Bohuslav Martinůs "Mirandolina" in München (11.5.2014)

  • Wie es der Zufall (?) so will: die äußerst selten gespielte komische Oper „Mirandolina“ von Bohuslav Martinů hatte in kurzen Abständen gleich zweimal in Deutschland Premiere: am 30.3. am Stadttheater Gießen (die deutsche Erstaufführung der originalen italienischen Sprachfassung), und am 30.4. in einer Einstudierung des Opernstudios der Bayerischen Staatsoper zum ersten Mal in München, und zwar im wunderschönen Cuvilliés-Theater. Gespielt wird hier eine Bearbeitung für Kammerorchester. Ich habe die zweite Münchner Aufführung am gestrigen 11. Mai besucht.


    Die 1953/54 entstandene Oper ist eine Vertonung von Goldonis 1752 uraufgeführter Komödie La Locandiera (Die Wirtin). Die Handlung ist schnell erzählt: der Wirtin Mirandolina wird von zwei adligen Gästen der Hof gemacht, während ein weiterer Gast, der sich als Frauenverächter gebärdende Cavaliere, der schönen Dame gegenüber grob und abweisend ist. Innerhalb eines Tages gelingt es Mirandolina jedoch durch geschickten Einsatz der „Waffen einer Frau“, den Cavaliere unsterblich verliebt in sich zu machen, wodurch er am Ende der Lächerlichkeit preisgegeben wird. Mirandolina entscheidet sich schließlich für ihren natürlich auch in sie verliebten Diener Fabrizio. Nebenrollen nehmen zwei ebenfalls im Wirtshaus nächtigende „Flittchen“ und der Diener des Cavaliere ein.


    Martinů greift hier die Form der Opera buffa auf, ein Mitte des 20. Jahrhunderts nicht zu überbietender Anachronismus. Dazu ein Zitat aus dem lesenswerten Text des Programmbuchs von Wolfgang Rathert: „Auf der einen Seite ist Mirandolina also eine glänzende stilistische Hommage an die untergegangene Opera buffa und beschwört den Geist Mozarts und Rossinis (und auch ein wenig den Smetanas); auf der anderen Seite ist das Dilemma, wie kompositorisch mit dem geschichtlichen Fortschritt umzugehen sei, immer präsent. Im Ergebnis präsentiert sich Mirandolina als ein Als Ob, als eine Fiktion und damit als ein Kommentar zur Geschichte der Oper.“ Und weiter: „Mirandolina [ist] der ebenso virtuose wie vielleicht auch im Innersten verzweifelte Versuch, das mit der Opera buffa verbundene Humanitätsideal in der Zeit eines politisch wie kulturell erkaltenden Zeitalters zu verteidigen.“ Ich denke, diese Beschreibung trifft den Charakter der Oper sehr gut.


    Da ich die Oper gestern zum ersten Mal gehört habe, kann ich zu Fragen der Interpretation nichts beisteuern, die Mitglieder des Bayerischen Staatsorchesters spielten unter der Leitung des jungen Dirigenten Alexander Prior in gewohnter Qualität. Die Sänger des Opernstudios der Bayerischen Staatsoper haben gestern auf durchweg hohem Niveau gesungen. Besonders herausragend war Elsa Benoit in der Titelrolle, die alternierend von ihr und Mária Celeng gesungen wird. Letztere hatte per Los das Glück, die Premiere singen zu dürfen und wurde von der Kritik überschwänglich gelobt. Ich denke, Elsa Benoit hat nicht weniger Lob verdient. Auch der Cavaliere Andrea Borghini hat mich (wie den Rest des Publikums) begeistert. Joshua Stewart, der Conte, war erkältet und hat nur szenisch agiert. Gesungen wurde seine Partie von dem aus Gießen eingeflogenen Eric Laporte, der in der dortigen Produktion die Rolle singt. Die Münchner Abendzeitung schrieb in ihrer Premierenkritik: „Erstaunlich, was in den jungen Sängern so alles steckt, die im Opernalltag des Nationaltheaters eine adelige Waise im "Rosenkavalier" oder den Marullo in Verdis "Rigoletto" aufwerten müssen. Jeder von ihnen hat das Zeug zur Hauptrolle, manche gar das Charisma zum Star.“ Dem kann ich mich ohne Abstriche anschließen.


    Das Regieteam unter Christian Stückl hat die Handlung von einem Wirtshaus des 18. Jahrhunderts in ein modernes asiatisches Luxus-Resort verlegt, die Handlung spielt am Rande des Hotel-Pools. Historisch „korrekt“ zu inszenieren, hätte ich bei diesem Stück, das eben nicht die alten Zeiten (oder Kunstformen) ungebrochen wiederaufleben lassen will, auch abwegig gefunden. Die knallbunten Kulissen und Kostüme treffen den burlesken Charakter des Stücks ganz hervorragend. Die Traditionalisten kann ich dahingehend beruhigen, dass außer dieser „Aktualisierung“ des Stückes keine der von ihnen so ungeliebten Einfälle des Regietheaters zu sehen waren.



    Alles in allem ein vergnüglicher und lohnender Opernabend, der die Gelegenheit bot, eine selten gespielte Perle des Repertoires in einer durchweg gelungenen Aufführung kennen und lieben zu lernen.


    Weitere Termine:


    Samstag, 8. November 2014, 19.00 Uhr
    Montag, 10. November 2014, 19.00 Uhr
    Dienstag, 11. November 2014, 19.00 Uhr
    Mittwoch, 19. November 2014, 19.00 Uhr
    Sonntag, 30. November 2014, 18.00 Uhr
    Dienstag, 2. Dezember 2014, 19.00 Uhr

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Jo, ich war letzte Woche auch drinnen. Über diesen billig-schrillen Klaumauk à la Regietheater-Light sollte man besser den Mantel des Schweigens ausbreiten.

  • Jo, ich war letzte Woche auch drinnen. Über diesen billig-schrillen Klaumauk à la Regietheater-Light sollte man besser den Manten des Schweigens hüllen.


    Ich bitte untertänigst um Verzeihung, dass ich es gewagt habe, zu dieser Aufführung lobende Worte zu finden :hail:

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Ich bitte untertänigst um Verzeihung, dass ich es gewagt habe, zu dieser Aufführung lobende Worte zu finden :hail:


    Dafür warst Du immerhin in der Lage, Deine Sichtweise einigermaßen zu begründen - insofern würde ich sagen 1:0 :hello:

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.