Durch Entmystifizierung, Entzauberung und Übersetzung in ein bayerisch-dörfliches Milieu versucht der Regisseur Alexander Homocki, "Lohengrin" zu aktualisieren und zu vermenschlichen. Dieses Regiekonzept ist allerdings nur ganz begrenzt gelungen und zum Teil peinlich daneben gegangen. Alle drei Akte spielen in einer Dorfwirtschaft. Wirtshaustische und Stühle sind die wichtigsten Requisiten, die Handlungsablauf und Personenregie bestimmen. Kostüme sind dementsprechend bayerische Trachten, Dirndl, Lederhosen und Hüte mit und ohne Gamsbärte. Schwer zu verdauen ist zum Beispiel Lohengrins Ankunft - obwohl diese dramaturgisch durchaus spannend vorbereitet wird - aber dann liegt der gottgesandte Ritter als hilfloses Bündel gekrümmt in einem Nachthemd auf der Bühne. In den Szenen Ortrud - überzeugend von Michaela Martens gespielt und gesungen und Telramund Wolfgang Koch, der diese wegen ihrer Tessitura gefürchtete Partie fabelhaft mühelos singt und den Charakter des zwischen Kraftprotz und Pantoffelhelden schwankenden Typs eindrucksvoll verkörpert, wird hohe sängerische und darstellerische Intensität erreicht. Die aufgebaute Stimmung wird jedoch durch Kriechszenen und läppisches Versteckspiel unter den Wirtshaustischen zerstört, ja bis ins Lächerliche pervertiert. Der von dieser Komödie am meisten Geschädigte ist die Figur des König Heinrich. Er wird zum Schützenkönig degradiert. Wie soll ein Sänger in diesem Milieu und dieser Verkleidung Autorität und Würde ausstrahlen? Einem Künstler wie Günther Groissböck gelingt es trotz all dieser Handicaps stimmlich besonders durch ausladende, vorbildlich nuancierte Legatobögen zu begeistern. Darstellerisch holt er das Mögliche aus dieser parodierten Figur heraus. Eine feine Leistung! Die großen Pluspunkte dieser Aufführung waren die durchweg glaubhafte, mit leuchtendem Sopran berührende Elsa der Finnin Camilla Nylund und der weltweit gefeierte Vorzeige-Lohengrin Klaus Florian Vogt. Seit ich diesen in Bayreuth erlebte - damals schrieb ich noch von einem "Knabensopran" - hat die wunderschöne Stimme mit ihrem Silberklang noch erheblich an Substanz und markanter männlicher Stärke gewonnen. In Statur, Darstellung und nun auch vollends in Stimme ist Florian Vogt eine Inkarnation des Schwanenritters. Obwohl sich als Höhepunkt der Peinlichkeiten das Brautgemach weitgehend auf Wirtshaustischen abspielte gelang es Nylund und Vogt dennoch in dieser Schlüsselszene romantischen Liebeszauber aufblühen zu lassen. Ein Beispiel dafür, dass herausragende Sängerpersönlichkeiten sich immer behaupten können.
Der mir bis dahin unbekannte Dirigent Mikko Franck überzeugt vom Vorspiel an durch ein straffes Dirigat, indem es ihm gelang, trotz schnell gewählter Tempi alle melodiösen Feinheiten der Lohengrin-Paritur mit dem gut disponierten Orchester und Chor der Wiener Staatsoper oppulent auszuleuchten.
Insgesamt also eine Neuinszenierung, bei der die Konzeption Lohengrin zu entzaubern und dem Publikum menschlich nahezubringen allenfalls in wenigen Szenen geglückt ist. Gerettet wurde diese Aufführung durch hervorragende Sängerschauspieler und ein enthusiastisch spielendes Orchester. Tröstlich ist die Erkenntnis, dass Wagners melodischer Zauber, wenn er durch ein Sängerensemble und Musiker auf diesem Niveau realisiert wird, über jeden Regieunsinn triumphiert.
Herzlichst
Operus