten Reiterstatue, die brennende Burg des Fürsten Igor, dem
Stacheldrahtverhau des Gefangenenlagers, zusätzlich zu banalen politischen Anspielungen (Pussy Riot). In dem Stück
wird geschossen, geschändet und gemordet, meiner Meinung nach zu stark und zu plakativ in den Vordergrund der
Inszenierung gerückt. Es gibt aber auch sehr schöne stimmungsvolle Momente sowie aufwendige Kostüme, die
offenbar diversen Jahrhunderten der russischen Geschichte entnommen wurden.
Das Haus war trotz der durch die Bank hervorragenden Besetzung, dem großen bühnentechnischen Aufwand und der
Vielzahl von Choristen und Tänzern nicht gut gefüllt. Vielleicht lag das auch an dem schönen Wetter und am „Tanz in den
Mai“. Mir scheint aber, dass der Opernbesuch generell bei Aufführungen, die nicht La Boheme oder La Traviata heißen,
nachlässt, es sei denn, jemand wie Anna Netrebko u.ä. wird angekündigt.