Im großen Saal der Musikhalle spielte das NDR-Sinfonieorchester zunächst die 5. Sinfonie von Beethoven und
anschließend Herzog Blaubarts Burg (Leitung Alan Gilbert). Das Podium war etwas weiter in den Saal gezogen,
um dem Riesenorchester mehr Raum und damit auch mehr durchhörbaren Klang zu geben. Ich gebe es zu,
die Gewalt der Musik blies einem die Ohren weg. Es ist schon ein gewaltiger Unterschied, ob die Musik solch einer
Oper aus dem engen Orchestergraben kommt oder auf der Plattform in einem Konzertsaal ausgebreitet wird.
Als Konzert war es überwältigend, von den dynamischen Abstufungen, von der Durchhörbarkeit der Instrumente
und auch von der Klangschönheit her. Zu leiden hatten die beiden Sänger (Michelle DeYoung und John Relyea).
Sie schlugen sich wacker, soweit ich es beurteilen kann, der Bassbariton vielleicht etwas besser als die
Mezzosopranistin. Vielleicht lag es auch daran, dass ich die Sängerin von meinem Platz in der zweiten Reihe
in der Loge im zweiten Rang nicht sehen konnte. Gegen den gewaltigen Klangrausch des Orchesters zu bestehen,
muss schwer sein. Mit war das schon einmal aufgefallen, als Deborah Voigt in der Laeizhalle den Schlussgesang der
Brünnhilde (Götterdämmerung) vorgetragen hatte (damals kam sie kaum gegen die Hamburger Symphoniker an).
Die Texte der Oper (gesungen wurde auf ungarisch) wurden im Hintergrund auf eine schwarze Projektionsfläche
übertragen, außerdem die Grundzüge der Handlung angedeutet: Judith verlässt Familie und Verlobten, um mit
dem Herzog Blaubart in dessen fensterlosem, feuchten und eiskalten Schloss zu leben, sie will es mit ihrer Liebe
erwärmen. Sie findet sieben verschlossene Türen, die sie geöffnet sehen will (sie will alles von ihrem Mann
erfahren, selbst die tiefsten und dunkelsten Geheimnisse). Nach und nach gibt Blaubart ihr die Schlüssel, zuletzt
immer widerwilliger. Sie findet Folter- und Rüstkammern, Schätze und Zaubergärten, weite Landschaften, einen
Tränensee und zum Schluss, als Judith nach seinen Verflossenen fragt, hinter der 7. Tür drei schöne, in prächtige
Gewänder gekleidet Frauen, die den Morgen, den Mittag und den Abend repräsentieren. Judith vervollständigt
nun das Quartett und zieht als Nacht in das 7. Zimmer. Blaubart bleibt zurück, allein in seinem dunklen, feuchten,
eiskalten Schloss.
Die Musik untermalt, fast impressionistisch, diese Handlung. Vor dem inneren Auge entstehen starke Bilder, so
dass ein Bühnenbild nicht vermisst wird. Um ehrlich zu sein, dieser gewaltige Orchesterklang überspielt alles, ein
fehlendes Bühnenbild und auch die beiden Solisten (ich habe das Stück allerdings auch noch nie in der Oper
aufgeführt gesehen).