Viele Aufnahmen der vokalen Sinfonien von Mahler kranken etwas an der Wortdeutlichkeit. Was da alles zusammen gesungen wird. Mahler, der Perfektionist, der als Direktor der Wiener Staatsoper selbst mit ausgewiesenen Weltstars gegen deren Willen stundenlang an einer einzigen Arie probte, würde sich im Grabe umdrehen. Für mich sind nur solche Aufnahmen akzeptabel, in denen den Worten die gleiche Bedeutung beigemessen wird wie den Noten
Für dieses interessante Thema machen wir mal einen neuen Thread auf, es passte zum dem anderen ("Müssen Sänger schön sein") überhaupt nicht. Ausgangspunkt war mein Hinweis auf Laura Claycomb in der Aufnahme vom Mahlers Vierten unter Michael Tilson-Thomas.
Die amerikanische Sopranistin Laura Claycomb trifft diesen Ton perfekt, ihr Stimme hat sogar ein etwas knabenhaftes Timbre.
Ich habe diesen Satz jetzt noch einmal komplett gehört und muss sagen, man bräuchte ein sehr gutes Ohr, um hier zu hören, dass es sich um eine Nichtmuttersprachlerin handelt. Ich finde ihre Textverständlichkeit hervorragend, was natürlich auch damit zusammenhängen mag, dass sie sich für diese Live-Aufnahme sehr gut vorbereitet hat. Ich habe vier Aufnahmen im Vergleich gehört (falls Du - lieber Rheingold - eine spezielle im Ohr hast, sag wir welche, möglicherweise habe ich sie). Dorothea Röschmann (Harding) singt nicht deutlicher und zelebriert einige Manierismen. Kiri Te Kanawa (Solti) singt eigentlich gut verständlich, aber opfert an einige Stellen die Deutlichkeit dem Gesang. Bei Desi Halban (Walter) hört man deutlich, dass Deutsch nicht Muttersprache ist und ebenso bei Judith Raskin (Szell), beide klingen auch zu reif.
Die interessante Frage ist, ist Muttersprachlichkeit überhaupt Voraussetzung für eine gute Textverständlichkeit? Drei der bedeutendsten und vielleicht auch am besten zu verstehenden Mahlersängerinnen des 20. Jahrhunderts kamen aus dem angelsächsischen Bereich: Kathleen Ferrier, Janet Baker und Maureen Forrester.