Der Stoff aus dem die Opern sind (14) – Richard Wagner und seine Ausstatter

  • [timg]http://www.landesmuseum.de/son…eption/bayr_wotan_i.jpg;l[/timg]
    Endlich ein Thread wo sich die Serie "Der Stoff aus dem die Opern sind" mit "Richard Wagner" und auch mit "Regietheater trifft.
    Brandheiss also - und die Moderation ist hier gefordert persönliche Beleidigungen der Mitglieder untereinander gnadenlos zu löschen. Besser aber - solche Beleidigungen finden erst gar nicht statt. Selbwt bin ich kein wirklicher Wagner Liebhaber, aber ich bin immer wieder beeindruckt, welchen Stellenwert seine Opern heute noch einnehmen.
    Neulich wurde in einem anderen Thread die Frage gestellt, ob man Wagnerfiguren (im konkreten Falle handelt es sich um Wotan) wie das Rollenphoto oben im Bild zeigt.
    Dazu ist vielerlei zu sagen - auch von einem, der Wagner nicht über alle Maßen mag.
    Sicherlich ist das gewählte Bild ganz bewusst ausgesucht, denn es hat schon einige Ansätze zur Parodie, was aber durchwegs auch an übergewichtigen Sängern liegen mag - und hier meine ich nicht die Stimme. Ich kann mir durchaus vorstellen, daß ein Bühnenbildner von heute - mit nur geringen Änderungen - aus diesem Kostüm ein auch heute überzeugendes gestalten kann. Besser auf jeden Fall als ein Wotan in Militäruniform, im Trainingsanzug, im Manager-Flanellanzug oder gar als Clown etc etc.
    Ich verweise hier auf den heute oft vielbelächelten Wikingerhelm, angeblich Produkt eines Wagner -Kostümbildners.
    Der Helm ist - soviel wissen wir heute - historisch nicht korrekt. (über "historische Wikingerhelmarten" gibt es bei WIKI einen Artikel)
    Aber er ist ÜBERZEUGEND. Er unterstreicht die Story - macht sie scheinbar realistischer und zumindest glaubwürdiger bzw suggestiver.
    Dieser Helm war solch ein Geniestreich, daß er noch Jahrzehntelang (und eigentlich in gewisser Weise bis heute)als AUTHENTISCH angesehen wurde. Selbstverständlich würden Wagner-Helden -nach Möglichkeit schlanker, jugendlicher, mehr sexy dargestellt als vor über 100 Jahren - aber der Kern darf natürlich nicht verfälscht werden- Es gab immer schon überzeugendehistorische Ausstqattungen - die nicht immer korrekt sein mussten. Ich verweise hier (bleiben wir bei Wagner) auf das riesige Steuerrad, das in vielen Inszenierungen des "fliegenden Holländers" publikumswirksam auf der Bühne steht. Die Handlung wird üblicherweise um 1650 angesiedelt.Leider gab es zu diesem Zeitpunkt noch keine Steuerräder, die Schiffe wurden mittels Pinne gesteuert. Aber ein Steuerrad macht sich halt viel besser und peppt das Bühnenbild auf. Das würde ich als durchaus legitim ansehen - nicht aber eine völlige Umdeutung. Es ist, wie bei manchen geschichtlichen Begebenheiten - erst die Ausschmückung zur Sage macht sie interessant.


    [timg]http://www.jwwaterhouse.com/pa…_sharing_the_potion.jpg;c[/timg]
    Wer könnte beispielsweise "Tristan und isolde" überzeugender darstellen als der Maler John William Waterhouse ?
    Das hier gezeigte Bild könnten noch heute Bühnenbildnern als Anregung dienen.......
    und würde das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinreissen...
    Man beachte, daß die beiden Bildbeispiel in etwa der gleichen Zeit entspringen, aber von der Wirkung her völlig unterschiedlich sind...


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Wer könnte beispielsweise "Tristan und isolde" überzeugender darstellen als der Maler John William Waterhouse ?
    Das hier gezeigte Bild könnten noch heute Bühnenbildnern als Anregung dienen.......
    und würde das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinreissen...


    Obwohl dieses Bild höchst unrealistisch ist? Die schwere und höchst unpraktische und unbequeme Rüstung wurde nur zu Kampfhandlungen getragen, keinesfalls bei einer geruhsamen Schiffsreise...


    ;)

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Ich schrieb ja bereits in dem besagten Thread, dass ich solche Kostüme auch heute gerne bei Wagner-Opern sehen würde. Ich finde den Flügelhelm übrigens gar nicht komisch. Das wirkt auf uns heute vielleicht so. Man denke an die Helme Kaiser Wilhelms II., die seinerzeit sicher nicht zur Belustigung getragen wurden ...


    Zum Gewicht einer Plattenrüstung sei am Rande gesagt, dass dieses heutzutage gemeinhin überschätzt wird. Ich meine gelesen zu haben, dass bei einem Test mit einem originalgetreuen Nachbau ca. 25 kg erreicht wurden, die sich auf den gesamten Körper verteilten. Ja, man konnte damit sogar schwimmen, wie alte Quellen berichten, was im Praxistest bestätigt wurde.


    Allgemein gesagt, befindet sich der Stil der Wagner-Inszenierung auf einem Tief. Man denke an die neueste Homoki-Verunstaltung in Wien. Verdi und Puccini kann man an gewissen Opernhäusern noch unverfälscht erleben, aber Wagner? Bis auf marginale Ausnahmen ("Meistersinger" an der Wiener Staatsoper, wohl auch bald verschrottungsreif) ein echtes Desiderat. Besonders beim "Ring" wird man lange suchen. Es ist ein Trauerspiel.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Eine Frage, die mich interessiert: Wer war für die Ausstattung der Uraufführungen der Werke Richard Wagners verantwortlich? Für Musik und Libretti sowie für den Bühnenraum, in dem seine Opern aufgeführt wurden, zeichnete der Meister selbst verantwortlich, so wird er auch dafür gesorgt haben, dass die Bühnenbilder und Inszenierungen seinen Vorstellungen entsprachen. Wer waren die ausführenden Kräfte, Bühnenbildner, Kostümschneider?
    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




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    [timg]http://www.jwwaterhouse.com/pa…_sharing_the_potion.jpg;c[/timg]
    Wer könnte beispielsweise "Tristan und isolde" überzeugender darstellen als der Maler John William Waterhouse ?
    Das hier gezeigte Bild könnten noch heute Bühnenbildnern als Anregung dienen.......
    und würde das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinreissen...

    Es wird nicht verwundern, dass ich hier gänzlich anderer Meinung bin. Ein derart ausgestatteter "Tristan" würde mich nicht zu Begeisterungsstürmen hinreißen, sondern mir das Gefühl vermitteln, in einem Historienschinken gelandet zu sein, und genau das sollen Opern m.E. nicht sein. Gerade diese Oper, die kaum eine Handlung hat, ist das denkbar schlechteste Beispiel, um gegen Aktualisierungen zu argumentieren. Was ist denn am Stoff dieser Oper interessant? Doch nicht irgendeine mittelalterliche Rittergeschichte, die davon lebt, dass die Figuren Rüstungen tragen - wenn ich so etwas sehen will, dann schaue ich mir den "Ivanhoe"-Film an. In "Tristan und Isolde" geht es um zeitlose, uns als Menschen schlechthin betreffende Themen wie Liebe vs. Konventionen, das Verhältnis zwischen Liebe und Tod und vieles mehr. Ob die Handlung im Mittelalter spielt, zu Wagners Zeiten oder in der Gegenwart, ist dabei völlig irrelevant. Historische Kostüme schaffen hier nur eine unnötige Distanz zwischen dem heutigen Publikum und den Figuren auf der Bühne. Wenn etwa Konwitschny den ersten Akt auf einer modernen Yacht mit Liegestuhl ansiedelt, macht das die Story für mich in keiner Weise unglaubwürdig:



    Damit will ich jetzt gar nichts gegen "konventionelle" Inszenierungen sagen, mir hat zum Beispiel die Bayreuther Inszenierung von Ponelle sehr gut gefallen:



    Noch besser allerdings die spätere Inszenierung von Heiner Müller - ich bin noch heute dankbar, dass ich sie in Bayreuth erleben durfte:



    Nur bitte keine historisierenden Aufführungen mit Rittern, Wikinger-Helmen und Rauschebärten!

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Tja, da gibt es eben gegensätzliche Auffassungen, lieber Bertarido. ;)


    Ich fand insbesondere die Bayreuther Inszenierung von 1995 (letztes Video) völlig deplaciert. Selbst in der Liebesnacht keine Innigkeit, nur Kälte. Brrrh. Und sowas gilt dann noch bei manchen als "Klassiker". :thumbdown:


    Alltag habe ich genug in der Realität, ich plädiere für die "historisierende" Aufführungspraxis.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lieber Bertarido


    Schon bei unserem Begrüßungs-Telefongespräch haben wir festgestellt, dass wie uns hier nie einigen werden. :hello:
    Damit müssen wir leben - ich kann das.
    Oper ist in meinen Augen eine museale Kunst - und ich meine das nicht abwertend. Mich interessiert vor allem der Blick in eine ferne Zeit - nicht der "menschliche Konflikt" an sich. Diese Opern beruhen auf uralten Sagen - was ihren Reiz ausmacht. Wer zu diesen alten Sagen keinen Zugang findet, der sollte es unterlassen Opern zu inszenieren, welche sich mit diesen Stoffen befassen. Gerade die "Rittergeschichten" sind es die Interesse erwecken - wir können es am "Herr der Ringe" sehen - aber wir brauchen keine solchen Prseudo-Sagen - wir haben genug echte - und sie verlieren ihren Reiz, wenn man sie "modernisiert"


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Bertarido


    Schon bei unserem Begrüßungs-Telefongespräch haben wir festgestellt, dass wie uns hier nie einigen werden. :hello:
    Damit müssen wir leben - ich kann das.

    Ich kann damit auch gut leben, lieber Alfred :yes: - auch wenn sich in mir alles sträubt, wenn Du Oper als museale Kunst bezeichnest ;(


    Ich bin übrigens auch keineswegs der Meinung, dass man Opern nicht in Deinem Sinne "museal" aufführen darf, diese Art der Aufführung interessiert mich nur nicht. Ich hätte aber nichts gegen einen guten Mix im Spielplan unserer Opernhäuser einzuwenden, der beiden Interessenlagen gerecht wird.


    P.S. Den "Herrn der Ringe" habe ich auch gerne gesehen, ebenso lasse ich keine Folge von "Game of Thrones" aus ;)

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Ich hätte aber nichts gegen einen guten Mix im Spielplan unserer Opernhäuser einzuwenden, der beiden Interessenlagen gerecht wird.

    Ich auch nicht, aber wo ist der an großen deutschen Opernhäusern zu finden? Die Wiener Staatsoper zählt bekanntlich zu Österreich...

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Ich auch nicht, aber wo ist der an großen deutschen Opernhäusern zu finden? Die Wiener Staatsoper zählt bekanntlich zu Österreich...

    Wenn ich mir einmal "mein" Opernhaus anschaue, die Bayerische Staatsoper, dann hat sie in der laufenden Spielzeit doch etliche traditionelle Inszenierungen im Programm:


    - La Boheme
    - Il Barbiere di Siviglia
    - I Capuleti e i Montecchi (man kann darüber streiten, ob die traditionell ist, aber sicher kein RT)
    - Madama Butterfly
    - Der Rosenkavalier
    - Tosca
    - La Traviata wohl auch (da kenne ich nur die Bilder)


    Das ist sicher die Hälfte des Repertoires. Und wenn man die drei Berliner Opernhäuser zusammen betrachtet, wird man auf ein ähnliches Bild kommen. Ich gestehe aber zu, dass die Verteilung bei Neuinszenierungen eher RT-lastig ist. Dass an unseren Opernhäusern nichts anderes mehr gezeigt würde als RT, kann man aber nicht sagen.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

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  • Lieber Bertarido,


    hast du etwas gegen Museen? Die einen gehen in die Uffizien, die anderen ins MOMA und noch wieder andere in Vernissagen noch lebender Künstler. Soll man nun die Uffizien abschaffen, weil heute keiner mehr malt wie Botticelli, und den Leuten sagen :Wie langweilig, schaut euch lieber die heutige Kunstszene an!? Es hat niemand etwas dagegen, wenn zeitgenössische Opern geschrieben werden und dann auch entsprechend inszeniert werden. Man kann aber sehr viel dagegen haben, wenn älteren Werken irgendwelche "aktuellen Bezüge" übergestülpt werden, die twas völliganderesgar nicht dazu passen. Was bitte hat der deutsche Bundestag im Parsifal verloren? Wieso passt "Lohengrin" mit unverändertem Text sowohl in ein Klassenzimmer, auf eine Baustelle, ins Rattenlabor und in den Musikantenstadl? Wo doch der Text eindeutig ins Mittelalter weist - Gottesgericht etc. Wenigsten sollte man dann die Übertitelung weglassen. Wenn die Sänger dann undeutlich genug singen, merkt ein Opernanfänger hoffentlich gar nicht, dass da nichts zusammenpasst. A propos Opernanfänger - da gab es ja neulich einen Thread, ob und wie man sich auf einen Opernbesuch vorbereitet. Da liest nun so ein armer Mensch vor dem Besuch im Opernführer nach und sieht dann auf der Bühne etwas völlig anderes. Und wie führt man Kinder und Jugendliche an die Oper heran? Bei Bieito und ähnlichen Verwendern von Körperflüssigkeiten und sexuellen Handlungen auf der Bühne verbietet sich das von selbst. Ich stelle mir gerade mit Schaudern vor, ein Herr Bieito hätte den "Herrn der Ringe" verfilmt.... Ich glaube kaum, dass ein solcher Film so erfolgreich gewesen wäre. Und wenn man mir vorhält, das könne man nicht vergleichen, weil Oper ja eine "heilige Kunst" sei, halte ich dagegen: Ungefähr bis zur Jahrhundertwende um 1900 war Oper das, was heute Kino und Musical sind, nämlich Unterhaltung!!!! Erst ein gewisser Wagner meinte, alles mit Tiefsinn befrachten zu müssen.


    Vielleicht wa Oper eine etwas gehobenere Art der Unterhaltung. Aber was man heute auf vielen Bühnen sieht, reicht ungefähr vom Dschungelcamp bis zu den Programmen der "Scripted reality Shows". Und das soll dann Kunst sein? Kann ich doch gleich die Privatsender schauen und mir das Geld für eine Opernkarte sparen! Ich gehe aber in die Oper, weil ich was anderes sehen möchte als diesen Schrott. Und was kriege ich geboten?


    Vielleicht sollte ich abschließend nochmal darauf hinweisen, dass die Aversion vieler RT-Kritiker hier nicht so heftig wäre, wenn man neben den verunstaltenden Aufführungen auch noch ebenso häufig konservative Aufführungen sehen könnte. Aber nicht jeder hat die Zeit und das Geld, dazu ans andere Ende der Welt zu reisen.


    Viele Grüße


    Mme. Cortese

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Liebe Madame Cortese,


    ich habe nichts gegen Museen, ganz im Gegenteil besuche ich sie eifrig. Ganz besonders liebe ich z.B. die Kunst der italienischen Renaissance. Aber warum fasziniert mich als Agnostiker ein Madonnen-Bildnis von Giovanni Bellini? Sicher nicht, weil ich den religiösen Gehalt besonders interessant fände, sondern weil in diesen Bildern etwas darüber hinaus Weisendes zum Ausdruck kommt, was mich auch als Nicht-Christ im 21. Jahrhundert tief bewegt. Ein solches Bild hängt vielleicht im Museum, ist aber nicht museal in dem Sinne, das hier nur ein Relikt vergangener Zeiten aufbewahrt wird, das nur noch ein historisches Interesse für uns hat. Große Kunst zeichnet sich nach meiner Überzeugung gerade dadurch aus, dass sie niemals museal in diesem Sinne ist, sondern immer einen über-zeitlichen Gehalt hat, der Menschen auch in 500 Jahren noch etwas angehen wird. Ebenso ist es mit der Musik und mit der Oper im Besonderen. Der "Lohengrin" ist kein mittelalterliches Ritter-Märchen, da geht es um zeitlose Fragen wie Treue, Vertrauen, Wahrheit, Sehnsüchte, Träume, gescheiterten Illusionen... Das macht ihn für mich interessant, und eine werktreue Inszenierung ist für mich nicht eine solche, die sich um eine naturalistische Darstellung von Beiwerk wie silberner Rüstung und Schwan bemüht, sondern eine, die diesen Kern herausarbeitet und beleuchtet, von verschiedenen Seiten und mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Das hat die Neuenfels-Inszenierung in Bayreuth getan, deswegen finde ich sie ganz herausragend.


    Und um nur ein Stichwort aufzugreifen: warum die Abneigung gegen sexuelle Handlungen auf der Bühne? In vielen Opern spielen sexuelles Begehren oder sexuelle Gewalt eine nicht unwichtige Rolle, was spricht dagegen, dies auch zu zeigen? Natürlich leugne ich nicht, dass es viele überflüssige Darstellungen von Sex, Gewalt etc. auf der Bühne gibt, die nicht einer überzeugenden Lesart eines Stückes entspringen, sondern dem Wunsch zu schockieren - das sehe ich auch sehr kritisch. Aber das bloße Vorhandsein eines nackten Menschen auf der Bühne schon kritikwürdig zu finden, ohne zu fragen, was denn die Idee dabei ist und ob diese schlüssig ist oder nicht, das leuchtet mir nicht ein.


    Sind Opern hohe Kunst oder Unterhaltung? Eine interessante Frage, aber die zu diskutieren ist hier vielleicht nicht der richtige Ort.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Zitat

    Und um nur ein Stichwort aufzugreifen: warum die Abneigung gegen sexuelle Handlungen auf der Bühne? In vielen Opern spielen sexuelles Begehren oder sexuelle Gewalt eine nicht unwichtige Rolle, was spricht dagegen, dies auch zu zeigen?


    Zum einen, weil man die Darsteller zu Huren oder Pornodarstellern degradiert. Ich schrieb es schon an anderer Stelle: Man kann einen Mörder spielen ohne einer zu sein. Man hat sich nichts vergeben, Im anderen Falle hat man sich den Zutritt zu den oberen Kreisen der Gesellschaft auf immer verspielt. Anna Moffo ist irgendwann mal nackt aufgetreten - und wurde lebenslänglich dafür "geächtet".


    Bei der Berufswahl "Opernsänger" hat man wohl eher einen Kammersängertitel im Kopf, als eine Karriere als Lustknabe.
    Gustav Mahler wollte die "SALOME" an der Wiener Hofofer (heute Staatsoper) zur Aufführung bringen.


    Zitat

    „… abgesehen von mehr textuellen Bedenken kann ich über das Abstoßende des ganzen Sujets nicht hinaus und kann nur wiederholen: Die Darstellung von Vorgängen, die in das Gebiet der Sexualpathologie gehören, eignet sich nicht für unsere Hofbühne“


    – Dr. Emil Jettel von Ettenach: Schreiben des Hofzensors an Staatsopern-Direktor Gustav Mahler, 31. Oktober 1905[1]


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • 6 Inszenierungen sollen die Hälfte des Münchner Repertoires sein? Ich denke, das ist nicht mal ein Viertel. Und wie ist das Verhältnis bei den Neuinszenierungen?


    In Berlin hat die Deutsche Oper noch einige recht angestaubte Inszenierungen von vorvorgestern im Repertoire, die Staatsoper hat gerade mit der "Tosca" eine der letzten klassischen abgesetzt, an der Komischen Oper gibt es nur das, was man als "Regietheater" bezeichnet (allerdings überzeugende und weniger überzeugende Produktionen). Bei den Neupoduktionen gibt es inzwischen an allen drei Häusern fast ausschließlich Regietheater.


    Es gibt auch nicht nur zwei konträre Richtungen, schwarz-weiß, plus-minus, Regietheater extrem vs. staubig konservativ, sondern es gab und gäbe so viel dazwischen! So ist von Götz Friedrichs Wagner-Zyklus so gar nichts mehr geblieben (der "Ring" soll evtl. 2017 nochmal wiederkommen), während einige weit vor Friedrich herausgebrachte Produktionen immer noch laufen. Mit fehlt zwischen diesen beide skizzierten Extremen ein moderates, verantwortungsvolles Musiktheater, dass die Stücke nicht so zeigt wie vor 50 Jahren, aber eben auch nicht völlig auf den Kopf stellt und nach Belieben ausschlachtet, sondern verantwortungsvoll mit ihnen umgeht. So etwas habe ich in den neunziger Jahren noch häufig erlebt und erlebe es inzwischen leider immer seltener.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • ch auch nicht, aber wo ist der an großen deutschen Opernhäusern zu finden? Die Wiener Staatsoper zählt bekanntlich zu Österreich...


    Auch an den mittleren und kleineren Opernhäusern, wie Mainz, Wiesbaden, Karlsruhe, Heidelberg, Oldenburg, Regensburg, Augsburg, Graz, Klagenfurt usw. ist dieser Mix - der gute Publikumsauslastung garantiert - zu finden. Gralshüter in dieser Richtung sind die Volksoper in Wien und das Gärtnerplatztheater in München. Hier werden sogar häufig Aufführungen in deutscher Sprache geboten. Es gibt sie also noch die Spielplanangebote, die alle ansprechen.
    Übrigens bewegen wir uns mit den Fragestellungen dieses Themas wieder in unsere "unendliche Geschichte" Regietheater versus Traditionstheater hinein. Die Frage wird m. E. in 1000 Diskussionen nicht zu klären sein, weil beide Ansätze ihre Berechtigung haben, ja existenzielle Voraussetzungen für die Weiterentwicklung und den Erhalt de Oper sind. Vielleicht entscheidet die Abstimmung mit den Füßen, was das Publikum wirklich akzeptiert und sehen will. Hier haben Theater, die gekonnt den bereits erwähnten Stilmix bieten, ausgezeichnete Chancen. Also eine Lanze für die Breitenwirkung des Opernschaffens in der sogenannten Provinz, wo oft regielich, ausstattungsmäßig, sängerisch und musikalisch Außerordentliches geboten wird.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Generell wieder zurück zum Thema:
    Immer wieder werden Photos von Darstellern um die Jahrhundertwende herangezogen um zu zeigen, wie lächerlich und dilletantisch damalige Ausstattungen und Kostüme - ja auch Typen waren.
    Darüber liesse sich sehr viel sagen, beispielsweise, daß das Schöheitsideal der damaligen Zeit ein anderes war, daß es keine "Nahaufnahmen im Fernsehen gab, daß die Einfachheit mancher Dekorationen vom Zuschauerraum aus gar nicht wahrnehmbar waren - und dass die Beleuchtung durchaus in der Lage war manche Schwächen zu kaschieren.
    Niemand verlangt, dass man heute die Darsteller mit Hörnerhelm auf die Bühne bringt. Der Hörnerhelm gilt als Erfindung eines Ausstatters von Richard Wagner - was allerdings nur eine Halbwahrheit ist. Es gibt Statuetten, die solche Helme tragen - allerdings handelt es sich vermutlich um Kultgegenstände, keine Abbildung von Kriegern etc...
    Historisch korrekt(er) wären beispielsweise sogenannte Brillenhelme wie der "Vendelhelm" oder der "Gjermundbu-Helm"
    Auch wenn man sie nicht sklavisch genau nachbauen muss (was Ausstatter ohnedies selten taten) so weisen sie dennoch in die richtige Richtung. Wir haben heutzutage -von Ausnahmefällen abgesehen - durchwegs schlankere, wendigere Darsteller zur Verfügung, welche nicht mehr unbewegt an der Rampe singen. (nicht immer zum Vorteil der Stimme - aber das soll ein anderer Thread werden) Die Licht- und Lasertechnik ermöglicht heute nahezu perfekte Illusionen von Stimmungen und Wetterbedingungen. Dazu kommt der mögliche Einsatz von Kunststoffen, sowohl im Bereich der Kostüme, als auch der Requisiten und des Bühnenbildes, welches mit heutigen Mitteln dreidimensional aufgebaut werden kann, weit über gemalte optische Illusionen von Prospekten hinaus.....


    All das könnte höchstauflösend auf Video aufgezeichnet und vermarktet werden - aber man verzichtet darauf.
    Die Illusionsindustrie setzt lieber auf "Mythologie des 20. Jahrhunderts" - weil da nicht Urheberrechte auf den Text bestehen - die man finanziell ausschlachten kann......(?)


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hier die erste Antwort auf die Frage von moderato in Beitrag 4:
    Beispielsweise bei Parsifal war der Bühnenbildner Paul von Joukowsky (1845-1912) Er entwarf 4 der insgesamt 5 Szenenbilder und sämtliche Kostüme. Die Bühnenbilder waren südlich inspiriert.....

    Nicht nur der italienische Einfluß (verursacht durch jene Italienreise, auf der sich Wagner und Joukowsky kennenlernten) sondern auch jener des Historismus ist gut erkennbar.
    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Welch herrliches Bühnenbild, zum Dahinschmelzen. Jedoch spätestens seit Wieland Wagner ist die Bühne entrümpelt. Als ob diese Herrlichkeit je Gerümpel gewesen wäre.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!


  • Schön und gut, aber das ist mal wieder ein Beweis für meine Behauptung: Kein einziger klassischer Wagner darunter. Woran liegt das? ?(

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Wo wir schon bei herrlichen Wagner-Inszenierungen sind, will ich gleich das Paradebeispiel par excellence bringen:


    "Der Ring des Nibelungen" in der Inszenierung von Cosima Wagner, Bühnenbild: Max Brückner, Friedrich Kranich der Ältere, Paul von Joukowsky und Siegfried Wagner, 164 Aufführungen zwischen 1896 und 1931.


    Das Rheingold (1)


    Das Rheingold (2)


    Das Rheingold (3)



    Die Walküre (1)


    Die Walküre (2)


    Die Walküre (3)



    Siegfried (1)


    Siegfried (2)


    Siegfried (3)



    Götterdämmerung (1)


    Götterdämmerung (2)


    Götterdämmerung (3)


    P.S. Um diesen Thread nicht mit großen Bildern zu überlasten, habe ich mir erlaubt, es zu verkleinern. Zum Vergrößern bitte auf das jeweilige Bild klicken.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • Hallo,


    in der Villa Wahnfried war im Keller eine Ausstellung von Bühnenmodellen aus der Cosimazeit bis in die Ära von "Neu-Bayreuth" zu besichtigen.
    Man konnte hier den Übergang vom Kulissentheater des 19. Jahrhunderts zu den praktikablen Bühnenbauten in der Siegfried-Wagner-Zeit und darüber hinaus nachverfolgen.
    Erstaunlich erschien mir die offensichtliche "Modernität" einiger Bühnenbilder selbst aus der Siegfried-Zeit. Die Entwicklung von dreidimensionalen Bühnenbildern ging einher mit der Verbesserung der Lichttechnik bei der Einführung der elektrischen Beleuchtung.
    Gut möglich, daß mancher Stammbesucher den Übergang vom Gaslicht zum elektrischen Licht trotz der größeren gestalterischen Möglichkeiten des letzteren bedauert hat, denn die Wirkung der schwächeren Gasbeleuchtung auf Kostüme und Bühnenprospekte kann man sich heute wohl kaum noch vorstellen, aber es ist sicher, daß die Bühnenausstattung, wie Alfred schon oben angemerkt hat, bei dieser Beleuchtung völlig anders gewirkt hat, als sich in den Daguerrotypien dieser Zeit beurteilen läßt.
    Ich hoffe, daß diese Ausstellung nach der Renovierung des Hauses weiter existieren wird.


    Viele Grüße


    J.Schneider

    "Die Musik steht hinter den Noten" (Gustav Mahler)

  • Erstaunlich erschien mir die offensichtliche "Modernität" einiger Bühnenbilder selbst aus der Siegfried-Zeit.

    Tja, Siegfried Wagner war als Regisseur ein großer Reformator, aber das weiß man heute nicht mehr, wo man denkt, die Regie-Kunst hätte bei Wagner erst mit Wieland begonnen und vorher sei alles nur muffig-staubig-bieder gewesen...
    Selbst auf die "Gralshüterin" Cosima trifft dieses Klischee so als Regisseurin keinesfalls zu.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Zitat
    Und um nur ein Stichwort aufzugreifen: warum die Abneigung gegen sexuelle Handlungen auf der Bühne? In vielen Opern spielen sexuelles Begehren oder sexuelle Gewalt eine nicht unwichtige Rolle, was spricht dagegen, dies auch zu zeigen?

    Zum einen, weil man die Darsteller zu Huren oder Pornodarstellern degradiert. Ich schrieb es schon an anderer Stelle: Man kann einen Mörder spielen ohne einer zu sein. Man hat sich nichts vergeben, Im anderen Falle hat man sich den Zutritt zu den oberen Kreisen der Gesellschaft auf immer verspielt. Anna Moffo ist irgendwann mal nackt aufgetreten - und wurde lebenslänglich dafür "geächtet".

    Ein Schauspieler oder Sänger, der angedeutete (mehr ist es ja nicht) sexuelle Handlungen auf der Bühne vornimmt, wird dadurch degradiert? Mit Verlaub: das ist doch hahnebüchen. Und wenn eine angeblich "obere" Gesellschaft einer Sängerin den Zutritt verweigert, weil sie einmal nackt auf der Bühne stand, ist das ein Armutszeugnis. Mal ganz abgesehen davon, dass die Motivation eines Künstlers wohl kaum darin bestehen sollte, zur High Society zu gehören.



    Bei der Berufswahl "Opernsänger" hat man wohl eher einen Kammersängertitel im Kopf, als eine Karriere als Lustknabe.
    Gustav Mahler wollte die "SALOME" an der Wiener Hofofer (heute Staatsoper) zur Aufführung bringen.

    Zitat
    „… abgesehen von mehr textuellen Bedenken kann ich über das Abstoßende des ganzen Sujets nicht hinaus und kann nur wiederholen: Die Darstellung von Vorgängen, die in das Gebiet der Sexualpathologie gehören, eignet sich nicht für unsere Hofbühne“

    Soll das Urteil eines Hofzensors von 1905 dafür maßgeblich sein, was heute auf unseren Bühnen gezeigt werden darf? Zum Glück haben sich unsere Moralvorstellungen schon weiterentwickelt - sonst wäre uns mit der "Salome" eines der größten Meisterwerke der Operngeschichte bis heute unbekannt. Von "Lulu" ganz zu schweigen.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Nochmal meine Frage: Wieso vergehen sich die Verunstalter primär an Wagner? Ob Rossini, Verdi, Puccini oder Strauss — all jene findet man auch heute noch in werkgetreuen Inszenierungen. Aber wieso ist es fast schon unmöglich, eine Wagner-Oper ohne irgendwelche Verschandelungen zu sehen? Eignet er sich am besten für diese Scharlatane, die sich Regisseure nennen? Ist es bewusste Rache derselben am angeblichen Proto-Nazi Wagner?


    "Das Schlimme ist, dass junge Menschen das sehen und glauben, die klassischen Stücke seien Dreck. Die Stücke sind aber kein Dreck. Sie werden nur falsch aufgeführt."


    Das sagte der Literaturkritiker und bekennende Wagner-Liebhaber Marcel Reich-Ranicki bezogen auf das Regietheater. Ich glaube, dem ist nichts hinzuzufügen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Wer - wie ich - sein Leben lang die wirklich Reichen und Mächtigen als Kunden hatte - der weiß, dass sich in den Ansichten nicht wesentlich viel geändert hat - man spricht es lediglich nicht offen aus...... Daß das Regietheater in Wien vergleichsweise wenig etabliert ist liegt auch ein wenig am gesellschaftlichen Einfluss gewisser Kreise....


    Ich bin gern bereit darüber zu diskutieren - aber stets im entsprechenden Thread.. :hello:


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Nochmal meine Frage: Wieso vergehen sich die Verunstalter primär an Wagner? Ob Rossini, Verdi, Puccini oder Strauss — all jene findet man auch heute noch in werkgetreuen Inszenierungen. Aber wieso ist es fast schon unmöglich, eine Wagner-Oper ohne irgendwelche Verschandelungen zu sehen? Eignet er sich am besten für diese Scharlatane, die sich Regisseure nennen? Ist es bewusste Rache derselben am angeblichen Proto-Nazi Wagner?


    "Das Schlimme ist, dass junge Menschen das sehen und glauben, die klassischen Stücke seien Dreck. Die Stücke sind aber kein Dreck. Sie werden nur falsch aufgeführt."


    Das sagte der Literaturkritiker und bekennende Wagner-Liebhaber Marcel Reich-Ranicki bezogen auf das Regietheater. Ich glaube, dem ist nichts hinzuzufügen.


    Ich lehne die Wortwahl der Frage zwar ab, will sie aber trotzden beantworten: Dass die Stücke von Wagner so viele unterschiedliche Interpretationen und Deutungen in der szenischen Realisierung erfahren, liegt daran, dass sie so unglaublich reich und gehaltvoll sind. "La Boheme" und "Madama Butterfly" sind - mal ganz ehrlich - relativ seichte Liebes- und Leidens-Geschichten (das sage ich, obwohl ich Puccini liebe). Der "Ring" dagegen ist ein wahres Welttheater, in dem so ziemlich alles verhandelt wird. Natürlich bietet ein solches Werk ganz andere Spielräume für unterschiedliche Inszenierungen.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Lieber Bertarido,


    sicher geht es in vielen Opern um Sex und Begehren, aber muss man immer alles so überdeutlich und mit dem Holzhammer, schon an der Grenze zur Pornographie, zeigen. Früher war man da viel geschickter. Ich denke da beispielsweise an das Decamerone. Da geht es in fast allen Geschichten exakt um dasselbe, aber mit wie vielen Metaphern hat Boccaccio des Geschehen umschrieben - und genau das macht den Lesespaß aus. Und ich glaube nicht, dass man zu Boccaccios Zeit prüder war als heute. Man hatte halt mehr Geschmack. Und was sie Nackten angeht:



    Aber das bloße Vorhandsein eines nackten Menschen auf der Bühne schon kritikwürdig zu finden, ohne zu fragen, was denn die Idee dabei ist und ob diese schlüssig ist oder nicht, das leuchtet mir nicht ein.

    Genau das ist der Punkt. Ganz oft hat man leider das Gefühl, dass eben Nackte ohne eine schlüssige Idee auf die Bühne geschickt werden, Hauptsache nackt -ohne Nackte kein modernes Theater.



    Der "Lohengrin" ist kein mittelalterliches Ritter-Märchen, da geht es um zeitlose Fragen wie Treue, Vertrauen, Wahrheit, Sehnsüchte, Träume, gescheiterten Illusionen... Das macht ihn für mich interessant

    Ganz recht! Und warum muss man heute diese zeitlosen Fragen in jedem möglichen und unmöglichen Ambiente stellen nur um Gottes Willen nicht in Form eines mittelalterlichen Märchens? Ich meine, das ist eine Frage der Personenregie und nicht des Ambientes, ganz abgesehen mal von der Tatsache, dass die Sache mit dem Schwan nun mal etwas Märchenhaftes ist und weder im Rattenlabor noch im Banker-, Wirtshaus- oder Klassenzimmermilieu irgendeinen Sinn macht. Ich sehe immer noch das arme gerupfte Vieh im Bräter oder Zinksarg im Bayreuther Rattengrin vor mir - aber du kannst mir sicherlich erklären, was das sollte.
    Übrigens: Zum Rattengrin gibt es einen herrlichen Thread anlässlich der Live-Übertragung aus Bayreuth, wo einige Taminos gleichzeitig geguckt und sich ausgetauscht haben. Falls du Interesse hat, schaust du hier:
    Lohengrin live aus Bayreuth im TV (14. August 2011) - der Live-Diskussionsthread


    Viele Grüße


    Mme. Cortese

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • "La Boheme" und "Madama Butterfly" sind - mal ganz ehrlich - relativ seichte Liebes- und Leidens-Geschichten (das sage ich, obwohl ich Puccini liebe).

    Na, da gibt es aber überreichlich Beispiele, wie man auch Puccini regietheatermäßig verhunzen kann. Begründung meistens: Man will den Kern des Werkes herausschälen. Beispiele findest du zu Hauf in den alten Regietheaterthreads.

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Na, da gibt es aber überreichlich Beispiele, wie man auch Puccini regietheatermäßig verhunzen kann. Begründung meistens: Man will den Kern des Werkes herausschälen. Beispiele findest du zu Hauf in den alten Regietheaterthreads.

    Na, da werde ich mal in diesem Thread nachschauen ;) Ich habe bisher sowohl live als auch auf DVD nur sehr traditionelle Puccini-Inszenierungen gesehen, das modernste war da noch eine Robert Wilson-Insznierung der "Butterfly".

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

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